Fans sind ein weit verbreitetes Phänomenen. Das Angebot an Fans und Fanszenen ist weit gefächert und existiert zu den unterschiedlichsten Dingen, angefangen bei den üblichen Sport – und Musikfans bis hin zu außergewöhnlichen Anhängern von fiktiven Charakteren in Science Fiction Filmen. Fan-Sein ist unabhängig von Alter, Herkunft, Stand und Bildung. Es zieht sich durch sämtliche demographische Gesellschaftsschichten. Doch was sind Fans eigentlich? Was macht einen Fan zum Fan und was unterscheidet den Fan vom Zuschauer?
Zunächst ist es wichtig eine passende Definition von Fans zu finden. Die meisten Definitionen stellen die Emotionalität von Fans in den Fokus. So definiert etwa Rainer Winter dass Fans „enthusiastisch und exzessiv ihrer Leidenschaft nachgehen.“ Die Schwierigkeit bei einer genaueren Definition hierbei ist die Verallgemeinerung verschiedener Fan-Szenen zu einer all-umfassenden Definition, ohne dabei zu unspezifisch zu werden.
„Dementsprechend verstehen wir Fans in der Folge als Menschen, die längerfristig eine leidenschaftliche Beziehung zu einem für sie externen, öffentlichen, entweder personalen, kollektiven, gegenständlichen oder abstrakten Fanobjekt haben und in die emotionale Beziehung zu diesem Objekt Zeit und/oder Geld investieren.“
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Emotionen
2.1 Emotionen als Resultat sozialer Interaktionen und Strukturen
2.2 Kulturelle Gefühlsregeln
2.3 Das kollektive Gemeinschaftsgefühl
3. Fans im Alltag
3.1 Die sachliche Dimension
3.1.1 Konsumieren und Informieren
3.1.2 Sammeln
3.1.3 Reisen
3.1.4 Produzieren
3.1.5 Protestieren
3.2. Die soziale Dimension
3.2.1 Ordnungen und Strukturen der Fan-Interaktion
3.3 Distinktion
3.3.1 Die Mittel der Distinktion
4. Fazit
1. Einleitung
Fans sind ein weit verbreitetes Phänomenen. Das Angebot an Fans und Fanszenen ist weit gefächert und existiert zu den unterschiedlichsten Dingen, angefangen bei den üblichen Sport - und Musikfans bis hin zu außergewöhnlichen Anhängern von fiktiven Charakteren in Science Fiction Filmen. Fan-Sein ist unabhängig von Alter, Herkunft, Stand und Bildung. Es zieht sich durch sämtliche demographische Gesellschaftsschichten. Doch was sind Fans eigentlich? Was macht einen Fan zum Fan und was unterscheidet den Fan vom Zuschauer?
Zunächst ist es wichtig eine passende Definition von Fans zu finden. Die meisten Definitionen stellen die Emotionalität von Fans in den Fokus. So definiert etwa Rainer Winter dass Fans „enthusiastisch und exzessiv ihrer Leidenschaft nachgehen.“1 Die Schwierigkeit bei einer genaueren Definition hierbei ist die Verallgemeinerung verschiedener Fan-Szenen zu einer all-umfassenden Definition, ohne dabei zu unspezifisch zu werden.
„Dementsprechend verstehen wir Fans in der Folge als Menschen, die längerfristig eine leidenschaftliche Beziehung zu einem f ü r sie externen,öffentlichen, entweder personalen, kollektiven, gegenständlichen oder abstrakten Fanobjekt haben und in die emotionale Beziehung zu diesem Objekt Zeit und/oder Geld investieren. “2
Eine kurze Darstellung der einzelnen Bestandteile dieser Definition sollte Aufschluss über ihre Gültigkeit geben.
Schäfer und Roose sprechen von einer leidenschaftlichen Beziehung. Dies unterstreicht zunächst die Emotionalität, die zum Fanobjekt gegeben sein muss. Mit der Zeit kann sich der Wert, die Inbrunst und die Ausdrucksweise dieser Emotionalität verändern, doch sie ist zu jedem Zeitpunkt in der Beziehung zum Fanobjekt vorhanden. Diese Beziehung ist außerdem längerfristig. Es ist zwar nicht angegeben von welcher Dauer explizit die Rede ist, dennoch verständigen wir uns darauf mit dem Terminus längerfristig den einmaligen Zuschauer vom Fan abzugrenzen.
An dieser Stelle wird das Fanobjekt beschrieben. Dieses äußert sich (wie oben schon erwähnt) auf unterschiedlichste Art und Weise. Das Spektrum des Fanobjekts umfasst Personen, Gegenstände, Kollektive, Ideen und vieles mehr. Schäfer und Roose beschreiben hier auch abstrakte Konstrukte wie spezifische Genres in Film, Musik und Kunst. Die Termini extern und ö ffentlich beschreiben zudem, dass die Beziehung von Fan zum Fan-Objekt unabgeschlossen ist. Im Gegensatz zu persönlichen und privaten Beziehungen wie Freundschaft oder Liebe, ist das Fanobjekt theoretisch für jedermann zugänglich und empfänglich. Das letzte Kriterium der Definition ist die Handlungsbereitschaft. Es reicht hier nicht nur aus eine affektive Beziehung zu seinem Fanobjekt aufzubauen. Zu der Leidenschaft muss der Fan außerdem auch Zeit und/oder Geld investieren. (vgl. Schäfer/Roose 2010: 12f)
Doch wie wird man Fan von irgendwas? In einer Umfrage von Schäfer und Roose stellt sich heraus, dass vor allem Fanobjekte, die direkt medial verwurzelt sind, also TV, Film und Musik auch durch ihre Fans in den Medien entdeckt werden. Medien vermitteln vor allem ihre eigenen Fanobjekte. Die verstärkt sich vor allem durch die Intermedialität oder genauer genommen durch ständige Präsenz von Fanobjekten auf allen Medienkanälen. Exemplarisch dafür ist z.B. die Castingshow Deutschland sucht den Superstar. Das Fanobjekt wird hier strategisch multimedial inszeniert und produziert neben der TV Show selbst einen Twitter-Kanal, eine Facebook-Seite, Musikvideos im Fernsehen und auf YouTube, Lieder im Radio, Artikel in Magazinen und CD - und Download-Verkauf. Traditionellere Fanobjekte dagegen, wie etwa Autos oder Sport(-vereine) werden vorwiegend durch Freunde und Familie sozialisiert. Dies kann vor allem auf die generationale Sozialisation unter männlichen Sportfans zurückgeführt werden. Oft übernehmen dabei jüngere Generationen aufgrund des Einflusses der Eltern(-teile) die Fanobjekte der älteren Generation3.
Abbildung: Vermittlung der Fanobjekte4
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2. Emotionen
Fans sind gerade deshalb für die Emotionssoziologie interessant, da sie eine übersteigerte soziale Beziehung zu einem für sie unerreichbaren Fanobjekt unterhalten. Sie freuen sich wenn ein Star ein Baby bekommt, als ob es ein guter Freund wäre und sie weinen, wenn sich ihre Lieblingsband auflöst. Obwohl eine unüberwindbare Distanz zwischen Fan und Fanobjekt besteht, konstruiert der Fan eine auf imaginären Bildern basierende Realität, die für sein Objekt gilt und auch zu großem Teil verteidigt wird. Die Emotionen die das Fanobjekt hervorrufen kann, reichen von Verehrung, Freude, Begeisterung, Bewunderung bis hin zu Trauer (Schauspieler verlässt Serie) und Hass (Fußballspieler wechselt Verein). Die Bandbreite der Emotionen ist hier weit gefächert, jedoch variieren die Modelle zu den Auslösern und Reaktionen dieser Emotionen. So gibt es zum Teil natürlich die direkte Reiz-Reaktion (beispielsweise Freude wenn ein Tor in einem Fußballspiel fällt).
Doch der Fan kann sich auch selbst einbringen und sich gewissen Emotionen bewusst in seiner Beziehung zu seinem Fanobjekt aussetzen. Musikfans etwa, die sich um ihre Gemütslage zu beeinflussen ihren Lieblingskünstler anhören, versetzen sich damit bewusst in die Rolle des aktiven Rezipienten. Dieses Handeln lässt sich als eine Art Emotionserlebnisintensivierung beschreiben5. Und genau diese Emotionserlebnisintensivierung, die nur in einer in sich abgeschlossenen Welt, wie einer Fanszene, funktioniert, macht die Fankultur zu einem einzigartigen Forschungsobjekt.
2.1 Emotionen als Resultat sozialer Interaktionen und Strukturen
Die Emotion ist als Ergebnis sozialer Interaktion zwischen Fan und Fanobjekt zu sehen. Schon Theodore D. Kemper beschrieb 1978, dass „Emotionen aus realen, vorgestellten oder antizipierten Ergebnissen sozialer Beziehungen resultieren“6. Bestimmte Situationen ziehen also, laut Kemper, bestimmte Emotionen nach sich. Die Parameter die diese sozialen Beziehungen beschreiben, sind Macht und Status. Macht versteht Kemper, mit Vermerk auf Max Weber als „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“7 Status hingegen wird dem Statushöherem von Statusniedrigeren freiwillig zugewiesen. Dies geschieht in Form von „Geld, Anerkennung, emotionaler Unterstützung, Freundschaft oder sogar Liebe“8
Auch Fan ist nicht gleich Fan, denn auch unter Anhängern gibt es Hierarchien. So gibt es etwa im Fußball den spöttischen Ausdruck Erfolgsfans, ein Begriff der auf abwertende Weise Fans beschreibt, die eine Mannschaft nur in guten Zeiten anfeuern und sich bei etwa einer Niederlagenserie plötzlich nicht mehr mit dem Verein identifizieren. Auf der anderen Seite gibt es die sogenannten Ultras, die mit Herz und Seele jedes Spiel verfolgen und diejenigen, die nicht dasselbe Maß an Enthusiasmus teilen als Erfolgsfans beschimpfen. Hierarchien bei Fans aller Art basieren oft auf unterschiedlicher Intensität der (vor allem empfundenen) emotionalen Bindung zum Fanobjekt. Um diese Hierarchien aufrecht zu erhalten ist es, innerhalb von Fanszenen, nicht nur wichtig eine intensive, emotionale Bindung zum Fanobjekt zu erhalten, sondern diese auch entsprechend zu zelebrieren und demonstrieren (siehe wieder Ultras im Fußball).
Dies geht Hand und Hand mit Kempers Annahme, dass jene Hierarchien Emotionen erzeugen. Doch in Fanszenen ist es meist nicht das Parameter der Macht und das damit verbundene Durchsetzen des Willens, sondern eher das Parameter des Status, das hier von Wichtigkeit ist. Zwar ist es möglich, dass innerhalb von Fan- Gruppierungen Vormachtstellungen herrschen, jedoch ist dies, aufgrund von der Weitläufigkeit und der lockeren Strukturen von Fanszenen eher die Ausnahme.
2.2 Kulturelle Gefühlsregeln
Das Ausleben von Emotionen findet im Bereich der Fan-Kultur eine Art der Legitimierung. Nirgendswo sonst in der Gesellschaft kann man seinen Gefühlen öffentlich so freien Lauf lassen wie etwa bei einem Sport - oder Konzertevent. Anfeuerungsrufe, Freudeschreie und Applaus sind hier an der Tagesordnung, doch auch Abneigung und Buhrufe - eigentlich ein gesellschaftliches Tabu im öffentlichen Raum - haben ihre Daseinsberechtigung. Die Fanszene ist dennoch nicht ganz frei von Rahmen, an die das Ausleben von Emotionen gebunden ist. Bleiben wir beispielsweise beim Fußball. Hier ist gehört etwa das Auspfeifen des Gegners noch zum guten Ton. Doch bei expliziten Beleidigungen, Ausdrücken und Gewalt ist es vorbei mit der Toleranz. Auch gibt es unter Konzertbesuchern häufig die Diskussion, welche Art von Zuneigung zum Künstler noch salonfähig ist. Bei Vielen hört der Spaß bei expliziten, sexuellen Botschaften auf Plakaten, das Zeigen der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale, sowie bei Heul - und Schreikrämpfen auf.9
Wir sehen durch solche Beispiele, dass selbst in einer in sich abgeschlossenen Szene, wie einer Fanszene, gewisse vorgegebene kulturelle Maxime vorliegen nach denen sich die Mehrheit (oder zumindest die selbsterkorene Fan-Elite) richtet. Gehen wir einen Schritt weiter mit diesem Gedanken, so können wir dem (in unserem Falle Sport - oder Musik-) Event einen rituellen Charakter zuschreiben, bei dem alles nach einem gewissen Schema abläuft. Sei es die Laola-Welle im Stadion oder das Strecken von Feuerzeugen in die Luft - alles hat einen festen Ablauf welchen wir mehr oder minder kennen.
So geht man nicht allzu weit, wenn man behauptet dass sobald sich der Fan in diese Situation eines dieser ‚Rituale’ begibt, so verhält er sich auch nach den entsprechenden Regeln, die das Ritual verlangt. Das tatsächliche Empfinden von Emotionen vermischt sich mit dem Spielen der Rolle des Fans. Der Fan trägt mit seiner emotionalen Unterstützung viel zu dem Ritual bei und erhält damit eine tragende Rolle, die er bewusst oder unbewusst zu spielen hat. Es tragen zudem Faktoren wie Stadionsprecher, Stimmungsmacher oder Interaktionsaufforderungen vom Fanobjekt selbst dazu bei, die Gefühlslage der Fans zu mitzubestimmen und somit die Atmosphäre der jeweiligen Veranstaltung zu lenken. Wir sehen also, dass selbst bei aller Toleranz und Legitimierung unter der Haube des Events, die Emotionen des Fans nicht ganz frei sind. Leider gibt es nicht allzu viele Studien und Texte zu diesen Phänomenen, obwohl es kulturwissenschaftlich und emotionssoziologisch recht interessant wäre, genauer zu determinieren in welcher Form sich Fans emotional „frei“ äußern können.
2.3 Das kollektive Gemeinschaftsgefühl
Das oben beschriebene, rituelle Freisetzen von Emotionen in einer Gemeinschaft trägt dazu bei, diese Gemeinschaft zu verstärken und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu schaffen. Einen ähnlichen Ansatz finden wir auch in der Religion wieder. Hier tragen dieselben Faktoren, wie gemeinsame Symbole, Rituale und geteilte Emotionen, zur Verstärkung des Gemeinschaftsgefühls bei. Veranstaltungen wie Konzerte und Sportevents finden, wie auch Gottesdienste, in einem von der Außenwelt abgeschlossenen Ort statt. Damit werden auch die Geschehnisse innerhalb dieser Orte zu außergewöhnlichen Begebenheiten. Der Fokus der Fans ist, durch die Beschaffenheit der Orte auf ein festgelegtes Ereignis beschränkt und somit das Erlebnis intensiviert. Auch die Aufteilung in Fußballstadien in Heimblöcke und Gastblöcke, gepaart mit der Symbolik der jeweiligen Seite (Fahnen, Banner, Trikots, Schals) ergeben zudem das klassische Wir-gegen-Sie Szenario - das Entscheiden für eine Seite unterstreicht die Zugehörigkeit hier nochmals.
[...]
1 Winter, Rainer (1993): Die Produktivität der Aneignung - Zur Soziologie medialer Fankultur. In: Holly, Werner & Ulrich Püschel (Hrsg.): Medienrezeption als Aneignung. Opladen:
2 Schäfer, Mike S. & Jochen Roose (2010): Einleitung - Fans als Gegenstand soziologischer Forschung. In: Schmidt-Lux, Thomas (Hrsg.): Fans - Soziologische Perspektiven. Wiesbaden, S. 12
3 vgl. Schäfer, Mike S. & Jochen Roose (2005): Begeisterte Nutzer? Jugendliche Fans und ihr Medienumgang. In: merz - Medien und Erziehung 49/2 S. 50
4 Schäfer, Mike S. & Jochen Roose (2005): Begeisterte Nutzer? Jugendliche Fans und ihr Medienumgang. In: merz - Medien und Erziehung 49/2 S. 49
5 Schäfer, Mike S. (2010): Fans und Emotionen. In: Schmidt-Lux, Thomas (Hrsg.): Fans - Soziologische Perspektiven. Wiesbaden, S. 110
6 Kemper, Theodore D. (1978) A Social Interactional Theory of Emotions. New York: Wiley
7 Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, Kapitel 1, § 16.
8 Schäfer, Mike S. (2010): Fans und Emotionen. In: Schmidt-Lux, Thomas (Hrsg.): Fans - Soziologische Perspektiven. Wiesbaden, S. 113
9 vgl. Winter, Rainer (2010): Fans und kulturelle Praxis. In: Schmidt-Lux, Thomas (Hrsg.): Fans - Soziologische Perspektiven. Wiesbaden, S. 172f