Deutschland. Zugpferd Europas oder Leben auf Kosten südeuropäischer Länder?
Zusammenfassung
Man hat also erkannt, dass diese Krise ein Problem ist, das es innerhalb der Europäischen Union zu lösen gilt. Die Verursacher und Schuldigen für diese Krise sucht man bisher fast ausschließlich in den betroffenen Staaten selbst und versucht daher mit hohen Sparauflagen, die man vor allem Griechenland auferlegt, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Welche Rolle Deutschland in der Entstehung dieser Krise eingenommen hat, bleibt allerdings häufig unbeleuchtet.
Die Situation in Deutschland ist schließlich nicht schlecht. Die starke Exportwirtschaft sorgt für Überschüsse bei der Leistungsbilanz, die die Importe und Exporte von Gütern erfasst. Das wiederum führt zu Wohlstand und geringer Arbeitslosigkeit. Deutschland ist innerhalb der Europäischen Union eines der wenigen Länder, die noch nicht in einer Rezession angekommen sind und trägt bei der Bewältigung der Staatsschuldenkrise mit der Bereitstellung von Krediten die größte Last aller EU-Mitgliedsstaaten. Warum sollte man also in Deutschland nach Schuldigen für die derzeitige Situation suchen?
Deutschland hat sich mit einer stark zurückhaltenden Lohnpolitik in den letzten zwei Jahrzehnten einen großen Standortvorteil gegen-über den anderen Staaten der EU verschafft. In Kombination mit einer gestiegenen Produktivität hat das dazu geführt, dass der deutsche Staat weitaus wettbewerbsfähiger ist als andere Staaten. Deutsche Unternehmen können ihre Waren kostengünstig herstellen und im Ausland vertreiben. Folglich erzielt Deutschland hohe Leis-tungsbilanzüberschüsse, die sich unter anderem auf Seiten der südeuropäischen Staaten als Leistungsbilanzdefizite niederschlagen und für eine steigende Staatsverschuldung sorgen. Es stellt sich also die Frage: Ist Deutschland das Zugpferd Europas oder lebt es auf Kosten der südeuropäischen Länder?
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Große Wettbewerbsvorteile machen Deutschland zur Wirtschaftsmacht Europas
Die Kehrseite der Medaille – Leistungsbilanzdefizite und Staatsverschuldung in Südeuropa
Kaum tragbare soziale Kosten
Deutschland muss sich anpassen
Verzeichnis der verwendeten Literatur
„Es geht auch dich an, wenn deines Nachbarn Haus brennt“ schrieb der römische Dichter Horaz bereits zwischen 65 und 8 vor Christus. Rund 2000 Jahre später weiß man auch in Deutschland, dass die Staatsschuldenkrise im Euroraum eine Gefahr ist, auch wenn das Feuer derzeit nicht in unmittelbarer Nachbarschaft brennt, sondern besonders in den südeuropäischen Ländern Portugal, Spanien und Griechenland hohe Flammen schlägt. Man hat also erkannt, dass diese Krise ein Problem ist, das es innerhalb der Europäischen Union zu lösen gilt. Die Verursacher und Schuldigen für diese Krise sucht man bisher fast ausschließlich in den betroffenen Staaten selbst und versucht daher mit hohen Sparauflagen, die man vor allem Griechenland auferlegt, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Welche Rolle Deutschland in der Entstehung dieser Krise eingenommen hat, bleibt allerdings häufig unbeleuchtet.
Die Situation in Deutschland ist schließlich nicht schlecht. Die starke Exportwirtschaft sorgt für Überschüsse bei der Leistungsbilanz, die die Importe und Exporte von Gütern erfasst. Das wiederum führt zu Wohlstand und geringer Arbeitslosigkeit. Deutschland ist innerhalb der Europäischen Union eines der wenigen Länder, die noch nicht in einer Rezession angekommen sind und trägt bei der Bewältigung der Staatsschuldenkrise mit der Bereitstellung von Krediten die größte Last aller EU-Mitgliedsstaaten. Warum sollte man also in Deutschland nach Schuldigen für die derzeitige Situation suchen?
Deutschland hat sich mit einer stark zurückhaltenden Lohnpolitik in den letzten zwei Jahrzehnten einen großen Standortvorteil gegen-über den anderen Staaten der EU verschafft. In Kombination mit einer gestiegenen Produktivität hat das dazu geführt, dass der deutsche Staat weitaus wettbewerbsfähiger ist als andere Staaten. Deutsche Unternehmen können ihre Waren kostengünstig herstellen und im Ausland vertreiben. Folglich erzielt Deutschland hohe Leis-tungsbilanzüberschüsse, die sich unter anderem auf Seiten der südeuropäischen Staaten als Leistungsbilanzdefizite niederschlagen und für eine steigende Staatsverschuldung sorgen. Es stellt sich also die Frage: Ist Deutschland das Zugpferd Europas oder lebt es auf Kosten der südeuropäischen Länder?
Große Wettbewerbsvorteile machen Deutschland zur Wirtschaftsmacht Europas
Auslöser für den großen deutschen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen europäischen Ländern ist die starke Zurückhaltung Deutschlands bei der Lohnpolitik. So stiegen die nominalen Lohnstückkosten in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2010 um etwa 4,5% an. In Portugal hingegen stiegen diese um etwa 25%, in Spanien um rund 30% und in Griechenland sogar um 34,6% an.
Ein weiterer Indikator ist der reale effektive Wechselkurs. Dieser gibt Auskünfte über die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes gegenüber seinen wichtigsten Konkurrenten auf den internationalen Märkten. Bei steigendem Wechselkurs sinkt die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes gegenüber seinen Konkurrenten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Eurostat: Lohnstückkosten - Jährlichen Daten, 14.12.2012)
Sinkt der Kurs, so drückt dies eine steigende Wettbewerbsfähigkeit aus. Der reale effektive Wechselkurs der Bundesrepublik fiel zwischen 2000 und 2011 um etwa 5%. Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hat sich also stark verbessert, während Griechenland, Spanien und Portugal mit einer stark zurückgehenden Wettbewerbs-fähigkeit zu kämpfen hatten. So stieg der Index für diese Länder in den Jahren 2000 bis 2011 zwischen 10 und 20 Prozent an.
Diese Zahlen zeigen deutlich, dass sich Deutschland gegenüber anderen Ländern entscheidende Wettbewerbsvorteile verschafft hat, während die der angesprochenen südeuropäischen Staaten nachgelassen haben. Dies sind bis heute glänzende Bedingungen für die deutsche Exportwirtschaft, die ihre Produkte preiswert im europäischen Ausland anbieten kann und von steigenden Ausfuhren profitiert.
Zusätzlich wurde Deutschland im Zuge dieser Entwicklung immer interessanter für ausländische Investoren. So wurde 2011 beispielsweise jedes dritte Investitionsprojekt chinesischer Unternehmen in Deutschland umgesetzt und damit mehr als in jedem anderen Land Europas. Von Deutschland aus versorgen diese Unternehmen dann den europäischen Markt.
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