Aufgabe dieser Arbeit soll es sein, zunächst den Begriff Sterbehilfe zu bestimmen, seine verschiedenen Ausprägungen darzustellen und sodann auf die geltende Rechtslage einzugehen.
Anschließend wird diskutiert, welche moralischen und ethischen Aspekte den rechtlichen Regelungen entsprechen oder entgegenstehen. Zum Schluss wird ein Blick in die Niederlande geworfen, in denen die Sterbehilfe gesetzlich erlaubt wurde.
Es stehen zwei Interessen miteinander im Konflikt. Auf der einen Seite steht der Staat, der vorsätzliches Töten verbietet und das Leben als unverfügbares Gut in seine Verfassung aufgenommen hat, welches zu schützen seine Aufgabe ist. Auf der anderen Seite steht der Ehemann mit seiner Ehefrau, die laut Aussage des Mannes keinen Sinn in ihrem Leben mehr gesehen hat.
Sie wusste von ihrer Krankheit und hielt es nicht aus, bewusst mitzuerleben, wie eine Funktion des Gehirns nach der anderen wegfiel. Ihre Vorstellung von einem Leben in Würde wurde jeden Tag untergraben, bis sie keine Würde mehr in ihrem Dasein finden konnte.
Welches Interesse überwiegt nun? Kann der Staat seinen Bürgern verbieten, ihr Leben in Würde beenden zu wollen, im Zweifel unter Zuhilfenahme anderer oder sogar durch andere? Der Ehemann hat sich durch die Tötung seiner Frau nach deutschem Recht einer Tötung auf Verlangen gem. § 216 StGB strafbar gemacht, wenn die Ehefrau ausdrücklich nach Tötung verlangt hat.
Wenn sie dies nicht tat, käme sogar ein Totschlag gem. § 212 StGB in Betracht. Daran ändert unter der heute geltenden Rechtslage auch nicht, dass der Mann menschlich nachvollziehbar und ethisch möglicherweise gerechtfertigt gehandelt hat.
Inhaltsverzeichnis
Literatur
I. Zusammenfassung Filmausschnitt
II. Widerstreitende Interessen und erste Einschätzung
III. Begriffsbestimmungen und Arten der Sterbehilfe
IV. Grundrechtsfragen der Sterbehilfe
1. Grundrecht auf Sterben
2. Grundrecht auf Hilfe beim Sterben
3. Grundrecht auf selbstbestimmte Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen
V. Rechtliche Würdigung der Sterbehilfe
1. Die reine Sterbehilfe
2. Die Beihilfe zur Selbsttötung
3. Die indirekte Sterbehilfe
4. Die aktive direkte Sterbehilfe
5. Passive Sterbehilfe
a) Recht des Patienten auf eigenverantwortliche Ablehnung der Behandlung
b) Konsequenzen des Selbstbestimmungsrechts
VI. Moralisch-ethische Aspekte der Sterbehilfe
1. Geschichtlich orientierte Argumentation gegen aktive Sterbehilfe
2. Dammbruch- oder „slippery slope“-Argumente
3. Die Rolle des Arztes und das ärztliche Berufsrecht
4. Der Moribunde
5. In Würde sterben dürfen
VII. Alternativentwürfe und Vorschläge
1. Alternativentwürfe
2. Vorschläge
VIII. Sterbehilfe im Ausland
Literatur
I. Zusammenfassung Filmausschnitt
In der vorliegenden Fallgeschichte geht es darum, dass der Ehemann seiner an Alzheimer im letzten Stadium erkrankten Frau eine Überdosis Morphium verabreicht hat, welches von einer eigens angestellten Pflegerin besorgt und vorbereitet wurde. Der Ausschnitt findet hauptsächlich im Gerichtssaal statt. Dort werden die Pflegerin und der Ehemann vernommen. Dabei wird besonders darauf eingegangen, mit welcher Vorgeschichte und vor allem aus welchen womöglich irrationalen und emotionalen Gründen die Tat begangen wurde. Der Filmausschnitt endet mit den Plädoyers des Staatsanwalts und des Verteidigers, wobei letzterer im Gegensatz zum Staatsanwalt klar für die Sterbehilfe Stellung bezieht.
II. Widerstreitende Interessen und erste Einschätzung
Es stehen zwei Interessen miteinander im Konflikt. Auf der einen Seite steht der Staat, der vorsätzliches Töten verbietet und das Leben als unverfügbares Gut in seine Verfassung aufgenommen hat, welches zu schützen seine Aufgabe ist. Auf der anderen Seite steht der Ehemann mit seiner Ehefrau, die laut Aussage des Mannes keinen Sinn in ihrem Leben mehr gesehen hat. Sie wusste von ihrer Krankheit und hielt es nicht aus, bewusst mitzuerleben, wie eine Funktion des Gehirns nach der anderen wegfiel. Ihre Vorstellung von einem Leben in Würde wurde jeden Tag untergraben, bis sie keine Würde mehr in ihrem Dasein finden konnte. Welches Interesse überwiegt nun? Kann der Staat seinen Bürgern verbieten, ihr Leben in Würde beenden zu wollen, im Zweifel unter Zuhilfenahme anderer oder sogar durch andere? Der Ehemann hat sich durch die Tötung seiner Frau nach deutschem Recht einer Tötung auf Verlangen gem. § 216 StGB strafbar gemacht, wenn die Ehefrau ausdrücklich nach Tötung verlangt hat. Wenn sie dies nicht tat, käme sogar ein Totschlag gem. § 212 StGB in Betracht. Daran ändert unter der heute geltenden Rechtslage auch nicht, dass der Mann menschlich nachvollziehbar und ethisch möglicherweise gerechtfertigt gehandelt hat. Aufgabe dieser Arbeit soll es sein, zunächst den Begriff Sterbehilfe zu bestimmen, seine verschiedenen Ausprägungen darzustellen und sodann auf die geltende Rechtslage einzugehen. Dabei werden die Hauptaussagen höchstrichterlicher Entscheidungen ähnlich gelagerter Fälle berücksichtigt. Anschließend wird diskutiert, welche moralischen und ethischen Aspekte den rechtlichen Regelungen entsprechen oder entgegenstehen. Zum Schluss wird ein Blick in die Niederlande geworfen, in denen die Sterbehilfe gesetzlich erlaubt wurde.
III. Begriffsbestimmungen und Arten der Sterbehilfe
Unter Sterbehilfe wird allgemein die Hilfe verstanden, die einem schwer erkrankten Menschen auf seinen Wunsch oder jedenfalls gemäß seines mutmaßlichen Willens geleistet wird, um ihm einen seinen Vorstellungen entsprechenden menschenwürdigen Tod zu ermöglichen.1 Synonym wird auch der Begriff „Euthanasie“ (griech. „euthanasia“: schöner/guter Tod) verwendet. Letzterer ist jedoch eher umstritten, erinnert er noch viele an das Euthanasieprogramm der nationalsozialistischen Zeit, das die Tötung von Geisteskranken zum Ziel hatte.
Allein der Begriff Sterbehilfe wird unterschiedlich verwendet. „Er umfasst sowohl die Hilfe zum Sterben als auch die Hilfe im Sterben.“2 Ersteres meint Handlungen, bei denen der Tod eines Menschen gerade absichtlich herbeigeführt wird. Letzteres hingegen meint die Begleitung und Betreuung Sterbender.3
Die Sterbehilfe wird zunächst in aktive und passive Sterbehilfe eingeteilt. Die aktive Sterbehilfe wiederum wird weiter unterteilt in direkte und indirekte Sterbehilfe. Aktive direkte Sterbehilfe meint die gewollte Herbeiführung des Todes eines Schwerkranken durch aktives Tun, beispielsweise das Setzen einer tödlichen Spritze.4 Von aktiver indirekter Sterbehilfe spricht man, wenn bei einem todkranken Menschen palliative Maßnahmen vorgenommen werden, die den Todeseintritt als ungewollte aber unvermeidbare Folge beschleunigen können.5
Passive Sterbehilfe6 meint ein Geschehenlassen des Sterbens durch das Nichtaufnehmen oder Nichtfortführen lebensverlängernder Behandlungsmaßnahmen. Dabei kann es durchaus vorkommen, aktiv tätig werden zu müssen, beispielsweise durch das Abschalten eines Beatmungsgeräts.7
Der Nationale Ethikrat griff 2006 die Problematik des Verständnisses bei den Begrifflichkeiten auf und veröffentlichte eigene Vorschläge: Therapien am Lebensende statt indirekte Sterbehilfe, Sterbenlassen des Patienten statt passive Sterbehilfe, Tötung auf Verlangen statt aktive Sterbehilfe.8 Diese Vorschläge erscheinen jedoch teilweise als ebenso ungeeignet. Zwar kann „Sterbenlassen“ ohne weiteres anstatt passive Sterbehilfe benutzt werden, ist der Begriff der passiven Sterbehilfe doch manchmal verwirrend, da er auch das (aktive) Abschalten der Beatmungsgeräte umfasst. „Therapien am Lebensende“ hingegen ist extrem weit und kann so quasi alles erfassen. Doch vor allem „Tötung auf Verlangen“ kann jedenfalls in Deutschland nicht ohne Änderung des § 216 StGB verwendet werden. Dieser Begriff ist bereits als Delikt normiert, beschreibt aber nur einen Teil dessen, was aktive Sterbehilfe umfasst.
IV. Grundrechtsfragen der Sterbehilfe
Die Grundrechtsnormen beinhalten nicht nur Abwehrrechte der Bürger gegenüber dem Staat, sie verpflichten diesen auch, sich schützend vor die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter des Einzelnen zu stellen und sie zu schützen vor Eingriffen durch Dritte.9 Fraglich ist, ob das Grundgesetz ein Grundrecht auf aktive direkte Sterbehilfe kennt. Dabei müsste es zunächst ein Grundrecht auf ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Leben geben. Um zu vermeiden, dass das Grundrecht ins Leere läuft, müsste dieses Grundrecht sodann auch garantieren, dass der frei gewählte Tod auch dann noch ggf. durch Dritte gewährt werden kann, wenn der Sterbewillige den Tod aufgrund von Lähmung oder Krankheit nicht mehr selber erreichen kann.
1. Grundrecht auf Sterben
Das Interesse aus dem Leben zu scheiden, bevor dies auf natürliche Weise geschieht, ist nicht ausdrücklich dem Schutzbereich einer Grundrechtsnorm zugeordnet.10 Welchem Schutzbereich, also welcher Norm, das Recht auf Sterben zuzuordnen ist, ist umstritten. Da Art 2 II 1 GG jedem Menschen das Recht auf Leben zuspricht, könnte man zunächst im Umkehrschluss sagen, auch das Recht, nicht mehr leben zu müssen, sei umfasst. Das Recht auf den Tod wäre somit die negative Seite des Lebensrechts.11 Oder man sieht das Interesse am vorzeitigen Tod als Ausdruck der Menschenwürde.12 Am vorzugswürdigsten erscheint jedoch, den Anknüpfungspunkt in der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG anzusetzen. Demnach ist jeder frei zu tun und zu lassen, was er will.13 Somit ist grundsätzlich auch das Verfügungsrecht über das eigene Leben geschützt. „Die Vermutung für die Freiheit geht im freiheitlichen Rechtsstaat also sogar bis zum Recht auf Selbstaufgabe und Selbstzerstörung.“14 Eines scheint aber sicher und unstrittig: Das Interesse zu sterben ist jedenfalls grundrechtlich geschützt.
2. Grundrecht auf Hilfe beim Sterben
Fraglich ist, ob nach Anerkennung eines Grundrechts auf den freiwilligen Tod daraus resultierend ein Anspruch gegen einen Dritten auf die Leistung der Hilfe zur Selbsttötung grundrechtlich verankert ist. Das muss klar verneint werden. „Nach der Grundrechtskonzeption des Grundgesetzes hat niemand einen grundrechtlichen Anspruch gegen einen Dritten darauf, dass dieser ihm die für die Realisierung eines grundrechtlichen geschützten Interesses fehlenden tatsächlichen Voraussetzungen zur Verfügung stellt oder sonst Hilfe leistet. Der Sterbewillige hat also gegenüber einem Dritten keinen Anspruch auf Hilfe zum Sterben. Wenn jedoch ein Dritter freiwillig zur Leistung aktiver Sterbehilfe bereit ist, ist das Interesse, mit dieser Hilfe zu sterben, gegenüber dem Staat grundrechtlich in der Modalität des Abwehrrechts geschützt.“15 Somit besteht weder gegen einen Dritten, z.B. ein Arzt, oder gegen den Staat ein Anspruch auf Hilfe zum Suizid.
3. Grundrecht auf selbstbestimmte Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen
Ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Entscheiden am Lebensende ergibt sich freilich bereits aus der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG. Jedem steht es frei, zu tun und zu lassen, was er will. Somit gebietet Art. 2 I GG auch jedem zu entscheiden, ob er über Geräte oder ähnliche Maßnahmen am Leben gehalten werden will, oder ob er diese lebensverlängernden Maßnahmen verneint.
Aber auch der Schutzbereich des Art. 2 II GG ist hier einschlägig. Dieser schützt auch die körperliche Unversehrtheit. Folgt man der Rechtsprechung, so ist jeder medizinische Eingriff tatbestandlich eine Körperverletzung gem. § 223 I StGB.16 Diese bleibt nur gerechtfertigt, also straffrei, wenn der Patient in die Behandlung einwilligt. Tut er dies nicht, begeht der behandelnde Arzt eine Körperverletzung nach § 223 I StGB. Daraus folgt, dass auch jedes Anschließen an lebenserhaltende Maschinen ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit darstellt, die der Patient verneinen darf. Das heißt im Klartext, dass jeder ein Grundrecht auf Ablehnung einer ärztlichen Behandlung hat, auch wenn deren Unterbleiben zum Tod führt. Außerdem darf es keine Behandlung ohne oder gegen den Willen des Patienten geben, auch wenn die Ablehnung der Behandlung im Auge eines Mediziners noch so unvernünftig erscheinen mag. Hier gilt: Der Mensch ist der Sultan seiner Existenz.17
V. Rechtliche Würdigung der Sterbehilfe
1. Die reine Sterbehilfe
Als reine Sterbehilfe bezeichnet man den Fall, in dem einem Sterbenden schmerzlindernde Mittel verabreicht werden, ohne dass eine lebensverkürzende Wirkung auftritt. Dieser Fall ist, gemäß dem Wunsch oder dem mutmaßlichen Willen des Patienten, selbstverständlich straflos.18 Wird hingegen dem Patienten ein schmerzlinderndes Mittel verabreicht, ohne dass dieser das gewünscht hat oder es sogar ausdrücklich verneint hat, Schmerzmittel verabreicht zu bekommen, „so ist das ein unerlaubter Eingriff in die Körperintegrität und damit nach § 223 StGB als Körperverletzung strafbar.“19
2. Die Beihilfe zur Selbsttötung
Die Tötungstatbestände richten sich, auch wenn dies aus ihrem Wortlaut nicht sofort ersichtlich wird, nur gegen die Tötung eines anderen Menschen.20 Nach deutschem Recht ist, anders als in vielen Ländern, der Suizid und damit auch die Beihilfe zum Suizid straflos.21 Das folgt aus der Notwendigkeit einer tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Haupttat, sog. Akzessorietät. Da der Suizid keine solche Haupttat darstellt, kann im deutschen Recht auch niemand beihelfen (§ 27 StGB) oder dazu anstiften (§ 26 StGB).
Umstritten ist die richtige Abgrenzung zwischen strafloser Beihilfe zum Selbstmord und Tötung auf Verlangen. Die herrschende und richtige Meinung grenzt danach ab, wer die Herrschaft über den letzten, unwiderruflich zum Tode führenden Akt innehat. Liegt diese beim Suizidenten, kann die Teilnahme eines anderen nur Beihilfe sein. Liegt sie jedoch beim Außenstehenden, handelt es sich um eine strafbare Tötung (auf Verlangen).22 Das ist nach geltendem Strafrecht die einzig richtige Abgrenzungsmöglichkeit. Bin ich selber derjenige, der die Tötungshandlung durchführt, kann niemand anderes dafür belangt werden. Setzt mir jedoch ein anderer die Spritze, muss er sich auch strafrechtlich dafür verantworten.
Freilich führt diese Abgrenzung nur in den seltensten Fällen zu Problemen und wird daher zu Unrecht angeprangert. Diese Abgrenzung ist rein strafrechtlicher Art und findet ihre sachliche Berechtigung wohl darin, dass dem Gesetzgeber die Autonomie des suizidalen Aktes nur gegen mögliche Fremdbestimmung gesichert schien, wenn der Sterbewillige den Selbstmord höchstpersönlich begeht, die Herrschaft über den todbringenden Moment also in der Hand behält.23 Ein solcher Grenzfall war der Scophedal-Fall.24 Ein alter und kranker, an sein Bett gefesselter Arzt wollte sich mit einer Spritze Scophedal das Leben nehmen und bat seinen Neffen ihm geringfügig zu helfen. Der Arzt setzte sich sodann die Spritze und schlief ein. Sein Neffe befürchtete, der Selbstmord könnte misslingen und setzte dem Onkel eine weitere Spritze. Ungeklärt blieb, ob der Arzt bereits durch seine eigene Spritze gestorben wäre. Er hätte aber ohne die des Neffen auf jeden Fall mindestens eine weitere Stunde gelebt. Der Neffe wurde wegen Tötung auf Verlangen gem. § 216 StGB verurteilt. Eine Mindermeinung sieht darin jedoch eine bloße Beihilfe zum Selbstmord, da der Arzt „ja schon mit eigener Hand seinen Tod in einer für ihn nicht mehr reversiblen Weise ins Werk gesetzt [hatte], im Verhältnis zu der das Nachhelfen des Neffen nur als eine den Geschehensablauf geringfügig modifizierende Förderung und damit als Beihilfe erscheint.“25 Dem kann nach den allgemeinen Regeln der Kausalität und Zurechnung jedoch nicht gefolgt werden. Jede auch noch so kurze Verkürzung der Lebenszeit ist eine Tötungshandlung.
3. Die indirekte Sterbehilfe
Das Verabreichen eines Schmerzmittels unter Inkaufnahme unvermeidbarer lebensverkürzender Folgen ist grundsätzlich straflos. Der BGH sagt dazu: „Eine ärztlich gebotene, schmerzlindernde Medikation, entsprechend dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen wird bei einem Sterbenden nicht dadurch unzulässig, daß sie als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann.“26 Probleme bereitet hier jedoch, dass die Strafordnung vorsätzliche Tötungen (dazu gehört auch das billigend in Kauf nehmen auf letzter Stufe des Vorsatzes) nach §§ 211 ff. StGB unter Strafe stellt. Umstritten ist, wie damit umgegangen werden soll. In der Literatur finden sind zahlreiche Ansätze, dieses Problem im Tatbestand zu lösen.27 Eine solche Behandlung sei ihrem sozialen Gesamtsinn nach etwas ganz anderes als eine Tötungshandlung im Sinne der §§ 211 ff. und 216 StGB. „Sie richte sich nämlich nicht gegen das Leben, sondern bilde die einzige Möglichkeit, mit deren Hilfe der Arzt dem ohnehin erlöschenden Leben noch dienen und es für den Leidenden erträglich gestalten könne.“28
Andere Stimmen meinen, dass auch diese Behandlung strafrechtlich relevant ist, jedoch auf der Rechtfertigungsebene im Rahmen des § 34 StGB anzusiedeln sei. Bei der Interessenabwägung müsse gesehen werden, dass die Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem Patientenwillen ein höherwertiges Rechtsgut sei, als die Aussicht, unter schwersten, insbesondere sog. Vernichtungsschmerzen noch kurze Zeit länger leben zu müssen.29 „Soweit eine solche Medikation den Tatbestand eines Tötungsdelikts durch bedingt vorsätzliche Verursachung eines früheren Todes verwirklicht, ist das Handeln des Arztes nach § 34 StGB gerechtfertigt, sofern es nicht - ausnahmsweise - dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Patienten widerspricht.“30 Dies erscheint vorzugswürdiger. Eine Handlung, die zweifelsfrei unter den Tatbestand einer Strafnorm fällt, nicht unter diesen zu subsumieren, weil Sozialadäquanz oder Sinngehalt sowie Schutzzweck der Norm es gebieten, ist zu vage, „zumal da § 216 StGB, indem er die – doch häufig aufgrund von schmerzhaften Leiden – erbetene Tötung zunächst einmal unter Strafe stellt, für eine Straflosigkeit der indirekten Sterbehilfe unter dem Gesichtspunkt des Tatbestandes keine Anhaltspunkte bietet.“31
[...]
1 Roxin/Schroth, Handbuch des Medizinstrafrechts, S. 83.
2 Wiesing, Ethik in der Medizin, S. 233.
3 Ebenda.
4 Schrader, Sterbehilfe, S. 73.
5 Roxin (Fn. 1), S. 86.
6 Frister/Lindemann/Peters benutzen in ihrem „Arztstrafrecht“ Rn. 186 die Begriffe Behandlungsbegrenzung bzw. Änderung des Therapieziels mit der Anmerkung, dass zum einen hervorgehoben werden solle, dass das Recht des Patienten auf Behandlungsfreiheit in jedem Krankheitsstadium zu beachten sei und sich nicht nur auf den (anfänglichen) Behandlungsverzicht, sondern auch auf die (aktive) Beendigung einer zunächst eingeleiteten Maßnahme erstrecke. Zum anderen solle der Eindruck vermieden werden, dass es in den in Rede stehenden Fällen stets zu einer vollständigen Einstellung der Behandlungsbemühungen kommen müsse. Vielmehr treten palliativmedizinische Versorgung und pflegerische Maßnahmen an die Stelle von Lebensverlängerung und Lebenserhaltung.
7 Wiesing, (Fn. 2), S. 234.
8 Nationaler Ethikrat, Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende, S. 53 ff.
9 BVerfG JZ 1975, 205.
10 Lindner, Grundrechtsfragen aktiver Sterbehilfe, in: JZ 2006, S. 373, 376.
11 So Maunz/Dürig-Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 2, Rn. 39.
12 Maunz/Dürig-Herdegen, GG, Art. 1 Abs. 1, Rn. 89.
13 Epping, Grundrechte, Rn. 549.
14 Hufen, In dubio pro dignitate, Selbstbestimmung und Grundrechtsschutz am Ende des Lebens, in: NJW 2001, 849, 851.
15 Lindner (Fn. 9), S. 377.
16 BGHSt 11, 112; 16, 309, 35, 246; Igl/Welti, Gesundheitsrecht, Rn. 1357.
17 Lindner, Vorlesung „Grundprobleme des Bio- Medizin- und Gesundheitsrechts“, § 10 „Rechtsprobleme der Sterbehilfe“, II. 2.
18 Roxin (Fn. 1), S. 85.
19 Ebenda.
20 S/S-Eser, StGB, § 211 Vorbem. Rn. 33.
21 Roxin (Fn. 1), S. 104.
22 Roxin (Fn. 1), S. 106.
23 Ebenda.
24 BGH NStZ 1987, 365.
25 Roxin (Fn. 1), S. 107.
26 BGHSt 42, 301.
27 Z.B. Herzberg, NJW 96, 3043, 3048. Kritisch: Merkel, Früheuthanasie, S. 166 ff., 191 ff.
28 Wessels/Hettinger, Strafrecht Besonderer Teil 1, Rn. 32.
29 Wessels/Hettinger (Fn. 21), Rn. 33 in Bezugnahme auf BGHSt 42, 301, 305.
30 BGHSt 46, 279, 285. So auch Merkel (Fn. 20), S. 203; Roxin (Fn. 1), S. 87; Wessels/Hettinger (Fn. 21), Rn. 33; Oduncu, „Ärztliche Sterbehilfe im Spannungsfeld von Medizin, Ethik und Recht“, MedR 2005, S. 440.
31 Roxin (Fn. 1), S. 87.