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Gender Mainstreaming in der Sozialen Arbeit. Dargestellt am Beispiel Sport

©2014 Hausarbeit 15 Seiten

Zusammenfassung

„…eine für Jungen und Mädchen grundsätzlich unterschiedliche Erziehung impliziert auch unterschiedliche Lernchancen und verhindert damit die Gleichstellung der Geschlechter“ (Kugelmann 1980: 10). Das betrifft auch die Erziehung in der Schule. In der Zeit, wo Gender Mainstreaming ein sehr sensibles Thema ist und immer wieder zu Diskussionen anregt, sollte den Kindern und Jugendlichen durch Koedukation im Unterricht gleiche Entwicklungschancen zwischen Jungen und Mädchen gewährt werden. Beide Geschlechter sollten die Möglichkeit bekommen, sich unter gleichen Bedingungen entwickeln zu können und das Gleiche lernen zu dürfen.

Das gilt auch für die Koedukation im Sportunterricht. Mädchen und Jungen beginnen schon im Grundschulalter gemeinsam am Sportunterricht teilzunehmen und das zieht sich auch in der Sekundarstufe fort. Aber gerade in der Sekundarbildung wird der Sportunterricht mehr und mehr zu Belastung, vorrangig für die Mädchen. Sie versuchen den Sportunterricht zu meiden oder suchen ständig nach neuen Ausreden, um der Teilnahme im geschlechtsneutralen Klassenverbund zu entgehen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einführung in die Thematik
2.1 Gender Mainstreaming
2.2 Sport im Unterricht

3. Koedukation im Sportunterricht

4. Die Entwicklung motorischer Fähigkeiten im Kindes- und Jugendalter

5. Vor- und Nachteile der Koedukation im Sportunterricht
5.1. Nachteile
5.2. Vorteile

6. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„…eine für Jungen und Mädchen grundsätzlich unterschiedliche Erziehung impliziert auch unterschiedliche Lernchancen und verhindert damit die Gleichstellung der Geschlechter“ (Kugelmann 1980: 10). Das betrifft auch die Erziehung in der Schule. In der Zeit, wo Gender Mainstreaming ein sehr sensibles Thema ist und immer wieder zu Diskussionen anregt, sollte den Kindern und Jugendlichen durch Koedukation im Unterricht gleiche Entwicklungschancen zwischen Jungen und Mädchen gewährt werden. Beide Geschlechter sollten die Möglichkeit bekommen, sich unter gleichen Bedingungen entwickeln zu können und das Gleiche lernen zu dürfen. Das gilt auch für die Koedukation im Sportunterricht. Mädchen und Jungen beginnen schon im Grundschulalter gemeinsam am Sportunterricht teilzunehmen und das zieht sich auch in der Sekundarstufe fort. Aber gerade in der Sekundarbildung wird der Sportunterricht mehr und mehr zu Belastung, vorrangig für die Mädchen. Sie versuchen den Sportunterricht zu meiden oder suchen ständig nach neuen Ausreden, um der Teilnahme im geschlechtsneutralen Klassenverbund zu entgehen. Wenn sie dann doch teilnehmen, fühlen sie sich im Beisein der „starken“ und männlichen Geschlechter meistens sehr unwohl. Die Diskussion über die Problematik des koedukativen Sportunterrichtes wird immer wieder neu aufgegriffen. Ziele, die mit der Koedukation verbunden werden, können in der Praxis durch verschiedene Faktoren oftmals nicht realisiert werden bzw. führen zu Problemen. Diese Ausarbeitung soll sich zentral mit den Vor- und Nachteilen des gemeinsamen Unterrichtens von Mädchen und Jungen im Sport genauer auseinandersetzen. Um die Vor- und Nachteile zu erkennen, müssen vorher die unterschiedlichen Voraussetzungen, die Jungen und Mädchen mitbringen, geklärt werden. Somit soll auch aufgezeigt werden, wie sich die motorischen Fähigkeiten im Kindes- und Jugendalter entwickeln. Vielleicht kann eine unterschiedliche Entwicklung in den unterschiedlichen Entwicklungsphasen einen Einblick darüber geben, warum es zu Vor- und Nachteilen kommen kann. Nicht nur die Perspektive der Schülerinnen und Schüler spielen dabei eine Rolle. Immer wieder werden auch die Sportlehrkräfte angesprochen, die einen bedeutsamen Einfluss auf den koedukativen Sportunterricht haben.

2. Einführung in die Thematik

Um den Zusammenhang von Gender Mainstreaming und koedukativen Sportunterricht darstellen zu können, werden an dieser Stelle vorab Begriffsdefinitionen geklärt, die für die zentrale Fragestellung dieser Arbeit von Bedeutung sind.

2.1 Gender Mainstreaming

Durch das Inkrafttreten der Amsterdamer Verträge für die europäischen Mitgliedstaaten im Jahre 1998 konnte in der Entwicklungshilfe ein wichtiger Schritt in Sachen Gleichstellung getan werden. Gender Mainstreaming ist eine langfristige Strategie, die das Ziel verfolgt, die Gleichstellung und Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern zu fördern. (Vgl. Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 314f) Das bedeutet, dass bei gesellschaftlichen Planungs- und Entscheidungsprozessen die verschiedenen Lebenssituationen und Vorlieben der Frauen und Männer im Vorhinein zu berücksichtigen sind, da Frauen und Männer durch ihre sozialen und kulturellen Geschlechterrollen in der Gesellschaft unterschiedlichen Lebensbedingungen und Chancen ausgesetzt sind. Dementsprechend sind die Geschlechterrollen unterschiedlich betroffen von gesellschaftlichen Vorhaben, was wiederum zu verschiedenen Auswirkungen führen kann. (Vgl. Dahmen, Hartmann-Tews 2007: 89f) Gender Mainstreaming sagt aus, dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt, auch im Hinblick auf die verschiedenen Bereiche der Institutionen und Organisationen, wo die Realisierung von Chancengleichheit durch die Geschlechterrollen nicht gegeben ist. Gender Mainstreaming verfolgt das weitere Ziel, die negativen Auswirkungen der derzeitigen Geschlechterverhältnisse nicht ausschließlich auf Frauen, sondern auch auf Männer zu überwinden. Auch die Veränderung der sozialen Strukturen finden hier Berücksichtigung und müssen verbessert werden. (Vgl. ebd.: 90f)

Der Begriff Gender Mainstreaming kommt aus dem Englischen und setzt sich aus den beiden Begriffen Gender und Mainstreaming zusammen. Gender wird dabei in der Geschlechterforschung als soziologischer Begriff genutzt und soll zwischen dem biologischen Geschlecht (Kategorie Sex) und dem sozialen Geschlecht (Gender) unterscheiden. Gender verweist auf die gesellschaftlichen Geschlechterrollen, die Erwartungen und Vorstellungen, wie ein Mann oder eine Frau sein sollen. Das bedeutet, dass in Beziehungen zwischen Menschen ständig Geschlechterrollen hergestellt und auch dargestellt werden und Gender somit entwickelt wird, aber auch demzufolge eine durch die Gesellschaft veränderbare Kategorie ist. (Vgl. Dahmen, Hartmann-Tews 2007: 87ff)

Mainstreaming bedeutet, dass ein bestimmter inhaltlicher Vorgang zum zentralen Bestandteil in allen Entscheidungen und Prozessen wird (Vgl. Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 314f).

2.2 Sport im Unterricht

Da Gender Mainstreaming alle gesellschaftlichen Handlungsfelder mit einbezieht, wird auch immer wieder die politische Debatte über die Problematik des koedukativen Schulsportunterrichtes aufgegriffen. Um später auf die Koedukation im Sportunterricht eingehen zu können, soll in diesem Unterkapitel vorab geklärt werden, was Sportunterricht bedeutet und welche Funktion der Sportunterricht erfüllt.

Sport wird in unserer Gesellschaft mit Bewegung und Aktivität assoziiert. Es gibt die verschiedensten Bewegungsverhalten, aber auch die verschiedensten Vorlieben für diverse Sportarten. Sport bedient somit ein riesiges Spektrum an spielerischen, turnerischen, sportlichen und gymnastischen Bewegungs- und Leistungsformen. Von besonderer Bedeutung sind die sozialen Räume, in denen wir uns bewegen, wenn wir eine sportliche Aktivität durchführen. Diese reichen von partnerschaftlichen und gruppenspezifischen Kooperationen bis hin zu dualen und mannschaftlichen Wettkampfsituationen, welche wir auch im Sportunterricht wiederfinden. (Vgl. Kröner 1976: 21)

Sportunterricht gehört in der Schule zu den Angeboten, bei denen alle Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit bekommen, sich bewegen und sportlich betätigen zu können. Viel mehr steckt auch ein pädagogischer Auftrag dahinter. Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, den Einfluss von Bewegung, Spiel und Sport durch positive Erfahrungen zu verinnerlichen, um sie gegebenenfalls auch für außerschulische Sportangebote begeistern zu können, da die körperliche Ertüchtigung eine gesunde Lebensführung unterstützt und fördert. (Vgl. Kugelmann, Zipprich 2002:11) Durch die Bewegung soll bei den Kindern und Jugendlichen auch die Persönlichkeitsentwicklung ausgebaut und gestärkt werden. Bedürfnisse der Erholung, das Pflegen sozialer Kontakte, der Abbau von Aggressionen, Konkurrenzgefühle und der damit verbundene Wetteifer, aber auch Selbstbestätigung finden im Sport ihre Erfüllung und können für die Persönlichkeitsentwicklung eines jeden Einzelnen prägend sein, auch im Sportunterricht. (Vgl. Kröner 1976: 22f) Daher ist es wichtig, dass die Gestaltung des Sportunterrichtes sorgfältig vorbereitet und durchgeführt wird. Da Kinder und Jugendliche verschiedene Vorerfahrungen und Erwartung in den Sportunterricht einbringen, einige bestenfalls in Sportvereinen angemeldet sind und dementsprechend deutlich mehr Sport treiben als vergleichbare Kinder und Jugendliche im gleichen Alter, ist es die Aufgabe der Lehrkraft, diese Unterschiede im alltäglichen Sportunterricht zu beachten. Ein weiterer Punkt, auf den die Lehrkräfte im Sportunterricht immer wieder großen Wert legen bzw. der berücksichtigt werden muss, ist das gemeinsame Unterrichten von Jungen und Mädchen, was als Koedukation bezeichnet wird. (Vgl. Kugelmann, Zipprich 2002:11) Demzufolge muss im Sportunterricht auch die geschlechtsbezogene Sicht Beachtung finden. Durch das gemeinsame Unterrichten beider Geschlechter im Sport, sollen die Entwicklung einer abwechslungsreichen Geschlechtsidentität und die gleichberechtigte Begegnung mit dem eigenen, aber vor allem mit dem anderen Geschlecht gefördert werden. (Vgl. Kugelmann, Zipprich 2002: 11f) Die Mädchen und Jungen für den Sportunterricht begeistern zu können, ist die Grundvoraussetzung, die Lehrkräfte mitbringen sollten, damit die Bewegung für die gesamte Klasse als Ausgleich und nicht als Belastung gesehen wird. (Vgl. Kern, Söll 2005: 235)

3. Koedukation im Sportunterricht

Wie im vorherigen Kapitel bereits erwähnt, meint koedukativer Sportunterricht zunächst sehr allgemein die gemeinsame Erziehung der Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung von männlich und weiblich. In den Zeiten, in denen Gender Mainstreaming sehr aktuell ist, sollen vor allem die jüngeren Generationen gleiche Erfahrungen machen bzw. das Gleiche lernen dürfen. Da Gender Mainstreaming eine langfristige Strategie ist, ist auch der Prozess langwierig und soll von Generation zu Generation verbessert werden. (Vgl. Kröner, Pfister 1895: 5f) Die Geschlechtertrennung in der Schule und vor allem im Sport hatte eine lange Tradition. Während die Koedukation in den verschiedenen Fächern bereits durchgesetzt wurde, wurden Jungen und Mädchen im Unterrichtsfach „Leibeserziehung“ noch bis Mitte der 1970er Jahre geschlechtergetrennt erzogen. In den 1980er Jahren wurde dann auch das gemeinsame Unterrichten beider Geschlechter im Sportunterricht durchgesetzt. Die Erziehung der Jungen und Mädchen fand ab diesem Zeitpunkt ausschließlich zusammen statt. (Vgl. Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 261f) Bei der immer wiederkehrenden Koedukationsdebatte geht es um zwei verschiedene Argumentationen. Gegner/innen der Koedukation im Schulsport stehen der Leistungsförderung und der optimalen Entfaltung kritisch gegenüber. Ein Grund dafür ist die körperliche Überlegenheit der Jungen gegenüber den Mädchen. Die Befürworter/innen stehen der Koedukation deutlich optimistischer gegenüber. Sie sehen die Umsetzung sozialer Ziele, das Auflösen der Geschlechterrollen und die gemischtgeschlechtlichen Interaktionen im Vordergrund. (Vgl. Dahmen, Hartmann-Tews 2007: 90) Um eine gute Koedukation im Sportunterricht zu gewähren, sind kompetente und gut ausgebildete Lehrkräfte gefragt. Sportlehrkräfte sollten als Vorbild fungieren und geschlechtstypische Verhaltensweisen nicht vorleben, wenn Rollenklischees verändert werden und abgelegt werden sollen. Daher ist es wichtig, dass die Lehrkräfte ihre Befangenheit in der eigenen Geschlechterrolle erkennen und überwinden, um so Vorbilder der Kinder und Jugendlichen zu sein. (Vgl. Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 264f)

Da die Koedukation im Sportunterricht bereits in der Grundschule stattfindet und sich bis in das junge Erwachsenenalter hinausstreckt und dementsprechend Bestandteil ist, spielt die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler in den verschiedenen Phasen eine wichtige Rolle, wenn es um die Vor- und Nachteile von koedukativen Sportunterricht, da sich in der Entwicklung der Jungen und Mädchen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zeigen. (Vgl. Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 56ff) Im folgenden Kapitel sollen die Vor- und Nachteile der Koedukation im Sportunterricht beschrieben werden, während vorab die Entwicklung der motorischen Fähigkeiten im Kindes- und Jugendalter unterschieden wird.

4. Die Entwicklung motorischer Fähigkeiten im Kindes- und Jugendalter

Im Sport gibt es allgemein, bezogen auf das Geschlecht, unterschiedliche Aspekte bei dem motorischen Entwicklungsstand von Jungen und Mädchen. Die motorische Entwicklung ist ein lebenslanger Vorgang, bei dem sich Veränderungen im Bereich von Steuerungs- sowie Funktionsprozessen ergeben. Diese werden überwiegend durch die Körperhaltung und die Bewegung des Menschen gesteuert. Dabei sind geschlechtsspezifische Unterschiede, bezogen auf das Leistungsniveau im Kindesalter, nur sehr gering. Sie nehmen erst mit dem Erreichen der Pubertät von Jungen und Mädchen stark zu. Diese Differenzen im Entwicklungsprozess sind nicht nur bei den körperlichen Merkmalen von Jungen und Mädchen wiederzufinden, sondern auch überwiegend in den konditionellen und koordinativen Fähigkeiten. Hierbei ist das weibliche Geschlecht allerdings in den meisten Fällen nur im Bereich der Beweglichkeit im Vorteil. (Vgl. Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 56f)

Zu den konditionellen Fähigkeiten oder auch energetisch determinierte Fähigkeiten genannt, gehören die aerobe und anaerobe Ausdauer, die Maximal- und Schnellkraft, die Kraftausdauer sowie die Aktionsschnelligkeit. Bei Jungen und Mädchen im Kindesalter sind die Aktionsschnelligkeit und Schnellkraft sehr ähnlich, da sie eine identische anaerobe Leistungsfähigkeit besitzen. Zwar sind Mädchen von 7 bis 10 Jahren in der anaeroben Ausdauer vereinzelt stärker als Jungen in ihrem Alter, allerdings werden sie mit Beginn der Pubertät von den Jungs wieder eingeholt. Diese Differenz wird durch den Zuwachs von Muskelmasse und dem damit verbundenen Anstieg der anaeroben Leistungsfähigkeit innerhalb der Pubertät und Adoleszens der Jungen begründet, wohingegen der Prozess bei Mädchen in der Pubertät stagnieren oder zu einer Rückentwicklung führen kann. Der geschlechterspezifische Leistungsunterschied entwickelt sich mit steigendem Alter immer deutlicher heraus, sodass Männer schließlich bessere konditionelle Fähigkeiten besitzen und den Frauen deutlich überlegen sein können. (Vgl. Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 57f)

Der Reifungsprozess von konditionellen Fähigkeiten bei Jungen und Mädchen ist vergleichbar mit der geschlechterspezifischen Entwicklung im Bereich der koordinativen Fähigkeiten. Auch hier gibt es im Kindesalter kaum Unterschiede bezüglich des Geschlechts. Sie divergieren am Anfang mit fortschreitendem Alter, gleichen sich allerdings im späten Erwachsenenalter wieder an. Der prägnanteste Unterschied in der Entwicklung zwischen Jungen und Mädchen besteht zwischen dem 7. und 16. Lebensjahr. Zwar überschneiden sich die Entwicklungsstände bei der kinästhetische Differenzierungsfähigkeit, der Rhythmisierungs- und Gleichgewichtsfähigkeit, allerdings erreichen Jungs in diesem Alter ein schwaches oder stark verbessertes Leistungsergebnis in den koordinativen Fähigkeiten der räumlichen Orientierung, der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, der sportlichen Geschicklichkeit sowie der Reaktionsfähigkeit. (Vgl. Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 58f)

Lediglich bei der Beweglichkeit können Mädchen bessere Ergebnisse gegenüber Jungen erzielen. Diese sind zwar nur gering, mit Ausnahme der Beweglichkeit in der unteren Rumpfmuskulatur, allerdings wirken Mädchen ab dem fünften Lebensjahr aufgrund exogener und biologischer Faktoren in ihren Bewegungen deutlich dehnbarer und haben einen reibungsloseren Ablauf der Beweglichkeit. (Vgl. Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 60f)

5. Vor- und Nachteile der Koedukation im Sportunterricht

Durch die eben aufgeführte, unterschiedliche motorische Entwicklung zwischen Jungen und Mädchen entstehen durch die körperlichen Defizite der Mädchen einige Nachteile bei der Koedukation im Sportunterricht. Im folgenden Kapitel sollen weitere Nachteile der Koedukation aufgezeigt werden, bevor am Ende die Vorteile aufgezeigt werden.

5.1. Nachteile

Neben den unterschiedlichen Reifungsprozessen von Jungen und Mädchen ergeben sich auch durch geschlechtsspezifische Interessen, Verhaltensweisen und Leistungsorientierungen im Sport Probleme bei der Koedukation, die nach Möglichkeit kompensiert werden sollten. Diese äußern sich besonders im Alter von neun bis elf Jahren. In dem Alter sind Jungen wettkampforientierter und bringen ein höheres Interesse an Kampfformen mit. Mädchen hingegen sind eher für kooperative Spiele zu begeistern und bevorzugen eher verschiedene Tanzformen. Sie interessieren sich weniger für Wettkämpfe. (Vgl. Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 261f)

Das wird auch dadurch begründet, dass nicht nur der körperliche Entwicklungsrhythmus, sondern auch der geistige Entwicklungsrhythmus bei Jungen und Mädchen unterschiedlich ist und keinesfalls in der gesamten Entwicklung parallel verläuft. Daher zeigen Schülerinnen und Schüler in den verschiedenen Phasen abweichende Leistungsmotivation, Belastbarkeit und Leistungsbereitschaft, was immer wieder zu Problemen im geschlechtsneutralen Klassenverbund führt. Ein weiterer Nachteil kommt in der Vorpubertät zum Vorschein. Jungen und Mädchen fühlen sich in Gegenwart des anderen Geschlechts gehemmt und unwohl, weil sie ihre Schwächen nicht zeigen wollen. Dementsprechend ist es beiden Geschlechtern oftmals nicht möglich, sich frei bewegen und ihr Selbstwertgefühl entfalten zu können. Mädchen verweigern in diesen Momenten oftmals den Sportunterricht. (Vgl. Kröner, Pfister 1895: 5f) Die sozialen Kompetenzen, die im Sportunterricht in Form von Rücksichtnahme und Toleranz für das schwache Geschlecht gestärkt werden sollen, sind in der gewünschten Form nicht möglich. Ein Grund dafür ist auch die Abwertung von Mädchen hinsichtlich ihrer Geschlechtlichkeit und Leistungsfähigkeit, die es ihnen gar nicht ermöglicht, gleiche Leistungen zu erbringen und Anerkennung beim anderen Geschlecht zu finden. (Vgl. Kugelmann, Zipprich 2002: 26f) Der männliche Habitus und die Symbole von „Männlichkeit“ werden durch Eigenschaften wie Kraft, Härte und Durchsetzungsvermögen geprägt, was gerade in den Sportspielen immer wieder wichtig ist. Da der weibliche Habitus eher durch Eigenschaften wie Eleganz, Weichheit und Nachgiebigkeit geprägt ist, ist es schwierig, Sportspiele mit Mädchen und Jungen gemeinsam durchzuführen, da Jungen den Wettkampf gewinnen wollen und Mädchen dieses primäre Ziel nicht verfolgen. (Vgl.: Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 264) Daher kommt es oftmals zu Streitigkeiten in den Gruppen, da Jungen häufig den Überlegenheitsimperativ verfolgen und Mädchen sich abgewertet fühlen und nicht zeigen, was wirklich in ihnen steckt (Vgl. ebd.: 265). Die Erziehung zu einer geschlechtsspezifischen Hygiene stellt sich im koedukativen Sportunterricht als äußerst schwierig da. Angemessene Sportkleidung zu tragen, lässt sich in unserer heutigen Gesellschaft kaum realisieren. Mit der Zunahme von Integrationskindern in der Schule und den damit verbundenen unterschiedlichen kulturellen Mustern, gestaltet sich der koedukative Sportunterricht schwierig. Durch die unterschiedlichen traditionellen Auffassungen von Weiblichkeit und Männlichkeit, kann die Koedukation im Sportunterricht zu Verunsicherung und Widerstand führen. Aber auch die sozialen Schichten können eine angemessene geschlechtsspezifische Hygiene beeinflussen. (Vgl. ebd.: 265)

Wie im Kapitel 2.2 bereits erwähnt, soll Sportunterricht die Kinder und Jugendlichen motivieren, Sport auch außerhalb der Schule zu treiben. Sport soll dementsprechend mit etwas Positivem verbunden werden. Durch die Benotung der sportlichen Leistungen findet ein Kampf um Zensuren statt. Die Jungen messen sich mit den Mädchen und wollen sich als starkes Geschlecht herauskristallisieren. Unterschiedliche Bewertung der Geschlechter führen häufig zu Spott und ungerechter Behandlung. Jungen, die beispielsweise unsportlich sind, werden geschlechterspezifisch bewertet, obwohl sie kaum in der Lage sind, die Norm der Mädchen zu erfüllen. Somit sind sie einer doppelten Belastung im koedukativen Sportunterricht ausgesetzt. Nicht nur, dass sie unter den Jungen als die „Schlechten“ gelten, sondern sie können zusätzlich auch noch von den Mädchen verspottet werden. (Vgl. Manthey 1976: 28f) Ein Grund dafür sind die immer noch vorhandenen Geschlechterstereotypen, die auch in der Schule immer wieder in den Vordergrund rücken. (Vgl. Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 268)

5.2. Vorteile

Die Vorteile der Koedukation lassen sich auch ein Stück weit aus den Nachteilen ableiten. Die Umsetzung des koedukativen Sportunterrichtes, die in dem Kapitel 5.1 zu Nachteilen führt, sollte sich bei den Überlegungen des koedukativen Sportunterrichtes zu Vorteilen entwickeln. Die Chance, die im koedukativen Sportunterricht gesehen wurde bzw. teilweise immer noch gesehen wird, war die Gleichberechtigung und eine Gleichbehandlung der Geschlechter, wie es Gender Mainstreaming sagt, auch frühzeitig zu realisieren. Kinder und Jugendliche sollten typische Geschlechterrollen ablegen und in gleichberechtigte Interaktion gehen. (Vgl. Kugelmann, Zipprich 2002: 19) Dieses gelingt zunehmend im Sportunterricht in der Grundschule. Da die Kinder in ihrer motorischen Entwicklung durchaus gleich entwickelt sind, ist es auch möglich, die Geschlechterrollen zu überwinden und soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit, aber auch respektvollen Umgang zu realisieren. (Vgl. Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 56ff) Durch die Koedukation haben Jungen und Mädchen die Möglichkeit, gleiche sportliche Aktivitäten auszuprobieren und sich zu testen. Hierbei soll das Geschlecht durch seine Andersartigkeit akzeptiert und verstanden werden. (Vgl. Kröner, Pfister 1985: 193) Durch gemeinsame Sportspiele können sportliche Mädchen auch Anerkennung der Jungen erfahren und ihr Selbstwertgefühl wird zunehmend bestärkt, auch hier sind die Sportlehrkräfte gefragt. Eine gute Sportlehrkraft muss im koedukativen Sportunterricht versuchen geschlechtssensibel zu unterrichten. Im geschlechtsneutralen Klassenverband müssen die Stärken der Jungen, aber auch die Stärken der Mädchen gefördert werden. Durch „typische“ Männersportarten wie das Fußballspielen oder „typische“ Frauensportarten wie das Turnen, können im koedukativen Sportunterricht bei der gemeinsamen Durchführung der Sportart schon frühzeitig Klischees überwunden werden. (Vgl. Kugelmann, Zipprich 2002: 16f) Durch das gemeinsame Sporttreiben soll auch außerhalb der Schule das Sporttreiben mit Jungen und Mädchen als selbstverständlich angesehen werden. (Vgl. Hartmann-Tews, Rulofs 2006: 268)

6. Schluss

Die Koedukation im Sportunterricht ist immer noch eine sehr fragliche Maßnahme. Sicherlich leben wir in einer Zeit, in der sehr darauf geachtet wird, dass eine Gleichbehandlung und Gleichstellung des weiblichen und männlichen Geschlechtes berücksichtigt werden muss, doch ist es fraglich, ob das für den Sportunterricht sinnvoll ist. Die aufgeführten Nachteile zeigen, dass eine Koedukation eher zu Problemen führt und somit der Spaß am Sport verloren geht. Die Theorie und Praxis gehen immer noch stark auseinander. Hier wäre es doch sinnvoll, wenn jedem Einzelnen immer wieder ins Bewusstsein gerückt wird, dass es die Rollenklischees und Vorurteile abzulegen galt. Es gibt Mädchen, die sehr sportlich, aber deswegen nicht gleich „Mannsweiber“ sind und es gibt Jungen, die weniger sportlich, aber daher nicht gleich „Weicheier“ sein müssen. Das muss den Kindern und Jugendlichen immer wieder vor Augen geführt werden. Hier müssen die Sportlehrkräfte immer wieder pädagogische Höchstleistung vollbringen. Sportliche männliche, aber auch sportliche weibliche Vorbilder können dabei unterstützen und die Geschlechterstereotypen verändern. Die Berücksichtigung der Interessen von Mädchen und Jungen, wie sie im Gender Mainstreaming immer wieder appelliert werden, müssen auch im Sportunterricht vorhanden sein. Mädchen und Jungen sind mit deutlich mehr Spaß und Elan dabei, wenn sie sich für eine Sache interessieren. Damit könnte auch eine rege Teilnahme am Sportunterricht realisiert werden. Eine gegenseitige Unterstützung in den „Jungensportarten“ und in den „Mädchensportarten“ könnte bei einer gemeinsamen Durchführung von Bedeutung sein. Der Versuch der Jungen sich u.a. im Tanzen auszuprobieren, kann zu Anerkennung der Mädchen führen. Mit der Hilfe von zusätzlichen Fachkräften kann ein positives Sportklima zusätzlich bestärkt werden. Da auch die soziale Arbeit immer wieder mit dem Problem konfrontiert wird, könnten Schulsozialarbeiter beispielsweise die Lehrkräfte im Sportunterricht zusätzlich unterstützen. Aber um eine gute Koedukation im Unterricht realisieren zu können, bedarf es weitaus mehr. Hier muss auf mehreren Ebenen, als nur auf der pädagogischen Ebene gearbeitet werden. Die gesamte Gesellschaft und Politik ist gefragt, um Gender Mainstreaming weiterhin zu fördern und die Gleichbehandlung und Gleichstellung von weiblich und männlich für beide Geschlechter sinnvoll weiterzuentwickeln.

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Details

Seiten
Jahr
2014
ISBN (eBook)
9783656914358
ISBN (Buch)
9783656914365
Dateigröße
454 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Bremen
Erscheinungsdatum
2015 (März)
Note
1,3
Schlagworte
Gender Mainstreaming Soziale Arbeit Sport Gleichberechtigung
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Titel: Gender Mainstreaming in der Sozialen Arbeit. Dargestellt am Beispiel Sport