Der Zusammenhang zwischen Korruptionskontrolle und "Good Governance" der subsaharischen Region
Zusammenfassung
Die zu verifizierende Vermutung lautet, dass eine effektive Korruptionskontrolle mit entsprechend hohen Good-Governance-Leistungen korreliert und eine weniger wirkungsvolle Korruptionskontrolle eben mit schwächeren Good-Governance-Leistungen.
In Subsahara-Afrika müsste der Befund für meine Fragestellung also eindeutig sein: Botswana, die Kap Verden, die Seychellen, Mauritius und mit Abstrichen Namibia, Ruanda, Lesotho und Ghana müssten neben dem geringeren Korruptionsgrad auch eine entsprechend höhere Leistung bei den Good Governance-Kriterien aufweisen, während die restlichen subsaharischen Staaten ein entsprechend niedrigeres Niveau vorweisen müssten.
Ist also Good Governance das Gegenkonzept zur Korruption)? Für die Überprüfung dieses Zusammenhangs scheint Subsahara-Afrika ein geeignetes Beispiel zu sein, nicht zuletzt auch deswegen, weil alle diese Länder der Region Entwicklungsländer sind und hier die entwicklungspolitische Diskussion und Praxis die Etablierung von Good-Governance-Strukuren und -Institutionen postulieren.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Einleitung
1 Good Governance & Korruption
1.1 Das Good Governance-Konzept
1.2 Corruption matters – Begriffsverständnis und Auswirkungen
1.3 Korruption in Subsahara-Afrika
2 Erläuterung der verwendeten Indizes
2.1 Corruption Perceptions Index
2.2 Good Governance-Index der Weltbank
2.3 Zusammenhang & Bedeutung
3 Korrelationsanalyse
3.1 Korruption & Partizipation und Verantwortlichkeit
3.2 Korruption & Regierungseffektivität
3.3 Korruption & Qualität der regulativen Politik
3.4 Korruption & Rechtsstaatlichkeit
3.5 Zusammenfassung
4 Fazit
5 Literaturverzeichnis
5.1 Quellen
5.2 Sekundärliteratur
6 Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: CPI & Partizipation und Verantwortlichkeit 2012 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Abbildung 2: CPI & Partizipation und Verantwortlichkeit 2013 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Abbildung 3: CPI & Regierungseffektivität 2012 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Abbildung 4: CPI & Regierungseffektivität 2013 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Abbildung 5: CPI & Qualität der regulativen Politik 2012 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Abbildung 6: CPI & Qualität der regulativen Politik 2013 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Abbildung 7: CPI & Rechtsstaatlichkeit 2012 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Abbildung 8: CPI & Rechtsstaatlichkeit 2013 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: CPI & Partizipation und Verantwortlichkeit 2012 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Tabelle 2: CPI & Partizipation und Verantwortlichkeit 2013 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Tabelle 3: CPI & Regierungseffektivität 2012 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Tabelle 4: CPI & Regierungseffektivität 2013 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Tabelle 5: CPI & Qualität der regulativen Politik 2012 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Tabelle 6: CPI & Qualität der regulativen Politik 2013 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Tabelle 7: CPI & Rechtsstaatlichkeit 2012 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Tabelle 8: CPI & Rechtsstaatlichkeit 2013 (Quelle: Eigene Darstellung; Datensätze von Transparency International u. The World Bank Group)
Einleitung
Korruptionsbekämpfung ist zu einem beachteten Thema bezüglich Good Governance und zu einem wichtigen Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklungspolitik geworden (Huber-Grabenwarter 2011, S. 95). „Corruption matters“ heißt die Devise (siehe u.a. Transparency International; Business Action Against Corruption Africa), denn drastisch ausgedrückt, ist Korruption “a crime against development” (Furphy 2010). Während früher der Korruption teilweise sogar ökonomisch positive Eigenschaften zugesprochen wurden („Schmierstoff“ für „quietschende Räder“; effiziente Beschleunigung öffentlicher Verfahren und Genehmigungen; vgl. Gray u. Kaufmann 1998, S. 125), gelten ihre negativen makroökonomischen und sozialen Auswirkungen heute als gut belegt (Frank 2004, S. 184). Korruption schadet der Legitimität der Demokratie (EU-Kommission 2003) und gilt als feindliches Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung (Lawal 2007, S. 2). Für Gray und Kaufmann ist sie ein Symptom gravierender ökonomischer und politischer Missstände (Gray u. Kaufmann 1998, S. 128), und Lawal sieht sie speziell in afrikanischen Staaten als ein Entwicklungsproblem an, dessen Kosten die Fähigkeit von Regierungen zur Armutsbekämpfung mindern (Lawal 2007, S. 1). Wegen dieser entwicklungsfeindlichen Auswirkungen konnte die Korruptionsproblematik nicht länger vernachlässigt und verharmlost werden und geriet daher in den Fokus von Good Governance und der Entwicklungspolitik. So setzte die Weltbank in jüngster Zeit verstärkt auf Antikorruptionsprogramme, und die Korruptionskontrolle ist ganz explizit eine der sechs Good Governance-Kriterien dieser Institution (Czada 2010, S. 206 u. S. 205).
Vor allem Afrika ist ein „Musterbeispiel“ dafür, wie Korruption die erhofften Entwicklungsfortschritte und Veränderungen behindern und verzögern kann (Lawal 2007, S. 5). Korrupte Praktiken sind auf dem Kontinent ein weit verbreitetes Phänomen und in den korruptesten Staaten gar fester Bestandteil in Verwaltung, Politik und Wirtschaft. So befinden sich untern den 30 „Schlusslichtern“ des Corruption Perceptions Index 2014 14 Staaten aus Subsahara-Afrika (Transparency International 2014). Lediglich der im südlichen Afrika gelegene Staat Botswana ragt auf dem Kontinent als Paradebeispiel für Korruptionsbekämpfung heraus. Im Korruptionsindex 2014 rangiert Botswana als bester afrikanischer Staat auf Platz 31 der Liste noch vor den EU-Staaten Polen, Spanien, Ungarn, Tschechien, Kroatien und Italien (Transparency International 2014), und das zum Teil deutlich! Abgesehen von den zu Afrika zählenden Inselstaaten Kap Verden, Seychellen und Mauritius, konnten nur noch die kontinentalafrikanischen Staaten Lesotho, Namibia, Ruanda und Ghana in den letzten Jahren eine wenigstens halbwegs eingedämmte Korruption vorweisen (siehe Corruptions Perceptions Index).
Warum aber ist das Korruptionsproblem in Afrika so flächendeckend vorhanden? Kulturelle Normen werden oftmals als ein Erklärungsfaktor für hohe Korruptionsraten in manchen Gesellschaften herangezogen (Mbaku 2010, S. 66). Mbaku argumentiert hingegen, dass die Korruption in Afrika die direkte Folge von schwach entwickelten und ungeeigneten institutionellen Regeln und Strukturen sei und somit die institutionellen Rahmenbedingungen und nicht die kulturellen Normen den Grad der Korruptionskontrolle in einer Gesellschaft determinieren (Mbaku 2010, S. 4 u. S. 67). Der Erfolg Botswanas im afrikanischen Vergleich könnte also im Umkehrschluss auf die Etablierung gut entwickelter Institutionen und Strukturen zurückzuführen sein, die sich unter dem Begriff Good Governance subsumieren lassen. Seit 1966 kann Botswana auf eine stabile Mehrparteiendemokratie zurückblicken (Meinardus et al. 2005, S. 4), womit stabile politische Verhältnisse dort also keine „Eintagsfliege“ sind, sondern eine gewisse Kontinuität bewiesen haben. Sind hierfür bestimmte institutionelle Rahmenbedingungen verantwortlich, und wenn ja, wie eng ist dieser Zusammenhang zwischen effektiver Korruptionskontrolle und der Erfüllung von Kriterien „guten Regierens“?
Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit liegt darin, ob ein niedriger Korruptionsgrad mit der Erfüllung von bestimmten Good Governance-Kriterien erklärt werden kann. Daher lautet die zentrale Fragestellung: Welcher Zusammenhang besteht zwischen Korruptionskontrolle und Good Governance? Die zu verifizierende Vermutung lautet, dass eine effektive Korruptionskontrolle mit entsprechend hohen Good Governance-Leistungen korreliert und eine weniger wirkungsvolle Korruptionskontrolle eben mit schwächeren Good Governance-Leistungen. In Subsahara-Afrika müsste der Befund für meine Fragestellung also eindeutig sein: Botswana, die Kap Verden, die Seychellen, Mauritius und mit Abstrichen Namibia, Ruanda, Lesotho und Ghana müssten neben dem geringeren Korruptionsgrad auch eine entsprechend höhere Leistung bei den Good Governance-Kriterien aufweisen, während die restlichen subsaharischen Staaten ein entsprechend niedrigeres Niveau vorweisen müssten. Ist also Good Governance das Gegenkonzept zur Korruption (Gauer-Lietz 2014)? Für die Überprüfung dieses Zusammenhangs scheint Subsahara-Afrika ein geeignetes Beispiel zu sein, nicht zuletzt auch deswegen, weil alle diese Länder der Region Entwicklungsländer sind und hier die entwicklungspolitische Diskussion und Praxis die Etablierung von Good Governance-Strukuren und -Institutionen postulieren.
Ich werde zunächst den Zusammenhang zwischen Good Governance und der Korruptionsproblematik erklären, die Relevanz der Korruption thematisieren sowie die subsaharische Situation kurz skizzieren. Im folgenden Kapitel werden dann die zugrunde liegenden Indizes der Weltbank und von Transparency International erläutert. In Kapitel 4 wird schließlich der Zusammenhang zwischen Korruptionskontrolle und Good Governance überprüft. Hierbei wird der CPI-Wert eines jeden subsaharischen Staates mit den jeweiligen relativen Leistungen für die Kriterien „Voice & Accountability“, „Government Effectiveness“, „Regulatory Quality“ sowie „Rule of Law“ per Korrelationsanalyse verrechnet. Die Untersuchung umfasst die Jahre 2012 und 2013. Im Fazit werde ich schlussendlich feststellen, ob der vermutete Zusammenhang überhaupt besteht, und wenn ja, ob dieser eindeutig oder nur marginal vorhanden ist.
1 Good Governance & Korruption
1.1 Das Good Governance-Konzept
Der erste zentrale und daher erklärungsbedürftige Begriff dieser Arbeit lautet Good Governance. „Good Governance ist weniger ein analytisches als ein normativ-praxeologisches Konzept, das auf entwicklungspolitische Erfahrungen der 1970er und 80er Jahre zurückgeht“ (Czada 2010, S. 201). Dieser Begriff wurde maßgeblich von der Weltbank geprägt, die damit auf Bad Governance als Hauptursache für die Entwicklungsprobleme in Subsahara-Afrika aufmerksam machte und gut funktionierende Institutionen als Lösung für dieses Problem propagierte (Czada 2010, S. 201). Die Weltbank argumentierte, dass einige ihrer Entwicklungsprojekte in Afrika deswegen nicht prosperierten, weil dort eine Bürokratie vorherrsche, die sich ungünstig auf das Unternehmertum und das wirtschaftliche Wachstum auswirkt (Mbaku 2000, S. 106).
Öffentliches Missmanagement, ein unzuverlässiger Rechtsstaat, politische Willkür, Korruption und opportunistisches Denken der Staatseliten wurden als negative Einflussfaktoren identifiziert (Adam 2000, S. 16). Deswegen sah sich die Weltbank veranlasst, ihr Hauptaugenmerk auf institutionelle Reformen zu legen, um die Effizienz der Projekte der Bretton Woods-Institutionen auf dem afrikanischen Kontinent zu verbessern (Mbaku 2000, S. 106). Institutionen spielen in diesem Konzept deswegen eine so herausragende Rolle, weil sie die Anreizstrukturen in einem Land bestimmen, mit denen sich die Akteure - seien es nun Marktakteure oder politische Akteure - konfrontiert sehen (Mbaku 2010, S. 182). Somit kommt Institutionen ein bedeutender Einfluss auf das Verhalten von Individuen in einer Gesellschaft zu (Mbaku 2010, S. 182).
Die Weltbank definierte ganz konkret sechs Kriterien „guten Regierens“, nämlich Partizipation und Verantwortlichkeit, politische Stabilität und Gewaltabstinenz/-kontrolle, Regierungseffektivität, hohe Qualität regulativer Politik, Rechtsstaatlichkeit sowie Korruptionskontrolle (Czada 2010, S. 205). Die Erfüllung der sechs Good Governance-Kriterien wird im Worldwide Governance Indicators Index (WGI) für jeden Staat bewertet (The World Bank Group 2014). Eine nähere Erläuterung zu diesem Index findet sich im nächsten Kapitel unter 3.2. Die Weltbank machte diese Kriterien zur Voraussetzung einer Kreditvergabe an Entwicklungs- und Transformationsländer (Benz u. Dose 2010, S. 20). Die Überzeugung wandelte sich nämlich dahingehend, dass nur eine Gesellschaft, die über Good Governance verfügt, auch Entwicklungsleistungen hervorbringen kann (Adam 2000, S. 15). „Governance wurde zu einer Schlüsselvariable für die Erklärung von ausbleibenden Anpassungsleistungen in Entwicklungsländern“ (Adam 2000, S. 15). Auch der IWF sieht im Good Governance-Konzept den Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg, das auf einem wirtschaftspolitischen und regulativen Rahmen, der Rechtsstaatlichkeit sowie der Korntrolle über Korruption aufbaut (International Monetary Fund 2014).
Letzterem wurde von Seiten der Weltbank in jüngster Vergangenheit ein höherer Stellenwert zugewiesen und die Devise lautet nunmehr „Governance & Anti-Corruption“ (Czada 2010, S. 206). Denn in vielen Entwicklungsländern, vor allem in Afrika, gilt Korruption als eines der größten Hindernisse für Entwicklung und Good Governance (Lawal 2007, S. 3 f.). „Gute“ Institutionen sollen dort die Wahrung von kollektiven Langfristinteressen gegenüber opportunistischen und kurzfristig ausgerichteten Interessen von einzelnen Akteuren oder Akteursgruppen sicherstellen (z.B. Vetternwirtschaft etc.) (Czada 2010, S. 204). Im Zuge der Durchführung von Good Governance-Programmen sollen also bestimmte politische Verhaltensnormen etabliert werden (Czada 2010, S. 202). Das Konzept „guten Regierens“ in Form von Institutionen, die ein berechenbares, unparteiisches und konsequent durchgesetztes Regelwerk für Investoren bereithalten, ist erfolgskritisch für ein nachhaltiges und rasches Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens armer Länder (Knack 2000, S. 169). Es geht bei Good Governance also letztlich um die Etablierung von Strukturen, die wechselseitige Erwartungssicherheit erzeugen und damit nachhaltiges kollektives Handeln ermöglichen (Czada 2010, S. 204).
1.2 Corruption matters – Begriffsverständnis und Auswirkungen
Der zweite zentrale Begriff dieser Arbeit lautet Korruption. Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass es keine allgemeingültige „Lehrbuchdefinition“ für Korruption gibt, sondern dass dieser Begriff in der Regel sehr schwammig und nichtkonsensual gebraucht wird (Wolf 2014, S. 15). Bei diversen Definitionsversuchen wird oftmals auf den lateinischen Ursprung von Korruption, nämlich auf das Wort corrumpere verwiesen, das mit negativ konnotierten Begriffen wie „verderben“, „zugrunde richten“ oder „zerstören“ übersetzt wird (vgl. von Alemann, zitiert nach de Nève 2011, S. 130). Für Lawal ist Korruption schlicht […] the conscious attempt or deliberate diversion of resources from the satisfaction of the general interest to that of self (personal) interest” (Lawal 2007, S. 3), womit er das Primat des Eigeninteresses vor dem Gemeinwohl betont. Die Definition von Transparency International, die mittlerweile auch in der Forschungsliteratur Verwendung findet (de Nève 2011, S. 131), beschränkt sich ebenfalls auf eine kurze Beschreibung. Korruption wird hier verstanden als „ […] der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil“ (Transparency International, Was ist Korruption?). Ebenfalls häufig verwendet wird die klassische Definition von Senturia „The misuse of public power for private profit“ (Senturia, zitiert nach Wolf 2014, S. 18).
Den Akt der Tauschhandlung akzentuiert Zimmerling, die hervorhebt, dass eine Seite des Tauschs eine Amtshandlung ist und der Amtsträger zur Herstellung dieser Tauschbeziehung nicht legitimiert oder autorisiert ist und somit gegen die geltenden Regeln, Normen und Anweisungen handelt (vgl. Zimmerling, zitiert nach Wolf 2014, S. 19). Klitgaard unternimmt gar den Versuch den Korruptionsbegriff in eine Formel zu packen, die da lautet „Corruption = Monopoly + Discretion – Accountability“ (Klitgaard, zitiert nach Wolf 2014, S. 28). Korruption wird in der Literatur auch mit dem Prinzipal-Agent-Dilemma verglichen (vgl. Mbaku 2010; Beck u. Nagel 2012; Frank 2004). Der Prinzipal (Auftraggeber, z.B. Staat) verpflichtet seinen Agenten (Auftragnehmer, z.B. Verwaltungsbeamte) mit einer Aufgabe. Problematisch ist hier, dass der Agent sowohl einen Informationsvorsprung als auch ein bestimmtes Maß an Handlungsfreiheit besitzt (Frank 2004, S. 184 f.). Es kann nämlich dazu kommen, dass die Interessen des Prinzipals durch die Interessen eines Dritten untergraben werden, indem dieser Dritte den Agenten durch Bezahlung oder Vergünstigungen dazu bringt, seine Interessen anstelle der Interessen des Staates zu verfolgen (Frank 2004, S. 185).
De Nève schlägt für die Politikwissenschaft einen engeren und umfassenderen Korruptionsbegriff mit Bezug zur Demokratie vor:
„Korruption wird im Folgenden als eine (i) geheime und (ii) freiwillige Tauschbeziehung zwischen (iii) mindestens zwei Akteuren definiert, die zur (iv) Erlangung von Vorteilen angelegt ist und mit (v) der Verletzung bestehender Normen und Regeln einhergeht. Durch Korruption entstehen (vi) Kosten für (unbeteiligte) Dritte bzw. das Gemeinwohl […]“ (de Nève/Olteanu, zitiert nach de Nève 2011, S. 131 f.).
Dieses Begriffsverständnis entspricht dem, unter dem ich hier in dieser Arbeit das Wort Korruption verwenden werde, ergänzt um einen kleinen Zusatz: Eine Seite der Tauschbeziehung muss eine Amtshandlung sein (wie bei Zimmerling, s.o.). Damit sind korrupte Handlungen zwischen zwei Unternehmen (z.B. Einkäufer wird bestochen vom Vertrieb einer anderen Firma, damit er sich für deren Produkt entscheidet) aus meinem Begriffsverständnis ausgeschlossen.
Was die Konsequenzen der Korruption angeht, so gelten die negativen makroökonomischen und sozialen Auswirkungen der Korruption heute als gut belegt (Frank 2004, S. 184). Nichtsdestotrotz sind immer noch Argumente in Umlauf, die der Korruption sogar positive Eigenschaften zuordnen. Manche sprechen ihr die Fähigkeit zu, durch Bestechungsgelder ineffiziente Regulierungen zu umgehen und einen schnelleren Markteintritt zu erhalten (Frank 2004, S. 186). Korruption sei dann der „Schmierstoff“ für „quietschende Räder“ (Gray u. Kaufmann 1998, S. 125). Gray und Kaufmann geben zu bedenken, dass die Aussicht auf einen „Zuverdienst“ der Grund für verlangsamte und ineffiziente Verfahren und Regelungen sein kann (Gray u. Kaufmann 1998, S. 125). „Demzufolge mindert die Korruption ein Problem, das ohne sie gar nicht bestünde“ (Frank 2004, S. 186).
Dort wo die Korruption „systemischen Charakter“ besitzt, also nicht nur Gang und Gebe ist, sondern auch zum Teil staatlich gebilligt oder gar organisiert ist, kommt es zu einer Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit und meistens auch zu einem Verlust staatlicher Legitimation (Lawal 2007, S. 3). Denn korruptes Verhalten führt dazu, dass Entscheidungen nicht mehr nach rationalen Erwägungen getroffen werden, sondern aufgrund manipulierter Interessen (de Nève 2011, S. 141). „In diesem Zusammenhang ist letztlich eine Erosion der Macht der demokratischen Verfassungsorgane zu beobachten“ (de Nève 2011, S. 141). Mit der Zeit wird der öffentliche Sektor dysfunktional, das Rechtssystem erweist sich als ineffektiv und die staatlichen Institutionen verlieren ihre Legitimation (Lawal 2007, S. 3). Korruption führt somit letztlich zu einer Beeinträchtigung der Qualität von demokratischen Strukturen und Prozessen (de Nève 2011, S. 144). Dies wiederum lässt den Anteil wirtschaftlicher und administrativer Aktivitäten im informellen Sektor anwachsen (Lawal 2007, S. 3).
Lawal sieht die Korruption - sofern man Entwicklung als etwas begreift, was die Fähigkeit einer Regierung umfasst, Ressourcen zur Wohlstandsmehrung effizient zu verwalten und zu verteilen als ein Haupthindernis für Good Governance und Entwicklung an (Lawal 2007, S. 3). Sehr deutliche Worte für die Bedeutung von Korruption in Entwicklungsländern findet Jonathan Lucas, der Vertreter des südlichen Afrikas bei der UNODC, der die Korruption als Verbrechen gegen Entwicklung, Demokratie, Bildung, Wohlstand, Gesundheit und die Justiz brandmarkte (Lucas 2009).
Beck und Nagel betonen die externen Kosten der Korruption, die die Funktionsfähigkeit einer Volkswirtschaft und das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen können (Beck u. Nagel 2012, S. 31 f.). Auch für Investitionen in die Ausbildung der Jugend eines Landes wirkt sich Korruption kontraproduktiv aus. So stellt Mauro fest, „[…] there is significant evidence that corruption is negatively associated with government expenditure on education […]” (Mauro 1998, S. 277).
Unglücklicherweise hält die Korruption Anreize für Amtsinhaber bereit, die sie dazu bringen, jeglichen institutionellen Reformen zu widerstehen, die ihre eigenen Privilegien einschränken würden (Mbaku 2000, S. ix). Solche Regime nehmen mit der Zeit zunehmend repressive Züge an und unternehmen jeden Versuch, die Zivilgesellschaft zu zerschlagen und einen Wandel hin zu mehr demokratischen und partizipativen Strukturen zu verhindern, um ihre „rent-seeking-Aktivitäten“ nicht zu gefährden (Mbaku 2000, S. ix). Sehr oft ist dies das Problem in afrikanischen Staaten.
1.3 Korruption in Subsahara-Afrika
Afrika stellt ein „Musterbeispiel“ dafür da, wie Korruption die Entwicklung von Staaten beeinträchtigen und verzögern kann (Lawal 2007, S. 4). Korrupte Praktiken sind auf dem Kontinent ein weit verbreitetes Phänomen und in den korruptesten Staaten gar fester Bestandteil in Verwaltung, Politik und Wirtschaft. So befinden sich untern den 30 „Schlusslichtern“ des Corruption Perceptions Index 2014 14 Staaten aus Subsahara-Afrika (Transparency International 2014). Laut dem Corruption Perceptions Index von Transparency International handelt es sich bei Afrika um den korruptesten Kontinent (siehe Corruption Perceptions Index). Die Korruption als Norm in der öffentlichen Verwaltung ist auf dem Kontinent in manchen Staaten durchaus keine Übertreibung. So kam der Finanzminister von Sierra Leone zu der Einschätzung, dass etwa 70 Prozent der Einnahmen, die an die Zoll- und Verbrauchssteuerbehörden fließen, illegal durch die Beamten erhoben werden (Mbaku 2010, S. 320). Als unterentwickelste Region der Erde ist Subsahara-Afrika nicht in der Lage sich Beeinträchtigungen für die Entwicklung und Armutsbekämpfung, verursacht durch die Kosten der Korruption, leisten zu können (Furphy 2010). Abgesehen von den zu Afrika zählenden Inselstaaten Kap Verden, Seychellen und Mauritius und dem im südlichen Afrika gelegenen „Avantgardisten“ der Korruptionsbekämpfung Botswana, konnten nur noch die kontinentalafrikanischen Staaten Lesotho, Namibia, Ruanda und Ghana in den letzten Jahren eine wenigstens halbwegs eingedämmte Korruption vorweisen (siehe Corruptions Perceptions Index).
Stabile politische Verhältnisse, die eine gezielte Korruptionsbekämpfung erlauben würden, sind in afrikanischen Staaten eher die Ausnahme. Allein das afrikanische „Paradebeispiel“ für Korruptionsbekämpfung Botswana kann eine stabile Mehrparteiendemokratie von den ersten Wahlen bis heute vorweisen (Meinardus et al. 2005, S. 4). „Allenfalls Mauritius hat eine vergleichbar durchgängige demokratische Tradition“ (Meinardus et al. 2005, S. 4). Der Rest der Staaten tut sich schwer, vor allem mit dem Aufbau angemessener institutioneller Strukturen, die opportunistisches Verhalten und Klientelwirtschaft eindämmen.
Die Mehrheit der afrikanischen Staaten besitzt Gesetze und Institutionen, die auf denen aufbauen, die die europäischen Kolonialherren einst auf den Kontinent brachten (Mbaku 2010, S. 355). Diese Institutionen waren despotisch und ausbeuterisch gegenüber den Afrikanern und ihren Ressourcen (Mbaku 2010, S. 355). In vielen Staaten hat kein grundlegender institutioneller Wandel stattgefunden. Ein solcher Wandel wäre auch für die meisten afrikanischen Machthaber gleichbedeutend mit einem Verlust an Pfründen, Privilegien, Reichtum und Macht. Amtsträger, die von den bestehenden Gesetzen und Institutionen profitieren, fürchten, dass eine Neuordnung des Staates zu einer Bedrohung ihrer Privilegien wird (Mbaku 2000, S. x). Institutionelle Regelungen, die noch zur Zeit der Unabhängigkeit übernommen wurden, haben vielen afrikanischen Staatseliten als Instrument zur Bereicherung für sich und ihre Anhänger gedient (Mbaku 2000, S. x). Somit ist klar, dass die Korruption auf dem Kontinent die direkte Folge von schwach entwickelten institutionellen Vereinbarungen und kontraproduktiven Anreizstrukturen ist (Mbaku 2000, S. 5).
Der kulturelle Faktor wird auch oftmals als Erklärungsansatz für die Korruption in Afrika verwendet (Mbaku 2000, S. 50). Es wird so argumentiert, dass die Korruption in dem Konflikt zwischen traditionellen afrikanischen Werten und den „importierten“ Normen einen Nährboden fand (Mbaku 2000, S. 50). So sei die Unterordnung des Individuums unter die ethnische Gruppe oder Großfamilie mit ihrem Loyalitätspostulat ein Beitrag zu korruptem Verhalten (Mbaku 2000, S. 50). Bei einem hohen Staatsbediensteten wird z.B. erwartet, dass er die Vorteile seiner Position mit den Mitgliedern seiner Familie oder Ethnie teilt (Mbaku 2000, S. 50). Der afrikanische Beamte muss daher durch korrupte Tätigkeiten den „Zusatzverdienst“ für seine Verwandten oder Mitglieder seiner Ethnie erwirtschaften (vgl. Alam, zitiert nach Mbaku 2000, S. 50).
Mbaku argumentiert entgegen der Erklärungsansätze, die sich auf kulturelle Faktoren beziehen, dass die Korruption in Afrika vielmehr die direkte Folge von schwach entwickelten und ungeeigneten institutionellen Regeln und Strukturen sei und somit primär die institutionellen Rahmenbedingungen und nicht die kulturellen Normen den Grad der Korruptionskontrolle in einer Gesellschaft determinieren (Mbaku 2010, S. 4 u. S. 67). Letztlich empfiehlt er die Implementierung von Regeln und Strukturen, die die Werte der jeweiligen afrikanischen Gesellschaft widerspiegeln (Mbaku 2000, S. 159).
[...]