Seit jeher bereitet die Abgrenzung des Mittelmeerraums den Wissenschaftlern, die sich daran versuchen, einige Schwierigkeiten. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Vielzahl von unterschiedlichen Definitionen: Wirft man einen Blick in die einschlägige Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, so gewinnt man den Eindruck, es gebe von ihnen ebenso viele wie Autoren, die über diesen Raum schreiben (vgl. etwa Drude 1884 / Walker 1962 / Carrington 1971 / Robinson 1973 / Branigan & Jarrett 1975 / Daget 1977 / Blondel & Aronson 1999). Dies ist zunächst der Tatsache geschuldet, dass im Laufe der Zeit die Konzepte zur Abgrenzung räumlicher Einheiten – hier des Mittelmeerraums – immer wieder Veränderungen erfahren haben. Vor allem aber werden unterschiedliche Konzepte der Abgrenzung zu Grunde gelegt, je nachdem, in welcher Disziplin der jeweilige Autor tätig ist und welchen Aspekt oder welche der Sphären des Raumes er untersucht (vgl. Marquina & Brauch 2001, S. 27). Und nicht zuletzt erschwert die Frage, ob der Mittelmeerraum überhaupt als eine Einheit gesehen werden kann, das Vorgehen. Als Resultat existiert heute keine allgemein anerkannte, omnivalente Definition des Mittelmeerraums (vgl. Marquina & Brauch 2001, S. 25). Die nachstehende Arbeit versucht, vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten einen Überblick über einzelne Möglichkeiten der physisch-geographischen Abgrenzung des Mittelmeerraums und ihre jeweiligen Probleme zu geben.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
0 Eine Anmerkung zur Methodik
1 Einleitung
2 Zum Begriff des Mittelmeers / des Mittelmeerraums
3 Möglichkeiten und Probleme der Abgrenzung des Mittelmeerraums
3.1 Abgrenzung anhand des Klimas
3.2 Abgrenzung anhand der Vegetation
3.3 Abgrenzung anhand des Reliefs
3.4 Abgrenzung anhand des Mittelmeerbeckens selbst
4 Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Der isoklimatische Mittelmeerraum nach Daget
Abbildung 2: Das Mittelmeerklima in der Klassifikation nach Köppen
Abbildung 3: Das Mittelmeerklima in der Klassifikation nach Troll & Paffen
Abbildung 4: Die Verbreitung der Steineiche im Mittelmeerraum
Abbildung 5: Die Verbreitung des Ölbaums im Mittelmeerraum
Abbildung 6: Die Verbreitung mediterran-typischer Eichen- und Kiefernarten im Mittelmeerraum
Abbildung 7: Die bioklimatische Abgrenzung des Mittelmeerraums nach Blondel & Aronson
Abbildung 8: Die Gebirge des Europäischen Mittelmeerraums
Abbildung 9: Die Anrainerstaaten des Mittelmeers
Abbildung 10: Administrative Regionen entlang der Mittelmeerküste
Abbildung 11: Das hydrologische Becken des Mittelmeers
0 Eine Anmerkung zur Methodik
Das Ziel dieser Arbeit ist es, eine Überblicksdarstellung der vielen Möglichkeiten einer Bestimmung und Abgrenzung des Mittelmeerraums zu geben. Einschlägige Ansätze werden daher thematisch geordnet nebeneinandergestellt, aufeinander bezogen und auf ihre Vor- und Nachteile hin kurz diskutiert. Für eine erleichterte Vorstellbarkeit werden dabei die schriftlichen Ausführungen durch zahlreiche Abbildungen ergänzt, um die räumliche Gestalt der einzelnen Definitionen für den Leser zu verdeutlichen.
1 Einleitung
„Physische Geographie des Mittelmeerraums“ – es scheint klar, worum es hier geht: Der Mittelmeerraum soll unter Aspekten und Fragestellungen der physischen Geographie untersucht werden. Doch während Einigkeit darüber herrscht, was die Inhalte der physischen Geographie sind – sie „beschäftigt sich mit den physikalisch-naturgesetzlichen Erscheinungen der verschiedenen Sphären der Erde“ (Glaser & Radtke 2011, S. 227), also der Litho-, Atmo-, Pedo-, Hydro- und Biosphäre – verhält es sich mit dem zu untersuchenden Raum, dem Mittelmeerraum, weit weniger eindeutig. Seit jeher nämlich bereitet die Abgrenzung desselben den Wissenschaftlern, die sich daran versuchen, einige Schwierigkeiten. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Vielzahl von unterschiedlichen Definitionen: Wirft man einen Blick in die einschlägige Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, so gewinnt man den Eindruck, es gebe von ihnen ebenso viele, wie Autoren, die über diesen Raum schreiben (vgl. etwa Drude 1884 / Walker 1962 / Carrington 1971 / Robinson 1973 / Branigan & Jarrett 1975 / Daget 1977 / Blondel & Aronson 1999). Dies ist zunächst der Tatsache geschuldet, dass im Laufe der Zeit die Konzepte zur Abgrenzung räumlicher Einheiten – hier des Mittelmeerraums – immer wieder Veränderungen erfahren haben. Vor allem aber werden unterschiedliche Konzepte der Abgrenzung zu Grunde gelegt, je nachdem, in welcher Disziplin der jeweilige Autor tätig ist und welchen Aspekt oder welche der Sphären des Raumes er untersucht (vgl. Marquina & Brauch 2001, S. 27). Und nicht zuletzt erschwert die Frage, ob der Mittelmeerraum überhaupt als eine Einheit gesehen werden kann, das Vorgehen. Als Resultat existiert heute keine allgemein anerkannte, omnivalente Definition des Mittelmeerraums (vgl. Marquina & Brauch 2001, S. 25). Die nachstehende Arbeit versucht, vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten einen Überblick über einzelne Möglichkeiten der physisch-geographischen Abgrenzung des Mittelmeerraums und ihre jeweiligen Probleme zu geben. Zum besseren Verständnis soll dazu zunächst eine Klärung der Begriffe „Mittelmeer“ und „Mediterran“ folgen.
2 Zum Begriff des Mittelmeers / des Mittelmeerraums
Schon der Begriff „Mittelmeer“ selbst bedarf einer Klärung, denn er wird heute nicht mehr nur als Bezeichnung für das Europa, Asien und Afrika verbindende Meer gebraucht. Nach Hofrichter handelt es sich bei Mittelmeeren um eine Form der Nebenmeere, wenn diese vom Ozean topographisch derart getrennt sind, dass sie „weitgehend von Landmassen eingeschlossen, von untermeerischen Schwellen abgeschnürt und durch schmale Meerengen mit dem Ozean verbunden [sind]“ (Hofrichter 2001, S. 27). Ist das betreffende Meer von den Landmassen eines einzigen Kontinents umschlossen, dann handelt es sich um ein ‚intrakontinentales‘ Mittelmeer, so zum Beispiel das Rote Meer oder die Hudson Bay. Verbindet das Meer aber die Landmassen mehrerer Kontinente miteinander, dann spricht man von einem ‚interkontinentalen‘ Mittelmeer. Zu den letzteren gehört neben dem Antarktischen, dem Australasiatischen und dem Amerikanischen auch das Europäische Mittelmeer, welches für alle Mittelmeere namensgebend war (vgl. Hofrichter 2001, S. 27). Für dieses etablierten sich über die Zeit unterschiedliche Bezeichnungen. So brachte bereits Plinius‘ Bezeichnung Mare internum – das ‚innere Meer‘ – den Aspekt der Umschlossenheit zum Ausdruck. Bei den Römern trug es den Namen Mare nostrum – ‚unser Meer‘ – woraus sich schließlich der treffende Begriff des Mare mediterraneum, also des ‚Meeres zwischen den Ländern‘ oder auch ‚mittelländischen Meeres‘ entwickelte (vgl. Hofrichter 2001, S. 30f / Robinson 1973, S. 1 / Blondel & Aronson, S. 4 / Branigan & Jarrett 1975, S. 3). Diese Bezeichnung ist auch heute noch in vielen Sprachen verbreitet: So wird das Mittelmeer im Spanischen als „mar mediterráneo“ (Rodríguez Martínez 1982, S. 1 et passim) bezeichnet, der Mittelmeerraum heißt im Englischen „The Mediterranean Lands“ (Robinson 1973, S. 1 et passim) und auch im Deutschen spricht man etwa von „mediterranem Klima“ (Hofrichter 2001, S. 32). Doch gerade aus dem weit verbreiteten Begriff ‚mediterran‘ ergibt sich ein weiteres Problem. Dieser kann nämlich im engsten Sinne „das Becken der ehemaligen Tethys, soweit es noch vom Meer gefüllt ist“ (Reisigl 2001, S. 199) meinen, im weitesten Sinne aus klimatologischer Perspektive aber auch den Klimatypus der subtropischen Winterregengebiete, der auf den Westseiten aller fünf Kontinente vertreten ist (vgl. Hofrichter 2001, S. 32, 196 / Müller-Hohenstein 1981, S. 126). Aufgrund der dargelegten Begriffsunschärfen werden für ein eindeutiges Verständnis in dieser Arbeit die Begriffe ‚Mittelmeer‘ und ‚Mittelmeerraum‘ stets in Bezug auf das Europäische Mittelmeer verwendet – dieses müsste korrekterweise als europäisch-asiatisch-afrikanisches Mittelmeer bezeichnet werden, worauf hier der Einfachheit halber verzichtet wird (vgl. Hofrichter 2001, S. 31). Wenn nicht anders angegeben, bezieht sich die Bezeichnung ‚mediterran‘ im weiteren Sinne auf mediterrane Verhältnisse im Allgemeinen, denen das Klima zu Grunde liegt und die damit auch über den europäischen Mittelmeerraum hinausgehend auf anderen Kontinenten vertreten sind.
3 Möglichkeiten und Probleme der Abgrenzung des Mittelmeerraums
Bereits eingangs stellte sich die Frage, inwiefern es möglich sei, den Mittelmeerraum als eine zusammenhängende Gesamtheit aufzufassen, wie es ja durch die zahlreichen Autoren immer wieder versucht wurde. Die Frage ist insofern berechtigt, da selbiger zum Teil nicht unerhebliche Diversität aufweist. Neben einem grundsätzlichen West-Ost- und Nord-Süd-Kontinuum, mit dem sich die naturräumlichen Verhältnisse in Abhängigkeit vom Klima über den Mittelmeerraum hinweg ändern, bestehen in kleinräumlicher Hinsicht auch örtliche Unterschiede in Klima, Vegetation, anthropogener Überprägung etc. (vgl. Wagner 2001, S. 3ff / Hofrichter 2001, S. 30 / King 1997, S. 6ff). Tatsächlich besteht aber ein weitgehender Konsens darüber, dass von einer geographischen Einheit gesprochen werden darf, denn bei einer großräumlichen Betrachtung liegen in allen Teilgebieten des Mittelmeerraums ähnliche physisch-geographische Strukturen vor (vgl. Wagner 2001, S. 1). Es lassen sich mehrere Faktoren identifizieren, die diese weitgehende Unität bedingen: Zunächst sind dies die Tektonik und Reliefentwicklung, weil sie durch die formenden Prozesse entlang der euro-asiatisch-afrikanischen Bruchzone einerseits das Mittelmeerbecken selbst als verbindendes Element der umliegenden Festlandbereiche geschaffen haben und damit zugleich auch die charakteristischen topographischen Strukturen rund um das Becken hervorgerufen haben (vgl. Wagner 2001, S. 4 / King 1997, S. 8 / Robinson 1973, S. 5f). Auch die Vegetation stellt mit ihrer spezifischen, für den Mittelmeerraum kennzeichnenden Zusammensetzung ein wichtiges gemeinsames Merkmal dar (vgl. King 1997, S. 8 / Wagner 2001, S. 3). Als das stärkste vereinheitlichende Element aber gilt das Klima, denn es steht im Allgemeinen hierarchisch an der Spitze der Hauptkomponenten von Ökosystemen. Entsprechend hat das mediterrane Klima auch im Mittelmeerraum die typischen Ausprägungen von Relief, Bodenbildung, Hydrologie, biologischer Zusammensetzung und auch Landnutzung maßgeblich beeinflusst (vgl. Schultz 2008, S. 25 / Hofrichter et al. 2001, S. 105).
3.1 Abgrenzung anhand des Klimas
Somit empfiehlt sich an erster Stelle das Klima als mögliches Kriterium der Abgrenzung des Mittelmeerraums. Generell handelt es sich bei dem mediterranen Klima um ein Übergangsklima zwischen den weiter polwärts gelegenen kalttemperierten und den äquatorwärts vorzufindenden tropischen Klimaten (vgl. Blondel & Aronson 1999, S. 21 / Wagner 2001, S. 3 / Reisigl 2001, S. 196). Dieses Klima zeichnet sich im Allgemeinen durch kühle, feuchte Winter und heiße, trockene Sommer aus (vgl. Robinson 1973, S. 45f / Branigan & Jarrett 1975, S. 31 / Blondel & Aronson 1999, S. 21 / Hofrichter 2001, S. 32 / Wagner 2001, S. 3) und lässt sich je nach Autor unterschiedlich genau charakterisieren. Eine sehr weite Definition stammt von Emberger aus dem Jahr 1930 und wurde später von Daget kartiert. Als einziges Kriterium liegt dieser in Abbildung 1 dargestellten, ‚isoklimatischen‘ Abgrenzung zu Grunde, dass der Sommer die trockenste Jahreszeit ist und dass während dieser Zeit eine Periode effektiver physiologischer Trockenheit vorherrscht (vgl. Blondel & Aronson 1999, S. 16 / Daget 1977, S. 1). Entsprechend groß ist auch das Gebiet, auf das diese Beschreibung zutrifft: Zwischen 8 und 9,5 Mio. km² umfasst hier der Mittelmeerraum und schließt die höchsten Lagen der Gebirge ebenso mit ein wie angrenzende Steppenregionen. So fallen unter Embergers und Dagets Definition auch die zentralasiatischen Steppen bis zum Aralsee und Industal, große Teile der Arabischen Halbinsel und der nördliche Teil der Sahara (vgl. Blondel & Aronson 1999, S. 16 / Reisigl 2001, S. 204).
Abbildung 1: Der isoklimatische Mittelmeerraum nach Daget
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: verändert nach Daget 1977, S. 2.
Eine solche unscharfe Grenzziehung scheint zur Identifikation des Mittelmeerraumes nur wenig zulänglich. Möchte man aber beim Klima als Definitionsgrundlage für den Mittelmeerraum bleiben, dann macht es Sinn, konkretere Parameter als Kriterien für die Abgrenzung heranzuziehen. Orientierung können hierbei auch Klimaklassifikationen geben, die ursprünglich nicht für die Definition des Mittelmeerraumes intendiert waren. So trägt etwa in der effektiven Klimaklassifikation von Wladimir Köppen, die das Klima der Erde zonal zu gliedern versucht, der dem Mittelmeerraum entsprechende Klimatypus die Bezeichnung ‚Csa‘. Für ihn ist festgelegt, dass im kältesten Monat die Temperaturen durchschnittlich nicht unter einen Wert von -3°C fallen, die Trockenzeit in den Sommer der betreffenden Halbkugel fällt und die Temperatur im wärmsten Monat über 22°C beträgt. Wie Abbildung 2 zeigt, ergibt sich daraus ein sehr viel enger begrenzter Raum, als bei Emberger und Daget. Die Nordsahara oder die Arabische Halbinsel etwa lassen sich somit klimatisch aus dem Mittelmeerraum klar ausschließen und auch eine Unterscheidung von den weiteren mediterranen Westseitenklimaten anderer Kontinente – bei Köppen bezeichnet mit ‚Csb‘ – lässt sich vornehmen. Dennoch setzt sich auch hier das ‚Csa‘-Klima nach Osten hin bis weit in den asiatischen Kontinent fort (vgl. Westermann Kartographie 2008, S. 229 / Harding et al. 2009, S. 69).
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