Dass Lehrer in ihrer beruflichen Tätigkeit täglich mit Unterrichtsstörungen konfrontiert werden ist einleuchtend. Nach (Keller, 2008, S. 28) gehen 35% der Unterrichtszeit durch Störungen verloren. Diesbezüglich unterscheidet (Lohmann, 2003, S. 12 f.) nach schülerinduzierten und lehrerinduzierten Störungen, sowie äußeren Störeinflüssen. Weiterhin definiert er Unterrichtsstörungen als Ereignisse, die den Lehr-Lern-Prozess beeinträchtigen, hemmen oder unmöglich machen, indem sie Lehr-Lern-Voraussetzungen außer Kraft setzen. Erscheinungsformen derartiger Störungen sind ihm zufolge verbales Störverhalten, mangelnder Lerneifer, motorische Unruhe und aggressives Verhalten.
Der Begriff „Unterrichtsstörungen“ ist in diesem Zusammenhang ein wertneutraler Terminus, der zudem im Gegensatz zu anderen Begriffsdefinitionen aus der Fachliteratur auch den Ort der Störung spezifiziert. Andere Begriffe lauten beispielsweise „abweichendes Schülerverhalten“, „Lernstörungen“, „Leistungsstörungen“, „Erziehungsschwierigkeiten“, „Verhaltensstörungen“ oder „Disziplinkonflikte“. In diesen Begriffen ist eine implizite Schuldzuweisung in Richtung der Schüler (Eberhard, 2010, S. 37) zu sehen. So gibt auch (Lohmann, 2003, S. 14) zu bedenken, dass aus Lehrersicht Störungen im Unterricht beinahe ausschließlich als nicht angemessenes Verhalten von Schülern wahrgenommen werden. Unterricht basiert jedoch auf Interaktionen in einer Schul-klasse. Alle am Lehr-Lernprozess beteiligten Personen beeinflussen sich wechselseitig! So verkündet (Nolting, 2009, S. 68): „Viele Lehrer/innen stören ihren eigenen Unterricht!“. Entsprechend Gesagtem halte ich den wertneutralen Begriff der Unterrichtsstörung für vorteilhaft und verwende ihn auch in dieser Arbeit über das Interventionskonzept nach Dreikurs.
Inhaltsverzeichnis
1 Unterrichtsstörungen
2 Grundlagen Der Theorie von Dreikurs
2.1 Ziele als treibende Kraft menschlichen Handelns
2.2 Die vier Ziele unerwünschten Verhaltens
2.3 Welches Ziel steckt hinter dem beobachteten Verhalten?
2.4 Die Veränderung der kindlichen Ziele
2.4.1 Veränderung des Ziels „Aufmerksamkeit erlangen“
2.4.2 Veränderung des Ziels „Machterlangung“
2.4.3 Veränderung des Ziels „Rache ausüben“
2.4.4 Veränderung des Ziels „Zurschaustellung von Unfähigkeit“
2.5 Ermutigung
3 Reflexion aus Schulpraktika und meiner Tätigkeit als Tennistrainer
3.1 Situation mit dem Schülerziel „Machterlangung“
3.2 Situation mit dem Schülerziel „Zurschaustellung von Unfähigkeit“
4 Literaturverzeichnis
1 Unterrichtsstörungen
Dass Lehrer in ihrer beruflichen Tätigkeit täglich mit Unterrichtsstörungen konfrontiert werden ist einleuchtend. Nach (Keller, 2008, S. 28)gehen 35% der Unterrichtszeit durch Störungen verloren. Diesbezüglich unterscheidet (Lohmann, 2003, S. 12 f.) nach schülerinduzierten und lehrerinduzierten Störungen, sowie äußeren Störeinflüssen. Weiterhin definiert er Unterrichtsstörungen als Ereignisse, die den Lehr-Lern-Prozess beeinträchtigen, hemmen oder unmöglich machen, indem sie Lehr-Lern-Voraussetzungen außer Kraft setzen. Erscheinungsformen derartiger Störungen sind ihm zufolge verbales Störverhalten, mangelnder Lerneifer, motorische Unruhe und aggressives Verhalten.
Der Begriff „Unterrichtsstörungen“ ist in diesem Zusammenhang ein wertneutraler Terminus, der zudem im Gegensatz zu anderen Begriffsdefinitionen aus der Fachliteratur auch den Ort der Störung spezifiziert. Andere Begriffe lauten beispielsweise „abweichendes Schülerverhalten“, „Lernstörungen“, „Leistungsstörungen“, „Erziehungsschwierigkeiten“, „Verhaltensstörungen“ oder „Disziplinkonflikte“. In diesen Begriffen ist eine implizite Schuldzuweisung in Richtung der Schüler (Eberhard, 2010, S. 37) zu sehen. So gibt auch (Lohmann, 2003, S. 14) zu bedenken, dass aus Lehrersicht Störungen im Unterricht beinahe ausschließlich als nicht angemessenes Verhalten von Schülern wahrgenommen werden. Unterricht basiert jedoch auf Interaktionen in einer Schulklasse. Alle am Lehr-Lernprozess beteiligten Personen beeinflussen sich wechselseitig! So verkündet (Nolting, 2009, S. 68): „Viele Lehrer/innen stören ihren eigenen Unterricht!“. Entsprechend Gesagtem halte ich den wertneutralen Begriff der Unterrichtsstörung für vorteilhaft und verwende ihn auch in dieser Arbeit über das Interventionskonzept nach Dreikurs.
2 Grundlagen Der Theorie von Dreikurs
Mit Rückgriff auf die Individualpsychologie[1] (kurz: IP) nach Adler (1870-1937) postuliert Dreikurs, dass menschlichem Verhalten das übergeordnete Ziel innewohnt, zur Gesellschaft dazu zugehören. Zentral ist in der IP der Begriff Gemeinschaftsgefühl, denn die sozialen Bezüge eines Menschen zu seiner Familie und seinem Umfeld sind für die Entwicklung seiner Persönlichkeit bedeutsam. Um seinen Platz in der Gesellschaft zu finden, beginnt der Mensch schon in seiner Kindheit mit der Entwicklung unterschiedlicher Lebensstile, so Adler. Das Kind sucht im Durcheinander seines frühen Lebens nach weiteren Zielen und Halt und es wählt das Verhalten, welches zu seiner Zielerreichung am vielversprechendsten erscheint. Einfluss auf diesen Prozess von Versuch und Irrtum haben außerdem der elterliche Erziehungsstil, die familiäre Konstellation, der soziale Status und ähnliche Faktoren[2]. Herauszustellen ist demnach, dass menschliches Verhalten nach Dreikurs und in Anlehnung an Adler stets auf Entscheidungen beruht und zielgerichtet ist.
2.1 Ziele als treibende Kraft menschlichen Handelns
Entsprechend (Dreikurs, Grundwald, & Pepper, 1976, S. 20 f.) sind sich Menschen bloß in begrenztem Ausmaß über ihre Ziele im Klaren. Jedoch offenbaren die Folgen ihrer Handlungen ihre Absichten, die sich in den sog. Nahzielen manifestieren. Die kurzfristig realisierbaren Ziele sind eng mit dem übergeordneten Ziel verknüpft, denn über sie soll letztlich soziale Zugehörigkeit erreicht werden. Die Nahziele haben bei Dreikurs eine negative Prägung, da unerwünschtes Verhalten von Kindern im Unterricht ihr Streben nach Aufmerksamkeit, Macht und Rache offen legt oder sie mit ihrem Verhalten die eigene Unfähigkeit zur Schau stellen möchten. Ursächlich sieht er für die meisten Fälle von kindlichem Fehlverhalten irrige Wahrnehmungen über sich selbst und die Wirklichkeit. Ihre „private Logik“, welche eine Fehlinterpretation beinhaltet, weist den Schülern einen falschen Weg über die vier erwähnten Nahziele zu gesellschaftlicher Anerkennung und Beachtung als übergeordnetem und langfristigem Ziel. Die Unterstellung von stets zielgerichtetem Handeln und dem Erkennen der vier Ziele unerwünschten Verhaltens stellt den sog. teleo-analytischen Ansatz nach Adler dar. Das Aufdecken dieser Ziele ist nach Dreikurs für die Klassengemeinschaft von großer Bedeutung. Schließlich sollen ihm folgend Erzieher eben nicht unmittelbar auf das kindliche Verhalten einwirken, um Unterrichtsstörungen zu beseitigen. Dreikurs verkündet, dass ihre Ziele verändert werden sollen!
2.2 Die vier Ziele unerwünschten Verhaltens
(Dreikurs, Grunwald, & Pepper, 1987, S. 21 ff.)sehen in den nachstehenden Nahzielen die Motivation für Unterrichtsstörungen:
1. Erlangung von Aufmerksamkeit
2. Machterlangung
3. Rache ausüben
4. Zurschaustellung von Unfähigkeit
Diese vier Ziele liegen eng bei einander, sodass Lehrer nur unter Einsatz ihrer Erziehungserfahrung und psychologischem Geschick feststellen können, welches dieser vier Ziele ihre Schüler zum Stören veranlasst. Hilfestellung hierbei gibt die folgende Tabelle, denn sie greift das situative Schüler- und Lehrerverhalten auf. Die erziehende Person kann mit ihr getreu dem teleo-analytischen Ansatz auf das Ziel des Kindes schließen und es sodann verändern.
Tabelle 1: Merkmale von Schüler und Lehrerverhalten nach Dreikurs
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die kindlichen Nahziele können sprunghaft umschlagen. Der Schüler, welcher zunächst Aufmerksamkeit erregen wollte, wird von seinem Umfeld möglicherweise nicht beachtet. Er mag daraufhin trotzig reagieren und übt Vergeltung. Dementsprechend variiert auch das Schülerverhalten, etwa in der Weise, wie es in Tabelle 1 beschrieben ist. Darüber hinaus können Kinder die vier Nahziele auch mit unterschiedlichen Verhaltensausprägungen erreichen wollen. (Dreikurs, Grunwald, & Pepper, 1987, S. 24 ff.)unterscheiden ihr Verhalten in:
1. Aktiv-konstruktiv
2. Aktiv-destruktiv
3. Passiv-konstruktiv
4. Passiv-destruktiv
Zu 1.) Bezogen auf das erste Nahziel „Aufmerksamkeit erlangen“ ist ein aktiv-konstruktives Schülerverhalten auf den ersten Blick kaum von erwünschtem Verhalten zu unterscheiden. Entsprechende Kinder sind ehrgeizig und streben danach „Bester“ zu sein. Problematisch ist dabei, dass sie oft keine Kontakte zu Gleichaltrigen pflegen. Das ist auch plausibel, denn Eltern oder Lehrer stellen Kinder mit aktiv-konstruktivem Verhalten häufig als Vorbilder aus einer Gruppe heraus. Die anderen Kinder sind dann u.U. neidisch oder sehen das Kind einfach als von sich verschieden. Auf diese Weise werden aus Kindern, welche Aufmerksamkeit von Eltern oder Lehrern mit aktiv-konstruktivem Verhalten erlangen möchten, Außenseiter. (Dreikurs, Grunwald, & Pepper, Lehrer und Schüler lösen Disziplinprobleme, 1987, S. 25) weisen deutlich darauf hin, dass an diesem strebsamen Verhalten eigentlich nichts zu kritisieren ist. Zu kritisieren ist jedoch die Motivation dahinter, also das Ziel! Die Kinder strengen sich bloß an um die Anerkennung von Eltern und Lehrern zu bekommen und sind nicht intrinsisch motiviert.
Zu 2.) Aktiv-destruktives Schülerverhalten wird eingesetzt um Macht zu erlangen oder Rache zu üben. In beiden Fällen benehmen sich derart motivierte Schüler frech und tyrannisch. Sinnen Schüler auf Rache für vermeintliches Unrecht, so kommen noch Gewaltbereitschaft und Feindseligkeit hinzu. In Gesprächen mit Lehrern fanden (Dreikurs, Grunwald, & Pepper, 1987, S. 28 f.) heraus, dass den meisten von Ihnen aktiv-destruktives Verhalten am meisten Unbehagen verursacht. Das verwundert meiner Ansicht nach nicht, angesichts der genannten Verhaltensmuster.
Zu 3.) Verhalten sich Kinder passiv-konstruktiv, versuchen sie mit Charme oder auch hübschem Aussehen andere Menschen dazu zu bringen es zu beachten. Derartige Schüler verhalten sich lieb und würden nie etwas zerstören, denn das würde ihre Ausstrahlung zunichtemachen. Zeigen sich diese Kinder hilflos, so ist das meist eine Fassade um Hilfe oder Aufmerksamkeit zu bekommen. Oft scheinen diese Schüler an anderen Menschen interessiert, doch tatsächlich sind sie vielmehr auf sich fokussiert.
[...]
[1] Die Individualpsychologie ist eine der drei bekannten tiefenpsychologischen Lehren. Die weiteren sind die Psychoanalyse von Freud und die analytische Psychologie von Jung.
[2] http://www.alfredadler.ch/xml_1/internet/de/application/d2/d25/f39.cfm (10.12.14)