Im Kapitel 10 seines Werkes über die catilinarische Verschwörung schreibt Sallust den Rahmen seines Geschichtsbildes nieder. Er lobt die sonnige Frühzeit Roms, in der der Staat und die Gesellschaft noch tugend- und ruhmorientiert war. Als den Unglück bringenden Wendepunkt markiert er dabei die Zerstörung Karthagos im 3. Punischen Krieg 146 v. Chr., nach der jede äußere Bedrohung Roms schlagartig ihr Ende fand und als Folge die guten alten moralischen Werte an Macht und Ansehen in der Gesellschaft verloren. Der Staat war der umgreifenden avaritia und luxuria schutzlos ausgeliefert und drohte seine Balance zu verlieren.
Sallust war ein Geschichtsschreiber des 1. Jahrhunderts vor Christus, der u.a. historische Monographien in Anlehnung an Thukydides schrieb. Eine dieser Monographien handelt von der Verschwörung Catilinas, die Coniuratio Catilinae.
In dem ca. 42 v. Chr. erschienen Geschichtswerk schildert Sallust die Umstände des misslungenen Umsturzversuches einiger Aristokraten um den Senator Lucius Sergius Catilina, der 20 Jahre zuvor im Jahr 63 v. Chr. versuchte, sich der römischen Republik zu bemächtigen. Für Sallust offenbarte sich in diesem Umsturzversuch das grundlegende Symptom eines Prozesses, dem der Staat hilflos verfallen schien: dem Sittenverfall der römischen Kultur.
Sallust offenbart dem Leser in der ausgewählten Textstelle, wie er die Entwicklung der Geschichte sieht: er konstruiert ein Verfallsmodell von der ‚sonnigen Frühzeit‘ Roms bis hin zur düsteren Zukunft.
Sallust scheint völlig dem Geschichtspessimismus verfallen zu sein und beschreibt die Ereignisse der Verschwörung wohl somit nicht ganz unbefangen. Vielmehr hält er der Zeit mit seinem Werk einen gesellschaftskritischen Spiegel vor Augen, mit dem er die Hoffnung hegt, den Menschen damit zur Besinnung zu bringen.
Doch wird man Sallust wohl kaum gerecht, wenn man meinte, seine Intention, die er hinter dem Geschichtspessimismus verschleiert hat, sei so schlicht und simpel, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheint. Was erwartet also den Leser neben der Kritik an der Zeit noch hinter der Fassade des Geschichtspessimismus?
In dieser Arbeit soll nun implizit das Geschichtsbild des Sallust herausgearbeitet und aufgezeigt werden, inwiefern es sich im Bellum Catilinae widerspiegelt und Sallusts Beschreibung der Geschichte beeinflusst. Entfernt er sich bewusst von der historischen Wahrheit? Wenn ja, welche Intention steckt dahinter?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Sallusts Geschichtsbild
3. Sallust - ein objektiver Geschichtsanalytiker?
3.1 Die Archäologie Sallusts (Kap. 5,9 -13)
3.2 Sallusts Bild von Catilina
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
Sallusts Geschichtsbild und die catilinarische Verschwörung
1. Einleitung
Im Kapitel 10 seines Werkes über die catilinarische Verschwörung schreibt Sallust den Rahmen seines Geschichtsbildes nieder. Er lobt die sonnige Frühzeit Roms, in der der Staat und die Gesellschaft noch tugend- und ruhmorientiert war. Als den Unglück bringenden Wendepunkt markiert er dabei die Zerstörung Karthagos im 3. Punischen Krieg 146 v. Chr., nach der jede äußere Bedrohung Roms schlagartig ihr Ende fand und als Folge die guten alten moralischen Werte an Macht und Ansehen in der Gesellschaft verloren. Der Staat war der umgreifenden avaritia und luxuria schutzlos ausgeliefert und drohte seine Balance zu verlieren.
Sallust war ein Geschichtsschreiber des 1. Jahrhunderts vor Christus, der u.a. historische Monographien in Anlehnung an Thukydides schrieb. Eine dieser Monographien handelt von der Verschwörung Catilinas, die Coniuratio Catilinae.
In dem ca. 42 v. Chr. erschienen Geschichtswerk1 schildert Sallust die Umstände des misslungenen Umsturzversuches einiger Aristokraten um den Senator Lucius Sergius Catilina, der 20 Jahre zuvor im Jahr 63 v. Chr. versuchte, sich der römischen Republik zu bemächtigen. Für Sallust offenbarte sich in diesem Umsturzversuch das grundlegende Symptom eines Prozesses, dem der Staat hilflos verfallen schien: dem Sittenverfall der römischen Kultur.
Sallust offenbart dem Leser in der ausgewählten Textstelle, wie er die Entwicklung der Geschichte sieht: er konstruiert ein Verfallsmodell von der ‚sonnigen Frühzeit‘ Roms bis hin zur düsteren Zukunft.
Doch war Sallust nicht der einzige, der den Staat vor einem gefährlich tiefen Abgrund stehen sah. Cato hatte sich letztlich seines Tugendideals wegen, das dem Zeitgeist nicht gerecht werden konnte, mit eigener Hand das Leben genommen. Der spätere Historiker bittet Caesar in seinen Briefen, die er als ehemaliger Volkstribun und ein vom Senat ausgeschlossener2 schrieb, das Geld zu entwerten, denn die einzig mögliche Heilung des Staates läge darin, dass die Tüchtigkeit wieder regiere3. Damit sah Sallust trotz seines düsteren Ausblicks auf die Zukunft doch noch einen Silberstreifen am Himmel: Caesar als der Retter des Staates. Doch sollte sein Hoffnungsschimmer wieder erblassen.
Sallust scheint völlig dem Geschichtspessimismus verfallen zu sein und beschreibt die Ereignisse der Verschwörung wohl somit nicht ganz unbefangen. Vielmehr hält er der Zeit mit seinem Werk einen gesellschaftskritischen Spiegel vor Augen, mit dem er die Hoffnung hegt, den Menschen damit zur Besinnung zu bringen.
Doch wird man Sallust wohl kaum gerecht, wenn man meinte, seine Intention, die er hinter dem Geschichtspessimismus verschleiert hat, sei so schlicht und simpel, wie sie auf den ersten Blick zu sein scheint. Was erwartet also den Leser neben der Kritik an der Zeit noch hinter der Fassade des Geschichtspessimismus?
In dieser Arbeit soll nun implizit das Geschichtsbild des Sallust herausgearbeitet und aufgezeigt werden, inwiefern es sich im Bellum Catilinae widerspiegelt und Sallusts Beschreibung der Geschichte beeinflusst. Entfernt er sich bewusst von der historischen Wahrheit? Wenn ja, welche Intention steckt dahinter?
Eine grundlegende Analyse eines Autors sollte natürlich alle Werke enthalten, deren unbestrittener Autor er war. Da es aber keine grundlegende Diskussion um die Legitimation der Sallust geschriebenen Werke gibt, scheint es durchaus angebracht, die Coniuratio Catilinae beispielhaft für Sallusts Geschichtsbild anzuführen.
2. Sallusts Geschichtsbild
Wenn man das Geschichtsbild eines Autors verstehen will, ist es zwangsläufig erforderlich, die gesellschaftlichen und politischen Umstände seiner Zeit dabei zu beachten. Denn Sallusts düsteres Urteil über die Geschichte konnte nicht frei von seinen persönlichen Eindrücken sein, wie sich im Folgenden zeigen wird.
Sallust war ein Aristokrat in einer patriarchalischen Gesellschaft, die bestimmt war durch Brauch und Gesetz4. Geboren 86 v. Chr. in Amernitum erlebte er in seiner Jugend eine dynamische Zeit5, in der u.a. die Erkämpfung der Bürgerrechte, die erste stabile Militärdiktatur Sullas, die Catilinarische Verschwörung, das Triumvirat, Ciceros Verbannung und Caesars Konsulat Geschichte schrieben. Sullas Militärdiktatur verschaffte dem Staat weitere Probleme: Wirtschaftliche Probleme, soziale Spannungen und andere konfliktgeladene Situationen belasteten die Balance des Staates. Auch den Zeitgenossen war bewusst, dass der Weg in den Untergang eingeschlagen war und es herrschte mehrheitlich die Meinung, dass die staatliche Ordnung diesen Herausforderungen nicht mehr gewachsen war. Das Vertrauen in den Staat nahm fortwährend ab und damit war der Weg frei für einzelne Persönlichkeiten, die nun zum Zug kommen konnten und eine bis dato unbekannte Machtposition forderten.
Cicero bedauerte zutiefst, dass der Staat sein Fundament der ehrwürdigen Sitten und Männer verloren habe6. Sallust gesellte sich zu dieser düsteren Grundstimmung.
Vor dem Hintergrund der Ereignisse, die Sallusts Lebenszeit nicht gering prägten, wird es zumindest verständlich, warum Sallust insofern aus einer nicht unbefangenen Perspektive schrieb bzw. schreiben konnte, die eine persönliche Betroffenheit wegen der Verhältnisse seiner Zeit offenbart.
Dieser Sachverhalt lenkt wiederum auf die mögliche - und naheliegende - These, dass Sallust mit seinem Werk seine zeitgenössischen Leser zum Nachdenken motivieren wollte und seine Figuren in der Monographie zu Marionetten werden lässt, die als Träger seiner Wertvorstellungen fungieren und das zeigen, was nach Sallusts Meinung für die Krise verantwortlich ist. Ein Beispiel hierfür wäre Catilina, dessen moralisch verwerflicher Charakter Sallust als ein Symptom des Sittenverfalls seiner Zeit anprangert. Dies wiederum lässt bei einem kritischen Leser die Vermutung wachsen, dass Sallust im Falle Catilina eventuell dramatisiert, damit dieser im Sinne Sallusts die Funktion der Marionette gerecht wird. Doch sollen Untersuchungen zu dieser Thematik an späterer Stelle beleuchtet werden. Der Sittenverfall und damit verbunden der Verlust der virtus und die umgreifende avaritia und luxuria begünstigen nach Sallusts Meinung die Entstehung solcher unmoralischer Charaktere im Staat. Mit der Charakterisierung Catilinas lässt Sallust einen Sündenkatalog entstehen, der ebenfalls auf die Gesellschaft übertragbar ist7. Sallust selbst gibt an, quam verissume 88 wie er kann, über die Verschwörung des Catilina zu sprechen. Um sich ein genaueres Bild darüber zu verschaffen, mit welchen Säulen der Überlieferung er für seine möglichst wahrheitsgetreue Geschichtsschreibung im Falle Catilina zurückgreift, lohnt sich ein Blick auf den Exkurs in Kapitel 53.
Vor der Synkrisis eröffnet Sallust seinen Exkurs mit der Darstellung der Qualitäten des römischen Volkes, die Rom einst zu einem mächtigen Imperium gemacht haben. Das Fundament dieser Reflexion basiert auf schriftlicher und mündlicher Tradition (multa legenti, multa audienti 9 ). Für sein historisches Wissen (quae populus Romanus domi militaeque, mari atque terra praeclara facinora fecit) greift er also auf beide Säulen der Überlieferung zurück, bei der Analyse für die Ursachen dieser Taten bezieht er sich jedoch auf seine eigenen Gedankengänge (forte lubuit attendere, quae res maxume tanta negotia sustinuisset).
Inwieweit wirkt sich die persönliche Betroffenheit auf die Darstellung der Geschichte der Catilinarischen Verschwörung aus? Sind Divergenzen zwischen der historischen Wahrheit, soweit nachvollziehbar, und der von Sallust beschriebenen Wahrheit vorhanden? Wie groß ist die Lücke zwischen der angezielten Objektivität Sallust - denn wie er ja sagt, will er quam verissume 10 über die Ereignisse der Verschwörung berichten- und der unumgänglichen Subjektivität des Historikers Sallusts? Dass ihm eine vollkommene Objektivität nicht gelingen mochte, will man ihm nachsehen, denn bekanntermaßen ist es ein großes Unterfangen als Geschichtsschreiber, wenn er eine Geschichte zu 100% objektiv erzählen oder rekonstruieren will. Da Sallust Zeitzeuge der Ereignisse der Verschwörung war, muss man zumindest schon einmal die die Möglichkeit mit einkalkulieren, dass er die Geschehnisse so nicht vollkommen unbefangen und aus einer objektiven Sicht schildern kann (oder sogar will?) als einer, der die Distanz nutzen kann, um das Geschehen emotionsloser betrachten zu können. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass er eine objektivere Schilderung bietet als Cicero, der persönlich am Geschehen beteiligt war, kann man erkennen, dass Sallusts Schrift tendenziös ist - wenn auch in anderer Weise. Ist Sallust im Fall Catilina und bewusst subjektive Geschichtsschreibung vergleichbar mit Ciceros Grad an Subjektivität? Sicher nicht. Doch wird Sallust an dieser Stelle einmal unterstellt, dass er manchen Aspekt in seinem Werk bewusst typisiert. Um dieser Vermutung einmal zu folgen, ist es nötig, anhand einiger Textstellen zu prüfen, inwieweit Sallust eine Objektivität verfolgt oder ihm unterstellt werden kann, dass er bewusst und berechnend seine eigene Sicht auf die Geschichte beschreibt - wenn auch deutlich anders als Cicero.
[...]
1 Vgl. Schmal, Stephan: Sallust, S. 31.
2 Vgl. Schmid, Walter: Sallust: Die Reden Caesars und Catos, Terminologie und Ideologie, S. 301.
3 Vgl. Schmal, S., S. 28.
4 Vgl. Schmid, W., S. 301.
5 Vgl. Schmal, S., S. 9 f.
6 Vgl. Maier, Friedrich: Sallusts Blick auf die römische Geschichte, in: Forum Classicum, Zeitschrift für die Fächer Latein und Griechisch an Schulen und Universitäten, S. 95.
7 Vgl. Cat., 11.
8 Cat., 5,1.
9 Ebd. 53,2 f.
10 Cat. 5,1.