Soziale Kognition. Wie Stereotypen und Vorurteile aktiviert werden, unser Leben beeinflussen und wie man sie regulieren kann
Zusammenfassung
Dabei stellen wir uns zum Beispiel folgende Fragen:
„Warum nahm ich an, der Mann an der Kaffeemaschine im Vorstandszimmer sei der Chef der Firma, während er doch tatsächlich der Sekretär ist?“ oder „Warum nahm ich an, dass Dr. Alex James männlich und weiß ist?“
Diese und viele weitere Fragen sind Bestandteil der sozialen Kognition, und somit auch das Phänomen, voreilig Schlüsse zu ziehen bzw. sich ein Bild von einem Menschen zu machen, den man gar nicht kennt.
Ziel dieser Arbeit ist es zu erläutern, was man unter soziale Kognition versteht, wie Stereotypen und Vorurteile aktiviert werden, welche Einflüsse diese auf uns haben und wie man es schafft, die Aktivierung von Vorurteilen und Stereotypen zu verhindern bzw. diese abzuschwächen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ... III
Tabellenverzeichnis ... IV
Einleitung ... 1
1 Begriffsbestimmung ... 2
1.1 Was versteht man unter Kategorisierung? ... 2
1.2 Stereotypen ... 2
1.3 Vorurteile ... 2
1.4 Diskriminierung ... 3
1.5 automatischer vs. Kontrollierter Prozess ... 3
1.6 Heuristiken ... 4
1.6.1 Repräsentativitätsheuristik ... 4
1.6.2 Verfügbarkeitsheuristik ... 4
1.6.3 Anker- & Anpassungsheuristik ... 5
1.7 Schemata und Priming ... 5
2 Messung von Stereotypen und Vorurteilen ... 6
2.1 Bogus Pipeline ... 6
2.2 Verdeckte Beobachtung ... 6
2.3 Erfassung psychologischer Reaktionen ... 6
2.4 Messung implizierter Assoziationen ... 6
3 Aktivierung von Stereotypen ... 7
3.1 Automatische Aktivierung vs. Bewusste Regulierung von Stereotypen ... 7
3.2 Aktivierung von Schemata ... 8
4 Schema-Aktivierung und Verhalten ... 9
5 Kontrolle gegenüber Vorurteilen und Stereotypen ... 10
5.1 Automatische Aktivierung des Stereotyps verhindern ... 10
5.2 Die Folgen der Unterdrückung stereotyper Gedankeninhalte ... 10
5.2.1 Der Stroop-Effekt ... 10
5.2.2 Der Bumerang- oder auch Rebound-Effekt ... 11
5.3 Die Kontakthypothese ... 11
5.4 Was tun, wenn Stereotypen bereits aktiviert sind? ... 12
5.4.1 Das Kontinuummodell der Eindrucksbildung ... 12
5.4.2 Dissoziationsmodell der Stereotypisierung ... 13
5.4.3 Moderatorvariablen beim Zusammenhang zwischen Wahrnehmung und Verhalten ... 13
6 Vorurteile in Mensch und Gesellschaft ... 14
7 Fazit ... 16
8 Anhang ... 17
8.1 Automatischer vs. Kontrollierter Prozess ... 17
8.2 Stirnrunzeln als Indikator für bestehende Vorurteile ... 18
8.3 Ablauf des implizierten Assoziationstests ... 19
8.4 Schema-Aktivierung und Verhalten ... 20
8.5 Ablauf beim Bumerang-Effekt ... 21
8.6 Was tun, wenn Stereotypen bereits aktiviert sind? ... 22
8.7 Der Selbstfokus ... 22
8.8 Autoritäre Persönlichkeiten ... 23
8.9 Gesellschaftliche Trends ... 24
8.10 Die sich selbst erfüllende Prophezeiung ... 25
8.11 Stereotype Threat – Bedrohung durch Stereotypen ... 26
9. Literaturverzeichnis ... 27
10. Quellenverzeichnis ... 28
Einleitung
Was ist soziale Kognition?
Soziale Kognition ist ein umfassendes Thema innerhalb der Sozialpsychologie, das sich damit beschäftigt, zu verstehen, wie wir über uns selbst und über andere Menschen denken und wie die beteiligten Prozesse unsere Urteile und unser Verhalten in sozialen Kontexten beeinflussen.
Dabei stellen wir uns zum Beispiel folgende Fragen:
- "Warum nahm ich an, der Mann an der Kaffeemaschine im Vorstandszimmer sei der Chef der Firma, während er doch tatsächlich der Sekretär ist?" oder
- "Warum nahm ich an, dass Dr. Alex James männlich und weiß ist?"
Diese und viele weitere Fragen sind Bestandteil der sozialen Kognition, und somit auch das Phänomen, voreilig Schlüsse zu ziehen bzw. sich ein Bild von einem Menschen zu machen, den man gar nicht kennt.[1]
Ziel dieser Arbeit ist es zu erläutern, was man unter soziale Kognition versteht, wie Stereotypen und Vorurteile aktiviert werden, welche Einflüsse diese auf uns haben und wie man es schafft, die Aktivierung von Vorurteilen und Stereotypen zu verhindern bzw. diese abzuschwächen.
Zu Beginn dieser Arbeit wird zunächst auf die grundlegenden Begriffe eingegangen, welche Bestandteil der sozialen Kognition sind. Darunter fallen unter anderem die Begriffe der "Kategorisierung", was man unter einem "Stereotyp" und einem "Vorurteil" versteht und was der Unterschied zwischen einem "automatischen" und einem "kontrollierten Prozess" ist. Da auch Heuristiken zur Bildung von Urteilen herangezogen werden, wird auf drei der wichtigsten Heuristiken eingegangen.
Ein weiterer Bestandteil dieser Arbeit wird im zweiten Abschnitt beschrieben. Hierbei wird auf die verschiedenen Arten der Messung von Stereotypen und Vorurteilen eingegangen.
In Kapitel drei wird geprüft, ob Stereotypen und Vorurteile bewusst oder unbewusst aktiviert werden. Patricia Devine hat mit ihrer Forschung einen starken Einfluss auf diesem Gebiet und ihre Studien werden in diesem Abschnitt genauer erläutert.
Das vierte Kapitel analysiert, ob die Aktivierung des Stereotyps eine Auswirkung auf das Verhalten des Menschen hat.
Im nächsten Schritt wird geprüft, ob man die automatische Aktivierung des Stereotyps verhindern oder unterdrücken kann und was man tun kann, wenn dieser bereits aktiviert ist.
Im letzten Abschnitt wird erläutert, wie sich Stereotypen und Vorurteile innerhalb der letzten Jahrzehnte verändert haben oder nicht. Außerdem wird letztlich noch auf die Personen eingegangen, die Bestandteil des Stereotyps bzw. der Vorurteile sind.
1 Begriffsbestimmung
1.1 Was versteht man unter Kategorisierung?
Unter Kategorisierung versteht man die menschliche Tendenz, Objekte aufgrund ihrer charakteristischen Merkmale in bestimmte Gruppen einzuordnen.[2]
Wir wissen zwar, dass es auch männliche Cheerleader und Pflegekräfte gibt und dass nicht nur Männer Computerfreaks sein können. Doch trotzdem neigen wir dazu, Menschen zu kategorisieren und in verschiedene Gruppen einzuteilen. Grund ist dafür die allgemeine Norm, aber auch Bilder in den Medien beeinflussen unsere Denkweise. [3]
1.2 Stereotypen
Die Bildung von Stereotypen geht einen Schritt weiter. Hierbei wird über eine Gruppe von Menschen hinweg eine Verallgemeinerung getroffen und damit allen Mitgliedern dieser Gruppe dieselben Eigenschaften und Merkmale zugeschrieben, ohne zu berücksichtigen, dass zwischen den Mitgliedern Unterschiede bestehen können.[4]
Stereotypen sind vorwiegend kognitiver (gedanklicher) Natur und können positiv, neutral aber auch negativ sein. Außerdem können die charakteristischen Merkmale körperlich, seelisch oder berufsbezogen sein.[5]
Der Prozess, indem sich Stereotypen bilden, wird in mehrere Schritte aufgeteilt: 1. Gruppen werden nach verschiedenen Merkmalen kategorisiert.
2. Der Inhalt dieser Kategorien wird aktiviert (Der Inhalt einer Kategorie wird auch Schemata genannt. Dabei handelt es sich um eine kognitive Struktur, welche vorverarbeitetes Wissen über Objekte und Menschen bestimmter Kategorien umfasst).
3. Es wird eine mentale Abkürzung verwendet, um die Personen danach einzuordnen, wie stark sie typischen Mitgliedern einer Gruppe ähneln.
Diese Art von Kategorisierung schützt uns vor Informationsüberlastung und ist eine lebenswichtige Anpassungsleistung.[6]
Die Stereotypisierung dient als Technik dafür, uns die Sicht von der Welt einfacher zu machen. Gordon Allport (1954/1971) beschreibt die Stereotypisierung als "Gesetz der geringsten Anstrengung". Denn Aufgrund unserer begrenzten Aufnahme- und Verarbeitungskapazität müssen wir uns manchmal als "kognitive Geizhälse" verhalten.[7]
1.3 Vorurteile
Als Vorurteil bezeichnet man die negative Bewertung und ablehnende Haltung gegenüber einer Person, einzig und allein aus dem Grund, dass sie einer bestimmten Gruppe angehören. Im Gegensatz zum Stereotyp steht beim Vorurteil die negative emotionale Komponente gegenüber bestimmten Gruppen und deren Mitgliedern im Vordergrund.[8]
Ein Vorurteil ist eine emotionale Einstellung, welche aus drei Komponenten bestehen: Die affektive Komponente ist die reine emotionale Bewertung, also ob man jemanden "gut findet" oder ihn liebt. Hierbei steht das Gefühl im Vordergrund, das dem jeweiligen Objekt entgegengebracht wird. Bei der kognitiven Komponente geht es um die reine Bewertung, rationale Vor- und Nachteile werden miteinander abgewogen. Die letzte Komponente ist die Verhaltenskomponente, bei der die Frage ist, welches Verhalten einem Objekt entgegengebracht wird (Diskriminierung).[9]
Stereotypen können sowohl Ursache als auch Folge von Vorurteilen sein. Ursache von Vorurteilen kann zum Beispiel sein, wenn das Stereotyp "Alle Südeuropäer wollen nicht sparen" dazu führt, dass wir diese ablehnen und denken, dass sie auf unsere Kosten leben.
Bei einem sehr stark vorurteilsbehafteten Menschen entstehen wiederum schneller und häufiger Stereotypen, wenn sich dieser in einer vorurteilsbehafteten Umwelt bewegt.
Es hat Untersuchungen dazu gegeben, wie stark der Zusammenhang zwischen Vorurteile und Stereotypen ist, bzw. ob es überhaupt einen Zusammenhang gibt und ob unterschiedliche Ausprägungen von Vorurteilen (hoch oder niedrig) bewirken, dass Stereotypen im unterschiedlichen Maße aktiviert werden. Devine fand 1989 heraus, dass Stereotypen bei Personen mit hohem bzw. niedrigem Level an Vorurteilen gleichermaßen aktiviert werden. Letztere können jedoch die aktivierten Stereotypen kontrollieren oder hemmen. Anderen Ansichten zufolge steht jedoch die automatische Aktivierung und nicht die Regulierung von aktivierten Stereotypen in Verbindung mit dem Grad der Vorurteile. Trotz der unterschiedlichen Ansichten steht jedoch fest: Stereotypen und Vorurteile stehen in einem engen Zusammenhang zueinander.[10]
1.4 Diskriminierung
Man spricht von Diskriminierung, wenn ein ungerechtfertigtes negatives oder sonstiges schädigendes Verhalten gegenüber Mitgliedern einer bestimmten Personengruppe entsteht.[11]
Beispiel: Der Chef schätzt Frauen weniger kompetent ein und stellt deshalb eine männliche Fachkraft ein, obwohl beide Kandidaten die gleichen Voraussetzungen haben.
Neben der kognitiven (Stereotyp) und affektiven (Vorurteilen) Komponenten wird hier der Verhaltensaspekt (Diskriminierung) gegriffen!
Diskriminierung ist der verhaltensbezogene Ausdruck von Stereotypen oder Vorurteilen.[12]
1.5 automatischer vs. Kontrollierter Prozess
Das "soziale Denken", die Einordnung in Kategorien, die Aktivierung von Stereotypen und Schemata, läuft häufig schnell und impulsiv ab. Sie kann aber auch abgewogen und genau geschehen, wenn man sich die Zeit nimmt und sich Ziele setzt. Diesen Prozess, der beim Denken und Verhalten des Menschen zu sehen ist, nennt man auch "duale Verarbeitungstheorien". Wenn nun also ein Prozess schnell und impulsiv abläuft, dann spricht man von einem automatischen Prozess. Er geschieht unbewusst und ohne Absicht des Individuums. Zudem stört er keine gleichzeitig laufenden kognitiven Prozesse. Als Beispiel lässt sich das Schalten beim Autofahren anführen. Gegensätzlich dazu gibt es den kontrollierten Prozess, der abgewogen und genau abläuft. Das Denken und Verhalten beruht auf einer bewussten und willentlichen Kontrolle des Individuums. Beispiel: Das Überholen auf einer vollen Autobahn.[13]
Um einmal deutlich zu machen, wie schwierig es auch in der heutigen Zeit ist, Stereotypen zu überwinden und wie automatisch dieser Prozess doch abläuft, haben wir innerhalb der Gruppenarbeit eine Umfrage durchgeführt. Dazu haben wir den Versuchsteilnehmern (26 Personen aus unserem Bekanntenkreis) einen Text vorgelegt, bei dem es um das Stereotyp "Das Chirurgen im Allgemeinen alle Männer sind" ging. Auch vorherige Umfragen hatten bereits ergeben, dass rund 40% der Teilnehmer keine Antwort auf den Text hatten und sich die kuriosesten Geschichten ausdachten, um zu einer Erklärung zu kommen.[14] Doch auf die einfache Antwort, dass es sich bei dem Mitglied im Chirurgenteam um eine Frau und um die Mutter des Kindes handeln könne, kamen nur die wenigsten. Mit unserer Umfrage konnten wir die These nur bestätigen und fanden sogar noch heraus, dass es vor allem den Männern schwer fiel, diesen Stereotyp zu überwinden. Die Ergebnisse der Umfrage sind im Anhang unter Punkt 8.1 näher beschrieben.
1.6 Heuristiken
Stereotypen sind nach Bodenhausen (1990) eine Art kognitive Abkürzung und somit eine vereinfachende Faustregel oder Heuristik. Eine Heuristik ist eine oft genutzte, nicht optimale Faustregel, die Menschen verwenden, um zu einem Urteil zu gelangen, die in vielen Fällen effektiv sind, jedoch nicht in allen.[15] Im Folgenden wird auf drei relevante Heuristiken eingegangen.
1.6.1 Repräsentativitätsheuristik
Die Repräsentativitätsheuristik ist eine von mehreren Urteilsheuristiken die es uns ermöglicht, auf relativ leichte Art und Weise großen Mengen von Informationen Sinn zu verleihen.[16]
Bei der Repräsentativitätsheuristik nehmen wir die Repräsentativität als entscheidendes Kriterium für Kategorisierungs- und Wahrscheinlichkeitsurteile. Wir nehmen also ein Element (zum Beispiel das ein Student gerne surft) und ordnen es dann einer Kategorie (dem Surfer Typ) zu, welches die meiste Ähnlichkeit mit dem Stereotyp -als Vertreter der Kategorie- hat.[17]
Grund für die Nutzung dieser Heuristik bei der Urteilsfindung ist der geringe Aufwand an Informationsverarbeitung. Die Menschen verlassen sich hierbei auf ein recht simples Ähnlichkeitsmerkmal (Der junge Mann ähnelt stark einem Surfer) und berücksichtigen die Stichprobengröße oder auch die Basisrateninformation in keiner geeigneten Weise. Wir versuchen also wenig selber nachzudenken und nehmen zu gerne kognitive Abkürzungen, um uns das Leben zu vereinfachen. Bei einer Basisinformation handelt es sich um eine Information darüber, wie häufig bestimmte Kategorien in der allgemeinen Population vorkommen.[18]
1.6.2 Verfügbarkeitsheuristik
Die Verfügbarkeitsheuristik kommt vor allem bei Häufigkeits- uns Wahrscheinlichkeitsschätzungen zum Einsatz. Wenn uns ein Ereignis leicht einfällt oder man es sich leicht vorstellen kann, dann kommt das Ereignis auch häufig vor. Wir urteilen hier nach der Maxime, was in vielen Fällen zu korrekten Urteilen führen kann, aber zugleich auch verfälschte und damit suboptimale Urteile zu Folge haben.[19] Problematisch wird es vor allem dann, wenn man von einer kleinen Repräsentationsgruppe auf alle anderen schließt.[20] Das meistens nur die Leichtigkeit des Abrufs und nicht die Menge an abgerufenen Informationen wichtig ist, zeigt folgende Studie: In der Studie von Schwarz, Bless, Strack et al. (1991) sollten die Beteiligten jeweils 6 oder 12 Situationen aufzählen, bei denen Sie sich durchsetzungsfähig verhalten hatten. Die Beteiligten, die 6 Situationen aufzählen sollten, schätzten sich sehr durchsetzungsfähig ein. Die Personen, die jedoch 12 Situationen aufzählen sollten, schätzen ihr Durchsetzungsvermögen geringer ein. Der Grund für diese Einschätzung liegt darin, dass die Beteiligten sich viel schneller und leichter an 6 Situationen erinnern konnten. Es erweist sich allerdings als schwieriger, 12 Situationen zu nennen, sodass die Versuchspersonen zu dem Schluss kamen, dass sie weniger durchsetzungsfähig sind. Die Studie zeigt somit, dass das Gefühl der Schwierigkeit/Leichtigkeit des Abrufs wichtig für die Einschätzung der Person ist.[21]
1.6.3 Anker- & Anpassungsheuristik
Wenn wir Urteile unter Unsicherheit treffen müssen, richtet sich das Urteil meist an einen Ausgangswert, also an einen gewissen Ankerpunkt. [22] Dieser Anker ist eine bestimmte Information, die der Betreffende selbst aus den Umständen bilden kann, von einer anderen Person erhält oder der rein zufällig vorhanden ist. Anker können dann auf zwei verschiedene Weisen wirken. Der Anker aktiviert die zu ihm passenden Assoziationen im Sinne des Priming, die im Anschluss die Urteilsfindung beeinflussen. Er kann außerdem Ausgangspunkt oder Startwert für einen bewussten Gedankengang sein, der zu einem rational begründeten Urteil führen soll. Letzteres nennt man auch Anpassungsheuristik.[23]
1.7 Schemata und Priming
Unter Bezugnahme von Kapitel 1.2 werden im Folgenden die Begriffe "Schemata" und "Priming" ausführlich erläutert. Bei der Aktivierung von Stereotypen werden Gruppen nach einem bestimmten Merkmal kategorisiert und der Inhalt dieser Kategorien wird aktiviert. Bei dem Inhalt der Kategorie handelt es sich um ein Schemata, welches kognitive Strukturen von vorverarbeitetes Wissen über Objekte und Menschen bestimmter Kategorien beinhaltet.[24] Bei der Urteilsbildung über andere Menschen spielt die Zugänglichkeit des Schemata eine entscheidende Rolle und beeinflusst unser Urteil. Die Zugänglichkeit hängt von drei Faktoren ab: Das Schemata kann aufgrund früherer Erfahrungen dauerhaft aktiv sein und es ist ständig abrufbar. Dann kann es zugänglich sein, weil es im Zusammenhang mit einem aktuellen Ziel steht, also wenn man beispielsweise gerade durch Lernstoff in der Uni aktuell das Thema im Gedächtnis hat. Und drittens kann ein Schemata aufgrund gerade Erlebten zeitweilig zugänglich sein. Diese Faktoren, die ein Schemata zugänglich machen, sind Beispiele für Priming. [25] Priming ist ein Begriff aus dem englischen und bedeutet so viel wie vorbereiten. Priming bezeichnet somit die Vorbereitung bzw. die Voraktivierung durch Reize, die assoziativ mit dem Zielreiz verknüpft sind oder werden. Dabei wird ein anderer spezifischer Reiz, der sogenannte Prime verarbeitet. Es gibt verschiedene Arten von Priming, doch in den meisten hier genannten Studien wird das semantische Priming genutzt. Hierbei werden Gedächtnisinhalte, die mit dem Prime verknüpft sind, besser abgerufen. Zum Beispiel: der Prime ist das Wort "Arzt", und das semantisch verwandte Wort "Krankenschwester" fällt uns schneller dazu ein.[26]
2 Messung von Stereotypen und Vorurteilen
Vorurteile und Stereotypen können direkt (mittels Fragebogen etc.) oder auch indirekt (so dass es die Person nicht mitbekommt) gemessen werden. Da die direkte Methode oft nicht repräsentativ ist (wenn der Befragte sich in einem guten Licht darstellen möchte) wird auf die indirekte Methode zurückgegriffen. Dabei sind vier verschiedene Messparadigmen entstanden.[27]
2.1 Bogus Pipeline
Die Bogus Pipeline ist eine Art fingierter Lügendetektor, von dem die Versuchsperson glaubt, es könne ihre tatsächliche implizierte Einstellung messen, und zwar ihre Richtung (Pro oder Contra) als auch ihr Ausmaß. Die Versuchsteilnehmer gaben unter diesem Vorwand eher ihre richtige Einstellung gegenüber Angehörigen einer Fremdgruppe an, weil sie sonst befürchteten, als Lügner entlarvt zu werden. [28] 1971 zeigten Signall und Page, dass Versuchspersonen, die an einer Bogus Pipeline angeschlossen waren, negativer Amerikanern mit afrikanischer Herkunft eingestellt waren als Versuchspersonen, ohne Bogus Pipeline. Unter der Bogus-Pipeline-Bedingung waren generell mehr Personen geneigt, sozial verpönte bzw. nicht akzeptierte Einstellungen zu äußern.[29]
2.2 Verdeckte Beobachtung
Unter verdeckter Beobachtung versteht man, dass der Versuchsleiter sich nicht als solcher ausgibt und die Versuchspersonen nicht wissen, dass sie beobachtet oder getestet werden.
Crosby, Bombley & Saxe (1980) fassten verschiedenen Studien zusammen. Sie konzentrierten sich auf die Hilfeleistung, wenn unterschiedliche Ethnien aufeinandertreffen. Es zeigte sich, dass in 44% der Fälle denjenigen Personen stärker geholfen wurde, die der eigenen ethnischen Gruppe angehörten. In den verbleibenden 56% der Fälle gab es in Bezug auf die Hilfeleistung keine Unterschiede.[30]
2.3 Erfassung psychologischer Reaktionen
Bei dieser Messung werden Körperreaktionen wie Pupillenreaktion oder die Gesichtsmuskelaktivität gemessen. Mithilfe der Elektromyografie (EMG) kann man Muskelaktivitäten, wie Stirnrunzeln, erfassen, die man mit dem bloßen Auge gar nicht sehen kann.[31] Eine Studie, bei dem das Stirnrunzeln der Personen eine Aussage zu ihrer Einstellung gibt, ist in Kapitel 8.2 näher erläutert.
2.4 Messung implizierter Assoziationen
Das zentrale Kennzeichen implizierter Maße ist die Messung der Einstellung aufgrund der Leistung einer Person, also Beispielsweise die Reaktionszeit und/oder die Fehlerrate. Annahme hierbei ist, dass kognitive Repräsentationen in einem assoziativen Netzwerk organisiert sind. Um nun also Vorurteile oder Stereotypen zu messen, wird die Assoziationsstärke zwischen verschiedenen Konzepten ("Blond" und "Dumm" oder "Faul" und "Dick") analysiert. Je enger die Konzepte im Gehirn miteinander verknüpft sind, desto wahrscheinlicher und schneller aktivieren sich die Konzepte und die Reaktionszeit sinkt.[32] So verbinden die Versuchsteilnehmer beispielsweise das Wort "aggressiv" schneller mit dem Bild einer schwarzen Person als das Wort "freundlich". Wie genau der Ablauf des implizierten Assoziationstests aussieht, ist im Anhang unter Punkt 8.3 genauer beschrieben.
3 Aktivierung von Stereotypen
3.1 Automatische Aktivierung vs. Bewusste Regulierung von Stereotypen
Viele Untersuchungen zeigen, dass die Aktivierung von Stereotypen ein automatischer Prozess ist. Laut Kahneman (2011) besteht das psychologische System aus zwei Teilen. Im "System 1" werden automatische Reaktionen verarbeitet. Dies ermöglicht uns ein schnelles Handeln, was wir auch zu unserem Vorteil nutzen können. In Bezug auf Stereotypen und Vorurteilen bilden wir in diesem System automatisch unser erstes Bild von einem Menschen, anhand von unvollständigen Informationen, Aussehen oder Verhaltensweisen. Hier aktivieren wir also völlig automatisch Stereotypen und Vorurteile. Doch dank des Neokortex verfügen wir noch über ein zweites System "System 2" dessen Aufgabe es ist, die Funktionen von System 1 zu überwachen und, falls notwendig, zu korrigieren. In diesem System überdenken wir also unseren Eindruck gegenüber anderen Menschen, korrigieren Fehleinschätzungen und bauen Vorbehalte wenn möglich ab.
Kurz gesagt: Vorurteile werden in System 1 automatisch aktiviert und bereitgestellt. Sollten diese Vorstellungen aber mit den Wertvorstellungen und Normen der Person nicht übereinstimmen, erkennt dies das System 2 und greift regulierend ein, indem es die Vorurteile unterdrückt. [33]
Patricia Devine legte den Schwerpunkt ihrer Forschung auf genau dieses Thema. Dazu prüfte Sie zunächst in ihrer ersten Studie, ob eine Person überhaupt das kulturelle Stereotyp kennt. Das Ergebnis der Studie war, dass die befragten amerikanischen Studenten, mit unterschiedlichen Ausprägungen hinsichtlich der Vorurteile gegenüber Schwarzen, nahezu alle das gleiche Wissen über das "Schwarzenstereotyp" hatten. Unabhängig vom Grad des Vorurteils wurde hier am häufigsten genannt, dass Schwarze aggressiv, feindselig und verbrecherisch seien.[34]
In ihrer zweiten Studie ging Sie der Frage nach, ob es sich bei der Aktivierung von Stereotypen bzw. bei der Kategorisierung wirklich um einen automatischen Prozess handelt oder nicht.
[...]
[1] Vgl. Jonas, Stroebe, Hewstone (2014), S.108f.
[2] Vgl. https://portal.hogrefe.com/dorsch/schema-kognitives/ (16.02.2015, 19:30); Vgl. Walbrühl (2014), S. 186
[3] Vgl. Aronson, Wilson, Akert (2014), S. 476
[4] Vgl. Fischer, Arsal, Krüger (2013), S. 98
[5] Vgl. Aronson, Wilson, Akert (2014), S. 476
[6] Vgl. Jonas, Stroebe, Hewstone (2014), S. 110
[7] Vgl. Aronson, Wilson, Akert (2014), S. 476
[8] Vgl. Fischer, Arsal, Krüger (2013), S. 99
[9] Vgl. Aronson, Wilson, Akert (2014), S. 475; Vgl. Walbrühl (2014), S. 185
[10] Vgl. Fischer, Arsal, Krüger (2013), S. 99
[11] Vgl. Werth, Meyer (2007), S. 380
[12] Vgl. Fischer, Arsal, Krüger (2013), S. 99-100
[13] Vgl. Jonas, Stroebe, Hewstone (2014), S. 111; Vgl. Aronson, Wilson, Akert (2014), S. 487f.
[14] Vgl. Jonas, Stroebe, Hewstone (2014), S.111
[15] Vgl. Jonas, Stroebe, Hewstone (2014), S.116ff.
[16] Vgl. Jonas, Stroebe, Hewstone (2014), S.116ff.
[17] Vgl. Werth, Meyer (2007), S. 53
[18] Vgl. Jonas, Stroebe, Hewstone (2014), S.116ff.
[19] Vgl. Werth, Meyer (2007), S. 61ff.
[20] Vgl. Jonas, Stroebe, Hewstone (2014), S.116ff.
[21] Vgl. Kahnemann, Schmidt (2012), S. 164ff.
[22] Vgl. Werth, Meyer (2007), S. 71ff.
[23] Vgl. Jonas, Stroebe, Hewstone (2014), S.116ff.
[24] Vgl. Jonas, Stroebe, Hewstone (2014), S. 110
[25] Vgl. Aronson, Wilson, Akert (2014), S. 67
[26] Vgl. Werth, Meyer (2007), S. 29ff.
[27] Vgl. Fischer, Arsal, Krüger (2013), S. 102
[28] Vgl. Werth, Meyer (2007), S. 267; Vgl. Jonas, Stroebe, Hewstone (2014), S. 523
[29] Vgl. Fischer, Arsal, Krüger (2013), S. 102
[30] Vgl. Fischer, Arsal, Krüger (2013), S. 103
[31] Vgl. Werth, Meyer (2007), S. 266
[32] Vgl. Werth, Meyer (2007), S. 268ff.
[33] Vgl. Kahnemann, Schmidt (2012), S. 31ff.
[34] Vgl. Werth, Meyer (2007), S. 387