Die folgende Hausarbeit beschäftigt sich mit den Wandteppichen der Apokalypse von Angers. Die Apokalypse von Angers ist der älteste Teppichzyklus, der erhalten geblieben ist und womöglich auch der Größte, der je in Frankreich auf einem Webstuhl gefertigt wurde.
Wie bei vielen anderen Kunstwerken des Mittelalters manifestieren sich auch in der Apokalypse von Angers die Jenseitsangst und die Jenseitsvorsorge der damaligen Bevölkerung. Für ein besseres Verständnis soll daher zunächst ein Einblick in die damaligen Jenseitsvorstellungen der Menschen gegeben werden. Anschließend sollen die Hintergründe der Apokalypse von Angers näher beleuchtet und ein kurzer Überblick über die der Apokalypse zugrunde liegende Offenbarung des Johannes erfolgen, um ein besseres Verständnis der abgebildeten Szenen zu gewährleisten.
Im Folgenden werde ich einzelne ausgewählte Szenen des Teppichzyklus exemplarisch beschreiben und interpretieren.
Ein persönliches Fazit wird diese Hausarbeit abschließen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Mittelalterliche Jenseitsvorstellung und -vorsorge
- 3. Hintergründe der Apokalypse von Angers
3.1 Der Auftraggeber der Apokalypse von Angers
3.2 Die beauftragten Künstler
3.3 Verwendungszwecke des Teppichs
3.4 Aufbau und gestalterische Umsetzung der Bildteppiche
- 4. Gestaltung und Interpretation ausgewählter Szenen
- 5. Fazit
- Literaturverzeichnis
- Abbildungsverzeichnis:
1. Einleitung
Die folgende Hausarbeit beschäftigt sich mit den Wandteppichen der Apokalypse von Angers. Die Apokalypse von Angers ist der älteste Teppichzyklus der erhalten geblieben ist und womöglich auch der Größte der je in Frankreich auf einem Webstuhl gefertigt wurde.
Wie bei vielen anderen Kunstwerken des Mittelalters manifestieren sich auch in der Apokalypse von Angers die Jenseitsangst und die Jenseitsvorsorge der damaligen Bevölkerung.
Für ein besseres Verständnis soll daher zunächst ein Einblick in die damaligen Jenseitsvorstellungen der Menschen gegeben werden.
Anschließend sollen die Hintergründe der Apokalypse von Angers näher beleuchtet und ein kurzer Überblick über die der Apokalypse zugrunde liegende Offenbarung des Johannes erfolgen, um ein besseres Verständnis der abgebildeten Szenen zu gewährleisten.
Im Folgenden werde ich einzelne ausgewählte Szenen des Teppichzyklus exemplarisch beschreiben und interpretieren.
Ein persönliches Fazit wird diese Hausarbeit abschließen.
2. Mittelalterliche Jenseitsvorstellung und -vorsorge
Die der Apokalypse von Angers zugrundeliegende Offenbarung des Johannes, drückt wie kein anderes Buch die Diesseitsängste und Jenseitshoffnungen des mittelalterlichen Menschen aus (vgl. Stucky 1972: S.1).
Zu dieser Zeit drehte sich das Leben der Menschen um die Frage, wer nach dem Tod wann wohin kommt und wie man sich zu verhalten hat, um später nicht in der Hölle zu landen.
Die Menschen gingen davon aus, dass ihre Seelen nach dem Tod zunächst vor das Partikulargericht kommen. Dort wird entschieden, ob eben diese in die Hölle, ins Fegefeuer oder auf direktem Weg in den Himmel kommen. Im Fegefeuer entsprechen die Qualen denen der Hölle, allerdings dürfen die Verurteilten im Gegensatz zur Hölle, hier darauf hoffen durch genügend Buße letztendlich doch noch in den Himmel aufsteigen zu dürfen. Für ungetauft verstorbene Kinder ist der Limbus vorgesehen, ein neutraler Ort ohne höllische Qualen oder himmlische Freuden.
Am Tag des Jüngsten Gerichts, wenn die Welt untergeht und das Ende der Zeit gekommen ist, vereinigen sich die Seelen wieder mit ihren Körpern und treten gemeinsam vor Christus, der nun erneut über sie richtet.
Über die Frage wer zum Weltgericht antreten muss, gibt die Bibel verschiedene Antworten. Im Matthäus-Evangelium wird davon ausgegangen, dass alle Menschen vor den Richter treten müssen und dann abhängig von ihren guten oder bösen Taten in Himmel und Hölle aufgeteilt werden.
Demgegenüber müssen nach dem Evangelium des Johannes nur die Bösen bzw. Halbguten vor den Richter treten, wobei das Urteil für die Bösen bereits feststeht und die Halbguten noch darauf hoffen können, der ewigen Verdammnis zu entgehen und den Guten in den Himmel zu folgen. Auch in der Offenbarung des Johannes steht nach dem Sieg über Satan geschrieben, dass die Toten nach ihren Werken gerichtet werden (vgl. 20,13) und ggf. in den Feuersee geworfen werden.
Wer nun genau auf direktem Weg in den Himmel kommen kann, hat Papst Benedikt XII in einem Lehrentscheid 1336 festgelegt. Demnach gehören zu dieser Gruppe u.a. die Seelen aller heiligen Märtyrer, Apostel, Bekenner und Jungfrauen, sowie die getauften Gläubigen, welche sich nichts zu Schulden haben kommen lassen oder von ihren Sünden, vor oder nach dem Tod, gereinigt worden sind.
Ob dieses komplexe System von allen Menschen des Mittelalters tatsächlich verstanden wurde, bleibt fraglich. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass allen bewusst war, dass es erstrebenswerter sei in den Himmel, als in die Hölle zu kommen und dafür gute Taten förderlich und böse Taten hinderlich waren.
Bezüglich der guten Taten gibt die Bibel einige Hinweise: Nach Paulus reicht allein der Glaube an Christus. Bei Matthäus entscheiden die sechs Werke der Barmherzigkeit (Hungrige speisen / Durstige tränken / Fremde beherbergen / Nackte kleiden / Kranke pflegen und Gefangene besuchen) über den Eintritt in den Himmel. Außerdem weist eine weitere Matthäusstelle (19,16-24) daraufhin, dass man sich an die Gebote halten muss und es die Reichen schwer haben in den Himmel zu kommen, wenn sie nicht gewillt sind ihren Besitz mit den Armen zu teilen.
Es ist kaum verwunderlich, dass für den letzten Aspekt von der christlichen Oberschicht Kompromisse gefunden wurden, welche ihnen ein Leben in Reichtum und dennoch den Einzug in den Himmel ermöglichen sollten. Die Lösung war, sich ein „Seelgerät“ anzulegen, welches als Vorrat für die Seele galt.
Die spätmittelalterlichen Seelgeräte konnten sich aus verschiedenen Elementen zusammensetzten, wie der Förderung des Sozialwesens, des Kultus, der Kirchenbauten und Kirchenzierden. Hierbei wurde zwischen Stiftung und Donation unterschieden. Als Donationen werden einmalige Schenkungen bezeichnet. Bei einer Stiftung werden die Zinsen aus einer Kapitalanlage, oft auch über den Tod des Stifters hinaus, für unterschiedliche Zwecke genutzt. Da bei einer Stiftung aber die Gefahr besteht, den Anspruch auf Seeldienste bis zum Jüngsten Gericht zu verlieren, wenn das Kapital an Wert verliert, haben viele der damaligen Stifter sich mit verschiedenen Anlagen abgesichert, wie Testamente aus dieser Zeit belegen. Insgesamt wird deutlich, welch hohen Stellenwert die Jenseitsvorsorge im Leben der Menschen damals einnahm (vgl. Jezler 1994: S.13ff).
3. Hintergründe der Apokalypse von Angers
3.1 Der Auftraggeber der Apokalypse von Angers
Der Auftraggeber der Teppichfolge war Ludwig I. Herzog von Anjou.
Dieser wurde 1339 in Vincennes als zweiter von vier Söhnen des Königs Johannes II. des Guten von Frankreich und der Bonne von Luxemburg geboren.
Mit seinen drei Brüdern stand er im ständigen Wettstreit um neue Herrschaftsgebiete und Prestige. Im Laufe seines Lebens hatte er folgende Titel inne: Graf und Herzog von Anjou / Graf von Maine, Provence und Forcalquier / Herzog von Touraine und Kalabrien, sowie König von Neapel, Sizilien und Jerusalem. Die Motive während seiner Regentschaften waren geprägt von Macht, Tyrannei und Habgier, welche sich auch im Bau seines neuen prunkvollen Schlosses von Angers wiederspiegelte. Dieses sollte den Schlössern seiner Brüder (Louvre, Schloss Vincennes und Poitiers) in nichts nachstehen oder diese noch überbieten (vgl. Hansmann 1981: S.12ff).
Der Wert der Inneneinrichtung wurde zu dieser Zeit vor allem an überschwänglichen und qualitativ hochwertigen Teppichen bemessen. Diese schmückten u.a. Wände, Fenster, Türen Tische und Stühle. Daher ist es kaum verwunderlich, dass der ehrgeizige und anspruchsvolle Kunstliebhaber Ludwig I. einen Wandteppich in Auftrag gab, der von vornerein als Meisterwerk geplant war und alle bisher auf einem Webstuhl gefertigten Wandteppiche in ihrer Größe übertreffen sollte (vgl. Planchenault 1967: S. 2ff), um damit seine Macht und Stellung zu repräsentieren (vgl. Auzas et al. 1985: S.24). Warum er sich allerdings für das Thema der Apokalypse als Motiv entschied ist unbekannt. Die Tatsache das Ludwig I. zur Zeit des Hundertjährigen Krieges lebte, welche geprägt war von Tod, Pest, Verwüstung und wirtschaftlichen Ruin, in der auch die Jenseitsvorsorge für die Menschen eine große Rolle spielte, könnte hier jedoch als Anhaltspunkt dienen.
1384 starb Ludwig I. Herzog von Anjou im Alter von 45 Jahren ohne Geld und Truppen in Biseglia (Italien) und fand später in der Kathedrale von Angers seine letzte Ruhestätte. Er hinterließ seine Ehefrau Marie de Blois, mit der er 24 Jahre verheiratet war und die zwei gemeinsamen Söhne Ludwig II. und Karl Herzog von Kalibrien (vgl. Hansmann 1981: S.12ff)
3.2 Die beauftragten Künstler
Für den Entwurf beauftragte Ludwig I. Herzog von Anjou den flämischen Maler und Miniaturist Jean de Bondol, welcher von 1368 bis 1381 im Dienste des französischen Hofes seines Bruders König Karl V. stand. Dieser wurde unter dem Namen Jan Bondol um 1340 in Brügge geboren, weshalb er auch als Hennequin von Brügge bekannt war. Er verstarb um die Jahrhundertwende.
Von ihm stammten zum einen die skizzenhaften Entwürfe (portraictures), als auch die maßstabgetreuen Wirkervorlagen (patrons) des Teppichs. Als Vorlage dienten ihm höchstwahrscheinlich eine mit Malereien versehende Apokalypse-Handschrift aus der Bibliothek des Königs, als auch weitere Miniaturen zur Apokalypse aus anderen anglo-französischen Handschriften (vgl. Stucky 1972: S. 4ff; Auzas et al. 1985: S.16ff). Auch wenn sich die Apokalypse von Angers und die anderen Miniaturen zu diesem Thema sehr ähnlich sind und die gleiche Textpassagen behandeln, ist ein Unterschied im Stil der Umsetzung zu Erkennen. Planchenault (1967) spricht von einer neuen Anmut, Genialität und Originalität. Seine Entwürfe bestechen u.a. durch ihre Klarheit, der Perspektive und Raumbildung, Farbnuancierung und der naturalistischen Darstellung von Umgebungen und Physiognomien (vgl. Hansmann 1981: S.39ff). Sein Malereistil ist der Internationalen Gotik zuzuordnen.
Umgesetzt wurden die Entwürfe von Nicolas Bataille, dem seiner Zeit berühmtesten Pariser Teppichwirker und Kammerdiener des Herzogs von Anjou. Jules Guiffrey konnte anhand von Rechnungen nachweisen, dass Bataille von 1363-1400 verschiedene Teppiche für den Herzog angefertigt hatte, was die Vermutung nahe legt, dass er mehrere Werkstätten organisierte und vielleicht sogar als Händler tätig war, der andere Meister seines Handwerks mit seinen Aufträgen beschäftigte.
Auzas et al. (1985) gehen davon aus, dass der Kaufmann Nicolas Bataille nur als eine Art Manager fungierte und die Apokalypse letztendlich von dem Pariser Teppichwirker Robert Poisson und seinen Knechten gefertigt wurde.
Der riesige Teppichzyklus der Apokalypse wurde in weniger als sieben Jahren vermutlich in Hautelisse-Technik gefertigt. Diese äußerst kurze Fertigungszeit für einen Teppich dieser Größe lässt sich zum einen dadurch erklären, dass sehr dicke Wollfäden in nur etwa 15 verschiedenen Farbtönen verarbeitet wurden. Zum anderen ließ die Größe der einzelnen Szenen zu, dass mehrere Wirker parallel daran arbeiten konnten. Für die leichten einfarbigen Partien waren die Lehrlinge und für die schwierigere Gestaltung der Figuren die Gesellen zuständig. In welcher Reihenfolge die Teppiche gewebt wurden ist nicht mehr festzustellen. Fertiggestellt wurde der Zyklus um 1380 (vgl. Hansmann 1981: S.20ff).
3.3 Verwendungszwecke des Teppichs
Neben der Funktion der Wandteppiche Räume zu verzieren, dienten sie auch der Wärmeisolierung oder als Raumteiler (vgl. Planchenault 1967: S.1).
Für welche Räumlichkeiten der Teppichzyklus der Apokalypse ursprünglich geschaffen wurde, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Es wird davon ausgegangen, dass er entweder einen Raum im Schloss von Angers oder die dazugehörige Kapelle schmücken sollte. Da aber keines der damaligen Bauwerke erhalten geblieben ist, kann nicht mit Genauigkeit gesagt werden, welche der damaligen Räume überhaupt genug Platz für den Bildteppich geboten hätten (vgl. Hansmann 1981: S.14).
Erste Berichte über den Verbleib und damit auch seine Funktion kamen aus der Zeit von Ludwig II. und seiner Heirat mit Jolante von Aragon im Jahr 1400. Der Teppich schmückte prunkvoll den erzbischöflichen Palast in Arles und galt als eines ihrer kostbarsten Güter und Erbstücke. 1442 vererbte Jolante den Teppich ihrem Sohn, König René, der ihn im Schloss von Angers aufbewahrte. Etwa in der Zeit von 1458-1470 wurden die Teppiche aufgrund von Renovierungsarbeiten in geeigneten Schränken ausgelagert, um anschließend ins Schloss zurückzukehren.
1476 wurde die Teppichfolge ins Schloss von Baugé überführt. Nach dem Tod des Königs René im Jahr 1480 vermachte er sie der Kathedrale Saint-Maurice zu Angers, wo sie an hohen Festtagen im Schiff und in den Querschiffarmen präsentiert wurde. Zunächst schmückten nur sechs Teppiche die Kathedrale, der siebente folgte schließlich zehn Jahre darauf, als Geschenk der Herzogin Anne de France (1490). Auzas et al. (1985) vertreten diesbezüglich die Annahme, dass die Apokalypse von Angers ursprünglich auch nur aus sechs Teppichen bestanden hat und der vermeintlich siebte Teppich dem Original nur sehr ähnlich ist.
Dass der einst so kostbare Teppichzyklus mit den Jahren an Wert verlor, zeigt sich u.a. daran, dass er ab dem Jahr 1643 in immer kleinere Teile zerschnitten wurde. Auch die Funktion der Verschönerung der Kathedrale wurde ihm nicht mehr zu Teil. Weil die Teppiche den Gesang störten wurden sie schließlich 1767 abgehangen und in Schränken aufbewahrt (vgl. ebd.: S.23ff).
Des Weiteren gibt es Belege dafür, dass 1782 die Teppiche an die Bevölkerung verkauft werden sollten, diese aber niemand haben wollte. So kam es, dass verschiedene Einzelstücke des einst so wertvollen Teppichs für sehr triviale Zwecke verwendet wurden, wie etwa als Bettvorleger, zum Abdecken bei Malerarbeiten, als Pferdedecken oder gar zum Frostschutz von Obstbäumen (vgl. Stucky 1972: S. 7).
Anfang des 19. Jh. wurde ein Teil der Teppiche in die Kathedrale zurück gebracht. Jedoch nicht, weil diese nun erneut wertgeschätzt wurden, sondern weil sie der Abdeckung von Rissen im Mauerwerk dienten. Erst als Bischof Angebault 1843 die Teppichfragmente für die aus heutiger Sicht lächerliche Summe von 300 Francs kaufte, sie der Kathedrale schenkte und Abbé Joubert 1849 begann den Teppich wieder zu komplettieren und zu restaurieren, wuchs erneut das Ansehen der Teppiche.
1867 war die Apokalypse schließlich ein Glanzstück der Pariser Weltausstellung. 1905 wurde der Teppich zum Staatseigentum und ab 1910 war der ehemalige Bischofspalast, welcher nun als Museum fungierte, der neue Aufbewahrungsort. Seit der Eröffnung einer neuerbauten Ausstellungsgalerie im Schloss von Angers 1954, können die Bildteppiche dort bewundert werden (vgl. Hansmann 1981: S.26ff).
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