Mehrphasen-Modelle organisationalen Wandels. Klassische Ansätze und die „Theorie U“ im Vergleich
Zusammenfassung
Dem folgt auch der Aufbau der vorliegenden Arbeit: Im Kapitel 4 wird der Begriff des Wandels ausführlich beleuchtet und das Konzept der Veränderungsdynamiken erläutert. Das darauffolgende Kapitel 5 beschäftigt sich eingehend mit der Disziplin des Change Management, ihren Aufgaben, Einsatzgebieten, Chancen und Risiken. Insbesondere auf das Verhältnis zwischen Change Management und (systemischer) Organisationsentwicklung wird hier eingegangen. Im Kapitel 6 werden nun ausgewählte Mehrphasen-Modell des Wandels beschrieben, ihre Charakteristika herausgearbeitet und ihre Ansätze entsprechend gegenübergestellt. Es wird hier auch auf ihre Relevanz für die Praxis, insbesondere im Gesundheitswesen, eingegangen. Das Kapitel 7 widmet sich letztlich der „Theorie U“ von C. Otto Scharmer, die einen alternativen Ansatz zur Beschreibung und Bearbeitung von Veränderungen darstellt. Nach einer Erläuterung des Modells wird dieses mit den zuvor analysierten Mehrphasen-Modellen verglichen. Im abschließenden Kapitel 8 werden daraus Schlussfolgerungen in Hinblick auf das Ziel der vorliegenden Arbeit gezogen und Ansatzpunkte für die weiterführende empirische Master Thesis genannt.
Leseprobe
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Ziel der Arbeit und Forschungsfrage
3. Methode
4. Wandel und Veränderungsdynamiken
4.1 Wandel - Veränderung - Change
4.2 Auslöser für Wandel
4.3 Ansatzpunkte und Aspekte von Wandel
4.4 Veränderungsverläufe und -dynamiken
5. Change Management: Aufgaben und Ansätze
5.1 Change Management - Begriff und Aufgaben
5.2 Change Management als Führungsaufgabe
5.3 Change Management vs. Organisationsentwicklung
6. Phasenmodelle organisationalen Wandels im Überblick
6.1 Einzelne Mehrphasen-Modelle organisationalen Wandelns
6.1.1 Das „Drei-Phasen-Modell der Veränderung“ nach Kurt Lewin
6.1.2 Das „Acht-Schritte-Modell“ des Change nach John P. Kotter
6.1.3 „Sieben-Phasen-Modell“ nach Johannes Steyrer und Wilfried Heupl
6.1.4 Die „Charta des Managements von Veränderungen“
6.2 Zusammenschau klassischer Mehrphasen-Modelle
7. Theorie „U“: Darstellung und Vergleich mit Mehrphasenmodellen
7.1 Die Theorie „U“ im Überblick
7.2 Vergleich mit klassischen Mehrphasenmodellen
7.3 Erkenntnisse für die Anwendung der Theorie „U“ in der Praxis
8. Schlussfolgerungen
9. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Das Change-Modell von Lewin
Abbildung 2: Das ÄAcht-Schritte-Modell“ von Kotter
Abbildung 3: Das Change-Modell von Steyrer und Heupl
Abbildung 4: Die Charta des Managements von Veränderungen nach Doppler/Lauterburg ..
Abbildung 5: Die Theorie U nach C. Otto Scharmer im Überblick
Abbildung 6: Die Theorie U und ihre Praktiken
Abbildung 6: Der Ansatz des Design Thinking
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vergleich klassischer Mehrphasen-Modelle des Wandels
Tabelle 2: Die ÄTheorie U“ im Vergleich mit klassischen Mehrphasen-Modellen
1. Einleitung
Unternehmen und Organisationen sind einem stetigen Wandel unterworfen - vielerorts hört man, dass dieser heute schneller und unübersichtlicher verläuft als noch vor einigen Jahrzehn- ten. Es wird von einer schnelllebigen Zeit gesprochen und davon, dass sich die Welt schneller Ädrehe“ als früher. Tatsächlich haben einige gesellschaftliche und wirtschaftliche Mega- Trends wie etwa die Globalisierung, die Urbanisierung oder die Verbreitung digitaler Infor- mationstechnologien und neuer Medien zu tiefgreifenden Veränderungen geführt, die natür- lich auch an Unternehmen, die in dieser sich wandelnden Welt tätig sind, nicht spurlos vo- rüber gegangen sind (vgl. dazu u.a. Schiersmann & Thiel 2011, Doppler & Lauterburg 2014 sowie Faschingbauer 2010, jeweils in ihren Vorwörtern bzw. Einleitungen). Prof. Dr. Walter Simon hält in seinem Vorwort zu Dieter Hohls (2012, S. 2) Herausgeberwerk ÄChange- Prozesse erfolgreich gestalten“ sogar fest: ÄDer Übergang von der Agrar- zur Industriegesell- schaft war nicht so folgenschwer wie der von der Industriegesellschaft zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft.“
Um weiterhin für Kunden und Geldgeber attraktiv und somit am Markt erfolgreich zu sein, müssen sich Unternehmen laufend den neuen Gegebenheiten anpassen. Aber auch Non-Profit- Organisationen haben sich mit sich stetig ändernden Rahmenbedingungen auseinanderzuset- zen und müssen versuchen, darauf mit adäquaten Veränderungsstrategien zu reagieren. Besonders im Gesundheitswesen wird Wandel auf vielfältige Weise besonders deutlich. Ein nahezu rasanter technologischer Fortschritt, der immer mehr Investitionen in Geräte, Medi- kamente und Infrastruktur veranlasst, sowie ein wachsender Anteil älterer Menschen, die Ge- sundheitsleistungen nachfragen, auf der einen Seite stehen immer knapperen öffentlichen Budgets auf der anderen Seite gegenüber. Darüber hinaus stellen gesellschaftliche Verände- rungen wie die Entwicklung hin zum Ämündigen Patienten“, immer höhere Anforderungen vor allem an die Qualität medizinischer Leistungen, eine intensivere Durchdringung aller Le- bensbereiche durch klassische und moderne Medien, eine immer stärkere ÄVerrechtlichung“ vieler Lebensbereiche sowie eine wachsendes Bewusstsein von Mitarbeiterinnen und Mitar- beitern über ihre persönliche Work-Life-Balance neue Herausforderungen dar, die die Not- wendigkeit für interne Veränderungen in den Gesundheitsunternehmungen merklich erhöhen (vgl. Salfeld et al. 2009).
Die Dynamiken von Veränderungen in Organisationen sind äußerst unterschiedlich. Je nach Intensität entsprechender Außenreize im Sinne neuer Rahmenbedingungen sowie je nach Rei- fegrad bzw. Entwicklungsstand einer Organisation können unterschiedliche Prozesse in Gang oder Maßnahmen gesetzt werden. Gerade im Gesundheitswesen und hier besonders im öffent- lichen Sektor ist das Reagieren auf Veränderungen schwierig, selbst wenn die Notwendigkeit dafür etwa vom Management klar erkannt wurde. Diese Unternehmen sind in einem äußerst Äheiklen“ Umfeld tätig - es geht schließlich um die Gesundheit von Menschen und somit praktisch um Leben und Tod; äußerst viele Stakeholder - z.B. Eigentümer, Medien, Lieferan- ten, die Öffentlichkeit - mit äußerst unterschiedlichen Interessen nehmen Einfluss; im Inneren besteht ein systemimmanentes Spannungsfeld zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen, insbesondere zwischen dem medizinischen und dem kaufmännischen Bereich, für die jeweils unterschiedliche Veränderungen im Äußeren von jeweils höherer Bedeutung sind.
Wenn als Ziel von Organisationsentwicklung (OE) gesehen wird, die Selbstorganisationsfähigkeit der Organisation zu stärken, die wiederum dazu beiträgt, Problemlösungspotenziale einzelner zu heben und die Innovationsfähigkeit der Organisation zu erhöhen, so kommt der OE im Umgang mit und im Gestalten von Veränderungen eine wesentliche Rolle zu (vgl. Schiersmann & Thiel 2011, S. 19). Es ist daher im Interesse der Autorin, selber im Bereich der OE im Krankenhausmanagement tätig, im Rahmen dieser Arbeit, den theoretischen Rahmen für mögliche OE-Interventionen in einem Unternehmen zu beleuchten.
Im Zuge einer Darstellung klassischer Mehrphasen-Modelle des Wandels sollen deren Ansät- ze im Hinblick auf eine ÄDiagnose“ von Veränderungen in einem Unternehmen bzw. einer Organisation auch Hinweise auf entsprechende mögliche Interventionen in der Praxis liefern. Darüber hinaus soll als modernes bzw. alternatives Modell des Wandels die ÄTheorie U“ von C. Otto Scharmer, die die Autorin im Rahmen einer Ausbildung intensiv kennengelernt hat, vorgestellt und mit den klassischen Modellen verglichen werden. Im Sinne eines systemi- schen Organisationsentwicklungsansatzes scheint die ÄTheorie U“ Vorteile in Hinblick auf das Verständnis von und den Umgang mit Veränderungen in Organisationen zu haben. Ziel dieser Projektarbeit ist es also, das theoretische Verständnis für Modelle des Wandels und die ihnen zugrunde liegenden wissenschaftliche Ansätze zu erweitern und zu schärfen sowie daraus Schlüsse auf ihre Stärken und Schwächen in Hinblick auf Einsatzmöglichkeiten in der Praxis zu ziehen. Dies soll in Form einer systematischen Zusammenschau klassischer Mehrphasen-Modelle des Wandels und deren anschließenden Vergleichs mit der bereits er- wähnten ÄTheorie U“ erreicht werden. Diese Arbeit soll dementsprechend auch eine Grundla- ge für eine darauf aufbauende empirische Master Thesis sein, die der Frage nach dem Schei- tern von Veränderungen und dessen Gründen nachgeht.
Dem folgt auch der Aufbau der vorliegenden Arbeit: Im Kapitel 4 wird der Begriff des Wan- dels ausführlich beleuchtet und das Konzept der Veränderungsdynamiken erläutert. Das da- rauffolgende Kapitel 5 beschäftigt sich eingehend mit der Disziplin des Change Management, ihren Aufgaben, Einsatzgebieten, Chancen und Risiken. Insbesondere auf das Verhältnis zwi- schen Change Management und (systemischer) Organisationsentwicklung wird hier einge- gangen. Im Kapitel 6 werden nun ausgewählte Mehrphasen-Modell des Wandels beschrieben, ihre Charakteristika herausgearbeitet und ihre Ansätze entsprechend gegenübergestellt. Es wird hier auch auf ihre Relevanz für die Praxis, insbesondere im Gesundheitswesen, einge- gangen. Das Kapitel 7 widmet sich letztlich der ÄTheorie U“ von C. Otto Scharmer, die einen alternativen Ansatz zur Beschreibung und Bearbeitung von Veränderungen darstellt. Nach einer Erläuterung des Modells wird dieses mit den zuvor analysierten Mehrphasen-Modellen verglichen. Im abschließenden Kapitel 8 werden daraus Schlussfolgerungen in Hinblick auf das Ziel der vorliegenden Arbeit gezogen und Ansatzpunkte für die weiterführende empiri- sche Master Thesis genannt.
2. Ziel der Arbeit und Forschungsfrage
Wandel und Veränderung in Unternehmen und Organisationen sind ein äußerst ergiebiges Forschungsgebiet, allein schon deshalb weil sie ständig stattfinden, weil ihre Erscheinungs- formen vielfältig und ihre Ursachen und Auslöser umso zahlreicher sind. In einer immer komplexeren Welt scheint es daher umso wichtiger, Navigationshilfen durch den unternehme- rischen Alltag zu Hilfe nehmen zu können, um Führungs- und Managementaufgaben gerecht werden zu können.
Wissenschaftliche Modelle, als schematische und weitestgehend allgemeingültige Darstellungen der beobachteten Realität, dienen letztlich der Reduktion von Komplexität. Sie können bzw. sollen helfen, einzelne Fälle in der Praxis theoriegeleitet erklären und bearbeiten zu können. Wenn es beim Führen, Managen und Entwickeln von Organisationen darum geht, Veränderungen wahrzunehmen, zu beurteilen, einzuleiten bzw. zu begleiten, dann kann auch hier der Rückgriff auf theoretische Modelle des Wandels sinnvoll sein.
Gleichzeitig ist bekannt, dass im Bereich der Organisationsentwicklung bzw. des Change Management zahlreiche Modelle entwickelt wurden, die ebenso Veränderungsprozesse als Abfolge definierter Phasen beschreiben und Ansatzpunkte für deren erfolgreiche Durchfüh- rung liefern. Eine erste Literaturrecherche hat gezeigt, dass es unter diesen Modellen durchaus Gemeinsamkeiten, aber auch wesentliche Unterschiede gibt sowie dass auch die als neuartig proklamierte ÄTheorie U“ ihrerseits Parallelen zu diesen Äklassischen“ Modellen aufweist.
Die vorliegende Arbeit hat daher die Aufgabe, diese Thematik systematisch aufzuarbeiten. Ziel ist es, am Ende einerseits einen kompakten Überblick über gängige bzw. klassische Mehrphasen-Modelle des Wandels zu haben und diese mit den Ansätzen der ÄTheorie U“ zu vergleichen. Andererseits soll die vorliegende Arbeit im Ergebnis eine gute theoretische Grundlage für eine anschließende empirische Master Thesis bilden, die einer konkreten Forschungsfrage zum Scheitern von Veränderungsprozessen nachgeht.
Demgemäß können als Ziel dieser Arbeit drei Forschungsfragen formuliert werden:
- Was sind wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede von bzw. zwischen klassi- schen Mehrphasen-Modellen organisationalen Wandels?
- Inwieweit kann die ÄTheorie U“ nach C. Otto Scharmer als Mehrphasenmodell des Wandels betrachtet werden?
- Wie sind demnach ihre Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis, insbesondere im Management von Gesundheitsunternehmen, im Vergleich zu anderen entsprechenden Modellen einzuschätzen?
3. Methode
Ausgehend vom oben formulierten Ziel dieser Arbeit und den Anforderungen des Lehrgan- ges, im Rahmen dessen diese Arbeit verfasst wird, kann an dieser Stelle ausdrücklich festge- halten werden, dass es sich hier um eine rein deskriptive Arbeit handelt. Theoretische Modelle des Wandels in Organisationen werden beschrieben bzw. anschließend miteinander vergli- chen. Es ist vorgesehen, dass im Rahmen einer weiterführenden Ausbildung eine Master The- sis verfasst wird, die auf Grundlage der vorliegenden Projektarbeit und unter Zuhilfenahme empirischer Forschungsmethoden einer hieraus abgeleiteten Forschungsfrage nachgeht.
Für die gegenständliche Arbeit bedeutet dies umso mehr, dass eine gründliche theoriebasierte Beschäftigung mit den klassischen bzw. mit alternativen Mehrphasenmodellen des Wandels geboten ist, um damit eine gute Ausgangslage für die nachfolgende empirische Bearbeitung zu schaffen.
Insofern wird für diese Projektarbeit als Methode die Literaturrecherche angewendet. Dabei wird auf vielfältige Quellen wie Lehr- und Fachbücher, Praxisleitfäden, Artikel in Fachzeit- schriften sowie im Einzelfall auch Internetquellen zurückgegriffen. Diese Literatur wird ent- sprechend ausgewertet und ihre Darstellungen zusammengeführt, so dass eine umfassende Beschreibung und letztlich ein fundierter Vergleich der untersuchten wissenschaftlichen Mo- delle des Wandels sowie daraus abgeleitete Schlussfolgerungen möglich werden.
4. Wandel und Veränderungsdynamiken
Im Rahmen dieses Kapitels werden einige grundlegende Fragen behandelt: Was ist Wandel? Wodurch wird er ausgelöst? Wie äußert er sich in der unternehmerischen Praxis? Im Zuge deren Beantwortung werden für diese Arbeit relevante Begriffe definiert und damit eine Grundlage für nachfolgende Ausführungen gelegt.
4.1 Wandel - Veränderung - Change
In der dieser Arbeit zugrundeliegenden Literatur kommen regelmäßig die drei Begriffe ÄWandel“, ÄVeränderung“ und ÄChange“ zur Anwendung, wenn es darum geht, Prozesse und Phänomene der Entwicklung, Transformation oder Anpassung in Unternehmen und Organisationen zu beschreiben bzw. zu benennen.
Change ist der englische Begriff, der in seiner Übersetzung sowohl Wandel als auch (Ver-) Änderung bedeuten kann. Seine häufige Verwendung rührt letztlich daher, dass im anglo- amerikanischen Raum intensiv zu Themen der Unternehmensführung und -entwicklung ge- forscht und publiziert wird. So haben sich ÄChange“ und ÄChange Management“ auch in der deutschsprachigen Literatur durchgesetzt und werden in der Originalsprache verwendet. Nun stellt sich die Frage, inwiefern ein Unterschied zwischen den Begriffen Wandel und Ver- änderung vorliegt. Wandel, der mit den Worten Wandlung und Verwandlung verwandt ist, hat auf den ersten Blick eine durchaus pathetische Konnotation und scheint der Begriff zu sein, der geeignet ist, größere bzw. umfassende Transformationsprozesse bzw. -phänomene zu be- zeichnen. Eine Veränderung hingegen kann auch von kleinerem Umfang sein, also letztlich eine Umgestaltung beschreiben, die nur in einem Teil eines Unternehmens stattfindet oder nur eine geringere Personenanzahl betrifft. Ein grundlegender Wandel kann wiederum aus einzel- nen Veränderungen bestehen.
Angesichts dessen, dass in der verwendeten Literatur beide Begriffe synonym verwendet werden und auch das gemeinsame englische Pendant einen entsprechenden Hinweis gibt, sollen jedoch für die vorliegende Arbeit Wandel, Veränderung und letztlich Change bedeutungsgleich verwendet und verstanden werden.
4.2 Auslöser für Wandel
ÄDie einzige Konstante im Universum ist die Veränderung“, hielt Heraklit von Ephesos schon im fünften Jahrhundert vor Christus fest. Sein Sinnspruch scheint heute mehr Gültigkeit denn je zu haben. Denn wie schon in der Einleitung erläutert leben wir einer Zeit massiver Verän- derungen. Das bekräftigt auch Heinz Siebenbrock (2012, S. 4f), indem er ausführt: ÄEs scheint sogar, dass sich das Rad, oder besser die Spirale der Entwicklung immer schneller dreht: Die Halbwertszeit [etwa]unseres verwertbaren Wissens, also die Zeit, in der das verfügbare Wissen nur noch halb so viel wert ist, wie heute, nimmt immerzu ab. Gleichzeitig wird Jahr für Jahr mehr Wissen produziert. […] Ob wir wollen oder nicht: Wir müssen mit der Veränderung leben.“
Auch wenn somit stetiger Wandel in Organisationen und Unternehmen allgegenwärtig ist und damit sowohl zu den grundlegenden Rahmenbedingungen als auch zu den zentralen Aufgaben der Organisations- bzw. Unternehmensführung gehört, so können doch für einzelne Veränderungen spezifische Auslöser festgemacht werden. Grundsätzlich kann man hier interne und externe Faktoren unterscheiden.
Kerstin Stolzenberg und Krischan Heberle (2013) nennen lediglich externe Auslöser für Wandel und bezeichnen diese als veränderte Rahmenbedingungen wie etwa globalisierte Märkte, damit verbundene internationale Konkurrenz, wirtschaftliche Krisen, neue Gesetzes- lagen oder Innovationen. Für die Gesundheitsbranche, und hier besonders für den öffentlichen Sektor, werden hierbei besonders gesetzliche Neuerungen sowie technische Innovationen eine Rolle spielen und für Veränderungsdruck in den Unternehmungen sorgen. Die Gesetzgebung etwa ist im Gesundheitswesen äußerst umfangreich und aktuell z.B. aufgrund ethischer oder datenschutzrechtlicher Fragen immer wieder in Diskussion. Medizinischer Fortschritt findet heute hauptsächlich entlang technischer Innovationen statt: neue Geräte, neue Medikamente und damit neue Behandlungsmethoden schaffen gleichermaßen neue Märkte. Auf eine damit bestehende Nachfrage zu reagieren ist angesichts knapper (öffentlicher) Budgets mitunter eine große Herausforderung, wodurch auch hier der Veränderungsdruck auf die Unternehmen - etwa in Hinblick auf Re-Organisation oder Effizienzsteigerung - spürbar wird.
Interne Auslöser können wohl nie völlig entkoppelt von externen Faktoren verstanden werden - sowohl das Unternehmen als auch seine Akteure sind in ein Umfeld eingebettet, dessen Entwicklung und deren Auswirkungen sie sich nicht vollständig entziehen können. Aus der Interaktion mit dem Umfeld werden etwa Wissen und Erfahrungen generiert, die letztlich in als intern wahrgenommene Auslöser des Wandels einfließen können. Wenn Wandel intern also von Faktoren bzw. Akteuren innerhalb des Unternehmens ausgelöst wird, so kann dies etwa im Bereich eines internen Qualitätsmanagements liegen (vgl. dazu u.a. Sommerhoff 2013). Auch andere interne Steuerungsinstrumente wie etwa eine Balanced Scorecard können Schwachstellen aufzeigen und somit Veränderungsprozesse anstoßen. Darüber hinaus kann Wandel ebenso weniger greifbare, gewissermaßen Äweichere“ interne Auslöser haben: Er kann aus den Mitarbeitern und deren sich verändernden Vorstellungen und Überzeugungen entstehen, etwa weil diese im Rahmen von Personal- und Führungskräfteentwicklungen ge- meinsam gewachsen sind oder weil durch die Aufnahme neuer Mitarbeiter neue Ideen, neues Wissen und neue Energie ins Unternehmen bzw. in die Organisation gelangen.
4.3 Ansatzpunkte und Aspekte von Wandel
Ähnlich wie es für organisationalen Wandel unterschiedliche Auslöser gibt, so hat ein jeder Wandel auch unterschiedliche Ansatzpunkte und Aspekte. Stolzenberg und Heberle (2013) halten etwa fest, dass aus ihrer Sicht Veränderungen immer auf einer von drei Ebenen statt- finden bzw. sie stets einer dieser drei Ebenen zugeordnet werden können. Sie unterscheiden hierbei Veränderungen in der Aufbauorganisation, Veränderungen in der Ablauforganisation und Veränderungen im sozialen Gefüge und im persönlichen Arbeitsverhalten. Versteht man Wandel im Sinne der Ausführungen im Kapitel 4.1 als umfassenden Vorgang im Unterneh- men, so ist jedenfalls davon auszugehen, dass er letztlich immer alle drei Ebenen berührt. Denn an sich wird jede wesentliche Veränderung in der Aufbauorganisation auch dazu führen, dass Ablaufprozesse angepasst werden müssen oder sich Mitarbeiter in ihrem sozialen Gefüge neu orientieren müssen. Um einen Veränderungsprozess einordnen und auch entsprechend steuern zu können, ist es jedoch sinnvoll, Klarheit darüber zu haben, auf welcher Ebene er ansetzt bzw. auf welcher Ebene er initiiert wird und auf welchen weiteren Ebenen darauf auf- bauende Anpassungen vorgenommen werden müssen.
Stephan Kaiser et al. (2014) stellen in einem aktuellen Artikel - orientiert am Archetypen- Modell - ebenfalls drei Ebenen des Wandels dar. Sie unterscheiden ihrerseits das interpretati- ve Schema einer Organisation als das implizite Idealbild der Organisationsmitglieder über ihre Organisation, die Managementsysteme, also operative, finanzielle und strategische Steue- rungsinstrumente, sowie die Organisationsstruktur als Gesamtheit der hierarchischen Struktu- ren und der internen Aufgabendifferenzierung. Das Zusammenspiel dieser drei Elemente macht den Archetyp des jeweiligen Unternehmens bzw. der Organisation aus. Ausgehend von der Annahme, dass diese drei Elemente ständig nach Kohärenz streben, beobachten Stephan Kaiser und seine Co-Autoren jedoch, dass sich die interpretativen Schemata, die Manage- mentsysteme und Organisationsstrukturen regelmäßig in unterschiedlichen Geschwindigkei- ten entwickeln. Insofern ist auch hier ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen allen drei Elementen gegeben, im Rahmen der Steuerung von Veränderungsprozessen ist es ebenfalls notwendig zu verstehen, welches der Elemente - nach Meinung von Stephan Kaiser et al. sind dies zumeist die interpretativen Schemata - Treiber des Wandels ist und welche Elemente somit ihrerseits mit Veränderungen darauf reagieren werden.
Veränderungen spielen sich also parallel oder nacheinander auf unterschiedlichen Ebenen bzw. in unterschiedlichen Teilen einer Organisation oder eines Unternehmens statt. Eine jede solche Veränderung hat zumindest zwei Aspekte, die zu unterscheiden beim modellhaften Beschreiben von Veränderungsvorgängen sinnvoll erscheint. Im Vorwort zu Dieter Hohls (2012) Werk ÄChange-Prozesse erfolgreich gestalten“ spricht Prof. Walter Simon von zwei Aspekten, die er als das Was und das Wie bezeichnet. Auf der Seite des Was steht der inhaltli- che bzw. konzeptionelle Aspekt einer Veränderung, im Rahmen dessen sich eine Organisation für ein Modell zur Beherrschung des Veränderungsprozesses entscheiden muss. Als Beispiele seien hier z.B. Total Quality Management oder die Balanced Scorecard anzuführen. Auf der Seite des Wie geht es um die Herangehensweise an den Change-Prozess, die entweder eher managementtechnisch - orientiert am Managementkreislauf (ÄPlan-Do-Check-Act“) - oder eher mit dem Blick der Human Resources - orientiert an der Beteiligung und Motivation der Akteure - gestaltet sein kann.
Stolzenberg und Heberle (2013) unterscheiden hingegen einen fachlichen und einen überfach- lichen Aspekt von Wandel. Auf der fachlichen Seite geht es um die sachliche und analytische Planung des Veränderungsprozesses, wobei klar Äsequenziell und in voneinander getrennten Phasen“ (Stolzenberg & Heberle 2013, S. 4) gedacht und vorgegangen wird. Auf der über- fachlichen Seite geht es um die Äweichen und individuellen Reaktionen“ (Stolzenberg & He- berle 2013, S. 4), die Veränderungen bei den Akteuren - Mitarbeitern wie Führungskräften - auslösen und auch darum diese entsprechend zu berücksichtigen, zu bearbeiten bzw. im Change-Prozess zu nutzen.
4.4 Veränderungsverläufe und -dynamiken
Bisher konnte festgestellt werden, dass Veränderungen unterschiedliche Aspekte haben und auf unterschiedlichen Ebenen in Organisationen stattfinden. Im letzten Teil dieses einleiten- den Kapitels soll aufgezeigt werden, dass Wandel auch in Hinblick auf seinen Verlauf bzw. die ihm innewohnende Dynamik beschrieben und damit auch bearbeitet werden kann. Ein Ansatz, Veränderungen dahingehend zu charakterisieren, liegt in der Unterscheidung zwi- schen Revolution und Evolution, zwei gegensätzlichen Strategien, die einem Wandel zugrun- de liegen können. Folgt man dem Konzept der Revolution, so findet Reorganisation im Un- ternehmen radikal statt, tiefgreifende Veränderungen werden typischerweise top-down initi- iert und in einem kurzfristigen Zeithorizont direktiv umgesetzt. Den Vorteilen wie Planbar- keit, Überschaubarkeit und einer Umsetzung Äaus einem Guss“ steht das relativ hohe Risiko gegenüber, dass der revolutionäre Change-Prozess am Widerstand überraschter und nicht ein- gebundener Mitarbeiter scheitert. Das Konzept der Evolution hingegen begreift Wandel als eine kontinuierliche Weiterentwicklung von Organisationen, ihren Strukturen und Abläufen. Die Veränderungen werden hier partizipativ und langfristig vorgenommen. Analog zum oben Erwähnten liegen die Vorteile hier vor allem in einer hohen Akzeptanz und schließlich Nachhaltigkeit der Veränderung, die Einbindung vieler kann jedoch auch dazu führen, dass ursprünglich angestrebte Ergebnisse des Change-Prozesses verwässert, nur teilweise oder gar nicht erreicht werden (vgl. dazu v.a. Martin 2007, S. 3ff).
Ein anderer Erklärungsansatz geht davon aus, dass Veränderungen nicht grundsätzlich anhand ihrer unterschiedlichen Dynamik - wie eben bei der Einteilung in Revolutions- oder Evoluti- onsvorgänge - unterschieden werden können, sondern dass im Verlauf eines Wandels die einzelnen Phasen von unterschiedlicher Intensität und Charakteristik sind. Das Modell der Veränderungsdynamik definiert Formen der Veränderung hinsichtlich gradueller Unterschie- de der Veränderungen und kennt dabei vier idealtypische Dynamikbereiche. Auf einer ersten Stufe, genannt Erkenntnis, geht es darum, dass die momentane Situation bewusst wird und damit ein Ansatzpunkt für Veränderungen festgelegt wird. Auf der zweiten Stufe, die das Modell Balance nennt, kommt es noch zu einer Kompensation auftretender Veränderungen durch gezielte Anpassungsleistungen mit dem Ziel, den Status Quo (möglichst lange) auf- rechterhalten zu können. Auf einer dritten Stufe, die als Veränderung erster Ordnung be- zeichnet wird, werden bereits erste kleine Veränderungen verwirklicht, die - sofern sie konti- nuierlich weitergeführt werden - langfristig zu großen Veränderungen führen. Hier lässt sich eine Parallele zur auf Langfristigkeit, Kontinuität und Nachhaltigkeit ausgelegten Evolutions- strategie erkennen. Letztendlich werden auf einer vierten Stufe, genannt Veränderung zweiter Ordnung, radikale Veränderungen vorgenommen, die u.a. darin sichtbar werden, dass in der Organisation etwa Handlungen, Leistungen oder Organisationsteile durch Auflösung oder im Wege der Einführung durch Alternativen wegfallen. Das Vorgehen in dieser Stufe weist in seiner Dynamik Ähnlichkeiten zur beschriebenen Revolutionsstrategie und deren einschnei- dendem Vorgehen auf (vgl. dazu v.a. Memecon Consulting Training Coaching GmbH 2014).
5. Change Management: Aufgaben und Ansätze
ÄEs sind nicht die Stärksten, die überleben - es sind die Anpassungsfähigsten.“ So leiten Heiko Roehl et al. (2012, S. 3) ihr Buch ÄWerkzeuge des Wandels“ ein, um weiter festzuhal- ten, dass jene Organisationen langfristig erfolgreich sein werden, denen es nicht nur gelingt, Wandel schnell und effizient zu vollziehen, sondern auch geänderte Rahmenbedingungen langfristig vorauszusehen. Die Auseinandersetzung mit Veränderung im und rund um ein Un- ternehmen ist demnach eine zentrale Aufgabe in der Unternehmensführung. Was nun genau unter Change Management zu verstehen ist, was seine Rolle im Unternehmen bzw. der Orga- nisation ist und wie sein Verhältnis zu anderen Managementaufgaben bzw. Unternehmensbe- reichen ist, wird in diesem Kapitel behandelt.
5.1 Change Management - Begriff und Aufgaben
Stolzenberg und Heberle (2013) unterscheiden eine fachliche und eine überfachliche Seite von Veränderungen. Sie halten dabei fest, dass die fachliche Seite, bei der es um die managementtechnische Bearbeitung des Change-Prozesses geht und wo die Vorstellung einer sequenziellen Abfolge von Phasen der Veränderung vorherrscht, in der Praxis zumeist im Fokus steht. Sie betonen gleichermaßen die Bedeutung der überfachlichen Seite einer Veränderung, die die Beschäftigung mit den Reaktionen der Betroffenen und deren Beteiligung umfasst (vgl. dazu Kapitel 4.3). Daher liefern sie eine erste Definition für Change Management, indem sie schreiben: ÄVeränderungsmanagement bedeutet, die überfachliche Seite der Veränderung professionell zu steuern.“ (Stolzenberg & Heberle 2013, S. 5) Sie meinen damit vor allem, dass Führungskräfte und Mitarbeiter auf Veränderungen vorbereitet und im ChangeProzess bestmöglich unterstützt und begleitet werden sollen.
Klaus Doppler und Christoph Lautenburg (2014) sehen in ihrem mehrfach aktualisierten Werk ÄChange Management“ die Aufgabe von ebendiesem etwas umfassender. Sie erläutern, dass Change Management sowohl begrifflich-theoretisch als auch in der betrieblichen Praxis auf Basis einer zeitgemäßen Organisationsentwicklung entstanden sei (dazu näher in Kapi- tel 5.3). Explizit definieren sie Change Management als Äumgangssprachlich modernen Sam- melbegriff für alles, was heutzutage an Veränderungen in Organisationen praktiziert wird“ (Doppler & Lautenburg 2014, S. 100) und demnach nicht als Bezeichnung für eine bestimmte Strategie zur Bearbeitung bzw. Begleitung von Wandel. Change Management sei demnach in der Regel kurz- bis mittelfristig angelegt und habe seine Schwerpunkte in Restrukturierungen, Auslagerungen, Sanierungen, Kostensenkungsprogrammen oder Geschäftsprozessoptimie- rungen. Regelmäßig seien große Beratungsfirmen mit der Begleitung von derartigen Change
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