Nun gibt es ihn in Deutschland doch seit dem 1. Januar 2015: den gesetzlichen Mindestlohn. Noch gelten für eine ganze Reihe von Berufsgruppen Ausnahmeregelungen bzw.
Seite 3 Übergangsbestimmungen, aber trotzdem wurde diese sehr umstrittene Maßnahme der Bundesregierung nun umgesetzt und sie gilt. Es ist wohl noch zu früh, um bereits aussagekräftige Analysen über seine Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt zu präsentieren. Tatsache ist jedoch, dass sich Deutschland mit dieser gesetzlichen Regulierung des Arbeitsmarktes nun in die Reihe jener Länder einreiht, die sich bereits früher zu dieser Maßnahme entschlossen hatten.
Österreich als Nachbar und wichtiger Handelspartner Deutschlands kennt zwar die tarifliche Festlegung von branchenspezifischen Löhnen zwischen den Sozialpartnern, auf der politischen Ebene hat man sich aber bisher zu keinem gesetzlichen Mindestlohn durchgerungen.
Möglicherweise könnte hier Deutschland eine Vorbildwirkung einnehmen, vorausgesetzt der Mindestlohn bewährt sich in der Praxis. Deshalb ist es eine Untersuchung wert, welche Auswirkungen die Einführung eines vergleichbaren Mindestlohnes in Österreich auf die Unternehmen hätte. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen dieser Seminararbeit unter einer Gruppe von Kaufleuten eine Umfrage in der oberösterreichischen Bezirkshauptstadt Wels mit rund 63.000 Einwohnern durchgeführt, die allesamt im Handel- bzw. Dienstleistungssektor tätig sind und zwischen 0 und rund 20 MitarbeiterInnen beschäftigen. Manche von ihnen bezahlen bereits jetzt einen höheren als den in Deutschland geltenden Mindestlohn von € 8,50 brutto pro Stunde, andere jedoch wären durch diese staatliche Regulierungsmaßnahme am Arbeitsmarkt mit deutlich höheren Lohnkosten konfrontiert.
Vor diesem Hintergrund gibt diese Seminararbeit einen Überblick über die ökonomischen Aspekte eines Mindestlohnes, zeigt ausgewählte Argumente der Befürworter und Gegner auf und bietet einen Einblick in die Selbsteinschätzung einer Gruppe von Selbständigen in Klein- und Mittelunternehmen über die möglichen Folgen der Einführung eines Mindestlohnes in Österreich.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Ausgewählte Argumente für und gegen den Mindestlohn
2.1. Pro Mindestlohn: Der Nutzen überwiegt den volkswirtschaftlichen Schaden
2.2. Contra Mindestlohn: Die ökonomischen Kosten übersteigen den Nutzen
3 Eckdaten des geltenden Mindestlohns in Deutschland
4 Mögliche Auswirkungen eines Mindestlohnes in Österreich
4.1. Umfrage unter der „Neustädter Kaufmannschaft“
5 Auswertung
5.1. Frage 1: Branchenzugehörigkeit
5.2. Frage 2: Anzahl der Mitarbeiter
5.3. Frage 3: Auswirkungen der Einführung eines Mindestlohns
5.4. Frage 4: Auswirkungen steigender Personalkosten
6 Zusammenfassung
7 Literaturliste
8 Anhang
1 Einleitung
Zu den wesentlichen Merkmalen einer Marktwirtschaft gehört, dass sich Preise für die jeweiligen Produkte im freien Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage bilden können. Dies gilt nicht nur für gehandelte Konsumgüter und Dienstleistungen, sondern auch für den Preis der Arbeitskraft, der sich im ständigen Ausgleich zwischen jenen, die Arbeitskräfte suchen und jenen, die ihre Arbeitskraft anbieten, einstellt. Im Falle der sozialen Marktwirtschaft, wie sie in Deutschland eine lange und nach wie vor äußerst erfolgreiche Tradition aufweist, wird zusätzlich der Anspruch erhoben, die Resultate dieser freien Preisbildung aus einer sozialen Perspektive zu betrachten und einem fairen sozialen Ausgleich zu unterwerfen.
Genauso wenig wie sich die Marktwirtschaft mit ihrem Verhaltensmodell des „Homo Oeconomicus“ in ihrer makellosen Reinform aus dem Lehrbuch praktisch in irgendeiner Volkswirtschaft dieser Erde findet, so sehr haben die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen immer um ihr konkretes Handeln und die anzulegenden Maßstäbe für mögliche staatliche Eingriffe gerungen. Ähnlich wie es Sir Winston Churchill in einer Rede vor dem britischen Unterhaus über die Demokratie einmal gesagt hat (vgl. Churchill, 1947), gilt aber auch hier: die Marktwirtschaft ist sicher nicht perfekt, aber sie ist immer noch besser als alles Andere, was bisher probiert wurde und deshalb wohl die beste (weil effektivste) makroökonomische Ordnung, die es gibt. Besonders dann, wenn ihre Mechanismen reibungslos funktionieren, ist noch lange nicht sichergestellt, dass ihre Resultate ebenso reibungslos akzeptiert werden. Beim Preisgefüge auf dem Arbeitsmarkt gibt es einen solchen Bereich, in dem immer wieder nach einem sozialen Ausgleich gerufen wurde: wenn die erzielten Löhne trotz bzw. gerade wegen vollständiger Allokationseffizienz nicht zum Aufrechterhalten eines gewünschten sozialen Lebensstandards ausreichen. Tarifverträge zwischen den Sozialpartnern sind hier ebenso im Einsatz wie z.B. gesetzliche Bestimmungen gegen Wucher. Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ungeachtet der Qualifikation, der Berücksichtigung branchenspezifischer Umstände oder regionaler Unterschiede war jedoch bisher in Deutschland nicht mehrheitsfähig gewesen.
Nun gibt es ihn in Deutschland doch seit dem 1. Januar 2015: den gesetzlichen Mindestlohn. Noch gelten für eine ganze Reihe von Berufsgruppen Ausnahmeregelungen bzw.
Übergangsbestimmungen, aber trotzdem wurde diese sehr umstrittene Maßnahme der Bundesregierung nun umgesetzt und sie gilt. Es ist wohl noch zu früh, um bereits aussagekräftige Analysen über seine Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt zu präsentieren. Tatsache ist jedoch, dass sich Deutschland mit dieser gesetzlichen Regulierung des Arbeitsmarktes nun in die Reihe jener Länder einreiht, die sich bereits früher zu dieser Maßnahme entschlossen hatten. Österreich als Nachbar und wichtiger Handelspartner Deutschlands kennt zwar die tarifliche Festlegung von branchenspezifischen Löhnen zwischen den Sozialpartnern, auf der politischen Ebene hat man sich aber bisher zu keinem gesetzlichen Mindestlohn durchgerungen.
Möglicherweise könnte hier Deutschland eine Vorbildwirkung einnehmen, vorausgesetzt der Mindestlohn bewährt sich in der Praxis. Deshalb ist es eine Untersuchung wert, welche Auswirkungen die Einführung eines vergleichbaren Mindestlohnes in Österreich auf die Unternehmen hätte. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen dieser Seminararbeit unter einer Gruppe von Kaufleuten eine Umfrage in der oberösterreichischen Bezirkshauptstadt Wels mit rund 63.000 Einwohnern durchgeführt, die allesamt im Handel- bzw. Dienstleistungssektor tätig sind und zwischen 0 und rund 20 MitarbeiterInnen beschäftigen. Manche von ihnen bezahlen bereits jetzt einen höheren als den in Deutschland geltenden Mindestlohn von € 8,50 brutto pro Stunde, andere jedoch wären durch diese staatliche Regulierungsmaßnahme am Arbeitsmarkt mit deutlich höheren Lohnkosten konfrontiert.
Vor diesem Hintergrund gibt diese Seminararbeit einen Überblick über die ökonomischen Aspekte eines Mindestlohnes, zeigt ausgewählte Argumente der Befürworter und Gegner auf und bietet einen Einblick in die Selbsteinschätzung einer Gruppe von Selbständigen in Klein- und Mittelunternehmen über die möglichen Folgen der Einführung eines Mindestlohnes in Österreich.
2 Ausgewählte Argumente für und gegen den Mindestlohn
Die Effizienz gehört zu den großen Stärken der Marktwirtschaft, wenn sich Angebot und Nachfrage auf dem Markt ungehindert ins Gleichgewicht bringen können. Solche effiziente Ergebnisse sind aber nicht immer auch gerecht, wenn man sie aus einem sozialen Gesichtspunkt heraus betrachtet: der Preis für eine angebotene Ware kommt nicht über eine gewünschte Marke hinaus bzw. sinkt ohne Regulierungsmaßnahme nicht unter ein bestimmtes Niveau, auf dem Markt für bestimmte Waren oder Dienstleistungen finden sich einfach nicht genug Anbieter oder der Einstieg ist für neue Anbieter wirtschaftlich nicht attraktiv genug bzw. nicht sinnvoll.
Auch auf dem Arbeitsmarkt stellt sich der erzielbare Lohn für eine Arbeitsleistung häufig als zu niedrig heraus, um den Bedürfnissen der Beschäftigten nach einem angemessenen Lebensstandard aus der Ausübung der betreffenden Tätigkeit gerecht zu werden. In einer streng marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung, die sich frei von regulierenden Maßnahmen entfalten kann, wird dieser Umstand als gegeben hingenommen.
In Ländern, in denen sich die Politik dem sozialen Ausgleich verschrieben hat, treten unterschiedliche Ausgleichsmechanismen auf den Plan. Dies können zum einen staatliche Unterstützungen für Personen mit geringem Einkommen sein (z.B. das Kombilohnmodell, bei dem das Erwerbseinkommen durch eine Zuzahlung aus dem Bundesbudget erhöht wird), andererseits besteht auch die Möglichkeit der Festsetzung eines gesetzlichen Mindestlohns. Dadurch werden die Kosten für den gewünschten sozialen Ausgleich nicht aus Steuermitteln finanziert, sondern jenen aufgebürdet, die ArbeitnehmerInnen beschäftigen. Es liegt jedoch in der Natur der Sache, dass diese Maßnahme auf der Arbeitgeberseite nicht ohne Reaktion bleiben kann, weshalb es hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Regelung unterschiedliche Einschätzungen gibt.
2.1.Pro Mindestlohn:
Der Nutzen überwiegt den volkswirtschaftlichen Schaden.
In der Diskussion über die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen werden von den BefürworterInnen häufig folgende Argumente vorgebracht (vgl. Franz et. al., 2008):
1. Menschen, die einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen, sollen mit dieser in der Lage sein, sich einen zumindest grundsätzlich zufriedenstellenden Lebensstandard leisten zu können. Dies schließt nicht nur leistbares Wohnen und Essen, sondern auch die Möglichkeit zur Pflege von Sozialkontakten bzw. Teilnahme am kulturellen Leben ein.
2. Die so genannte „fiskalische Ausbeutung“ wird reduziert, die durch Beschäftigungsverhältnisse entsteht, deren Entlohnung so niedrig ist, dass jene, die unter diesen Bedingungen arbeiten, ohne eine Zuschussleistung des Staates nicht um die Runden kommen, obwohl sie nicht arbeitslos sind.
3. Vor dem Hintergrund des europäischen Wirtschaftsraumes bekämpfen Mindestlöhne die Gefahr eines Lohndumpings durch ausländische Arbeitnehmer, die ihre Waren und Dienstleistungen billiger anbieten können als ihre KollegInnen aus dem Inland.
4. Erfahrungen aus anderen Ländern, die bereits Mindestlöhne eingeführt haben, zeigen, dass dort keine oder nur sehr geringe negative Auswirkungen am Arbeitsmarkt festgestellt werden konnten. Besonders gut erforscht ist dies in Bezug auf Großbritannien, das im Jahre 1999 unter der Labour-Regierung mit Premier Tony Blair diesen Schritt wagte. Besonders die untersten Einkommensschichten profitierten nachhaltig von der Einführung des Mindestlohnes, wie die Untersuchungen z.B. der „Low Pay Commission“ zeigten. Besondere Effekte wie das hohe Wirtschaftswachstum zu diesem Zeitpunkt oder auch die überdurchschnittlich große Flexibilität des Arbeitsmarktes wurden bei der ausführlichen Untersuchung jedoch ganz bewusst ausgeblendet (vgl. Möller, König 2008).
5. Vor allem seitens der Gewerkschaft wird ein gesetzlicher Mindestlohn auch als wirksames Mittel zur Verringerung der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen ins Spiel gebracht (so zum Beispiel der DGB in seiner Pressemeldung Nr. 20 vom 5.3. 2015: „Jede vierte Frau hat Anspruch auf mehr Geld“).
6. Ein gesetzlicher Mindestlohn stärkt und schützt jene Arbeitgeber, die ihren Beschäftigten bereits ohne gesetzliche Verpflichtung eine Entlohnung in entsprechender Höhe bezahlten. (z.B. vorgebracht von der Linksfraktion im Bundestag, vgl. http://www.linksfraktion.de/im-wortlaut/mindestlohn-ohne-wenn- aber-2015-03-05/)
7. Auf Seiten der ArbeitnehmerInnen sind außerdem durchwegs positive Effekte einer besseren Bezahlung in Folge der Einführung des Mindestlohnes wie z.B. die Erhöhung der Leistungsbereitschaft oder die Stärkung der Bindung an den Arbeitgeber zu erwarten, die wiederum auf das in der Öffentlichkeit wahrgenommene Image des Unternehmens positiv rückwirken können (vgl. Möller, König 2008)
In Abwägung der Auswirkungen eines Mindestlohnes auf den Arbeitsmarkt und die Situation der Beschäftigten sehen die BefürworterInnen die dabei entstehenden Kosten bzw. Schäden als vertretbar bzw. überwiegen ihrer Meinung nach die Vorteile. So argumentiert zum
Beispiel die SPD auf ihrer Homepage „Faktencheck Mindestlohn“
(http://www.spd.de/aktuelles/Faktencheck_Mindestlohn/) mit dem bisher nicht erbrachten Beweis eines negativen Effekts auf den Arbeitsmarkt in jenen 21 der 28 EU-Staaten, in denen bereits Mindestlöhne eingeführt worden sind, die teilweise höher als jener in Deutschland sind. Das gleiche Argument findet sich beim „Bündnis 90/Die Grünen“ (http://www.spd.de/aktuelles/Faktencheck_Mindestlohn/).
2.2.Contra Mindestlohn:
Die ökonomischen Kosten übersteigen den Nutzen.
Gegner der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes finden sich nicht nur in den Reihen des Koalitionspartners CDU/CSU, die sich bis zum Beschluss des MiLoG für zahlreiche Ausnahmen in verschiedenen Bereichen eingesetzt hatte. Auch eine große Zahl von Ökonomen beurteilt die Auswirkungen der Einführung des Mindestlohnes zumindest tendenziell negativ und sieht bei weitem keine eindeutig überwiegend positive Bilanz dieser Maßnahme für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft insgesamt.
Die Sicherstellung eines existenzsichernden Einkommens sei nicht die Aufgabe der Wirtschaft, sondern des Staates, der zu diesem Zwecke über bereits bewährte Mittel wie z.B.
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