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Lobbyismus in Deutschland

©2013 Hausarbeit 32 Seiten

Zusammenfassung

Im September 2013 eröffnete der weltweit größte Software-Konzern Microsoft eine Hauptstadtrepräsentanz in Berlin. Einen wesentlichen Bereich nimmt innerhalb der Repräsentanz die Public Affairs Abteilung des Unternehmens ein. Doch was verspricht sich ein Weltunternehmen davon mit einer Public Affairs Abteilung im Politikzentrum vertreten zu sein? Und inwieweit spielt dabei die direkte politische Interessenvertretung also Lobbyismus bzw. Lobbying eine Rolle?
Um diese exemplarische Entwicklung, hinter der ein struktureller sowie personeller Wandel im Lobbyismus steht, näher erklären zu können wird im ersten Teil eine grundlegende Definition der beiden Begriffe Lobbying bzw. Lobbyismus und Public Affairs gegeben. Diese begrifflichen Zuordnungen sowie die einerseits bedeutenden Abgrenzungen und die andererseits partiellen Überschneidungen der beiden Begriffe bilden die Basis und sollen als stabiles Fundament dienen, um im weiteren Verlauf auf den personellen (bezogen auf die drei signifikantesten Akteursfelder) sowie strukturellen Wandel (bezogen auf den Prozess der Professionalisierung und Europäisierung) eingehen zu können. Hierbei ist festzuhalten, dass Lobbying ein Element der Public Affairs darstellt und Public Affairs weitgreifender auch öffentlichkeitsbezogene Inhalte vermittelt und somit oftmals mit Public Relations in Verbindung gebracht wird. Neben den Beschreibungen der beiden Begriffe und ihrer Beziehung zueinander werden weiterhin ihre Funktionen erläutert und es wird ebenfalls auf die Problematik der mangelnden Transparenz und Glaubwürdigkeit eingegangen, auf welches in Kapitel drei spezifischer Bezug genommen wird.
Im Anschluss bildet Abschnitt zwei „Wandel des Lobbyismus“ den Kern dieser Arbeit. Der Wandel des Lobbyismus in allen seinen Dimensionen wird zeitlich oftmals mit dem Regierungswechsel von Bonn nach Berlin verbunden. Es sind Veränderungen im lobbyistischen Akteursfeld, genauer: die „[...] Expansion und Pluralisierung des Systems organisierter Interessen[...]“ , welches als Folge gesellschaftlicher, ökonomischer, politischer und ökologischer Modernisierungsprozesse zu begründen ist, zu beobachten. Dabei haben es traditionelle Verbände zunehmend schwerer die heterogenen Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten und verlieren kontinuierlich an Mitgliedern und somit auch erheblich an Einflusspotenzial.


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Lobbyismus
2.1 Lobbyismus und seine Grenzen
2.2 Lobbyismus als Teil der Public Affairs

3. Wandel des Lobbyismus
3.1 Erosion des Korporatismus: das Problem der Interessenverbände
3.2 Interne Konzernrepräsentanzen im Politikzentrum Berlin
3.3 Auftragslobbying: die externen Lobbying-Dienstleister
3.4 Professionalisierungs- und Europäisierungsprozess

4. Ausblicke und Trends im Lobbyismus
4.1 Exemplarische Entwicklungen im Finanzlobbyismus
4.2 Ansätze zur Regulierung

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im September 2013 eröffnete der weltweit größte Software-Konzern Microsoft eine Hauptstadtrepräsentanz in Berlin. Einen wesentlichen Bereich nimmt innerhalb der Repräsentanz die Public Affairs Abteilung des Unternehmens ein.[1] Doch was verspricht sich ein Weltunternehmen davon mit einer Public Affairs Abteilung im Politikzentrum vertreten zu sein? Und inwieweit spielt dabei die direkte politische Interessenvertretung also Lobbyismus bzw. Lobbying eine Rolle?

Um diese exemplarische Entwicklung, hinter der ein struktureller sowie personeller Wandel im Lobbyismus steht, näher erklären zu können wird im ersten Teil eine grundlegende Definition der beiden Begriffe Lobbying bzw. Lobbyismus und Public Affairs gegeben. Diese begrifflichen Zuordnungen sowie die einerseits bedeutenden Abgrenzungen und die andererseits partiellen Überschneidungen der beiden Begriffe bilden die Basis und sollen als stabiles Fundament dienen, um im weiteren Verlauf auf den personellen (bezogen auf die drei signifikantesten Akteursfelder) sowie strukturellen Wandel (bezogen auf den Prozess der Professionalisierung und Europäisierung) eingehen zu können. Hierbei ist festzuhalten, dass Lobbying ein Element der Public Affairs darstellt und Public Affairs weitgreifender auch öffentlichkeitsbezogene Inhalte vermittelt und somit oftmals mit Public Relations in Verbindung gebracht wird.[2] Neben den Beschreibungen der beiden Begriffe und ihrer Beziehung zueinander werden weiterhin ihre Funktionen erläutert und es wird ebenfalls auf die Problematik der mangelnden Transparenz und Glaubwürdigkeit eingegangen, auf welches in Kapitel drei spezifischer Bezug genommen wird.

Im Anschluss bildet Abschnitt zwei „Wandel des Lobbyismus“ den Kern dieser Arbeit. Der Wandel des Lobbyismus in allen seinen Dimensionen wird zeitlich oftmals mit dem Regierungswechsel von Bonn nach Berlin verbunden. Es sind Veränderungen im lobbyistischen Akteursfeld, genauer: die „[...] Expansion und Pluralisierung des Systems organisierter Interessen[...]“[3], welches als Folge gesellschaftlicher, ökonomischer, politischer und ökologischer Modernisierungsprozesse zu begründen ist, zu beobachten.[4] Dabei haben es traditionelle Verbände zunehmend schwerer die heterogenen Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten und verlieren kontinuierlich an Mitgliedern und somit auch erheblich an Einflusspotenzial. Neben der Akteursgruppe der Verbandslobbyisten sind es Unternehmen mit eigener Hauptstadtrepräsentanz, die die Lobbyarbeit der Unternehmen selbstverantwortlich übernehmen, da sie sich durch diese eine effizientere und effektivere Erreichung der Organisationsziele versprechen.

Des Weiteren haben moderne lobbyistische Akteure, wie zum Beispiel kommerzielle Public Affairs-Agenturen, Rechtsanwaltskanzleien und klassische Unternehmensberatungen an Einfluss gewonnen und übernehmen Teilfunktionen der Verbände.[5]

Ziel des zweiten Kapitels ist es, die Veränderungen politischer Kommunikationsprozesse anhand der drei Akteursfelder zu skizzieren, um die Unterschiede zu veranschaulichen und im Einzelnen Begründungen und Vorteile der Entwicklungen im Kontext diversester Umstrukturierungen aufzuzeigen. Abschließend soll als Ergänzung Bezug auf strukturelle Veränderungen wie Europäisierungs- und Professionalisierungsprozesse genommen werden, da diese ebenfalls als Begründung und Kennzeichen des progressiven Entwicklungsprozesses dienen.

Der letzte Abschnitt soll die Funktion erfüllen anhand des exemplarischen Beispiels der Finanzbranche zu verdeutlichen, welche weiteren Entwicklungen zu beobachten sind und welche Problematiken es oftmals insbesondere gegenüber Finanzlobbyisten gibt. Zum Schluss werden die aktuellen Entwicklungen zu möglichen Regulierungen betrachtet, welche dazu dienen könnten Lobbyisten vom Negativ-Image zu lösen und einen höheren Transparenzgrad zu ermöglichen, durch welchen sich wiederum die Akzeptanz verbessern würde.

2. Lobbyismus

Lobbyismus als wesentlicher Teil der modernen, pluralistischen und industrialisierten Gesellschaft stellt für den Großteil der Bevölkerung ein schwer zu durchschauendes, abstraktes Themenfeld dar. Existent ist der Begriff und die damit verbundenen Handlungsfelder und Mechanismen nach STRAUCH[6] jedoch schon seit Anbeginn legislativer Strukturen, seit sich Individuen zusammenschließen, um ihre Interessen innerhalb höherer Machtstrukturen durchzusetzen.[7] Ausgangspunkt für alle lobbyistischen Aktivitäten ist demzufolge die „[...] Existenz von Interessen und Interessengruppen“[8], wie es auch LEIF und SPETH konstatieren. Abzuleiten ist der Begriff des Lobbying von der Lobby, zu verstehen als das Vorfeld oder der Vorhof, welches sich in diesem Kontext auf die Politik und Bürokratie bezieht.[9] Dieser Ursprung des Begriffs deutet also auf den vorparlamentarischen Raum hin, in dem sich Lobbyismus vollzieht.

Es ist unter anderem dieser informelle Charakter[10], der Lobbyismus zu einem komplexen und immer wieder diskutierten Gegenstand politischer und gesellschaftlicher Diskurse macht. Durch diesen informellen und sich von der Gesellschaft abgrenzenden Erscheinungsort des Lobbyismus ergibt sich auch die Problematik einer klar differenzierten und eindeutigen Begriffsbestimmung von Lobbyismus: Sichtweisen von Lobby-Praktikern beschreiben den Begriff Lobbyismus, aufgrund ihrer von der Gesellschaft abweichenden Perspektive, anders als es diese und auch die zu beeinflussenden Politikakteure tun. KLEINFELD, ZIMMER und WILLEMS definieren den Begriff Lobbyismus und sein oftmals verwendetes, aus dem anglo-amerikanischen Raum stammendes Synonym Lobbying, folgendermaßen:

„Lobbying oder Lobbyismus bezeichnet die direkten und in der Regel informellen Versuche von Vertretern gesellschaftlicher Interessen, auf die Akteure des politischen Entscheidungsprozesses konkret einzuwirken, um Politikergebnisse in ihrem Sinne zu verändern.“[11]

Basierend auf dieser begrifflichen Definition könnte man konkludieren, dass Lobbyismus „[...] ein elementares politisches Gestaltungsmittel in einer Demokratie“[12] darstellt und ein integraler und legitimer Bestandteil des demokratischen Gesellschaftssystems ist. Diese Hypothese wird jedoch nicht selten dementiert und vielfach kontrovers diskutiert. Wie im Zitat angedeutet sind „Adressaten des Lobbyings [..] alle Arten von Regierungen, die politische Entscheidungen fällen oder beeinflussen können“[13], jedoch auch solche, die mit einer Entscheidungs- oder Verhinderungsmacht ausgestattet sind.[14]

LEIF und SPETH bringen Lobbyismus außerdem mit einer „stillen fünften Gewalt“[15] in Verbindung. Wie diese metaphorische Umschreibung andeutet ist Lobbyismus eine im Hinterhalt nicht öffentlich kontrollierbare Aktivität der Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse und Politikbeschlüsse. Anhand dieser Begriffserklärung ist darauf zu schließen, dass Lobbyismus mit vielen Vorurteilen behaftet ist und oftmals von gesellschaftlichen Gruppierungen als politisches Mysterium angesehen wird. Ob diese Vorurteile gerechtfertigt sind, ist jedoch in allgemeiner, wissenschaftlicher Hinsicht betrachtet nur schwer zu erfassen und lediglich anhand von Einzelfalluntersuchungen falsifizier- bzw. verifizierbar.[16]

Hinzuzufügen ist außerdem die Gegebenheit, dass Lobbyismus kein einseitiger Beeinflussungsprozess von Partikularinteressen ist, sondern als ein Tauschprozess beschrieben werden kann.[17] Politiker sind angesichts der thematischen Komplexität der modernen Gesellschaft darauf angewiesen Wissen eines Sachkundigen einzubeziehen, um politische Entscheidungen auf der Basis detaillierter Informationen sachgerecht treffen zu können.[18] Somit lässt sich festhalten, dass Lobbying die Politik nicht determiniert, sondern diese erst durch das Bereitstellen von Informationen ermöglicht sowie die Politik es den Unternehmen unter der Gewährleistung des Lobbyeinflusses ermöglicht deren Wünsche bzw. Forderungen bei politischen Entscheidungen zu berücksichtigen.

2.1 Lobbyismus und seine Grenzen

Wie im vorigen Abschnitt festgestellt ist es aufgrund der diversen Perspektiven auf den Begriff bzw. auf den Prozess Lobbying nur schwer möglich diesen eindeutig und allgemeingültig zu definieren. Ebenfalls ein Grund für diese Problematik sind die an den Bereich Lobbyismus grenzenden Handlungsfelder wie beispielweise Korruption, Public Relations und Politikberatung, die sich in vielerlei Hinsicht überschneiden. Allgemein gesehen sind sie aber aufgrund der unterschiedlichen Instrumentarien, Absichten und Adressaten voneinander zu differenzieren.

Korruption kann als „Vertrags- bzw. normwidriges Verhalten eines Agenten gegenüber seinem Prinzipal [...] aufgrund der Entgegennahme von Geld oder Sachleistungen durch einen Dritten, der sich davon Vorteile durch den Agenten erhofft“[19], definiert werden. In Bezug auf Lobbyismus muss hier jedoch eine klare Grenze gezogen werden, denn Lobbyismus hat zwar das Ziel Akteure im Hinblick auf politische Entscheidungen zu beeinflussen, dieses aber nicht mit den Mitteln finanzieller Beeinflussungsstrategien oder -methoden zu erreichen.[20]

Paradox erscheint es jedoch in der Hinsicht, dass sich ein Trend etabliert, der eindeutig zeigt, dass Unternehmen und Verbände oftmals über Parteispenden versuchen Einfluss auf Politikbeschlüsse zu nehmen.[21]

Ein weiterer Grenzbereich lobbyistischer Aktivitäten ist der Bereich der Politikberatung, welcher oftmals als Synonym für Lobbying verwendet wird, jedoch ebenfalls durch andere Charakteristika gekennzeichnet ist und somit von dem Begriff Lobbyismus differenziert werden muss. BUSCH-JANSER definiert Politikberatung als jeden Beruf, „[...] der grundsätzlich darauf angelegt ist, der Politik als Ganzes und den Politikern im Speziellen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.“[22] „Gemeinsames Merkmal von Politikberatung und Lobbying dürfte ihre enge Inter­aktion mit politisch-administrativen Ent­scheidungsträgern und die Anbindung an politische Prozesse sein“[23], erklärt SPETH und verweist mit dieser Aussage darauf, dass es ebenso Konvergenzen der beiden Berufsfelder gibt. Ein Unterschied besteht hingegen in der Bedeutungsreichweite der beiden Begriffe. Politikberatung sollte „[...] immer einen Bezug zu einem größeren Ganzen haben [..].“[24] Lobbying hingegen richtet sich in zentrierter Form auf die Vermittlung partikularer also spezieller Interessen. Grund dafür, dass häufig anstatt der Bezeichnung Lobbying Politikberatung verwendet wird, kann die neutralere Konnotation des Begriffs sein, was wiederum darauf schließen lässt, dass Lobbyisten mit vielen Vorurteilen zu kämpfen haben.[25]

2.2 Lobbyismus als Teil der Public Affairs

„Public Affairs [..] ist das strategische Management von Entscheidungsprozessen an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.“[26] Diese, in zahlreichen Kontexten zitierte Definition, lässt jedoch viele Interpretationslücken offen und weist mehrere Überschneidungen zu Public Relations bzw. Öffentlichkeitsarbeit auf. Somit wird der Begriff Public Affairs oftmals analog zu den Begriffen Public Relations und Lobbying verwendet.[27] Dieser sollte jedoch, aufgrund der funktionalen sowie themenspezifischen Unterschiede, als eigenes Tätigkeitsfeld betrachtet werden. Hauptaufgabe der Public Affairs ist es „[...] die Interessen des Unternehmens, seiner Mitarbeiter sowie ihrer Mitglieder direkt und indirekt im politischen Kontext zu vertreten und als Vermittler aufzutreten.“[28] Demzufolge beinhaltet der Begriff eine zweidimensionale Wirkungsabsicht. Einerseits richtet sich Public Affairs auf die strategische Koordinierung der Beziehungsverflechtungen eines Unternehmens mit deren politisch relevanten Anspruchsgruppen, andererseits zielt Public Affairs auch auf die politische Positionierung im gesamtgesellschaftlichen Raum ab.[29] So kann Public Affairs als eine Managementaufgabe von Unternehmen angesehen werden, welche mittels strategischer Kommunikation die externen Beziehungen und die interne Organisationspolitik zu organisieren versucht.

Genauso wie Public Relations umfasst Public Affairs gleichermaßen ein Repertoire an diversen kommunikativen Aktivitäten, welche bezogen auf Public Affairs einerseits indirekt über Meinungsbilder und Medien und andererseits direkt über Lobbying ausgeübt werden.[30] Festhalten lässt sich jedoch in Bezug auf das Aufgabenfeld von Public Affairs, dass es sich aus der „diskreten Interessenrepräsentation in der Politik und aus der Beratung von Politikern und der exportorientierten Öffentlichkeitsarbeit zusammensetzt.“[31]

Ergänzend können zwei zentrale Ziele von Public Affairs zusammengefasst werden, in denen insbesondere die Integrität ökonomischer, gesellschaftlicher und politischer Aspekte aufgegriffen wird. Zum einen wird erläutert, dass Public Affairs „eine Art von Verbesserung des allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Klimas für die Unternehmen durch Beeinflussung von Politik, Meinungsbildern und Öffentlichkeit“[32] anstrebt. Zum anderen besteht die Aufgabe des Public Affairs-Managements in der „Begrenzung negativer Auswirkungen der Aktivitäten einer Regierung in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Angelegenheiten, die das Unternehmen betreffen.“[33]

Ergänzt wird in dieser Sichtweise der Themenaspekt der wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Legitimationsgenerierung, welcher von zentraler Bedeutung für das Public Affairs-Management ist.[34]

Public Affairs bündelt demzufolge mehrere Aktivitäten informeller und formeller, auf die Öffentlichkeit gerichtete sowie an einzelne Politiker adressierte Aufgabenbereiche. Dabei kann Public Affairs als ein aus mehreren Segmenten bestehender Oberbegriff und Lobbying als ein Segment bzw. eine Unterabteilung oder ein Instrument der Public Affairs verstanden werden, welcher dazu dient externe Politikentscheidungen zu beeinflussen, um optimale Rahmenbedingungen für das Unternehmen zu generieren bzw. zu erhalten und die Interessen der unterschiedlichen Akteure sinngemäß zu vertreten.[35]

Anhand der beiden begrifflichen Zuordnungen sowie der erforderlichen Abgrenzungen von Public Affairs und Lobbying und dem veranschaulichtem Verhältnis der beiden Aufgabenfelder zueinander, soll es in dieser Arbeit hauptsächlich um den Teilbereich der Public Affairs gehen, welcher die externe, informelle Interessenvertretung im politischen Raum betrifft.

3. Wandel des Lobbyismus

Strukturelle und funktionale Veränderungen und Entwicklungen im Bereich Lobbyismus sind eng verknüpft mit dem Regierungswechsel von Bonn nach Berlin.[36] Doch kann diese äußere, örtliche Verlagerung des Politikzentrums nicht als einziger Anlass zur Erklärung eines zunehmenden Wandels des Lobbyismus angesehen werden. Auch das lobbyistische Akteursfeld sieht sich in einem steten Wandel. Grob unterteilt werden können die Akteure in Verbandsakteure (einschließlich NGOs), In-House Akteure der absatzorientierten Wirtschaftsunternehmen und das sich stets erweiternde Feld der Auftragslobbyisten des Dienstleistungssektors.[37]

Wie zu Anfang erwähnt gibt es diverse Anlässe, die zum Wandel des Lobbyismus beitragen. Einer dieser Anlässe ist auch der demografisch, sozial-kulturelle Wandel der Gesellschaft, durch welchen sich „neue Interessenkonstellationen“[38] und Restrukturierungs- sowie Reorganisierungstendenzen innerhalb dieser Interessenkonstellationen entwickeln.[39] Außerdem spielt die zunehmende Technologisierung, durch welche neue unternehmerische Profile entstehen, eine wichtige Rolle und wirkt sich auf das Ausmaß lobbyistischer Aktivitäten aus.

Es zeigt sich ein Prozess der pluralistischen Vervielfältigung der Interessenpolitik.[40] Eben dieser Prozess der zunehmenden Vervielfältigung partikularer Interessen mündet in einer Abnahme des Verbandslobbyismus, welcher versucht Interessen zu bündeln und in einer übergeordneten Weise politische Auffassungen und Ansichten zu vertreten, da dieser nicht in der Lage ist punktuell und agil zu reagieren und somit zu einem Bedeutungsgewinn des Lobbying-Dienstleistungs-sektor führt.

Themenschwerpunkt dieses Kapitels ist die Begründung eben dieser Entwicklung und im Spezifischen der Wandel von einem korporatistischen Politikverständnis zu einem pluralistischen, welches die Begründung für den Bedeutungsverlust der Verbandslobbyisten darstellt. Ebenfalls wird Bezug genommen auf die sich erweiternden und professionalisierenden Aktionsfelder der Unternehmensrepräsentanzen und die zunehmende Anzahl an Public Affairs-Dienstleistern, d.h. externen Dienstleistern, welche im Auftrag von Organisationen Lobbying betreiben.

[...]


[1] Vgl. Stüber, Jürgen: Mircrosoft Berlin- Die Hauptstadtrepräsentanz, in: Berliner Morgenpost, 25.6.2013, URL: http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/startups/article117433885/Microsoft-Berlin-Die-Hauptstadtrepraesentanz.html [Stand: 26.1.2014].

[2] Vgl. Schönborn, Gregor (Hrsg.) / Wiesbusch, Dagmar: Public Affairs Agenda. Politikkommunikation als Erfolgsfaktor, Neuwied/Kriftel: Hermann Luchterhandverlag, 2002, S. 71 f.

[3] Sebaldt, Martin / Straßner, Alexander: Verbände in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2004, S. 303.

[4] Vgl. ebd.

[5] Vgl. Burgmer, Inge Maria: Lobbyverbände unter Anpassungsdruck, in: Thomas Leif / Rudolf Speth: Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2003, S. 35.

[6] Anmerkung: Strauch war einer der ersten Wissenschaftler, der sich mit der Lobby-Diskussion beschäftigte und somit als Pionier der Begriffsbestimmung von Lobbyismus angesehen werden kann.

[7] Vgl. Strauch, Manfred: Lobbying. Wirtschaft und Politik im Wechselspiel, Wiesbaden: Gabler, 1993, S. 17.

[8] Leif, Thomas / Speth, Rudolf: Die fünfte Gewalt – Anatomie des Lobbyismus in Deutschland, in: Thomas Leif / Rudolf Speth (Hrsg.): Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006, S. 13.

[9] Vgl. Leif / Speth: 2006, a.a.O., S. 18.

[10] Anmerkung: Informell in diesem Sinne meint nach Leif und Speth, dass für Lobbying keine geregelten Verfahren und Gesetze vorhanden sind und der Prozess der politischen Einflussnahme gesellschaftlicher Akteure abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit stattfindet.

[11] Kleinfeld, Ralf / Zimmer, Anette / Willems, Ulrich (Hrsg.): Lobbyismus und Verbändeforschung: Eine Einleitung, in: Ralf Kleinfeld / Anette Zimmer / Ulrich Willems: Lobbying. Strukturen. Akteure. Strategien, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2007, S. 10.

[12] Leif, Thomas / Speth, Rudolf: Anatomie des Lobbyismus. Einführung in eine unbekannte Sphäre der Macht, in: Thomas Leif / Rudolf Speth (Hrsg.): Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2003, S. 9.

[13] Leif / Speth: 2006, a.a.O., S.13.

[14] Vgl. ebd.

[15] Leif / Speth: 2003, a.a.O., S. 8.

[16] Vgl. Kleinfeld / Zimmer / Willems: 2007, a.a.O., S. 13.

[17] Vgl. Leif / Speth: 2006, a.a.O., S. 16.

[18] Vgl. Piepenbrink, Johannes: Editorial, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, (2010), 19, S. 2.

[19] URL: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/korruption.html [Stand: 19.1.2014].

[20] Vgl. Leif / Speth: 2006, a.a.O., S. 27.

[21] Vgl. hierzu Kapitel 4.1

[22] Busch-Janser, Florian: Politikberatung: Vielfalt mit Anforderungen, in: Florian Busch-Janser / Sandra Gerding / Mario Voigt (Hrsg.): Politikberatung als Beruf, Berlin/München: poli-c-books, 2006, S. 11.

[23] Speth , Rudolf: Das Bezugssystem Politik – Lobby – Öffentlichkeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, (2010), 19, S. 16.

[24] Leif / Speth: 2006, a.a.O., S. 29.

[25] Vgl. Busch-Janser, Florian: Saat und Lobbyismus. Eine Untersuchung der Legitmation und der Instrumente unternehmerischer Einflussnahme, Berlin/München: poli-c books Fachverlag für Politische Kommunikation, 2004, S. 21.

[26] Althaus, Marco: „Public Affairs“, in: Marco Althaus / Michael Geffken / Sven Rawe (Hrsg.): Handlexikon Public Affairs, Münster: Lit Verlag, 2005, S. 262.

[27] Vgl. Röttger, Ulrike / Preusse, Joachim / Schmitt, Jana: Grundlagen der Public Relations. Eine kommu-nikationswissenschaftliche Einführung, Wiesbaden: VS Verlag, 2011, S. 203.

[28] Siedentopp, Jan: Public Affairs-Management von Großunternehmen. Markt versus Nichtmarktstrategien, Berlin: Lit Verlag, 2010, S. 9.

[29] Vgl. Priddat, Birger P./ Speth, Rudolf: Das neue Lobbying von Unternehmen: Public Affairs als Netzwerkeinfluss, in: Birger P. Priddat: Politik unter Einfluss. Netzwerke, Öffentlichkeiten, Beratungen, Lobby, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2009, S. 169.

[30] Vgl. ebd.

[31] Ebd. Zitiert nach: Althaus, Marco: „Public Affairs“, in Marco Althaus / Michael Geffken / Sven Rawe (Hrsg.): Handlexikon Public Affairs, Münster: Lit Verlag, 2005, S. 262.

[32] Ebd. Zitiert nach: Radunski, Peter: Public Affairs als Politikberatung, in: Svenja Falk / Dieter Rehfeld / Andrea Römmele / Martin Thunert (Hrsg.): Handbuch Politikberatung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006, S. 315.

[33] Ebd.

[34] Vgl. Röttger / Preusse / Schmitt: 2011, a.a.O., S. 204.

[35] Vgl. Köppel, Peter: Lobbying als Beruf, in: Florian Busch-Janser / Sandra Gerding / Mario Voigt (Hrsg.): Politikberatung als Beruf, 3. Aufl., Berlin/München: poli-c-books Fachverlag für Politische Kommunikation, 2006, S.71 f.

[36] Vgl. Busch-Janser, Florian: 2004, a.a.O., S. 28.

[37] Vgl. Wehrmann, Iris: Lobbying in Deutschalnd. Begriffe und Trends, in: Ralf Kleinfeld / Annette Zimmer / Ulrich Willems (Hrsg.): Lobbying. Strukturen. Akteure. Strategien, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2007, S. 40.

[38] Leif / Speth: 2003, a.a.O., S. 22 f.

[39] Vgl. Mai, Manfred: Regieren mit organisierten Interessen. Lobbyismus im Wandel, in: Karl-Rudolf Korte / Timo Grunden (Hrsg.): Handbuch Regierungsforschung, Wiesbaden: Springer VS, 2013, S. 307 f.

[40] Vgl. ebd.

Details

Seiten
Jahr
2013
ISBN (eBook)
9783656818144
ISBN (Paperback)
9783656818137
Dateigröße
445 KB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Oktober)
Schlagworte
Lobbyismus Verbände Public Affairs Regulierung Lobbying-Dienstleister Finanzbranche Professionalisierung Kornzernrepräsentanzen Berlin
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Titel: Lobbyismus in Deutschland