Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Eckenlied, genauer gesagt mit der Figur Eckes.
Dazu wird die Fassung E2 verwendet. Zuerst werden einige Grundinformationen zur Dietrichepik und zum Werk aufgeführt, danach werden die Motivation des Helden, die Ablehnung des Pferdes, seine Unkenntnis über höfische Normen und die damit verbundenen Kommunikationsprobleme mit Seburg und Dietrich von Bern behandelt.
Wie wirkt sich die doppelte Motivation aus? Welche Folgen hat die Pferdelosigkeit des Riesen? Und warum stirbt Ecke trotz einer unzerstörbaren Rüstung? Diese Fragen werden im Laufe dieser Arbeit beantwortet und abschließend ein zusammenfassendes Bild der Faktoren zusammentragen, die zu Eckes Tod geführt haben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Eckenlied
3. Eckes Motive
4. Eckes Beauftragung durch Seburg
4.1. Die wertvolle Rüstung br ü nne
4.2. Die Zurückweisung des Pferdes und ihre Folgen
5. Das Kommunikationsproblem von Ecke und Dietrich
5.1. Der Kampf
5.2. Der unehrenhafte Tod Eckes
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
ich muos in vinden und striteclich im bi gestan. Er tuot mich libes ane, ald sin lob muos zergan. 1 Dieses Zitat drückt den Grundgedanken Eckes aus und zieht sich wie ein roter Faden durch das Eckenlied. Es verdeutlicht seine Endgültigkeit, die ihn schließlich in den Tod treibt. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Eckenlied, genauer gesagt mit der Figur Eckes. Dazu wird die Fassung E2 verwendet. Zuerst werden einige Grundinformationen zur Dietrichepik und zum Werk aufgeführt, danach werden die Motivation des Helden, die Ablehnung des Pferdes, seine Unkenntnis über höfische Normen und die damit verbundenen Kommunikationsprobleme mit Seburg und Dietrich von Bern behandelt. Wie wirkt sich die doppelte Motivation aus? Welche Folgen hat die Pferdelosigkeit des Riesen? Und warum stirbt Ecke trotz einer unzerstörbaren Rüstung? Diese Fragen werden im Laufe dieser Arbeit beantwortet und abschließend ein zusammenfassendes Bild der Faktoren zusammentragen, die zu Eckes Tod geführt haben.
2. Das Eckenlied
Das Eckenlied ist eine mittelhochdeutsche Heldendichtung und gehört zur Gattung der aventiurehaften Dietrichepik, welche von der Figur des Dietrich von Bern handelt.2 Weitere verwandte Werke sind Goldemar, Siegenot, Virginal und Laurin. 3
Das Eckenlied ist in sieben Handschriften von der ersten Hälfte des 13. bis zur zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und mindestens zwölf Drucken zwischen 1491 und ca. 1590 überliefert.4 Zwischen den einzelnen Überlieferungen besteht eine große Varianz. Es wird zwischen drei Versionen unterschieden:
I. Das Donaueschinger Eckenlied (E2)
II. Das Dresdner Eckenlied (E7)
III. Die Drucke, deren Version auch von drei handschriftlichen Fragmenten gestützt wird5
Die Abweichungen werden nur am Ende jeder Version deutlich. E2 bricht nach 24 Strophen und 6 Versen ab; es endet mit dem Kampf zwischen Dietrich und Fasolts Schwester Uodelgart. Zu einer Begegnung von Dietrich und Seburg kommt es gar nicht. E7 ist 335 Strophen lang und schließt mit dem Vorwurf des Berners an Seburg ab, sie habe Ecke in den Tod geschickt. Daraufhin wirft er ihr Eckes Kopf vor die Füße und reitet ohne ein Wort des Abschieds davon. Die Druckversion wiederum endet mit der Tötung Vasolds und der Königinnen Dank an Dietrich, weil er sie von der Zwangsherrschaft der Riesen befreit habe. Als Wertschätzung bieten sie Dietrich die Herrschaft über ihr Land an. Dieser lehnt ab und nimmt, von allen gefeiert, Abschied.6
Als Entstehungsraum kommt aufgrund der detaillierten tirolischen Topographie der bayrisch- österreichische Raum in Frage, höchstwahrscheinlich sogar Tirol selbst. Der Verfasser ist nicht bekannt.7
Unklar ist bis heute die Verbindung des Eckenlieds zum altfranzösischen Prosaroman Chevalier du Papegau. Unbestreitbar sind jedoch auffällige Übereinstimmungen in den Handlungen.8 Eine große Anzahl zeitgenössischer Erwähnungen und Anspielungen belegt die Popularität des Werkes9, ebenso das lange Zeitintervall, in dem die einzelnen Handschriften und Drucke entstanden sind.
3. Eckes Motive
Zu Beginn des Eckenlieds sitzen die drei Helden Vasolt, Ecke und Ebenrot in einer Halle beisammen, um über die Taten des Dietrich von Bern zu diskutieren. Zweifelsohne sei er der berühmteste aller Helden (S. 12/ 2). Ebenrot ist der festen Überzeugung, dass der Berner Frau Hilt und Herrn Grin im Schlaf getötet habe und dies eine unehrenhafte Tat sei (S.16/7). Davon wollen die beiden anderen Gesprächsteilnehmer nichts hören:
dú red ist ane logen, das er der kunste ist ze not, der ie den tof enphienge (S.18/ 8).
Doch das "Ruhmdefizit"10 zwischen ihm und Dietrich ist für Ecke unerträglich, denn auch er hat viele Taten vollbracht und ist doch gänzlich unbekannt:
es wais noch nieman,wer ich bin [...] Ich bin wol zwainzig jar alt und han wol hundert man erfalt, durch heln tot verseret (S. 22/ 14).
Noch wird es im Text nicht erwähnt, aber sowohl Ecke als auch Vasolt und Ebenrot sind Riesen. Offenbar reicht das Riesenhafte, also eine übermäßige Maskulinität, nicht aus, um sich eine überragende Stellung in der männlichen Gesellschaft zu sichern.11 Eckes Wunsch ist eine Verbesserung seiner Position in der Heldenhierarchie und dies kann innerhalb des "Spektrums absoluter Männlichkeit"12 nur durch einen Kampf auf Leben und Tod zwischen ihm und Dietrich geschehen:
ich mus in vinden und striteclich im bi gestan. er tut mich libes ane, ald sin lob mus zergan. Er hat min lop gar in getan, und sol in das vergeben stan, das ist mins herzen sware, die wil ich nu geleben mak (S. 14/ 3-4).
Ecke genügt es nicht neben dem Berner an der Spitze zu stehen. Sein Bestreben gipfelt darin, ein "absoluter Held"13 zu sein, eine "Koexistenz"14 kommt nicht in Frage. In seinem Ehrkonzept würde ein Sieg eine ehrenhafte Tat und die Übernahme des gesammelten Ruhms und Ansehens Dietrichs bedeuten.15 Diese Wunschvorstellung wird hier besonders deutlich:"´seht, her Egge/ hat den Berner erslagen-´(S. 22/ 14)"
Auffällig ist, dass Ecke einerseits heftig über sein geringes Ansehen und Dietrichs großartigen Ruf erzürnt ist, andererseits jedoch seinen Kontrahenten lobt. Mehr Heldenruhm kann er nur erlangen, wenn der Berner auch welchen besitzt. Ecke ist also auf die Heldenhaftigkeit angewiesen16:
Wer solt mir des genade sagen, ob ich bestuende zwelf zagen und ich siú berwunde: da ware wenig rumes an (S. 24/ 16). Nun stellt sich die Frage, ob sich Eckes Handlungsmotiv erst im Laufe der Heldendiskussion gebildet hat oder schon vorher vorhanden war. Wenn man sich einen Ausschnitt seines Monologes anschaut, wird deutlich, dass ihn die fehlende Anerkennung schon lange schmerzt:
es ist mir hú t und iemer lait, das man niht in den landen das beste von mir sait (S. 16/ 5).
Dem Gespräch fehlt eine "handlungsauslösende Funktion"17. Ecke hat schon im ersten Monolog beschlossen Dietrich herauszufordern. Mit dem dringenden Bedürfnis einen Kampf auf Leben und Tod zu führen, bricht der Held auf.
4. Eckes Beauftragung durch Seburg
Drei Königinnen in Jochgrimm erfahren von Eckes Vorhaben. Die ranghöchste, Seburg, wünscht sich nichts sehnlicher als Dietrich von Bern mit eigenen Augen zu sehen. Ihr ist durchaus bewusst, dass der Riese vor hat Dietrich im Kampf zu töten:
du wilt den Berner gern bestan- mit baiden minen oren ich das gehoret han (S. 26/19).´
Seburg möchte Ecke mit einer wertvollen goldenen Rüstung, auf die im nächsten Kapitel eingegangen wird, ausstatten, damit er den Berner am Leben lässt:
sich , Egge, die wil ich dir geben, ob du den Berner vindest, das du in lassist leben( S. 30/ 24). ´
Die Rüstung ist also mit einem Tötungsverbot verbunden. Ecke geht daraufhin einen Kompromiss ein: ´ vrowe, ich las in leben, und wil er mir sin swert uf geben: dast ane missewende (S.30/ 25).
Andererseits ist ihm bewusst, dass sein Gegner sehr wahrscheinlich nicht einfach so aufgeben wird:"das doch vil kume mak geschehen,/ ich hoer im soelcher mainhait jehen (S. 30/ 25)." In diesem Falle ist ein Kampf auf Leben und Tod unvermeidbar und Seburgs Auftrag ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt.18 Eckes heroische und Seburgs höfische Motive kollidieren. Dennoch wird der Riese als vermeintlicher Ritter ausgesandt, um Dietrich lebend herzubringen. Offensichtlich besteht zwischen der Königin und Ecke ein Kommunikationsproblem.19
Der Riese will unbedingt im Kampf gegen Dietrich siegen. In seiner Vorstellung ist der Tod des Berner mit einem Ehrzuwachs verbunden:
wirt er da mit geklaidet, so hat der ander grossen pris: von mannen und von wiben wirt im lob menge wis (S. 32/ 25).´
Doch gerade wenn er ihn am Leben lässt, verspricht die Königin ihm pris und ere (S. 37/30). Ecke würde somit die so sehr gewünschte Statuserhöhung erhalten. Seburg steht in der gesellschaftlichen Hierarchie weit über ihm und bietet ihm einen Verdienst an, der aus einem "Dienst-Lohn- Verhältnis" resultiert.20
Als der Held trotz des Zwiespalts nun doch verspricht den Berner nach Jochgrimm zu bringen, wird er gewarnt sich mit ihm anzulegen:
und welt irú ns penem den man, das wende got der guote; und muoessent ir da bestan (S. 34/ 28).´ Der Warnung des alten fahrenden Mannes werden im Laufe der Reise noch weitere folgen. Schließlich kommt noch ein drittes Motiv hinzu:
das dir got glú ck vergú nne, das du den Berner bringest gesunt herú ns drin kú neginnen- So solt du wellen an der stunt undú nser aine minnen, swelchú dir dar zuo bas behag (S. 34-36/ 30).
Jedoch nimmt nur Ecke dieses Versprechen ernst, die Königin hat schließlich kurz vorher von Dietrich geschwärmt (S. 32/ 26). Ihre Beteuerung dem Riesen gegenüber wirkt somit sehr widersprüchlich. Das Lohn-Dienst-Verhältnis hat nichts mit dem höfischen Frauendienst gemein.21 Ecke bemerkt diese Feinheiten jedoch nicht:"an si so tet er mengen blik:/ das wart im sit enblanden (S. 36/ 32)." Es handelt sich um einen falsch verstandenen Frauendienst.
4.1. Die wertvolle Rüstungbrünne
Als Lohn für die Ausführung des Auftrags wird Ecke eine wertvolle Ausrüstung überbracht: Eine Rüstung, Beinschienen, ein Schwert, ein Helm und einen Schild. Ironischerweise geschieht dies nicht um Eckes, sondern um Dietrichs willen.22 Die Rüstung ist etwa 50.000 Mark wert und aus purem Gold gefertigt, wie Seburg detailliert schildert:
Dú brú nne ist gar stahels blos, die ringe guldin fingers gros gehert in traken bluote.[...] dú wart geworket in Arabi usser dem besten golde. ir wont aines landes koste bi, swer si vergelten solte (S. 30/ 24).
Ebenso wird die Vergangenheit der br ü nne geschildert (S. 28-30/ 21-23). Erst gehörte sie König Ornit, der von einem Drachen im Schlaf überrascht und getötet wurde. Anschließend besaß sie Wolfdietrich, der für seine Sünden nach dem Tode büßen muss, indem er gegen all seine Opfer noch einmal kämpft. Einzig die Niederlagen der Rüstung werden aufgezeigt. Es ist eine "epische Vorausdeutung auf das unweigerliche Ende"23 des Helden.
Allgemein betrachtet sind Rüstungen eines der wichtigsten Statussymbole eines jeden Ritters. Sie repräsentieren Maskulinität sowie Kampfeslust und beinhalten primär zwei Funktionen: Zum einen wird die Identität des Trägers verborgen und zum anderen der Status betont.24 Eine Rüstung ist Maske und Identität zugleich:
Die Maske macht den Mann als Mann kenntlich. Die Rüstung als Maske des Mannes macht diesen erst sichtbar. Anders formuliert: Die Männlichkeit der Helden entsteht erst aus der performativen Inszenierung von Maskerade.25
Die br ü nne ist kostbar und funktional zugleich. Der materielle Wert ist aufgrund des Goldes und der besonderen Verarbeitung fast unbezahlbar. Außerdem verspricht sie einen enormen Schutz, der Träger wird unverwundbar:"kains swertes snid ir als ain har/ gewan nie dú vil guote (S.30/ 24)." Zusätzlich berichtet Seburg:
sie sprach: ´ got welle dir dan den tot under die brú nne senden, so blibst du harte wol gesunt. du maht von kainem waffen da durch werden wunt (S. 38/ 33).´
Wenn man Eckes spätere Absage von Gott bedenkt, ist dies eine Aussicht auf sein Schicksal. Zudem wächst durch die Undurchdringlichkeit der Rüstung auch die Dramatik der zukünftigen Begegnung zwischen den beiden Helden.26
[...]
1 Francis B. Brevart (Hrsg. un Übers.): Das Eckenlied. Ditzingen 1986. S. 14/ 3 (im Folgenden nur noch als Klammer im Text angegeben).
2 Vgl. Joachim Heinzle: Eckenlied. In: Lexikon des Mittelalters. Vol. 3. col. 1547.
3 Vgl. Joachim Heinzle: Eckenlied. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Band 3. Hrsg. von Kurth Ruh u. a. Berlin, New York 1987. S. 48.
4 Vgl. Joachim Heinzle: Einführung in die mittelhochdeutsche Dietrichepik. Berlin, New York 1999. S. 109.
5 Vgl. ebd. S. 112.
6 Vgl. ebd. S. 113-116.
7 Vgl. Joachim Heinzle: Eckenlied. Verfasserlexikon. S. 46.
8 Vgl. Joachim Heinzle: Eckenlied. Lexikon des Mittelalters.
9 Vgl. Joachim Heinzle: Eckenlied. Verfasserlexikon S.48.
10 Thorsten W. D. Martini: Facetten literarischer Zorndarstellungen. Analysen ausgewählter Texte der mittelalterlichen Epik des 12. und 13. Jahrhunderts unter Berücksichtigung der Gattungsfrage. Heidelberg 2009. S. 264.
11 Vgl. Lydia Miklautsch: Zuerst die Rüstung, dann der Held. Männlichkeit und Maskerade am Beispiel des Eckenlieds. In: Mythos-Sage- Erzählung. Gedenkschrift Alfred Ebenbauer. Hrsg. von Johannes Keller. Göttingen 2009. S.305.
12 Lydia Miklautsch: Zuerst die Rüstung, dann der Held. S. 305.
13 Michael Egerding: Handlung und Handlungsbegründung im Eckenlied. In: Euphorion. Zeitschrift für Literaturgeschichte. Band 85. Hrsg. von Rainer Gruenter. Heidelberg 1991. S. 401. 14 Ebd. S. 401.
15 Vgl. Ralf Schlechtweg-Jahn: Der abwesende Gott. Zur laientheologischen Grundlegung der êre im Eckenlied. In: Gottes Werk und Adams Beitrag. Formen der Interaktion zwischen Mensch und Gott im Mittelalter. Hrsg. von Thomas Honegger, Gerline Huber-Rebenich, Volker Leppin. Berlin 2013. S.160.16 Vgl. Michael Egerding: Handlung und Handlungsbegründung im Eckenlied. S. 400.
17 Kay Malcher: Faszination von Gewalt. Rezeptionsästhethische Untersuchungen zu aventiurehafter Dietrichepik. Berlin, New York 2009. S.43.
18 Vgl. Lydia Miklautsch: Zuerst die Rüstung, dann der Held. S. 305.19 Vgl. Kay Malcher: Faszination von Gewalt S. 54.
20 Ebd. S. 55.
21 Vgl. Hartmut Bleumer: Narrative Historizität und historische Narration. Überlegungen am Gattungsproblem der Dietrichepik. Mit einer Interpretation des Eckenliedes. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Band 129. Leipzig 2000. S. 141.
22 Vgl. ebd. S. 140.
23 Matthias Meyer: Die Verfügbarkeit der Fiktion. Interpretationen und poetologische Untersuchungen zum Artusroman und zur aventiurehaften Dietrichepik des 13. Jahrhunderts. Heidelberg 1994. S. 195.
24 Vgl. Lydia Miklautsch: Zuerst die Rüstung, dann der Held. S. 304.
25 Ebd. S. 304.
26 Vgl. Udo Friedrich: Mythische Gehalte im Eckenlied. In: Präsenz des Mythos. Konfigurationen einer Denkform in Mittelalter und früher Neuzeit. Hrsg. von Udo Friedrich, Bruno Quast. Berlin, New York 2004. S. 282.