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Patwa und die jamaikanische Identität. Sprache als identitätsbildendes Element

©2012 Hausarbeit 17 Seiten

Zusammenfassung

Nach der Aussage von W. v. Humboldt sind Sprachen die Geister der Völker und identitätserzeugende Gruppensymbole. Hinsichtlich dessen, wird es dem jamaikanischen Volk nicht gerade leicht gemacht. Einerseits verwendet die Oberschicht Standard-Englisch, die Amtssprache Jamaikas, andererseits spricht das einfache Volk die Sprache ihrer Vorfahren, Jamaikanisch-Kreolisch, wobei in der vorliegenden Arbeit der Terminus Patwa dafür verwendet wird.

Obwohl Patwa von dem Großteil der Bevölkerung gesprochen wird und ihnen als Muttersprache dient, wird in der Schule Standard-Englisch gelehrt. Das führt schließlich dazu, dass die Kinder der einfachen Leute bilingual aufwachsen. Eine Besonderheit dabei ist, dass Patwa ausschließlich gesprochen und begründet mit der fehlenden Schriftlichkeit nicht einheitlich geschrieben werden kann. Hinzu kommt, dass die jeweiligen Sprecher beider Sprachen dem jeweils anderen Sprachsystem überwiegend ablehnend gegenüber stehen.

Die ambivalente Sprach- und Bevölkerungssituation gab Anlass dazu, in der vorliegenden Arbeit die Bedeutung des Patwa für seine Sprecher zu untersuchen und als konstitutives Element jamaikanischer Identität zu prüfen.

Zunächst wird die Entstehung von Kreolsprachen allgemein erläutert, um die darauf folgende Entwicklungsgeschichte von Patwa verständlicher zu gestalten. Anschließend soll mit Hilfe ausgewählter Beispiele die Bedeutung von Patwa für seine Sprecher aufgezeigt werden. Hinsichtlich dessen wird die Wirkung von Patwa als musikalisches Stilmittel in der jamaikanischen Volksmusik untersucht und der Einfluss der Poetin Louise Bennett näher beleuchtet.

Letztlich werden ausgewählte Resultate des Fragebogens, der im Rahmen dieser Arbeit angefertigt wurde, vorgestellt und analysiert. Mit Hilfe der Umfrage konnte die Möglichkeit genutzt werden, Jamaikaner selbst nach ihrer Meinung zu fragen.

Der Sprachgebrauch und die Einstellung dazu sind jedoch sehr individuell, sodass sich in dieser Arbeit eher Tendenzen aufzeigen lassen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Kreolsprachen
2.1 Was sind Kreolsprachen und wie sind sie entstanden?
2.2 Die Entstehungsgeschichte des Patwa

3 Die soziale Eingliederung des Patwa

4 Patwa als konstitutives Element jamaikanischer Identität
4.1 Patwa und Reggae
4.2 Der Einfluss von Louise Bennett
4.3 Fragebogen: How do you feel about Patois and „proper English“?
4.3.1 Vorgehensweise
4.3.2 Auswertung

5 Fazit

6 Bibliographie

7 Anhang

1 Einleitung

Nach der Aussage von W. v. Humboldt sind Sprachen die Geister der Völker und identitätserzeugende Gruppensymbole.1 Hinsichtlich dessen, wird es dem jamaikanischen Volk nicht gerade leicht gemacht. Einerseits verwendet die Oberschicht Standard-Englisch, die Amtssprache Jamaikas, andererseits spricht das einfache Volk die Sprache ihrer Vorfahren, Jamaikanisch-Kreolisch, wobei in der vorliegenden Arbeit der Terminus Patwa dafür verwendet wird.

Obwohl Patwa von dem Großteil der Bevölkerung gesprochen wird und ihnen als Muttersprache dient, wird in der Schule Standard-Englisch gelehrt. Das führt schließlich dazu, dass die Kinder der einfachen Leute bilingual aufwachsen. Eine Besonderheit dabei ist, dass Patwa ausschließlich gesprochen und begründet mit der fehlenden Schriftlichkeit nicht einheitlich geschrieben werden kann. Hinzu kommt, dass die jeweiligen Sprecher beider Sprachen dem jeweils anderen Sprachsystem überwiegend ablehnend gegenüber stehen.

Die ambivalente Sprach- und Bevölkerungssituation gab Anlass dazu, in der vorliegenden Arbeit die Bedeutung des Patwa für seine Sprecher zu untersuchen und als konstitutives Element jamaikanischer Identität zu prüfen.

Zunächst wird die Entstehung von Kreolsprachen allgemein erläutert, um die darauf folgende Entwicklungsgeschichte von Patwa verständlicher zu gestalten. Anschließend soll mit Hilfe ausgewählter Beispiele die Bedeutung von Patwa für seine Sprecher aufgezeigt werden. Hinsichtlich dessen wird die Wirkung von Patwa als musikalisches Stilmittel in der jamaikanischen Volksmusik untersucht und der Einfluss der Poetin Louise Bennett näher beleuchtet.

Letztlich werden ausgewählte Resultate des Fragebogens, der im Rahmen dieser Arbeit angefertigt wurde, vorgestellt und analysiert. Mit Hilfe der Umfrage konnte die Möglichkeit genutzt werden, Jamaikaner selbst nach ihrer Meinung zu fragen.

Der Sprachgebrauch und die Einstellung dazu sind jedoch sehr individuell, sodass sich in dieser Arbeit eher Tendenzen aufzeigen lassen.

2 Kreolsprachen

Um verständlich mit dem Terminus Patwa arbeiten zu können, soll zunächst ein kurzer Überblick über die Entstehung der Kreolsprachen gegeben und danach die Entwicklungsgeschichte des Patwa näher erläutert werden.

2.1 Was sind Kreolsprachen und wie sind sie entstanden?

Mit Kreolsprachen lässt sich eine Gruppe von Sprachen zusammenfassen, die in Zeiten der Kolonialisierung und des Sklavenhandels entstanden sind. Zu den kolonialisierten Gebieten gehörten beispielsweise Westafrika, sowie der Karibik- und Pazifikraum. Die überwiegend aus Europa stammenden Kolonialherren besetzten diese Gebiete und ließen unter anderem aus Übersee importierte Sklaven für sie arbeiten. Resultierend daraus, entstand eine multilinguale Zwangsgemeinschaft, die umgehend darauf angewiesen war, ein gemeinsames Sprachsystem zu kreieren. Aufgrund der hierarchischen Zustände, waren die Sklaven nunmehr gezwungen, die Sprachen ihrer Unterdrücker weitestgehend anzunehmen. Dies führte zum Einen dazu, dass die eigene Muttersprache vernachlässigt werden musste, da auch unter den Sklaven meist kein einheitliches Sprachsystem Anwendung finden konnte und zum Anderen zu der Annahme eine vereinfachten Form des europäischen Sprachsystems. Die unter diesen Umständen entstandenen Kommunikationshilfen werden als Pidginsprachen bezeichnet. Sie verzichten auf sämtliche grammatikalische Regeln, werden auf das Nötigste reduziert und können zusätzlich als Vorläufer von Kreolsprachen gelten.2

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Pidgin- und Kreolsprachen ist jedoch, dass Pidginsprachen überwiegend funktional sind und temporär als Hilfssprachen dienen. Konträr dazu stellen Kreolsprachen meist eine Abwandlung ehemaliger Pidginsprachen dar, die sich schließlich zu der Muttersprache einer Gesellschaft entwickelt haben. Im Laufe der Zeit, wurde die extrem primitive Struktur der Pidginsprache nach den Anforderungen der betroffenen und neu entstandenen Gesellschaft perfektioniert und variiert. Eine wichtige Voraussetzung dafür war eine Stabilisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse und eine Kontinuität im Spracherwerb. Allerdings gelten Pidginsprachen nicht immer zwangsläufig als Vorgänger von Kreolsprachen.3

Die Forschung über die Herkunft und Entstehung von Kreol- und Pidginsprachen stellt bis heute einen wissenschaftlichen Diskurs dar, der von Ambivalenz geprägt ist. Eine einheitliche Definition von Pidgin- oder Kreolsprachen lässt sich demnach nicht finden.4

Im folgenden Abschnitt soll die Entstehung des Patwa abgehandelt werden. In der vorliegenden Arbeit wird dieser Terminus als neutrale Bezeichnung für die jamaikanisch-kreolische Sprache verwendet. Die Auswahl des Begriffes begründet sich darin, da unterschiedliche Schreibformen, wie Patois oder Patwah bestehen, die allerdings negativ konnotiert sind. Beispielsweise ist Patois der französische Begriff für eine Sondersprache ohne Schriftzeichen, die aufgrund der informellen Nutzung negativ behaftet ist und zum Teil für die Bezeichnung von Dialekt verwendet wird.5 Letztlich variiert der Gebrauch der drei Termini, wobei dem Nutzer die negative Behaftung jener Begriffe meist nicht bekannt ist.

2.2 Die Entstehungsgeschichte des Patwa

Die genaue Rekonstruktion der Entstehung des Patwa erweist sich als sehr umfangreich, da schon vor der Entdeckung Jamaikas, Ureinwohner auf der Insel lebten und die jamaikanisch-kreolische Sprache auch rudimentäre Einflüsse derer aufzeigt. Da Patwa jedoch eine Kreolsprache mit englischen Wurzeln ist, soll hier hauptsächlich auf den Einfluss englischer Herrschaft eingegangen werden.

Jamaika wurde vor etwa 350 Jahren von britischen Kolonialherren besetzt. Neben den Arbeitskräften aus eigenen Reihen und zahlreichen anderen Gebieten Europas, wie beispielsweise Irland und Niederlande, ließen die Kolonialherren Afrikaner als Sklaven auf die Insel bringen, wo sie auf Plantagen ihre Arbeit verrichten sollten. Demzufolge kam es zu der Entstehung einer multilingualen Gemeinschaft. Auf der einen Seite versuchten die britischen Kolonialherren, den Sklaven und Arbeitern ihr eigenes Sprachsystem aufzudrängen, auf der anderen Seite versuchten auch die Sklaven ein System zu kreieren, um sich untereinander verständigen zu können. Der kleinste gemeinsame Nenner vorhandener Sprachen, mit dominierendem Einfluss des britischen Englisch, führte zu der Entstehung und Verwendung einer Pidginsprache. Die britischen Kolonialherren sahen die Verfälschung ihrer Sprache durch die Sklaven, als „Dummheit“ an. Heute sagt man jedoch, dass dies eine Form der Revolte der Sklaven war, die sich dadurch gegen die Unterdrückung zu wehren versuchten.6 Indem sie das britische Englisch regelrecht ausnahmen, mit einer eigentümlichen Syntax und Leihwörtern aus diversen anderen Sprachen versahen, Konsonanten vertauschten und dem Ganzen eine afrikanische Grammatik gaben, gewannen sie eine gewisse sprachliche Autonomie, weil sie eine Sprache schufen, die selbst die Kolonialherren nicht mehr verstehen konnten. 7 Das neue Sprachsystem entwickelte sich stetig weiter und wurde schließlich zu der Muttersprache nachfolgender Generationen. Nachdem es zur Befreiung der Gefangenen und Arbeiter kam, siedelten sich die ehemalige Sklaven, wenn sie Jamaika nicht verließen, über die ganze Insel verteilt an, wo sie in Gemeinschaften zusammen lebten.

Eine genaue Menge an Patwa sprechern, ist aufgrund der Expansion jedoch nicht eindeutig festzustellen.8

Im Folgenden soll die soziale Eingliederung des Patwa dargestellt und anschließend die Bedeutung für seine Sprecher untersucht werden.

3 Die soziale Eingliederung des Patwa

Wenn man die Entstehungsgeschichte des Patwa betrachtet, könnte man denken, dass das die Sprache des Landes ist. Bei genauerer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass ein zahlenmäßig kleiner, aber wirtschaftlich dominierender Bevölkerungsteil der Insel, Standard-Englisch spricht, wobei es sich um die meist aus Europa stammende Oberschicht, die auf Jamaika zudem eine hohes Sozialprestige genießt, handelt.9 Zudem ist die Amtssprache der Insel Standard-Englisch und nicht Patwa. Hinzu kommt, dass die jamaikanische Oberschicht Patwa nicht als vollwertige Sprache akzeptiert und ihr eher ablehnend gegenüber steht. Jahrelang hat sich die einfache Bevölkerungsschicht auf sprachlicher Ebene unterordnen lassen. Wie sich im Folgenden noch heraus stellen wird, brachte schließlich die Unabhängigkeit Jamaikas nicht nur die Befreiung von England, sondern auch wieder eine selbstbewusste Haltung gegenüber der eigenen Sprache, Patwa, mit sich.10

Aufgrund der zwiespältigen Betrachtungsweisen der jeweiligen Sprecher von Standard- Englisch und Patwa, stellt Patwa einen interessanten Untersuchungsgegenstand dar.

Außerdem gab dieser Aspekt Anlass zu der Frage, inwieweit es als konstitutives Element jamaikanischer Identität gilt.

Im Folgenden soll sich dieser Frage gewidmet und bezüglich dessen unterschiedliche Aspekte herausgearbeitet werden.

4 Patwa als konstitutives Element jamaikanischer Identität

Wie in der Einleitung bereits erwähnt suggerierte schon W.v. Humboldt, dass Sprachen die Geister der Völker widerspiegeln und gleichzeitig als identitätserzeugende Gruppensymbole gelten.11

J. Assmann unterteilt den Begriff Identitä t in Ich-und Wir-Identitäten. Dabei beschreibt die Ich-Identität die Entstehung eines individuellen Selbstverständnisses, was sich mit Hilfe von Kommunikation und gesellschaftlicher Interaktion entwickeln konnte. Weiterhin bezeichnet die Ich-Identität das durch Reflexivität erlangte Bewusstsein eines Individuums darüber, welche Stellung es in einer bestimmten Kultur oder Gesellschaft einnimmt und was es von den anderen unterscheidet. Die Besonderheit des Einzelnen in einer Gemeinschaft steht hier im Vordergrund. Die Wir-Identität ist durch ein bestimmtes Selbstbild gekennzeichnet, was durch ein Kollektiv kreiert wurde und womit sich die Angehörigen jener Gruppen identifizieren, was die Zusammengehörigkeit fördert. Weiterhin werden kollektive Werte- und Idealvorstellungen durch die Verwendung einer gemeinsamen Sprache und bestimmter Symbole nach Außen getragen.12 Ich- und Wir-Identitäten entstehen demnach aus sozialen Interaktionen. Da die vorliegende Arbeit, Patwa als kulturelles Gruppensymbol eines bestimmten Teils der jamaikanischen Bevölkerung untersucht und im Folgenden geklärt werden soll, inwieweit Patwa ein konstitutives Element jamaikanischer Identität darstellt, ist vor allem die Begrifflichkeit der Wir-Identität relevant. Auch aufgrund der Tatsache, dass Patwa sprecher gemeinsame Ideal- und Wertevorstellung teilen und diese mit Hilfe von Patwa authentisch vermittelt werden können.

Wie man oben bereits erfahren konnte, gilt Patwa jedoch als eher negativ konnotiert. Dies lässt sich damit begründen, dass die Verwendung von Standard-Englisch, Ausdruck von Bildung und beruflicher Aktivität darstellt und Patwa im Gegensatz dazu die Sprache der Armen, der Ghettos und der Ungebildeten bezeichnet.13

[...]


1 Vgl. Humboldt, Wilhelm von (1836)

2 Vgl. Kramer, Johannes: S: 69-93

3 Vgl. Bußmann, Hadumod (2008): S.380, 532

4 Vgl. Krause, Stefanie (2009): 27-28

5 Vgl. Bußmann, Hadumod (2008): S. 512

6 Vgl. Krause, Stefanie (2009): S. 41-47

7 Vgl. Zahl, Peter Paul (2002): S.140

8 Vgl. Krause, Stefanie (2009): S. 47

9 Vgl. Krause, Stefanie (2009): S. 48

10 Vgl. Bader, Stasa (1992): 131-132

11 Vgl. Humboldt, Wilhelm von (1836)

12 Vgl. Assmann, Jan (2002): 131-135

13 Vgl. Pollard, Velma (2000): S. 71

Details

Seiten
Jahr
2012
ISBN (eBook)
9783668068384
ISBN (Paperback)
9783668068391
Dateigröße
418 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) – Kulturwissenschaften
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Note
3,0
Schlagworte
Patwa Identität Kreosprachen Jamaika
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