Vorteile und Grenzen der betrieblichen Gesundheitsförderung für ein Unternehmen
Zusammenfassung
Auf den folgenden Seiten werden die einzelnen Nutzenaspekte für Unternehmen ausführlich dargestellt. Diese lassen sich grundsätzlich nach materiellen (monetären) und immateriellen (gesundheitlichen, sozialen) Gesichtspunkten unterscheiden.
Der letzte Abschnitt dieser Arbeit gibt Aufschluss darüber, warum betriebliche Gesundheitsförderung, trotz steigender Verbreitung, in vielen Unternehmen noch nicht das von Experten gewünschte Interesse findet. Es wird aufgezeigt, welche Faktoren die Umsetzung bzw. den Erfolg von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung behindern können.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Nutzen aus Unternehmenssicht
1.1 Materielle Vorteile
1.1.1 Verringerung von Fehlzeiten
1.1.2 Abnahme von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
1.1.3 Einsparungen bei Sozialversicherungsbeiträgen
1.1.4 Abwendung von Rechtsansprüchen
1.1.5 Produktivitätssteigerung
1.1.6 Senkung der Fluktuationsrate
1.2 Immaterielle Vorteile
1.2.1 Mitarbeiterzufriedenheit und Betriebsklima
1.2.2 Imageverbesserung des Unternehmens
2 Grenzen der betrieblichen Gesundheitsförderung
2.1 Begrenzte Einflussmöglichkeiten
2.2 Geringes Interesse seitens der Beschäftigten
2.3 Mangelnde Ressourcen und Kapazitäten
2.4 Interessenskonflikte
3 Gesundheitsförderung – kein Heilmittel
Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)
Einleitung
Gesunde Mitarbeiter führen zu gesunden Unternehmen. [1]
An dieses Motto knüpft die betriebliche Gesundheitsförderung an. Nutzen und Vorteile lassen sich also grundsätzlich aus zwei Blickwinkeln heraus beschreiben – aus der Perspektive der Beschäftigten und der des Unternehmens Zunächst wirken sich gesundheitsfördernde Aktivitäten auf der Mitarbeiterebene aus. Die dadurch erzielten Erfolge beeinflussen wiederum die Unternehmenssituation und werden anhand betriebswirtschaftlicher Größen und sozialer Veränderungen sichtbar. Unternehmen, die sich für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter stark machen, bestätigen den generellen Nutzen solcher Maßnahmen, so die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahre 1996.[2] 70,5% der Betriebe beurteilen den betrieblichen Nutzen mit „sehr groß“ oder „groß“. Der Nutzen für die Mitarbeiter wurde sowohl von der Unternehmensleitung als auch von Mitarbeiterseite als noch positiver bewertet. 75,5% der befragten Betriebe beschrieben diesen mit „sehr groß“ bzw. „groß“ (vgl. Gröben, 2001, S.155).
Auf den folgenden Seiten werden die einzelnen Nutzenaspekte ausführlich dargestellt. Diese lassen sich bei den Unternehmen grundsätzlich nach materiellen (monetären) und immateriellen (gesundheitlichen, sozialen) Gesichtspunkten unterscheiden. Der letzte Abschnitt dieser Arbeit gibt Aufschluss darüber, warum betriebliche Gesundheitsförderung, trotz steigender Verbreitung, in vielen Unternehmen noch nicht das von Experten gewünschte Interesse findet. Es wird aufgezeigt, welche Faktoren die Umsetzung bzw. den Erfolg von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung behindern können.
1 Nutzen aus Unternehmenssicht
Zur Legitimation betrieblicher Gesundheitsförderung bedarf es nicht nur nachweislich positiver Effekte auf der Mitarbeiterebene, sondern mittel- bis langfristig auch betriebswirtschaftliche Erfolge, die zur Wettbewerbsfähigkeit und Existenzsicherung der Unternehmen beitragen. Denn Gesundheitsförderung ist in den Unternehmen keineswegs eine selbstverständliche Aufgabe, da sie im Gegensatz zum rechtlich vorgeschriebenen Arbeitsschutz eine freiwillige Leistung darstellt, die mit der Aufwendung betrieblicher Ressourcen verbunden ist (vgl. Kerkau, 1997, S. 67). Diese sind ökonomisch nur dann vertretbar, wenn ein wirtschaftlicher Nutzen für das Unternehmen erreicht werden kann, denn Unternehmen verfolgen grundsätzlich primär betriebswirtschaftliche Interessen mit dem Ziel, Gewinne zu erwirtschaften. Viele Betriebe haben inzwischen erkannt, dass es für sie grundsätzlich lohnenswert ist, in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu investieren.
Dieses Kapitel zeigt auf, dass Unternehmens- und Gesundheitsziele in keinem Gegensatz zueinander stehen, da Unternehmen von den materiellen und immateriellen Nutzenaspekten der Gesundheitsförderung profitieren können.
1.1 Materielle Vorteile
Im Gegensatz zur mitarbeiterorientierten Perspektive der betrieblichen Gesundheitsförderung, bei der vorwiegend der immaterielle, gesundheitliche Nutzen betont wird, stehen bei den Unternehmen die monetären Aspekte an oberster Stelle. Dies bestätigt auch der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention, Dr. Lümkemann, mit seiner Aussage: „Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz ist keine Incentive-Veranstaltung. Es gibt dafür harte betriebswirtschaftliche Gründe“ (Lümkemann, 2002, S. 71-72).
Der Anreiz eines Betriebes, gesundheitliche Ziele bei der Unternehmensführung einzubeziehen, besteht insbesondere in einer kurz- bis mittelfristigen Kostensenkung im Bereich der Lohnnebenkosten. Gesundheitsfördernde Maßnahmen können einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Reduzierung von Fehlzeiten und Arbeitsunfällen leisten und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens positiv beeinflussen (vgl. Kerkau, 1997, S. 68-69).
Neben diesen Aspekten geht dieses Kapitel auf weitere Kriterien, wie Rechtssicherheit, Produktivität und Fluktuation ein, die ebenfalls im Fokus unternehmerischer Interessen an Gesundheitsförderung stehen.
1.1.1 Verringerung von Fehlzeiten
Die Fehlzeitenreduktion steht bei den Gründen für das Einführen von Gesundheitsförderung neben der Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben an erster Stelle. Weinreich geht sogar davon aus, dass die Senkung der Fehlzeitenquote in nahezu 90% aller realisierten Programme zur betrieblichen Gesundheitsförderung das Hauptmotiv darstellt (vgl. Weinreich/Weigl, 2002, S. 26).
Fehlzeiten im Unternehmen sind definitionsgemäß „[…]solche Ausfallzeiten, an denen der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen abwesend ist“ (Breucker/ Schröer, 1998, S. 2). Sie werden zum einen in den Krankenstand und zum anderen in Absentismus unterschieden und sind auf arbeitsbedingte und/oder vom Arbeitsplatz unabhängige Ursachen zurückzuführen (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Arten von Fehlzeiten und ihre Ursachen, Quelle: Priemuth/Wachter, 2003, S. 36
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Als Krankenstand wird die Abwesenheit vom Arbeitsplatz bezeichnet, die auf eine vom Arzt attestierte Arbeitsunfähigkeit zurückzuführen ist (vgl. Schwenderin, 1997, S. 19). Der Begriff Arbeitsunfähigkeit wird in verschiedenen Gesetzen und staatlichen Vorschriften verwendet, ohne jedoch eindeutig definiert zu sein. Nach Pohen ist derjenige arbeitsunfähig, „[…]der infolge Krankheit nicht oder nur unter der Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seine bisher ausgeübte Erwerbstätigkeit, d. h. seine unmittelbar vor der Erkrankung geleistete Arbeit, zu verrichten“ (Pohen, 1995, S. 17).
Der Krankenstand wird in der Regel als Verhältnis der krankheitsbedingten Fehlzeit zur Sollarbeitszeit in Prozent ausgedrückt und bewegt sich in Deutschland seit Jahren auf einem relativ stabilen Niveau um die 4%.[3]
Auf Personen bezogen bedeutet dies, dass an jedem Kalendertag durchschnittlich vier Prozent der Beschäftigten krankheitsbedingt ausfallen.
Trotz dieser Entwicklung verursachen krankheitsbedingte Fehlzeiten enorme Kosten für die Unternehmen, die sich in zwei Kostengruppen einteilen lassen. Die Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall werden als direkte Kosten bezeichnet. Diese betrugen im Jahr 2001 insgesamt 32,7 Milliarden Euro (vgl. Institut der deutschen Wirtschaft, 2002) und stellen damit eine große finanzielle Belastung für die Unternehmen in Deutschland dar. Hinzu kommen weitere Aufwendungen als Folge von krankheitsbedingten Ausfallzeiten, die als indirekte Kosten bezeichnet werden und hauptsächlich auf zusätzlichen Planungs- und Organisationsaufwand zurückzuführen sind. Hierzu zählen der Aufbau von Personalreserven, das Anfallen von Überstunden und Zusatzschichten sowie die Einstellung und Einarbeitung von Ersatzkräften.
Lieferschwierigkeiten, die auf fehlende Mitarbeiter zurückzuführen sind, können hohe Konventionalstrafen für das Unternehmen zur Folge haben.
Zählt man noch die Gelder für krankheitsbedingte Produktionsausfälle dazu, so belaufen sich die indirekten Kosten auf ungefähr 70 bis 100% der direkten Kosten (vgl. Schwenderin, 1997, S. 101).
In Bezug auf betriebliche Fehlzeiten und ihre finanziellen Folgen darf auch das Absentismus-Problem nicht unerwähnt bleiben. Absentismus wird häufig auch im Zusammenhang mit sog. motivationsbedingten Fehlzeiten verwendet. Er liegt vor, wenn Mitarbeiter Fehlzeiten missbräuchlich in Anspruch nehmen, indem eine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht wird, um dem Arbeitsplatz entschuldigt, jedoch ungerechtfertigt, fernzubleiben (vgl. Schwenderin, 1997, S. 111).
Der Umfang des Missbrauchs liegt nach Schätzungen von Personalverantwortlichen und Führungskräften bei ca. einem Drittel der gemeldeten Arbeitsunfähigkeitsfälle (vgl. Pohen, 1995, S. 25). Die direkten und indirekten Kosten, die den Unternehmen durch Fehlzeiten entstehen, sind demnach zu einem nicht unerheblichen Anteil auf motivations- und einstellungsbedingte Abwesenheiten der Mitarbeiter zurückzuführen. Die besondere Problematik beim Absentismus liegt an den häufig kurzen Fehlzeiten von ein bis drei Tagen. Diese werden bei der Ermittlung der Krankenstände nicht erfasst und berücksichtigt, führen allerdings zu großen Störungen des Betriebsablaufes, da der Einsatz und die Einarbeitung von Ersatzpersonal für wenige Tage betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll und effektiv ist.
In Anbetracht der geschilderten finanziellen Auswirkungen von betrieblichen Fehlzeiten und der permanenten Diskussion um die hohen Lohnnebenkosten am Standort Deutschland wird deutlich, warum der Reduktion von Fehlzeiten höchste Priorität eingeräumt wird. Schließlich kostet jeder Tag, den ein Mitarbeiter fehlt, dem Arbeitgeber zwischen 200 und 400 Euro je nach Branche und Betriebsgröße (vgl. Personal Magazin, 04/2002, S. 28).
Hinzu kommt, dass Deutschland im internationalen Vergleich eine Spitzenposition bei den Ländern mit den höchsten Fehlzeiten einnimmt (vgl. Müller/Osing, 2000, S. 86).
Es darf also angenommen werden, dass Ansätze und Methoden, die zur Verringerung des Krankenstandes einerseits und zur Erhöhung der Motivation der Mitarbeiter andererseits beitragen, in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden.
Die betriebliche Gesundheitsförderung bietet dabei viele Möglichkeiten.
So tragen entsprechende Programme und Maßnahmen dazu bei, die am Arbeitsplatz verursachten Beschwerden und Krankheiten weitestgehend zu vermeiden. Damit ist nicht nur eine Erhöhung der Arbeits- und Lebensqualität für die Mitarbeiter verbunden, sondern auch ein erhebliches Einsparungspotenzial der (Fehlzeiten-) Kosten für die Unternehmen.
Eine Reihe von Studien belegt, dass sich bereits innerhalb von drei bis vier Jahren eine Verringerung der Krankheitskosten verzeichnen lässt und Gesundheitsförderungsprogramme außerdem zu einer nachweislichen Reduktion von Absentismus führen (vgl. Kreis/Bödeker, 2003, S. 33).
Die Ergebnisse einer aktuellen Studie des AOK-Bundesverbandes untermauern ebenfalls den wirtschaftlichen Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung in Bezug auf die Senkung der Krankenstände.[4]
64% der Unternehmen gaben an, einen sehr hohen oder hohen wirtschaftlichen Nutzen bei der Senkung von Entgeltfortzahlung zu erzielen (vgl. AOK-Bundesverband, Stand Januar 2004, S. 25).
Im besonderen Maße gilt dies für Betriebe des produzierenden Gewerbes. So konnte die Degussa AG ihren Krankenstand infolge der Einführung gesundheitsfördernder Maßnahmen um 75% senken.[5] Der Einsatz von luftgekühlten Schutzanzügen für die Arbeiter sowie zahlreiche ergonomische Verbesserungen brachten dem Unternehmen jährliche Einsparungen bei der Lohnfortzahlung in Höhe eines sechsstelligen Betrages (vgl. AOK-Bundesverband, 2004). Andere Quellen gehen davon aus, dass umfassende Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung zur Reduzierung der Fehlzeiten um 12 bis 36% führen (vgl. Techniker Krankenkasse, 2003).
In diesem Zusammenhang darf auch die Senkung der Frühverrentungskosten als Erfolg der betrieblichen Gesundheitspolitik nicht unberücksichtigt bleiben, da sie als ökonomisch und sozialpolitisch kostspieligste Fehlzeitenart zählt. Wenn es aufgrund von Krankheit zu einem vorzeitigen Ausschluss vorwiegend älterer Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben kommt, erhöht dies die Lohnnebenkosten aller Beschäftigten in Deutschland (vgl. Behrens, 2003, S. 115). Da die Kosten der Frühberentung allerdings von allen Betrieben und allen Sozialversicherten getragen werden, wird Frühverrentung in vielen Betrieben gar nicht als (internes) Kostenproblem angesehen.[6]
Betriebliche Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen können langfristig die Reduzierung von chronischen Erkrankungen bewirken, die als Hauptursache der Frühverrentung gelten.
Von besonderer Bedeutung sind die in der Abbildung 2 dargestellten vier Krankheitsgruppen, die in Deutschland zu 78% der Frühberentungen führen (vgl. EU-Osha, Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, 2001, S. 38).
Abb. 2: Rentenzugänge wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach Diagnosegruppen,
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: EU-Osha, Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2002, 2002, S. 38
Der zu verzeichnende Rückgang der Krankheiten des Skeletts, der Muskeln und des Bindegewebes bzw. des Kreislaufsystems als Frühberentungsgrund deutet darauf hin, dass Gesundheitsförderung und präventive Maßnahmen bei der Bekämpfung dieser Volkskrankheiten erfolgreich eingesetzt worden sind.
Trotz dieser positiven Tendenz entstehen der gesetzlichen Rentenversicherung weiterhin steigende Kosten für die Frühberentung.
Ein Grund dafür liegt in dem jährlich sinkenden Zugangsalter der Rentenempfänger.[7] Männer und Frauen, die Rentenzahlungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhalten, sind im Durchschnitt erst 51,1 bzw. 49,5 Jahre alt (vgl. EU-Osha, 2002, S. 38).[8] Diese Zahlen machen deutlich, dass großer Handlungsbedarf besteht und gerade die Unternehmen in der Pflicht sind, diesem Trend mit entsprechenden Maßnahmen entgegenzusteuern und die Gesundheit der Mitarbeiter möglichst lange zu erhalten.
1.1.2 Abnahme von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
Ein weiteres wichtiges ökonomisches Thema in Bezug auf die betrieblichen Vorteile von Gesundheitsförderung ist deren Einfluss auf Arbeits- und Wegeunfälle sowie auf Berufskrankheiten. Diese belasteten die deutschen Unternehmen im Jahr 2000 mit rund 18,93 Milliarden DM für Rehabilitation und Kompensation (vgl. Otten, 2003, S. 281).
„Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, den eine versicherte Person infolge der Ausübung einer versicherten Tätigkeit innerhalb und außerhalb der Arbeitsstätte erleidet[…]“ (Otten, 2003, S. 281).
Im Jahr 2001 waren ca. 4,9% aller Krankmeldungen auf Arbeitsunfälle zurückzuführen und hatten eine Ausfallzeit von durchschnittlich 14,6 Tagen zu Folge (vgl. Hemmer, 2003, S. 44). Damit erhöhen sie die bereits geschilderten direkten und indirekten Kosten der arbeitsbedingten Fehlzeiten. Dasselbe gilt für Wegeunfälle, die der Beschäftigte auf dem Weg zum oder vom Arbeitsplatz weg erleidet. Die Verteilung der Arbeitsunfälle auf die verschiedenen Wirtschaftszweige zeigt, dass die Unfallhäufigkeit im Baugewerbe, in der Metall verarbeitenden Industrie und der Landwirtschaft besonders hoch ist (vgl. EU-Osha, Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, 2001, S. 28).
Die Erfolge des betrieblichen Gesundheitsschutzes spiegeln sich auch in der gesunkenen Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle in den letzten 40 Jahren wider (siehe Abb. 3).
Abb. 3: Meldepflichtige Arbeitsunfälle – absolut und je 1.000 Vollarbeiter, Quelle: EU-Osha, Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2002, 2002, S. 18
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
So wurde im Jahr 2002 mit 36 meldepflichtigen Arbeitsunfällen je 1000 Vollarbeiter der niedrigste Stand seit Bestehen der Bundesrepublik erreicht. Auch die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle verzeichnete im Jahr 2002 mit insgesamt 1071 ihren tiefsten Stand seit 1960 (vgl. EU-Osha, 2002, S. 19). Bei den Wegeunfällen ging die Zahl der (tödlichen) Unfälle ebenfalls zurück.
Um diese Entwicklung fortzusetzen, bieten immer mehr Unternehmen ihren Mitarbeitern spezielle Fahrsicherheitstrainings an. Die Beschäftigten lernen auf diese Weise, in beruflichen oder privaten Risikosituationen im Straßenverkehr besser und schneller zu reagieren (vgl. Otten, 2003, S. 285).
Schwieriger lassen sich die Erfolge der Prävention bei Berufskrankheiten beschreiben. Ein Hauptgrund liegt darin, dass es sich bei vielen Berufskrankheiten um sog. Latenzschäden handelt, also um Erkrankungen, die erst viele Jahre nach der beruflichen Belastung deutlich werden.
Ein Berufskrankheit ist eine „[…]während der Erwerbsarbeit zugezogene arbeitsbedingte Erkrankung, die nach den Erkenntnissen der Wissenschaft durch bestimmte Einwirkungen eindeutig (und nur durch sie) verursacht worden ist“ (Wenchel, 2001, S. 33).
Die Bundesregierung bestimmt per Rechtsverordnung, welche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen sind und veröffentlicht diese jährlich in einer sog. Berufskrankheiten-Liste. Zu den häufigsten anerkannten Berufskrankheiten zählten im Jahr 2002 die Lärmschwerhörigkeit, Asbesterkrankungen („Staublunge“) und Hauterkrankungen (vgl. EU-Osha, 2002, S. 23). Zwar lässt sich seit den 90er Jahren eine langsame Verringerung der anerkannten Berufskrankheiten verzeichnen, doch zeigt die Tatsache, dass mehr Beschäftigte an den Folgen einer Berufskrankheit sterben als an den Auswirkungen eines Arbeitsunfalls (vgl. EU-Osha , Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, 2001, S. 31), dass hier Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung noch intensiver gefordert sind.
Berufskrankheiten können häufig durch einfache betriebliche Schutz- und Gesundheitsmaßnahmen eingedämmt oder sogar verhindert werden. Dies lässt sich am Beispiel der Lärmschwerhörigkeit verdeutlichen. Durch technische Maßnahmen und insbesondere durch persönlichen Gehörschutz lässt sich diese Berufskrankheit zu nahezu 100% vermeiden (vgl. Otten, 2003, S. 285).
Auch durch die (Aus-) Wahl der Arbeitsstoffe kann im Betrieb erheblich zur Reduzierung von Gesundheitsrisiken wie Hauterkrankungen beigetragen werden. So führte die Herabsetzung des Chrom-VI-Anteils im Zement zu einer erheblichen Reduzierung der Hauterkrankungen bei Maurern (vgl. Otten, 2003, S. 285).
1.1.3 Einsparungen bei Sozialversicherungsbeiträgen
Unternehmen, die eine aktive und erfolgreiche Gesundheitspolitik betreiben, tragen langfristig dazu bei, die Sozialversicherungsbeiträge, insbesondere die der Kranken- und Rentenversicherung, zu senken oder zumindest nicht verstärkt durch kranke Mitarbeiter zu belasten. Wenn die Beschäftigten weniger Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen, werden auch die Beitragserhöhungen geringer ausfallen. Expertenschätzungen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2040 die Beitragssätze für die gesetzliche Krankenversicherung von derzeit ca. 14% auf 16 bis 34% steigen werden (vgl. Priester, 2003). Die große Bandbreite macht deutlich, dass durch Prävention und Gesundheitsvorsorge die Kassen der gesetzlichen Krankenkassen geschont werden können und damit auch die Versicherten und die Betriebe in Form von stabilen Beiträgen profitieren.
Ein ähnlicher Effekt ist bei der gesetzlichen Rentenversicherung zu verzeichnen. Je gesünder und leistungsfähiger besonders die älteren Beschäftigten sind, umso länger stehen sie der gesetzlichen Rentenversicherung als Beitragszahler und nicht als Rentenempfänger zur Verfügung (vgl. Badura/ Hehlmann, 2003, S. 4). Dies wirkt sich positiv auf die Höhe der Rentenbeiträge aus, die bei den Sozialversicherungsabgaben den größten Posten einnehmen. Gerade im Hinblick auf die demographische Entwicklung müssen Unternehmen frühzeitig dafür sorgen, dass ihre Beschäftigten durch entsprechende betriebliche Maßnahmen gesünder älter werden.
Neben dieser eher volkswirtschaftlich orientierten Betrachtung, können Unternehmen auch von direkten Einsparungsmöglichkeiten bei den Lohnnebenkosten profitieren, wenn sie mit den Krankenkassen bei Gesundheitsförderungsprogrammen eng zusammenarbeiten. Diese bieten seit dem 1. Januar 2004 im Zuge der Gesundheitsreform sog. Bonusmodelle an, die nicht nur den Versicherten, sondern auch den Arbeitgebern zugute kommen, vorausgesetzt, dass sich die Unternehmen in der betrieblichen Gesundheitsförderung engagieren.
Das Bonusprogramm, das der BKK Bundesverband für seine Mitgliedskassen entwickelt hat, möchte die Betriebe mit gezielten Anreizen motivieren, ihre Anstrengungen in der betrieblichen Gesundheitsförderung weiter zu verstärken. Voraussetzung dafür ist ein Bonusvertrag, der zwischen der BKK und dem Betrieb für mindestens ein Jahr abgeschlossen wird. Außerdem müssen sich mind. 20 Arbeitnehmer, die bei der BKK versichert sind, bereit erklären, an dem Gesundheitsprogramm ihres Arbeitgebers teilzunehmen. Am Ende des Jahres erfolgt die Ermittlung der medizinischen Kosten der teilnehmenden Mitarbeiter. Diese werden dann den Kosten des Vorjahres gegenübergestellt. Sind die Ausgaben der Krankenkassen infolge der betrieblichen Maßnahmen gesunken, werden die Einsparungen zu jeweils 40% an die teilnehmenden Versicherten und Unternehmen in Form einer Sonderprämie ausgezahlt (vgl. BKK, Bonus-Business-Programm für Firmenkunden, 2004).
[...]
[1] Leitmotiv des Europäischen Netzwerks für betriebliche Gesundheitsförderung (siehe dazu auch Kap. 3.3).
[2] Im Rahmen dieser Umfrage wurden 447 Betriebe aus Hessen und Thüringen befragt.
[3] Im Jahr 2003 erreichte der Krankenstand sogar ein Rekordtief von 3,61%. Damit wurde der niedrigste Wert seit Einführung der Lohnfortzahlung im Jahr 1970 erreicht (vgl. Techniker Krankenkasse, 2004).
[4] Die Befragung erfolgte im Sommer 2003. 46 Unternehmen verschiedener Branchen und Größen gaben mittels Fragebogen Auskunft über den wirtschaftlichen Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung.
[5] Die Maßnahmen fanden im Werk Kalscheuren bei Köln statt. Das größte Rußwerk Europas produziert pro Jahr 160.000 Tonnen Ruß für Farbpigmente in Druckfarben, Lacken oder Kunststoffen und für Füll- stoffe (vgl. AOK, Bundesverband, 2004).
[6] Die gesetzliche Rentenversicherung kommt neben der Altersrente auch für alle Rentenzahlungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Berufsunfähigkeit auf.
[7] Dieser Trend ist sowohl für die Altersrente als auch für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit zu verzeichnen.
[8] Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2002.