Meine kleine Schwester sitzt zusammen mit mir und meinen Großeltern auf dem Sofa und bewegt sich seit Stunden keinen Millimeter. Auch ihr Gesicht ist kaum zu sehen, lediglich die Augenbrauen geben Aufschluss über ihren momentanen Gemütszustand. Das Wasserglas, welches man ihr aus Fürsorglichkeit hingestellt hatte, ist noch unberührt. Es ist offensichtlich: Sie leidet unter einem akkuten Fall von Vampirismus. Und zwar nicht nur, weil sie seit Tagen das selbe Buchcover der Welt präsentiert, sondern weil ihr Blick jedes Mal glasig wird, wenn sie den Schinken mal nicht in der Hand hat. Dann starrt sie minutenlang ins Leere, stellt Beziehungen in Frage und malt melanchonische Bilder auf ihr Federmäppchen. Und das alles nur wegen 'Twilight-Bis(s) zur Morgenstunde'. Mein Großvater hat diesen Wandel längst bemerkt und wird nicht müde sie und mich darauf hinzuweisen, dass glitzernde Vampire alles andere als interessant wärenn, ja, das Genre des Vampirfilms förmlich verspotten würden. Ich unterdrücke den ersten Impuls, ihm zu widersprechen einfach nur weil er seine Zeit mal wieder automatisch vor der unseren angesiedelt sieht, und denke erst mal über diesen Standpunkt nach. Dabei fällt mir auf, dass ich nicht einen einzigen Vampirfilm von 'früher' kenne, anhand dessen ich mir ein Urteil erlauben könnte. Als ich ihn nach berühmten Verfilmungen frage, fällt natürlich auch der Titel "Dracula" von Bram Stoker. Davon hatte ich schon Szenen gesehen, in irgendwelchen TV-Magazinen und in Schwarz/Weiß, was mich nicht gerade begeistert hatte. Als ich hörte, dass er den Film sogar da hatte, auf VHS, beschlossen wir spontan, einen Fernsehabend einzulegen an dessen Ende ich völlig zu seiner Meinung bekehrt war, zumindest was eines anging: Der Vampirfilm hatte sich tatsächlich verändert. Aber wie und warum war das passiert? Was genau war es, dass sich verändert hatte? An diesem Abend dachte ich viel über dieses Thema nach. Als in der folgenden Woche die Einwahl in neue Semesterkurse anstand und ich ein Seminar entdeckte, dass sich scheinbar genau mit dieser Fragestellung befasste, wählte ich mich überrascht und begeistert ein, was der Beginn eines interessanten Ausflugs in die Welt der Vampire nach sich gezogen hatte. Inklusive alter Vampirfilme im Kellerkino an berühmten Stätten, welche von noch berühmteren Autoren und Reggiseuren besucht worden waren und Tomatensaft, den unser Dozent beim Seminarausflug in der Dunkelheit verteilte. Diese Hausrbeit ist nun das Seminaregebis.
Gliederung
1.Einleitung
2. Exzerpte zu den Filmen
2.1 Der Film Interview mit einem Vampir
2.2 Der Film Twilight
2.3 Der Film Dark Shadows
3.Vampirfiguren in den Filmen
3.1 Die Vampirfigur in Interview mit einem Vampir
3.2 Die Vampirfigur in Twilight
3.3 Die Vampirfigur in Dark Shadows
4. Moralische Orientierung,Sexualität, Gewalt
5.Symboliken
6. Gemeinsamkeiten der Vampirfiguren
7. Abschließende Betrachtung
Literaturverzeichnis
1.Einleitung
Im Rahmen dieser Hausarbeit werde ich mich mit der Verortung der Vampirfigur in neueren Verfilmungen auseinandersetzten. Die Herangehensweise ist dahingehend schwierig, als dass das Thema zu einer adäquaten Analyse einen „interdisziplinären Zugang“ fordern würde, da zahlreiche menschlicher Grundbedürfnisse wie „die Frage nach der Ernährung, Krankheit und Tod(…),sexueller wie aggressiver Austausch (…)(,)Unsterblichkeit oder nach dem Gottesverhältnis“ involviert sind, welchen ich im Umfang dieser Arbeit nicht bedienen kann(Bertschik/Tuczay 2005:7). Da es sich bei einem „Vampir“ um eine imaginierte Figur handelt, welche „im jeweiligen Diskursprozess erst entsteht und ihre spezifischen Eigenschaften herausbildet“(Bertschik/Tuczay 2005:7), ist eine zu allgemeine Annäherung an dieses Thema jedoch importun. Auch handelt es sich beim Diskussionsgegenstand der Vampirfigur- sowohl in der Literatur als auch in den behandelten Verfilmungen- nicht um eine „anthropologische Konstante“, sondern um ein zu je spezifischen Zeiten und an speifischen Orten auftretendes Phänomen“(ebd.). Die jeweiligen Darstellungen werden außerdem durch die „wertende Assoziierung des gesellschaftlichen Kontextes“ (Faulstich 1988:65) beeinflusst. Es besteht „die Gefahr, daß(sic!) die soziologische Interpretation von Filmen stärker als bewußt (sic!) und kalkulierbar durch die gesellschaftliche Herkunft und die in der Regel als >selbstverständlich< vertretenen Wertehierarchie des Interpreten geprägt oder gar vorbestimmt wird“ (ebd.).
Desweiteren ist die Definition einer einzig wahren Vampirfigur unzulänglich, zum einen aus den bereits genannten Gründen, zum anderen wegen der ungenauen Verortung innerhalb eines festen Areals, wie es beispielsweise Montague Summers beschreibt: (A Vampire is)(…)neither ghost nor demon but jet who partakes the dark natures and possesses the mysterious and terrible qualities of both“(Summers 1929:1). Diese zentrale Position, welche aus verschiedenen Bereichen der Mystik gespeist wird, fungiert sowohl als fließende Grenze hin zu anderen fiktiven Figuren, hebt sich jedoch aufgrund der beim Vampir vorhandenen Körperhaftigkeit zugleich von einem „traditionell immateriellen Gespenst“ ab (Ruthner 2005:12). Die genaue Verortung der Vampirfigur erweist sich so als ein recht unübersichtliches Thema, denn „for he is a thing which belongs to no world at all“(Summers 1929:1).
Wenn sich auch nicht die Vampirfigur an sich von mir hinlänglich analysieren lässt, so lässt sich dennoch ein Vergleich zwischen jener in neueren Vampirfilmen und der in älteren ziehen. Nach Bertschick und Tuczay ist die gängige Meinung in der Sekundärliteratur zu Vampirfilmen, dass „das 20. Jahrhundert bekanntlich im Zeichen des Medienwechselns der Vampirfigur von der Literatur zum Film“ (Bertschick/Tuczay 2005:10) stehe, was mich in meiner Arbeit dazu veranlasst hat, auch Fachliteratur mit einzubeziehen, welche sich mit der literarischen Vampirfigur befasst.
Im Folgenden werde ich auf drei Filme eingehen, welche ich auf ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten hin untersuchen und auswerten werde. Diese sind von mir bewusst aufgrund ihrer Verschiedenheit sowohl in der Darstellungsweise als auch im Erscheinungsdatum ausgewählt worden, um eine möglichst große Bandbreite an Darstellungsweisen in meine Analyse mit einbeziehen zu können. Durch diese Vorgehensweise möchte ich versuchen, möglichst nahe an einer genretheoretischen Arbeitsweise, wie sie Göbel beschreibt, bleiben zu können (Göbel 2012:13). Dabei werde ich auch ältere Verfilmungen vergleichend heranziehen, um eine eventuelle Veränderung innerhalb dieses Genres besser herausarbeiten zu können.
Um dies angemessen durchführen zu können ist eine-zumindest grobe- Definition jedoch unumgänglich. Um diese zu bedienen schließe ich mich dem Definitionsversuch Norbert Borrmanns an, welcher unter anderem „Merkmale aus fünf verschiedenen Kategorien magischer Glaubensvorstellungen“, welche bei einem Vampir in Narrativen der Folklore zu finden seien, beschreibt: „Erstens die Wiedergänger; zweitens die alp-ähnlichen, nächtlich heimsuchenden Geister; drittens Wesen von der Art der blutsaugenden Stryx des Altertums; viertens Hexen aus slawischen und balkanischen Gebieten, die auch nach ihrem Tod noch Schaden anrichten und fünftens Werwölfe“(Borrmann 1989:13). Zusätzlich hierzu berufe ich mich auf die auch Borrmann vorangegangene allgemeinere Definition von Summers, nach der ein Vampir „has a body, and it is his own body. He is neither dead nor alive; but living in death. He is an abnormality; the androgyne in the phantom world; (…)(and) the object sucks blood” (Summers 1929:6).
Mit dieser Grundlage werde ich nun, gestaffelt nach ihrem ersten Erscheinungsdatum, die einzelnen Filme beleuchten und die darin dargestellte Vampirfigur analysieren. Anschließend werde ich die herausgearbeiteten Punkte sowohl untereinander als auch mit älteren und anderen jüngeren Verfilmungen vergleichen und versuchen, mit dem erlangten Ergebnis eine These zu formulieren.
2. Exzerpte zu den Filmen
2.1 Der Film Interview mit einem Vampir
Dieser Film aus dem Jahr 1994 handelt von dem Vampir Louis, welcher gleichzeitig als Erzähler fungiert und aus seiner Vergangenheit berichtet. Dies geschieht in Form eines Interviews, welches er dem Reporter Daniel Malloy gibt. Im Laufe dessen erzählt Louis, wie er durch einen Biss des Vampirs Lestat selbst zu eben jenem Wesen wurde und von den völlig verschiedenen moralischen Grundsätzen, denen beide folgten: Louis verfällt nach seiner Verwandlung in einen Gewissenskonflikt, ernährt sich nahezu ausschließlich von Tierblut und kann den niedrigen Stellenwert, welcher ein Menschenleben für seinen Erschaffer Lestat hat, nicht nachvollziehen. Dieser genießt sein Dasein als Vampir ohne Skrupel. Auffallend beim Anfang des Films ist auch die sich stark ähnelnde Wortwahl mit jener die auch in der Schlussszene zu finden ist.
Schon relativ zu Anfang des Films stößt die junge Claudia als Mit-Protagonistin zu den beiden Vampiren. Sie wurde von Lestat verwandelt, nachdem Louis sie in einem Moment des Kontrollverlustes gebissen hatte. Lestat hoffte, Louis trotz dessen Zweifel weiter an sich zu binden. Das Verhältnis untereinander ist jedoch schwierig, da Claudia zwar auf Ewig im Körper eines zwölfjährigen Mädchens gefangen ist, in ihrem Inneren aber längst zu einer Frau herangewachsen ist.
Aus Wut auf ihren Erschaffer unternimmt sie bald einen Tötungsversuch gegen Lestat, was ihr mit Louis‘ affektiver Unterstützung scheinbar auch gelingt. Sie zieht gemeinsam mit Louis in eine neue Stadt, wo sich Claudia eine neue Gefährtin erschafft. Dort treffen sie auf Armand, ein Vampir der zusammen mit einer Reihe Seinesgleichen in einem Theater lebt und ein dekadentes Leben führt. Zwar freundet Louis sich schnell mit ihm an, die Gruppe der anderen Vampire und deren Anführer Santiago sind allerdings gegen ihn. Sie entführen das verbotene Vampirkind Claudia und ihre Gefährtin und sperren sie in eine Art Brunnen, wo sie schließlich von der aufgehenden Sonne erfasst und getötet werden. Louis selbst wurde ebenfalls gefangen genommen, konnte sich aber mit Hilfe von Armand befreien und sinnt nun auf Rache. Er brennt das gesamte Theater mit Santiago darin nieder und verlässt erneut die Stadt. Der totgeglaubte Lestat wird zufällig von Louis aufgelesen. Ganz im Sinne der herrschenden gespaltenen Einstellung gegenüber der Unsterblichkeit fühlt sich Lestat der modernen Welt jedoch nicht mehr gewachsen. Louis dagegen scheint im Laufe des Films immer mehr seiner ursprünglichen ‚Menschlichkeit‘ verloren zu haben. Den Schluss bildet ein aggressiver Ausbruch Louis‘ gegen den Reporter Malloy, woraufhin dieser versucht in seinem Auto zu fliehen, von Louis jedoch eingeholt und gebissen wird. Er will den jungen Mann nun nach eigener Aussage vor eine Wahl stellen, die er nie hatte (Interview mit einem Vampir 120.Min).
2.2 Der Film Twilight
Hierbei handelt es sich um den ersten Film einer fünfteiligen Reihe. Protagonisten dieses Filmes sind die 17jährige menschliche Bella und der Vampir Edward. Er lebt etwas abseits der Stadt Forks, dem Haupthandlungsort des Filmes, zusammen mit sechs weiteren Vampiren, welche trotz fehlenden Verwandtschaftsverhältnisses sinnbildlich seine Familie darstellen. Als Bella nach Forks zieht lernen sich die beiden kennen und verlieben sich ineinander. Bella erkennt bald, dass Edward anders ist als normale Menschen, da sie durch ihre enge Beziehung zu ihm immer wieder Situationen miterlebt, in welchen Edwards übernatürliche Fähigkeiten- wie etwa unmenschliche Kraft und Schnelligkeit- durchscheinen. Es kommt zum Eklat und Bella erkennt, dass sie in einer Welt lebt, in welcher Vampire existieren und unerkannt unter den Menschen leben. Dieses Wissen macht sie jedoch für die Vampire gefährlich. Da sie aber dem ungeschriebenen Gesetzt der Geheimhaltung zustimmt, führt Edward sie in seine Welt ein, was Bella selbst in Gefahr bringt. Zwar lebt der gesamte Cullen-Clan nach strengen Regeln, was das (nicht-)töten von Menschen angeht und das erforderliche Blut durch Tierblut ersetzt, die Abstinenz erfordert allerdings ein hohes Maß an Selbstkontrolle. Der Geruch von menschlichem Blut aus beispielsweise einer offenen Wunde erzeugt bei den Twilight-Vampiren einen tranceartigen Zustand, in welchen es ihnen nahezu unmöglich ist, sich zu kontrollieren. Obwohl keiner der Cullen-Vampire seinem Verlangen nach Blut nachgibt, erscheinen bald fremde Vampire auf der Bildfläche, welche die Überzeugung des Nicht-Tötens von Menschen weder teilen noch gutheißen. Einer dieser Vampire fühlt sich herausgefordert, Bella aus dem Schutz der Cullens herauszulocken und ihr Blut für sich zu beanspruchen. Nach einer längeren Verfolgung und einem kurzen Kampf mit Edward wird er allerdings getötet, hatte aber dennoch die Gelegenheit, Bella zu beißen und ihr das Vampirgift zu injizieren. Am Ende des Films entscheidet Edward darüber, ob er die einsetzende Verwandlung Bellas in einen Vampir zulassen will, oder ihr das Gift aus dem Organismus heraussaugt. Er entscheidet sich für letzteres und der Film endet mit dem geäußerten Wunsch von Bella, sie wolle wie Edward zum Vampir werden, um auf Ewig mit ihm zusammen zu sein.
2.3 Der Film Dark Shadows
Dieser Film spielt sich um Protagonist und Vampir Barnabas Collins ab, welcher aus einer Jahrhunderte langen Gefangenschaft in einem Sarg unter der Erde zufällig von Bauarbeitern gehoben und befreit wird. Aus Blutdurst tötet er seine Retter und kehrt zu seinem früheren Anwesen am Rande der Stadt Collinsport zurück, wo mittlerweile seine Nachfahren mit ihrer Tochter, ihrem Bruder und dessen Sohn leben. Er gibt sich ihr als Vampir und allen anderen als entfernter Verwandter zu erkennen und muss sich zunächst in der für ihn völlig neuen Welt zurechtfinden. Das ehemals wohlständige Familienunternehmen befindet sich am Rande des Ruins und ein Konkurrenzunternehmen hat die Vormachtstellung übernommen, welches der ehemalige Affäre von Barnabas, der scheinbar ebenfalls unsterbliche Hexe Angelique, unterstellt ist. Sie ist auch die Antagonisten des Films und Schuld an Barnabas‘ Gefangenschaft, dem Tod von dessen Eltern und Geliebten. Außerdem war sie es, die ihn mit einem Fluch zum Vampir werden ließ. Im Laufe des Films bemerkt Angelique Barnabas‘ Rückkehr und versucht ihm erneut zu schaden, um sich für die Zurückweisung vor mehreren hundert Jahren zu rächen.
Währenddessen entdeckt die Psychiaterin Dr. Hoffman, welche ebenfalls in der Collin-Villa lebt und sich um eines der Kinder kümmert, das Barnabas ein Vampir ist und versucht unter falschem Vorwand, Barnabas Blut abzuzapfen und sich selbst zuzuführen, um ebenfalls ein Vampir zu werden. Er bemerkt allerdings ihren Plan, tötet sie und versenkt sie in einem Sarg im Meer. Bald darauf verliebt sich Barnabas in das Hausmädchen und weist Angelique erneut zurück. Daraufhin überzeugt diese die Bewohner von Collinsport, Barnabas sei ein blutrünstiges Monster und müsse gestoppt werden. Sie stürmt gemeinsam mit einem wütenden Mob die Collin-Residenz wo es zum Kampf kommt, in welchem Angelique den Tod findet und sich außerdem die Tochter der Nachfahrin Barnabas‘ als Werwolf entpuppt. Barnabas‘ Geliebte wurde jedoch zuvor von Angelique mit einem Fluch belegt und versucht sich von einer nahen Klippe zu stürzen. Barnabas kann sie jedoch noch im Fall in einen Vampir verwandeln und beide überleben. Gleichzeitig brennt das Anwesen der Collins bis auf die Grundmauern ab. Während des Kampfes wurden die aufgebrachten Dorfbewohner Zeugen von Angeliques Hexenkünsten und sind nun davon überzeugt, das wahre Monster gefunden zu haben. Barnabas und seine Familie sind rehabilitiert und führen ihr Unternehmen wieder zum alten Glanz zurück. Der Film schließt mit einer Szene ab, in welcher die verstorben geglaubte Dr. Hoffman in ihrem Sarg auf dem Meeresgrund ein Lebenszeichen von sich gibt.
3.Vampirfiguren in den Filmen
3.1 Die Vampirfigur in Interview mit einem Vampir
Die Verwandlung in einen Vampir erfolgt bei diesem Filmbeispiel durch einen Biss, allerdings muss für eine Verwandlung zum Vampir dem gebissenen Menschen zusätzlich Vampirblut zugeführt werden. Dies könnte als frühes Anzeichen der Vermenschlichung des Vampirs gesehen werden. Die darauf folgende Umwandlung ist, im Gegensatz zu den noch folgenden Filmen, schnell vorüber. Danach haben sich Aussehen und Sinneswahrnehmung verändert beziehungsweise verbessert. Die Vampire sind im Besitz größerer körperlicher Kraft und haben Fangzähne. Ihre Augen werden stechend hell und sie scheinen in der Lage, sich flugähnlich fortzubewegen beziehungsweise sehr weit zu springen und in Ausnahmefällen auch Gedanken zu lesen.
Desweiteren gilt in der Vampirwelt von Interview mit einem Vampir ein Gesetzt der Geheimhaltung, wogegen Lestat verstieß, als er Claudia verwandelte, da ein Kindvampir durch sein immer gleiches Aussehen schnell auffällig wird. Dabei stimmt es mit den nächsten zu behandelnden Filmen Twilight und Dark Shadows weitestgehend überein. Eine Abweichung zu beiden anderen Filmen zeigt sich durch die Freude am Trinken menschlichen Blutes, welches sowohl sexuelles Verlangen befriedigt, als auch nicht an einen bestimmten Opfertypus gebunden ist. Hier kommt es „zu Verhaltensformen, (…) in denen sich physische Gewalt und zügellose Sexualität verquicken“ (Cersowsky 1983:90), wobei sich „der sexuell-verbrecherische Impuls über familiäre Beziehungen und Altersschranken hinweg (setzt)“ (Cersowsky 1983:91). Louis, der sich von Tierblut ernährt, widerfährt dabei jedoch eine etwas abgeschwächte Art dieser Befriedigung.
Die Vampire aus Interview mit einem Vampir schützen sich vor dem für sie tödlichem Sonnenlicht, in dem sie den Tag schlafend in einem Sarg verbringen. Dieser Figurentypus ist der einzige, bei dem sich diese Parallele zu älteren Verfilmungen, wie beispielsweise Dracula, ziehen lässt, in welchem man ebenfalls den Grafen in seiner Sarg liegen sieht (vgl. Stoker 2008:67). Desweiteren lässt sich ihr vampirisches Leben mit der generellen Zerstörung ihres Körpers beenden. Der religiöse Aspekt des Lebens nach dem Tod wird dabei kaum herausgearbeitet. Lediglich bei der Verwandlung Louis‘ wird die Andersartigkeit des Vampirs scheinbar dadurch angedeutet, dass eine steinerne Engelsskulptur mit zuvor geschlossenen Augen Blickkontakt mit Louis aufbaut, nachdem dessen komplette Wandlung zum Vampir vollzogen ist.
Die Lichtempfindlichkeit der Vampirfigur in Interview mit einem Vampir steht im Gegensatz zu den völlig lichtunempfindlichen, noch zu behandelnden Twilight-Vampiren oder dem etwas weniger lichtempfindlichen Vampir in Dark Shadows. Die emotionale Bindung der Gefährten untereinander ist von anderer Natur, als sie in den anderen beiden Filmen erkennbar ist. Nicht nur, dass die Handlung um zwei männliche Protagonisten ausgelegt ist, die im Verlauf des Films im Übertragenen Sinne ein Kind adoptieren, indem sie die junge Claudia verwandeln. Auch die mit moralischen Bedenken aufgeladene Beziehung zwischen Claudia und Louis ist zwar auf ihre Weise intensiv, hebt sich jedoch deutlich von der klar getrennten Familienstruktur in den anderen Filmbeispielen ab.
Verglichen mit den Ankerpunkten der vorausgesetzten Definition wird klar, dass im Film Interview mit einem Vampir ein recht konstantes Bild der Vampirfigur vermittelt wird. Bei diesem handelt es sich um sowohl um einen Wiedergänger, der Blut zum Überleben braucht, als auch um sein albähnliches Wesen, da er tatsächlich zumeist nachts Menschen tötet und deren Blut trinkt. Im reinen Äußerlichen ist diese Ähnlichkeit jedoch nicht feststellbar, da für die Darstellung der vampirischen Hautcharaktere Schauspieler verpflichtet wurden, die allgemein als überdurchschnittlich attraktiv angesehen werden. Hexenkräfte ließen sich hier in verschiedene Talente interpretieren: Zum einen die Gabe des Gedankenlesens, zum anderen telekinetische Kräfte, wie sie sich schon in der 5. Filmminute durch das Betätigen eines Lichtschalters mit bloßer Willenskraft zeigen. Das Laufen an der Decke, wie es in einer Szene im Theater bei einem anderen Vampir beobachtbar ist, reiht sich neben den auch als Fliegen betrachtbaren weiten beziehungsweise hohen Sprüngen ein und scheint einen Bezug zur Hexerei herzustellen. Eine Parallele zum Werwolf-Dasein könnte man anhand des „Zusammenprall(s) zwischen domestizierter Kultur und wilder Natur“(Koebner 2006:29) erkennen, wie sie sich durch den Gewissenskonflikt von Protagonist Louis bemerkbar macht.
Bezogen auf den an Summers angelehnten Teil der Definition stimmen sowohl der Aspekt der Körperhaftigkeit im Sinne eines eigenen- hier ehemals menschlichen-Körpers, als auch die androgyne Darstellung der Protagonisten überein. Da die äußerliche Ausprägung-wie beispielsweise die vollen roten Lippen undlangen Haare der männlichen, im Handlungsvordergrund stehenden Vampire- allein sicherlich zu subjektiv wäre, könnte man an dieser Stelle die unterschwellige homosexuelle Beziehung zwischen Louis und Lestat (8.-41.Min.), später auch zu Armand (105.Min.), nennen. Auch die hohe Sensibilität, welche die Figur Louis verkörpert, indem sie sich intensiv mit moralischen Werten auseinander setzt oder eine fast vaterähnliche Bindung zu Claudia aufbaut, könnte diese Vermutung bestätigen. Die Abnormität äußert sich unter anderem in den unnatürlich hellen Augen der Vampire und der Tatsache, dass eben jene die Nacht in einem Sarg verbringen. Die jeweiligen Hexenkräfte decken diesen Bereich natürlich in allen behandelten Filmen ebenfalls ab.
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