Resilienz in der Heilpädagogik. Konzepte zur Förderung der psychischen Widerstandsfähigkeit bei Kindern
Zusammenfassung
.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
1. Einleitung
2. Resilienz / Begriffserklärung
3. Risiko- und Schutzfaktorenkonzept
3.1 Risikofaktorenkonzept
3.2. Schutzfaktorenkonzept
3.3 Das Zusammenwirken von Risiko- und Schutzfaktoren
4. Resilienzfaktoren als Schutzfaktoren des Kindes
5. Prävention - Bedeutung und Wirkung
6. Resilienzkonzepte und Förderung der Resilienz in der Heilpädagogik
7. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
K.(5,5J.) wächst bei seiner alleinerziehenden Mutter auf, der Kontakt zu seinem leiblichen Vater besteht nicht. Seine Mutter ist Kellnerin und muss oft bis spät in die Nacht arbeiten. Aus diesem Grund übernachtet K. manchmal bei Verwandten, wie beispielsweise seiner Tante oder seiner Oma. Möchte K. etwas malen oder basteln, weint er schon bevor er mit der Tätigkeit angefangen hat. Er glaubt nicht an seine Fähigkeiten und hat Angst, dass seine Mutter sein Werk nicht schön findet. Mit seiner eigenen Leistung ist er nie zufrieden und bittet oft andere Kinder oder Erzieher etwas für ihn zu basteln, damit er das seiner Mutter schenken kann. Auch mit Niederlagen im Spiel kommt er kaum zurecht, er weint viel und wirft anderen Kindern vor, nicht fair zu sein und falsch zu spielen. Das Lachen der Kinder nimmt K. oft sehr persönlich und ist überzeugt davon, von ihnen ausgelacht zu werden. Dabei weint er sehr stark und kann sich kaum beruhigen, so dass die Gleichaltrigen in der Tat anfangen, sich über sein „kleinkindhaftes" Weinen zu amüsieren. Das Leid dieses Kindes war der Anlass, mich mit dem Thema Resilienz zu beschäftigen. Ich stellte fest, dass ich trotz meiner beruflichen Tätigkeit als Erzieherin nur wenig Wissen über Resilienz besitze. Durch die Auseinandersetzung mit diesem Thema möchte ich neue Erkenntnisse für meine pädagogische und heilpädagogische Tätigkeit gewinnen und somit K. in seiner Entwicklung unterstützen und ihm dabei helfen, sich zu einer selbstbewussten, starken und belastbaren Persönlichkeit zu entwickeln.
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit dem Thema Resilienz und Resilienzförderung. Im ersten Teil dieser Arbeit wird der Begriff Resilienz als Phänomen der psychischen Widerstandsfähigkeit definiert, dabei wird auf Risiko-, Schutz- und Resilienz-faktorenkonzepte eingegangen. Den Abschluss meiner Arbeit bildet die Auseinandersetzung bzw. Übertragung der Resilienzförderung auf den heilpädagogischen Bereich.
2. Resilienz / Begriffserklärung
Der Begriff „Resilienz“ leitet sich von dem englischen Wort „resilience“ ab, welches als Spannkraft, Widerstandsfähigkeit und Elastizität übersetzt werden kann (vgl. Wustmann, 2012, S.18). C.Wustmann definiert Resilienz als „psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken" (ebd., S.18). Somit lässt sich die Resilienz als eine Fähigkeit beschreiben, mit belastenden Situationen erfolgreich umzugehen oder Krisen zu bewältigen. In diesem Zusammenhang beschreibt M. Ungarn die Resilienz als eine Fähigkeit des Menschen „sich erfolgreich solche Ressourcen zu erschließen, die sein Wohlbefinden, sein positives Lebensgefühl, aufrechterhalten“ (Ungar, 2011 in Zander, S.163). Weiterhin betont er, dass die Resilienz nur dann möglich ist, „wenn physische wie soziale Umwelt eines Menschen diese Ressourcen verfügbar machen“ (ebd., S.163) und der Mensch in der Lage ist, die ihm vorhandenen Ressourcen sinnvoll zu nutzen (vgl. ebd.). Zahlreiche Resilienzstudien haben gezeigt, dass resiliente Kinder sich auch trotz erhöhter Risikobelastung positiv entwickeln. Diesen Kindern gelingt es „Entwicklungsrisiken weitestgehend zu vermindern oder zu kompensieren, negative Einflüsse auszugleichen und sich gleichzeitig gesundheitsförderliche Kompetenzen anzueignen“ (vgl. Wustmann, 2012, S.18; zitiert nach Laucht, Schmidt & Esser, 2000).
Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit als „einen Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen“ (www.admin.ch). Somit lassen sich die Merkmale der Resilienz nicht nur durch die Abwesenheit von psychischen Störungen beschreiben. Auch der Erwerb und Erhalt von altersangemessenen Fähigkeiten/ Kompetenzen ist nach Wustmann ein wichtiges Merkmal der Resilienz (vgl. Wustmann, 2012, S.20). Wird die altersentsprechende Entwicklungsaufgabe des Kindes von ihm erfolgreich bewältigt, so erwirbt das Kind im Laufe seiner Entwicklung wichtige Fähigkeiten und Kompetenzen, die es für eine positive Entwicklung und Stabilität der Persönlichkeit benötigt. Ist dies nicht der Fall, so ist mit Entwicklungsdefiziten zu rechnen (vgl. Wustmann, 2012, S.20; zitiert nach Butollo & Gavranidou, 1999). Zu den Entwicklungsaufgaben der frühen und mittleren Kindheit zählen beispielsweise die Entwicklung der sprachlichen und motorischen Fähigkeiten, Kognition und Emotionalität, sowie der Erwerb von grundlegenden sozialen Fähigkeiten. In diesem Zusammenhang betont E. Werner, dass Resilienz kein Charaktermerkmal des Kindes ist, sondern „das Endprodukt von Pufferungsprozessen, welche Risiken und belastende Ereignisse zwar nicht ausschließen, es aber dem Einzelnen ermöglichen, mit ihnen erfolgreich umzugehen“ (Werner, 2011, S.33, in Zander).
Der Gegenbegriff zu Resilienz ist Vulnerabilität, die als „Verwundbarkeit, Verletzbarkeit oder Empfindlichkeit einer Person gegenüber äußeren (ungünstigen) Einflussfaktoren“ (Wustmann, 2012, S.22) beschrieben wird. Vulnerabilität stellt somit eine erhöhte Bereitschaft zu der Entwicklung von psychischen Erkrankungen dar (vgl. ebd., S.22, zitiert nach Fingerle,2000).
3. Risiko- und Schutzfaktorenkonzept
Risiko- und Schutzfaktorenkonzepte werden in der Resilienzforschung als zwei zentrale Konzepte betrachtet. Die Resilienzforschung beschäftigt sich mit der Fragestellung „welche Faktoren und Bedingungen psychische Gesundheit und Stabilität bei Kindern, die besonderen Entwicklungsrisiken ausgesetzt sind, erhalten und fördern“ (Wustmann, 2012, S.22, zitiert nach Fingerle, Freytag & Julius, 1999).
3.1 Risikofaktorenkonzept
Das Risikofaktorenkonzept stützt sich auf das Prinzip des bio-medizinischen Modells. Die Hauptmerkmale dieses Modells basieren auf der pathogenetischen Sichtweise, die sich mit der Suche nach den krankmachenden Ursachen des Problems (Krankheit) beschäftigt. (www.helpster.de). „Risikofaktoren werden als krankheitsbegünstigende, risikoerhöhende und entwicklungshemmende Merkmale definiert, von denen potentiell eine Gefährdung der gesunden Entwicklung des Kindes ausgeht“ (Fröhlich/Rönnau, 2014, S.20; zitiert nach Holtmann/Schmidt, 2004).
Im Risikofaktorenkonzept wird zwischen zwei Merkmalsgruppen unterschieden. Die erste Gruppe beschreibt die Vulnerabilitätsfaktoren des Kindes, die biologische und psychologische Merkmale des Kindes umfassen. Zu der zweiten Gruppe zählen umweltbezogene psychosoziale Risikofaktoren.
Die Vulnerabilitätsfaktoren werden zwischen primären und sekundären Faktoren unterschieden. Die primären Faktoren (seit der Geburt) können prä-, peri- und/oder postnatalen Ursprungs sein. So können frühkindliche Entwicklungsrisiken wie zum Beispiel Schwangerschaftsrisiken (beispielsweise das Rauchen sowie gesundheitliche oder psychische Probleme der Mutter während der Schwangerschaft), Frühgeburt und /oder geringes Geburtsgewicht des Kindes zu ungünstigen Entwicklungsverläufen führen. Genetische Anomalien, schwere und chronische Erkrankungen können insbesondere die kognitive oder sozial-emotionale Entwicklung des Kindes beeinträchtigen. Zu den sekundären, durch Interaktion mit der Umwelt entstandene Vulnerabilitätsfaktoren, zählt beispielsweise eine unsichere Bindung des Kindes zu seiner Bezugsperson (ambivalente, vermeidende oder desorganisierte Bindungsmuster), sowie geringe Fähigkeiten zur Selbstregulation. Auch ein kaltes familiäres Klima, zu strenges, inkonsequentes oder widersprüchliches Erziehungsverhalten der Eltern, sowie körperliche Bestrafungen sind weitere wesentliche Risikofaktoren in der Entwicklung des Kindes. Ehe- bzw. Partnerkonflikte, das Erleben oder Beobachten von Gewalt, psychische Störungen/Erkrankungen oder Alkohol- /Drogenmissbrauch der Eltern, niedriges Bildungsniveau der Eltern, sowie Abwesenheit eines Elternteils können eine gesunde Entwicklung des Kindes gefährden. Nicht nur in der primären Sozialisationsinstanz (Familie) können die Risikofaktoren liegen, auch die sekundären Sozialisationsinstanzen wie zum Beispiel das Wohnumfeld der Kinder und die Freunde spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle. Das Aufwachsen in einem städtischen Wohngebiet mit sozial benachteiligten Familien, das oft durch zerstörerisches und aggressives Verhalten der dort lebenden Menschen geprägt ist, stellt einen weiteren Risikofaktor für die Entwicklung des Kindes dar. Auch eine problematische Wohnsituation kann ein Risikofaktor sein. Mangelnde Sprachkenntnisse, sozialer Neid und sogar Langeweile - das alles kann eine negative Wirkung haben (vgl. Fröhlich/ Rönnau, 2014, S. 21-22).
In den Phasen der „erhöhten Vulnerabilität“ erhöht sich die entwicklungsgefährdende Wirkung der Risikofaktoren für das betroffene Kind. Diese Phasen werden als Transitionen bezeichnet. In solchen Phasen ist das Risiko für ein Eintreten einer Entwicklungsabweichung oder das Entstehen einer psychischen Störung erhöht (vgl. Fröhlich/Rönnau, 2014, S.24). Beispiele für Transitionen sind soziale Übergänge wie der Wechsel von dem Kindergarten in die Schule, Scheidung der Eltern oder körperliche Reifung des Kindes. Ob und wie die entwicklungshemmende Wirkung der Risikofaktoren ein Kind betrifft, hängt von mehreren Aspekten ab, die ich im Weiteren zusammenfassend darstelle.
Kinder, die mehreren Risikofaktoren ausgesetzt sind, weisen ein erhöhtes Risiko auf, eine fehlangepasste Entwicklung oder sogar eine psychische Störung als Folge zu entwickeln. Je länger sie einer belastenden Situation ausgesetzt sind, desto höher ist die Gefahr für eine langfristige Veränderung der kindlichen Kompetenzen. Tritt die Belastung schon sehr früh auf, beispielsweise in der Säuglingszeit, sind die entwicklungshemmenden Folgen besonders schwerwiegend. Zudem ist dann die Wahrscheinlichkeit höher, dass auch in der späteren Lebenslaufbahn von weiteren Risikofaktoren eine Gefährdung für die Entwicklung ausgeht. Auch geschlechtsspezifische Aspekte bei der Bewältigung der Risikosituation spielen eine Rolle. So reagieren Jungen in der frühen Kindheit stärker auf Risikobelastungen als Mädchen. Mädchen sind wiederrum in der pubertären Phase häufiger von Entwicklungsstörungen betroffen. Im Weiteren bestimmt die subjektive Wahrnehmung ob und wie stark die Belastung als negativ bewertet wird (vgl. Fröhlich/Rönnau, 2014, S.24-26).
[...]