Der EU-Beitritt Kroatiens. Chancen und Herausforderungen
Eine empirische Studie zwischen gestern und heute
Zusammenfassung
Seit den Wahlen Anfang der 1990 Jahre erklärte Kroatien unabhängig zu sein und seine Souveränität zu erlangen. Auch seinerzeit, in Ex-Jugoslawien, musste Kroatien sich irgendwie zurechtfinden, um im Vielvölkerstaat seine Identität nicht zu verlieren. Nach dem Zusammenbruch Ex-Jugoslawiens kam es gedrungener Weise zu Aufständen, Unruhen und der Aufhetzung der Bevölkerung. Daraufhin folgte der blutige Bürgerkrieg. Nichts war mehr wie es vorher war. Die Menschen wollten frei und unabhängig vom diktatorischen und sozialistischen System sein. Sie träumten von demokratischen Werten, ewigem Frieden und davon, uneingeschränkt reisen zu können. Der lange Kampf der Unabhängigkeit zahlte sich aus.
Nach dem positiven Abschluss der EU-Beitrittsverhandlungen in politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten, den sogenannten ‚Kopenhagener Kriterien‘ steht dem Adria Staat nichts mehr im Weg. Kroatien gehört nun seit dem 01. Juli 2013 zur Gemeinschaft der Europäischen Union.
„Durch Mut, Entschlossenheit und die Verbundenheit
mit den europäischen Werten hat
Kroatien die Folgen des Krieges überwunden
und eine lebendige und reife Demokratie aufgebaut.
Diese Transformation an sich ist eine
starke und inspirierende Botschaft. Kroatiens
Mitgliedschaft wird zweifellos unseren politischen
Raum bereichern, unsere Wirtschaft
stärken, die Vielfalt unserer Kultur erweitern
und die Sicherheit unserer Bürger erhöhen.“
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Einleitung
1.1 Aufbau der Arbeit
1.2 Problemstellung, Forschungsfrage und Hypothesen
1.2.1 Forschungsfrage
1.2.2 Hypothesen
2 Theoretisches Konzept: Luhmann‘s Systemtheorie
3 Begriffsdefinitionen
3.1 Die Europäische Union als Begriff
3.2 Kroate, Kroatien als Begriff
3.3 Kroatiens Identität
4 Kroatiens geographische Lage
4.1 Kroatiens historischer Werdegang
4.1.1 Kroatien als Subsystem Ex-Jugoslawiens
4.1.2 Der Zerfall Ex-Jugoslawiens und der Bürgerkrieg
4.2 Kroatiens Identitätssuche und -findung
4.2.1 Kroatiens Vision eines Selbstbildes
4.2.2 Kroatiens Ökonomische Fakten und Visionen
5 Kroatien heute
5.1 Kroatiens Wirtschaft
5.1.1 Kroatiens Tourismus
5.1.2 Kroatiens Fischerei und Schiffbau
5.2 Kroatiens Arbeitsmarktpolitik
5.3 Kroatien in der Europäischen Union
5.3.1 Die Sprache
5.3.2 Die Währung
5.3.3 Der Schengen-Raum
5.3.4 Kroatiens geopolitische Lage aus dem Blickwinkel der EU
5.3.5 Ökonomische Aspekte für die Mitgliedsstaaten der EU
6 Empirische Sozialforschung
6.1 Qualitatives ExpertInnen- Interview
6.2 Themen auf dem Punkt gebracht
6.2.1 Arbeit und Beschäftigung
6.2.2 Betriebe, Zölle und Beschränkungen
6.2.3 Korruptionsbekämpfung
6.2.4 Transformationsprozesse und Identitätsbewusstsein
6.2.5 Hoffnung und Erwartung der Kroaten
6.2.6 Erwartungen der EU an Kroatien
7 Beantwortung der Forschungsfrage und der Hypothesen
7.1 Forschungsfrage
7.2 Hypothesen
8 Conclusio
9 Quellenverzeichnisse
9.1 Literaturverzeichnis
9.2 Zeitschriftenverzeichnis
9.3 Onlineverzeichnis
9.4 Interviewpartner und sonstige Quellen
9.5 Abbildungsverzeichnis
Vorwort
Am 3. Jänner 1992, mitten im Jugoslawienkrieg, drohte meine Welt auseinander zu brechen. Genau an dem Tag, mitten in der Nacht, wurden meine Geschwister, mein um ein Jahr jüngerer Bruder, meine Zwillingsschwester und ich aufgeweckt und in ein Auto gesetzt. Gemeinsam mit unseren Eltern führte unsere Flucht vor ethnischen Säuberungen ins Ungewisse. Als elfjähriges Kind kamen viele Herausforderungen auf mich zu. Die Tage und besonders die nächsten Jahre, wurden eine schwierige und ungewisse Zukunft, die mit viel Unsicherheit und Angst verbunden war. Die harten Monate des Wartens waren von Heimweh geplagt, doch die Sehnsucht und der Traum von der Rückkehr erfüllten sich nie.
Nach einem sehr mühsamen Weg, herausgerissen aus der Heimat, begann der Prozess des Einlebens in eine neue Heimat, hier in Österreich. Die lange Flucht zerrte an den Kräften, doch wir waren froh, das Geräusch der Bomben und Granaten nicht mehr zu hören. Das Flüchtlingslager in Traiskirchen verlangte viel von einem ab. Man war komplett von der Außenwelt isoliert und fühlte sich wie in einem Gefängnis. Es dauerte sehr lange, bis ich diese traumatischen Erfahrungen einigermaßen verarbeiten konnte. In der Freiheit zu leben war ein Teil der Münze. Der andere Teil auf „meiner Reise“ war der letztlich geglückte Versuch, immer mehr zu geben und härter zu arbeiten, um doch irgendwie von der neuen Gesellschaft akzeptiert zu werden.
Meine Herkunft und meine persönlichen Erfahrungen, sowie der höchst aktuelle EU-Beitritt des Landes Kroatien, führten mich zur Ausarbeitung des nun vorliegenden Themas. Der bilaterale Austausch zwischen Ländern hatte mich schon immer fasziniert und interessiert. Schon seit ich vor 21 Jahren nach Österreich kam, verfolge ich die politischen Prozesse der beiden Länder Kroatien und Österreich. 1995 wurde Österreich in die Europäische Union aufgenommen. Aus dieser Erfahrung heraus kann ich teilweise nachvollziehen, welche Chancen und Herausforderungen auf Kroatien mit dem 1. Juli 2013 zukommen. In gewisser Weise macht es mich stolz, beide Länder zu meiner Heimat zu zählen. Die Entwicklung und die Fortschritte Kroatiens in den letzten Jahren zu sehen und den EU-Beitritt Kroatiens erleben zu dürfen, finde ich sehr spannend. In Österreich bin ich seit fast vier Jahren Mitglied der Österreich-Kroatischen Gesellschaft. Diese setzt sich mit politischen Agenden und der Förderung der Österreichisch-Kroatischen Beziehungen im Bereich Kultur und Wirtschaft auseinander.[1] Sie versucht aber auch, ein besseres Verständnis beider Länder - Österreich und Kroatiens - zu fördern.
Aus persönlichem Interesse habe ich mir in den vergangenen Jahren durch den Besuch vieler Vorträge, Veranstaltungen, Slawistik Vorlesungen an der Universität Wien und Panel Diskussionen ein breites Wissen auf diesem Gebiet und über die Grenzen hinaus, angeeignet.
Es ergibt sich für mich kein besserer Zeitpunkt, gerade dieses Thema in meiner Bachelorarbeit zu erörtern. Sich mit Prozessen, die auf ein Land, welches erst seit Mitte der 1990er Jahre unabhängig ist, auseinander zu setzen, ist wahrlich eine spannende Herausforderung.
1 Einleitung
Das Thema der nun vorliegenden Bachelorarbeit beschäftigt sich mit dem Beitritt Kroatiens in die Europäische Union. Ziel dieser Arbeit ist es, die Chancen und Herausforderungen, die auf ein kleines Land wie Kroatien zukommen, mit Blick auf das Vergangene und Zukünftige zu beleuchten.
Seit den Wahlen Anfang der 1990 Jahre erklärte Kroatien unabhängig zu sein und seine Souveränität zu erlangen. Auch seinerzeit, in Ex-Jugoslawien, musste Kroatien sich irgendwie zurechtfinden, um im Vielvölkerstaat seine Identität nicht zu verlieren. Nach dem Zusammenbruch Ex-Jugoslawiens kam es gedrungener Weise zu Aufständen, Unruhen und der Aufhetzung der Bevölkerung. Daraufhin folgte der blutige Bürgerkrieg. Nichts war mehr wie es vorher war. Die Menschen wollten frei und unabhängig vom diktatorischen und sozialistischen System sein. Sie träumten von demokratischen Werten, ewigem Frieden und davon, uneingeschränkt reisen zu können. Der lange Kampf der Unabhängigkeit zahlte sich aus.
Nach dem positiven Abschluss der EU-Beitrittsverhandlungen in politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten, den sogenannten ‚Kopenhagener Kriterien ‘ steht dem Adria Staat nichts mehr im Weg.[2] Kroatien gehört nun seit dem 01. Juli 2013 zur Gemeinschaft der Europäischen Union.
„Durch Mut, Entschlossenheit und die Verbundenheit
mit den europäischen Werten hat
Kroatien die Folgen des Krieges überwunden
und eine lebendige und reife Demokratie aufgebaut.
Diese Transformation an sich ist eine
starke und inspirierende Botschaft. Kroatiens
Mitgliedschaft wird zweifellos unseren politischen
Raum bereichern, unsere Wirtschaft
stärken, die Vielfalt unserer Kultur erweitern
und die Sicherheit unserer Bürger erhöhen.“ [3]
1.1 Aufbau der Arbeit
In der Einleitung, finden sich der Aufbau der Arbeit, sowie die Problemstellung die zu Forschungsfrage und Hypothese führen. Im Kapitel zwei, wird auf das theoretische Konzept der Systemtheorie Luhmanns eingegangen. Kapitel drei beschäftigt sich in den Begriffsdefinitionen mit den Begriffen der Europäischen Union sowie dem Begriff des Kroaten[4]. Des Weiteren wird auf die Identität Kroatiens eingegangen. Kapitel vier beschäftigt sich mit der geografischen Lage sowie mit dem historischen Werdegang Kroatien als Subsystem Ex-Jugoslawiens sowie dem Zerfall Jugoslawiens und dem Bürgerkrieg. In Kapitel 4.2., finden sich ein Abriss der Identitätssuche zum Selbstbild Kroatiens sowie ökonomische Fakten und Visionen. Im fünften Kapitel werden die Fakten zu Kroatiens Wirtschaft zur Arbeitsmarktpolitik sowie zu Kroatien in der Europäischen Union behandelt.
Im praktischen Teil der vorliegenden Bachelorarbeit wird auf die empirische Sozialforschung eingegangen. Hier finden sich die Qualitativen Experteninterviews zu den Themen, Arbeit und Beschäftigung, Betriebe, Zölle und Beschränkungen, Korruptionsbekämpfungen zur Transformationsprozessen und Identitätsbewusstsein zu Hoffnung und Erwartung der Kroaten, sowie den Erwartungen der EU an Kroatien.
Kapitel sieben schließlich beantwortet die Forschungsfrage und die dazugehörigen Hypothesen. In Kapitel acht findet sich in der Conclusio eine Zusammenfassung der Arbeit sowie ein Ausblich in die Zukunft Kroatiens innerhalb der Europäischen Union.
Ab Kapitel neuen finden sich Quellenverzeichnis mit Literaturverzeichnis, Zeitschriftenverzeichnis, Onlineverzeichnis, InterviewpartnerInnen und sonstige Quellen sowie das Abbildungsverzeichnis. Im Kapitel 10 findet sich im Anhang eine Synopse zu den sechs Interviewfragen der InterviewpartnerInnen.
1.2 Problemstellung, Forschungsfrage und Hypothesen
Innerhalb eines vereinten Europas ist es wichtig, dass Kroatien in die Europäische Gemeinschaft aufgenommen wird, weil es als einzelnes kleines Land nicht überlebensfähig ist. Auch weltpolitisch gesehen ist ein Vereintes Europa viel stärker.
Ausgehend von der historischen Analyse, ergaben sich neue Probleme für das alte wie das junge Kroatien in Bezug auf die Wirtschaft, wobei sich ganz neue Aufgaben stellten. Um den Europäischen Standards zu entsprechen, mussten zum Beispiel die staatlichen Betriebe privatisiert werden. Andererseits fallen nun durch den Beitritt die Ein- und Ausfuhrzölle innerhalb der Europäischen Union, der Kroatien nun angehört, weg. Ein weiterer Effekt ist, dass sich der kroatische Markt für andere EU- Mitgliedsländer öffnet. Ein weiteres Problem ergibt sich für die Nationalwährung Kuna, da schon - wie seinerzeit die Deutsche Mark - der EURO in der Privatwirtschaft als Zahlungsmittel verwendet wird. Ein weiterer großer Vorteil wird sein, dass sich der Zahlungsverkehr für die internationale Geschäftsentwicklung vereinfachen wird. Auch politisch muss sich im Land einiges ändern, wie zum Beispiel die Bekämpfung der Korruption. Auch die Verwaltung muss modernisiert und an die europäischen Standards angepasst werden.
Kroatien wird innerhalb des europäischen Systems versuchen, eine Vorbildfunktion für die restlichen Staaten des ehemaligen Jugoslawiens zu werden. Auch das kroatische Militär wird eine andere Stellung innerhalb der Europäischen Union finden. Wie schon eingangs erwähnt, verändern sich die kroatischen Außengrenzen mit dem EU-Beitritt bezugnehmend auf die Nachbarsstaaten wie Bosnien, die nun zur EU-Außengrenze wurden. Die geografische Lage Kroatiens ist innerhalb der EU essentiell und von geopolitischer Bedeutung. Für den Tourismus ergeben sich Veränderungen, wie zum Beispiel für Länder wie Russland oder die Ukraine. Diese müssen zukünftig Visa bei der Einreise vorweisen. Ein weiterer Punkt ist die Beschäftigungspolitik. Hinkünftig werden Kroaten innerhalb der Europäischen Union Jobs finden.
Nicht zuletzt muss Kroatien innerhalb der Europäischen Union nun seine eigene Identität, sein Selbstbild neu entwickeln bzw. Transformationsprozesse und Identitätsbewusstsein, sowie die Hoffnungen und Erwartungen der Kroaten innerhalb eines vereinten Europas finden.
Aus den angeführten Problemstellungen ergeben sich neue Chancen und Herausforderungen für Kroatien, die zur Bildung der Forschungsfrage und den Hypothesen geführt haben.
1.2.1 Forschungsfrage
Welche Chancen und Herausforderungen entstehen für den Adria-Staat durch den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union?
1.2.2 Hypothesen
Es wird vermutet, dass es der Wirtschaft Kroatiens schaden würde, wäre das Land auch in Zukunft nicht in der Europäischen Union.
Es wird vermutet, dass die Kroaten durch den Beitritt in die Europäische Union nicht nur ihre Identität sondern auch ihre Eigenständigkeit beziehungsweise ihre Selbstbestimmung verlieren werden.
2 Theoretisches Konzept: Luhmann‘s Systemtheorie
Die Systemtheorie von Niklas Luhmann zählt zu den soziologischen Theorien. Gesellschaft wird als umfassendes System beschrieben. Diese Theorie kann im übertragenen Sinn auch je nach Funktionssystem auf unterschiedliche Weise z.B. etwa auf ökonomischer, staatlicher, gesellschaftlicher oder wissenschaftlicher Ebene angewendet werden. Sie legt in diesem Fall den Bezug zwischen System, Subsystem und der Umwelt dar.
Sieht man nun die Europäische Union als System, so sind die jeweiligen Mitgliedsstaaten die Subsysteme. Da die Mitgliedsstaaten jedoch auch eigenständige Staaten bleiben, sind sie gleichzeitig auch selbst als Systeme zu sehen. Alle anderen Staaten der Welt werden ebenfalls als autarke Systeme gesehen. Gleichzeitig sind alle Staaten, die sich außerhalb der Europäischen Union befinden, die Umwelt.
Ausgelegt auf die Systemtheorie Luhmanns ist Kroatien als 28. Mitgliedsland ein weiteres Subsystem, das aus der Umwelt heraustritt und in das System der Europäischen Mitgliedschaft eingegliedert wird. Luhmann differenziert hier zwischen System und Umwelt:
„Der für uns mit der These operativer Geschlossenheit wichtige Punkt besteht darin, dass das System sich mit eigenen Operationen Grenzen zieht, sich von der Umwelt unterscheidet und nur dann und nur so als System beobachtet werden kann.“ [5]
Kroatien stellt sich gleichzeitig als System und als Subsystem dar. Es bleibt zwar in gewissem Sinne System, nämlich ein staatlich autarkes demokratisches System mit eigenem Parlament, eigener Verwaltung und eigenem Militär. Gleichzeitig aber wird es durch den Beitritt in die Europäische Union in ein viel größeres System eingebettet. Durch den Beitritt wird es Teil des Systems der Europäischen Union. Viele verschiedene Teilbereiche innerhalb des Gesamtsystems Kroatiens werden durch den Beitritt des Landes aufeinander abgestimmt. Sie werden sozusagen wechselseitig voneinander abhängig und machen eine tiefgreifende Veränderung durch. Luhmann:
„Ein System muss die Entscheidung darüber selbst herbeiführen, ob es sich im historischen Verlauf in der Veränderung von Strukturen soweit verändert hat, dass es nicht mehr dasselbe ist.“ [6]
Derartige Veränderungen geschehen auch in den verschiedenen Entscheidungen, die alle Mitgliedsstaaten innerhalb der EU treffen, teilweise einstimmig, teilweise mit verschiedenen Mehrheiten wie zum Beispiel bei der Ratifizierung des EU-Vertrages, dem alle Mitgliedsstaaten einheitlich zustimmen müssen. Beim Beitritt Kroatiens ist das Land verpflichtet, Beitrittskriterien einzuhalten.
„Es wird als[o] nicht die Handlung dem Handelnden untergeordnet, sondern der Handelnde der Handlung.“ [7]
Andererseits mussten auch alle anderen Europäischen Mitgliedsstaaten Verträge ratifizieren, um mit dem Beitritt Kroatiens einverstanden sein. Sozusagen wurden in der Peripherie vor allem die kleinsten Mitgliedsstaaten der EU als eigenständige unabhängige Systeme ohne das große System EU weltpolitisch gesehen beachtet.
Für das Überleben Kroatiens mit einer geringen Einwohnerzahl von 4,4 Millionen Menschen wird es von entscheidender Bedeutung sein, sich als Subsystem dieses großen Systems der Europäischen Union in diplomatischen Beziehungen zu beweisen und sich zukünftig bei allen wichtigen Entscheidungen und Prozessen als aktuelles Mitglied der Europäischen Union einzubringen.
3 Begriffsdefinitionen
Eingangs werden die Begriffe „Europäische Union“, die Namensherkunft „Kroatien“ und „Kroatiens Identität“ für die Thematik näher erörtert. Dadurch soll eine thematische Einordnung dargeboten werden, um auch entsprechende Verhältnisbestimmungen des wissenschaftlichen Diskurses zu gewährleisen.
3.1 Die Europäische Union als Begriff
Durch den Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa in den 1990er Jahren zerfiel auch der Staatenbund Jugoslawien. Dadurch veränderten sich auch die Machverhältnisse Europas auf der weltpolitischen Bühne. Durch die Stärkung der Europäischen Union und die Osterweiterung Europas wurde Europa in veränderter Weise erneut zum „Global Player“.
2013 ist die Europäische Union ein Staatenverbund mit 28 Mitgliedsstaaten und über einer halben Milliarde Einwohner. Die EU besteht aus sieben Organen:
- Das Europäische Parlament
- Der Europäische Rat
- Der Rat (Ministerrat)
- Die Europäische Kommission
- Der Europäische Gerichtshof
- Die Europäische Zentralbank[8]
Jede dieser Institution ist für einen bestimmten Bereich innerhalb der Union verantwortlich. Die Europäische Union ist eine eigene Rechtspersönlichkeit und ist bestrebt weitere Mitgliedsstaaten aufzunehmen. Nach Artikel 49 des EU-Vertrags ist es einem Staat möglich, in die Europäische Union aufgenommen zu werden, wenn dieser die Kopenhagener Kriterien erfüllt.[9]
Damit sollen die Stimmigkeit, die Ordnung und die Entscheidungsprozesse zwischen der Europäischen Union und den einzelnen europäischen Mitgliedsstaaten gewährleistet werden.
„Die Europäische Union (EU) wird in zunehmendem Maße auch in weiteren Kreisen der Öffentlichkeit als ein den nationalen Staaten übergeordnetes politisches System wahrgenommen“. [10]
Die erste Gemeinschaftsorganisation der heutigen Europäischen Union entstand kurz nach dem zweiten Weltkrieg in den 1950er Jahren. Um einen dauerhaften Frieden zu gewährleisten, erschien es notwendig, den europäischen Kontinent wirtschaftlich wieder aufzubauen. Die sechs ersten Staaten, die sich wirtschaftlich zusammengeschlossen hatten, waren Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg sowie die Niederlande. Am 18. April 1951 wurde in Paris der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) unterzeichnet.[11] In den darauf folgenden Jahren hat sich die Europäische Union immer mehr und weiter ausgedehnt, denn langfristig sollte hier der Frieden zwischen den einzelnen Staaten gewährleistet werden.
Der ursprüngliche Vertrag erfuhr im Verlauf der Geschichte zahlreiche Veränderungen, wie 1965 der Vertrag von Brüssel, der sogenannte "Fusionsvertrag".[12]
1970 folgte die Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften, 1975 die Änderung der Finanzvorschriften, 1984 der Grönland-Vertrag, 1986 die ‚Einheitliche Europäische Akte‘ und damit die erste große Reform des Vertrages; 1992 wurde mit dem ‚Vertrag von Maastricht‘ ein Vertrag über die Europäische Union geschaffen. Die institutionelle und politische Zusammenarbeit in Außenpolitik, Verteidigung, Polizei und Justiz wurden unter dem Dach der EU zusammengefasst. 1997 erfolgte der ‚Vertrag von Amsterdam‘ und 2001 der ‚Vertrag von Nizza‘. 2007 wurde der ‚Vertrag von Lissabon‘, der ebenfalls umfangreiche Reformen herbeiführte, ratifiziert.[13]
3.2 Kroate, Kroatien als Begriff
Der Name Kroate bedeutet im Slawischen ‚die viel Land einnehmen‘.[14] Woher der Volksname ‚Hrvat‘[15] oder Kroate tatsächlich stammt, gibt es hierfür unterschiedliche Auffassungen und Thesen. Es wird vermutet, dass die Namensdeutung ‚Hrvat‘ keines kroatischen sondern iranischen Ursprungs ist. Anderweitig vermute man, dass diese Volksbezeichnung möglicherweise ein Ehrentitel mit sozialer Bedeutung, der auf dem Gebiet des jetzigen Polens, der Slowakei und Deutschlands zu finden ist, belegt ist.[16]
“Der Name Chrwaty war einigen polabischen Ortschaften eigen, z.B. Chrouuati, bei Dithmar im Jahre 981. Jetzt Korbetha bei Halle; Churbate in einer Urkunde Heinrichs III. von 1055., Grawat in einer Urkunde Heinrichs IV. von 1086., Chruaziss in einer Urkunde Heinrichs II. von 1012., Curewate in der halberstädter Chronik, jetzt das südliche Korbetha an der Saale bei Weissenfels u.a.“ [17]
Solche Namensdeutungen wurden vom 10. bis zum 12. Jahrhundert verwendet. Diese wurden bestimmten Bezirken oder Kirchengemeinden gegeben, wie in diesem Fall:
„Župa Chrouuat bila je dakle u političkom središtu starog rimskoga rimskog Norikuma i sredovječnoga Carantanuma. Po tome su i slavenski žitelji njezini, koji su se bez sumnje zvali Hrvati.” [18]
Die Sprache, die in Kroatien gesprochen wird, heißt ‚hrvatski jezik‘, übersetzt kroatisch. Die kroatische Sprache ist der benachbarten Sprache der Serben und Bosnier nicht nur verwandt sondern sie fand auch als Amtssprache ‚srbskohrvatski‘ also serbokroatisch oder kroatoserbisch ‚hrvatskosrbski‘ zwischen 1954 und 1992 Verwendung. Nach dem Zerfall Jugoslawiens 1992 kam es nicht nur zur territorialen Teilung am Balkan sondern auch die betreffenden Standardsprachen entwickelten sich aus politischen Gründen auseinander. Heute wird die eigenständige Bezeichnung als BKS also Bosnisch, Kroatisch und Serbisch verwendet und in den Schulen unterrichtet.
3.3 Kroatiens Identität
„‘ Ich bin, der ich bin‘: das ist wohl die bekannteste und sicherlich meistbesprochene, dennoch immer noch rätselhaft gebliebene Identitätsformel“. [19]
Der Begriff Identität bezieht sich auf die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen aber auch im weiteren Sinne auf die Entwicklungsstruktur eines Staates. Jeder Mensch unterscheidet sich in seiner Identität und seiner Einzigartigkeit und jeder kann ein eigenes Identitätsempfinden entwickeln.
[...]
[1] Vgl. N.N.: Österreichisch-Kroatische Gesellschaft / Austrijsko-Hrvatsko Drustvo : URL: http://www. oekg.at /home, Zugriff: 14.06.2013.
[2] Vgl. Wailand, Georg / Waldstein, Georg: Dobro dosla Hrvatska! [Willkommen Kroatien!] (2013) In: EURO GEWINN das Wirtschaftsmagazin für ihren persönlichen Vorteil. S. 6
[3] Roucek, Libor (2013): Kroatien in der Europäischen Union. Zusammenwachsen. Neue Möglichkeiten. URL: http://www.croatia-in-the-eu.eu/sites/default/files/content /download/croatie-leaflet-a4-de.pdf Zugriff am 22.07.2013.
[4] ‚Kroaten‘, hiermit bezieht man sich sowohl auf die weibliche als auch männliche kroatische Bevölkerung.
[5] Luhmann, Niklas (2011): Einführung in die Systemtheorie. Funktionalismus der Systemerhaltung S. 89.
[6] Ebd. S. 15.
[7] Ebd. S. 21
[8] Vgl. Trömmel, Ingeborg (2006) (Hrsg.): Das Politische System der EU. Die Strukturen des EU-Systems „schwache“ Institutionen, „starke“ Akteure. S. 53.
[9] Vgl. N.N. Europa: Zusammenfassung der EU-Gesetzgebung. Der Prozess bis zum Beitritt eines neuen Mitgliedsstaates. URL: http://europa.eu/legislation_summaries/enlargement/ongoingenlargement/ l14536 _de.htm. Zugriff am 17.07.2013.
[10] Trömmel, Ingeborg (2006) (Hrsg.): Das Politische System der EU. S. 1.
[11] Vgl. Ebd. S. 15.
[12] Vgl. Europa: Zusammenfassungen der EU-Gesetzgebungen: URL: http://europa.eu/legislation_ summaries/institutional_affairs/treaties/treaties_ecsc_de.htm. Zugriff am 25.07.2013.
[13] Vgl. Ebd.
[14] [Tanja Corkovic: Vorlesung, Grundlagen der Slawistik bei Dr. Anna Kretschmer].
[15] [Tanja Corkovic: Hrvat bedeutet übersetzt „der Kroate“].
[16] Vgl. Klaic, Vjekoslav (1930): Hrvati i Hrvatska. Ime Hrvat u povijesti slavenskih naroda [Kroaten und Kroatien. Der Name Kroate in der Geschichte der slawischen Völker.] S. 71ff.
[17] Ebd. S. 72
[18] Klaic, Vjekoslav (1930): Hrvati i Hrvatska. Ime Hrvat u povijesti slavenskih naroda. [Kroaten und Kroatien. Der Name Kroate in der Geschichte der slawischen Völker.]. S. 17. [Übersetzung Tanja Corkovic: Die Kirchengemeinde, die sich Chrouuat genannt hat, war der politische Austragungsort des alten römischen Norikums und des mittelalterlichen Karantaniens. Doch zu diesem Zeitpunkt wussten auch diese slawischen Einwohner nicht, dass sie Kroaten genannt bzw. bezeichnet wurden.]
[19] Weinrich, Harald (1979): Identität. Identität und Ehre. S. 642.