Die modernen Kommunikationsmittel und "Das Dialogische Prinzip" Martin Bubers. Die Krisis des modernen Menschen
Zusammenfassung
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die modernen Kommunikationsmittel
3 Das Dialogische Prinzip von Martin Buber
4 Die modernen Kommunikationsmittel und das Dialogische Prinzip
5 Moderne Kommunikation – Entwicklung der Krisis des modernen Menschen?
6 Bedrohung (Risiko) oder Chance für unser Menschsein?
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Wir leben in einer Mediengesellschaft. Moderne Kommunikationsmittel sind notwendige Kulturgüter unseres Alltags geworden. Ohne SMS (Handy) und E-Mails (Computer) können Menschen, besonders die jüngere Generation, nicht mehr leben bzw. auskommen. Dabei kommt das echte Gespräch unter uns Menschen zu kurz.
Um die Nutzung moderner Kommunikation aus dialogphilosophischer Perspektive interpretieren zu können erscheint es mir sinnvoll, zunächst auf die Merkmale (Merkmale der modernen Kommunikation – die Sprache) und Motive medialer Kommunikation (Moderne Kommunikationsmittel) einzugehen. Daraufhin wird das Dialogische Prinzip Bubers („Der Mensch wird am Du zum Ich“) in seinen Grundzügen aufgezeigt, um im Verlauf dieser Arbeit aus dialogphilosophischer Perspektive Schlussfolgerungen hinsichtlich der Merkmale moderner Kommunikationsmittel zu ziehen. Zudem wird auf die von Buber dargestellte Krisis des modernen Menschen (die Technisierung und der Mensch) eingegangen, um für den Hauptteil der Arbeit den Grundstein zu setzen. Ebenfalls scheint es mir hier angebracht, die zunehmende Mediatisierung unserer Gesellschaft mit Bubers Dialogphilosophie zu verbinden, da Buber darin auf die Wirklichkeit des Menschseins hindeutet und hervorhebt, warum der Mensch überhaupt auf andere Menschen angewiesen ist. Somit liegt die Hauptaufmerksamkeit/Fragestellung dieser Arbeit darin, in wie weit die moderne Kommunikation menschlichen Beziehungen beeinflusst und welche Chancen und/oder Risiken daraus entstehen können? Dabei werden Auswirkungen und Wechselwirkungen der medialen Kommunikation für zwischenmenschliche Beziehungen auf Grundlage der Dialogphilosophie Martin Bubers analysiert.
2 Die modernen Kommunikationsmittel
Was ist eigentlich unter modernen Kommunikationsmitteln zu verstehen? Welche Merkmale kennzeichnen sie?
Die Lebensverhältnisse haben sich in den letzten Jahrzehnten besonders durch die Medienentwicklung rasant gewandelt, wobei unklar ist, wie sich diese Entwicklung fortsetzen wird. Diese Veränderungen werden unter anderem als „Mediatisierung“ bezeichnet und haben Auswirkung auf die Lebenswelt und Bedingungen, unter denen Kinder und Jugendliche heute aufwachsen.
Krotz (2001, S. 33): „Medien werden als technische Gegebenheiten verstanden, über die bzw. mit denen Menschen kommunizieren – sie sind in einer spezifischen Gesellschaft und Epoche in Alltag, Kultur und Gesellschaft integriert […], und die Menschen haben soziale und kommunikative Praktiken in Bezug darauf entwickelt. […] In der Konsequenz entwickelten sich immer mehr immer komplexere mediale Kommunikationsformen, und Kommunikation findet immer häufiger, länger, in immer mehr Lebensbereichen und bezogen auf immer mehr Themen in Bezug auf Medien statt“.
Für die Jugendlichen sind die Medien meist selbstverständlicher Bestandteil des Alltags, deshalb ist ihre Lebenswelt auch als „Medienwelt“ zu bezeichnen. Dennoch betrifft die Mediatisierung die gesamte Gesellschaft, da auch Senioren zunehmend über Handys und Computer verfügen. Im Fokus dieser Arbeit stehen folgende moderne Kommunikationsmittel/-medien: Die E-Mail, der Chat und die Handykommunikation. Sie stellen auch die am meist verbreiteten Kommunikationsmittel dar. Zudem ermöglichen es die modernen Kommunikationsmedien, trotz weiter Entfernungen miteinander in Verbindung/Kontakt zu bleiben. Deshalb ist die mediale zwischenmenschliche Kommunikation neben der persönlichen Kommunikation, die sogenannte „Face-to-Face“ in unserer Gesellschaft besonders bedeutsam.
Dabei sind jedoch meist die medialen Handlungsmöglichkeiten der Kommunikationspartner im Vergleich zu persönlichen Treffen beschränkt. Unmittelbarer körperlicher Kontakt kann nicht hergestellt werden und auch die Wahrnehmung des anderen, wie z.B. sehen, hören und fühlen, ist nicht möglich.
Die moderne textbasierte Kommunikation zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass der Körper als Medium für nonverbale Zeichen fehlt. Dennoch gibt es nach Döring nonverbale Kommunikation, die über spezifische Sprachmittel ausgedrückt wird. Diese Sprachmittel vermitteln emotionale, nonverbale oder paraverbale (hierbei handelt es sich um Äußerungen, die sprachlich nicht auszudrücken sind, wie z.B. das Räuspern) Inhalte. Zu ihnen zählen Akronyme, „Emoticons“, „Soundwörter“ und „Aktionswörter“. Durch die Emoticons bzw. Smileys werden Gefühlslagen symbolisch dargestellt. Zudem können andere Nutzer textbasiert umarmt werden. So genannte „Soundwörter“ (wie z.B. „argh“, „hmpf“) versprachlichen auditiv vernehmbare Ereignisse und weisen auf Gedankenprozesse oder Emotionen hin. „Aktionswörter“ (wie z.B. „kicher“, „zwinker“) beschreiben momentane Handlungen und stellen zudem physisches Befinden dar. Es wird davon ausgegangen, dass durch diese Sprachmittel neue soziale Kompetenzen erworben werden, da Gefühle im Gegensatz zu direkten Treffen anders oder überhaupt formuliert werden. Demnach führt die moderne Kommunikation nicht unbedingt zu Beziehungsarmut oder Kommunikationsstörungen. Dennoch bleibt fraglich nach Döring, ob nonverbale und paraverbale Textzeichen zwischenmenschliche Botschaften unserer vielfältigen Gestik und Mimik ersetzen können.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass wir in unserem mediatisierten und globalisierten Zeitalter, das den einzelnen Menschen eine erhöhte Mobilitätsbereitschaft abverlangt, unterschiedliche mediale Möglichkeiten haben, die größere (geographischen) Distanzen zwischen uns zu überwinden. Du diesen Kommunikationsmedien zählen in diesem Zusammenhang der E-Mail-Verkehr, die Chat-Treffen und die Kontakte per Handy.
KROTZ, Friedrich: Die Mediatisierung der Lebensräume von Jungendlichen. Perspektiven für dir Forschung. In: BUG, Judith; KARMASIN, Matthias (Hrsg.): Telekommunikation und Jungendkultur. Eine Einführung. Wiesbaden 2003. S. 167-183.
DÖRING, Nicola: Sozialpsychologie des Internet. Die Bedeutung des Internet für Kommunikationsprozesse, Identitäten sozialer Beziehungen und Gruppen. Göttingen 2003.
3 Das Dialogische Prinzip von Martin Buber
„Der Mensch wird am Du zum Ich“ – diese Worte fassen wohl den Kern von Martin Bubers Dialogischem Prinzip bzw. der Dialogphilosophie, die im Folgenden in ihren Grundbegriffen und Grundzügen aufgezeigt wird, „zusammen“.
Nach Buber kann sich die Wirklichkeit zwischen Menschen erst im sogenannten „Zwischen“ (das was zwischen Menschen geschieht) wie er es auch nennt entfalten, weil der Mensch sich durch einen anderen Menschen verwirklicht, da er durch andere Menschen erst zum Menschen wird. Der Mensch ist folglich von anderen Menschen abhängig, er kann nicht allein leben, oder nur mit Gegenständen verkehren, oder Menschen nur für seinen Zweck gebrauchen. Der Mensch wird durch andere Menschen zur Person, weil sich so sein Sein entfalten und sich somit sein Sinn erfüllt.
Für Buber führen uns die Beziehungen, die wir zu anderen Menschen haben, zum „ewigen Du“, zu Gott hin.
Im Folgenden wird gezeigt, inwieweit sich zwischenmenschliche Beziehungen durch moderne Kommunikationsmittel verwirklichen lassen. Warum der Mensch andere Menschen überhaupt braucht.
Martin Buber geht in seiner Dialogphilosophie davon aus, dass wir in einer „zwiefältigen“ Haltung zur Welt leben. Einerseits haben wir Beziehungen zu anderen Menschen, die uns wesenhaft ausmachen, sprich die uns wachsen lassen und uns zur Person werden lassen, sodass sich unser Sein entfalten kann. Demnach sind wir um Person zu werden, auf andere Menschen angewiesen und befinden uns in der „Duwelt“, auf der sogenannte „Ich-Du-Ebene“ bzw. auf der „dialogischen Ebene“ des Zwischen. Für Buber besteht im Ich-Du „die Wiege des Wirklichen Lebens“ (BUBER 2006, S.13). Andererseits zeigt sich die Zwiefältigkeit darin, dass wir Gegenstände und auch andere Menschen für unseren Zweck gebrauchen/“ausnutzen“. Dann befinden wir uns in der „Eswelt“ bzw. auf der „Ich-Es-Ebene“ und werden von einem gewissen Ziel bestimmt, bei dem es uns nicht mehr um den anderen Menschen an sich geht. Ebenfalls geht Buber davon aus, dass selbst das „eifrigste Aufeinander zureden kein Gespräch ausmacht [….], so bedarf es hinwieder zu einem Gespräch keines Lauts, nicht einmal einer Gebärde. Sprache kann sich aller Sinnenfälligkeit begeben und bleibt Sprache“ (BUBER 2006, S.142).
Zudem erscheint es Buber, dass es manchmal nur noch den Dialog gibt, der „vom Dialog die Erscheinung, aber nicht das Wesen Hat“, schließlich ist der echte Dialog selten geworden. Man spricht auch vom der als „Dialog“ verkleidete Monolog, welcher durch die Zunahme der Eswelt, die in unserer Zeit vorherrscht, bedingt wird. Damit meint Er, dass die Maschinen und die Technik uns immer stärker einnehmen und wir in einer zunehmenden verzweckten Welt leben. Uns fehlen demnach unmittelbare Beziehungen zu anderen Menschen, Du-Beziehungen, in denen kein Zweck vorherrscht und es nur um das Wesen der Beziehung geht. In der wir uns wahrhaft bzw. authentisch gegenübertreten und den anderen in seiner Anderheit meinen. Natürlich können wir immer wieder in die Duwelt eintreten, aber nur wenn wir bereit sind, dieses Wagnis einzugehen. Wir Menschen haben schließlich die Sehnsucht nach echten Beziehungen, die uns Menschen als echtes Gegenüber zu unserem Sein, zu unserer Person und zu unserem Wesen führen können.
Wie schon oben erwähnt geht Martin Buber davon aus, dass wir in einer zwiefältigen Haltung zur Welt leben, aber auch in einem Zeitalter, das durch die „Krisis des modernen Menschen“ geprägt ist. Keine ist mit dieser „modernen Krisis“ vergleichbar (vgl. BUBER 1962, S.397 und S.993). Denn durch die zunehmende Technisierung nimmt auch die mittelbare Eswelt zu, die Welt des Verzweckens und Gebrauchens. Im Zeitalter der Technik entwickelt der Mensch Beziehungen zu den Maschinen, mit denen er arbeitet. Die zunehmende Fähigkeit des Gebrauchens und Erfahrens, wie Buber schreibt, behindert die Beziehungskraft des Menschen (BUBER 2006, S.45). Dennoch geht es Buber nicht um den Verzicht auf/zur Technik, schließlich können wir diese Entwicklung nicht einfach ignorieren. Vielmehr liegt es an uns, mit der schweren Herausforderung der zunehmenden Technisierung vor allem verantwortungsvoll umzugehen, indem wir menschliche Werte in sie hineinnehmen. Schließlich können wir nicht ohne Eswelt leben, jedoch auch nicht ausschließlich in ihr. Durch die Krisis, in der sich der moderne Mensch nunmehr befindet, ist die Person und die Wahrheit infrage gestellt. Heißt, dem Menschen fehlen zunehmend unmittelbare, d.h. zweckfreie, wesenhafte und elementare Beziehungen zu anderen Menschen, darin liegt auch die Herausforderung unserer Zeit. Deshalb gilt es vor allem der zunehmenden Technisierung in der Art zu begegnen, dass man eine „Humanisierung der Technik“ vollzeiht. Dabei soll dem Mensch/den Menschen klar werden, „dass die Hauptsache die Humanisierung der Technik ist, dass sich die wahren zwischenmenschlichen Beziehungen gerade innerhalb der Technik abspielen“ (BUBER 1985, S.310). Aufgrund bzw. durch die Seltenheit des echten Gesprächs zwischen Menschen, kann möglicherweise der „technische Dialog“ dem Zwischenmenschlichen eine neue Chance bieten. Dementsprechend geht Muth auch davon aus, dass für Buber die „Technik als Bauhilfe auf dem Weg zu einer humanen Welt“ dient (MUTH 2005, S.92). Dennoch, wie schon erwähnt, braucht der Mensch zu seinem Personenwerden und zu seinem Sein andere Menschen, mit denen er unmittelbar in Beziehung treten kann. Sollten wir uns jedoch eines Tages mit dem Gebrauch der Eswelt zufrieden geben, dann haben wir unseren Sinn nicht erfüllt. Zwar hat nach Bubers Dialogphilosophie jeder Mensch die Sehnsucht nach elementaren Beziehungen und kann diese auch eingehen, doch entweder wir verhüllen unsere Besinnung, indem wir uns in der Unwirklichkeit „verheddern“ oder der uns umgegeben „Panzer“ hält die Sehnsucht nieder (BUBER 2006, S.63).
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