Mit welcher Legitimation hält sich Kirche als Schulseelsorge in der Schule auf und was bedeutet es für die Reflexion der Kirche, wenn sie als Schulseelsorge in der Schule präsent ist? Mit welchem Selbstverständnis kann Schulseelsorge tätig sein und welche sind die entscheidenden Kriterien, die es den in Schulseelsorge Tätigen ermöglichen, diese Arbeit zu tun? Der Schlüssel für eine Annäherung an eine Klärung dieser Probleme scheint in der Annahme zu liegen, dass Schulseelsorge als kirchlicher Vollzug immer auch das Anbrechen des Reiches Gottes vollzieht, das eschatologisch ‚schon‘ und gleichzeitig ‚noch nicht‘, nämlich in den verschiedenen vor Ort jeweils bestehenden Reichen Gottes zu erkennen ist.
Dazu wird erklärt, wie und warum Schulseelsorge strukturell in den Vollzügen von Kirche beheimatet ist und als solche an die dogmatischen, christologischen und ekklesiologischen sowie eschatologischen Voraussetzungen der Kirche gebunden ist. Im Hauptteil dieser Arbeit wird die Frage nach der strukturellen Kontinuität der Kirche erörtert und in einem jeweils daraus folgenden Schritt in die sich daraus ergebende strukturelle Kontinuität von Schulseelsorge übersetzt und integriert.
Die Arbeit orientiert sich in ihrer Argumentationsstruktur und ihrem Gliederungsverlauf wesentlich am sehr ausführlichen und umfangreichen Werk von Gundo Lames (Schulseelsorge als soziales System, 2000). Dieser hat mithilfe der Systemtheorie und einiger von Medard Kehl gezeichneter ekklesiologischer Linien schlüssig dargelegt, dass und wie Kirche sich in der Schulseelsorge manifestiert.
Die vorliegende Arbeit untersucht diese Argumentation und versucht sie hier in ihren Grundzügen darzustellen. Der Fokus liegt dabei auf der Annahme, dass Kirche immer da ist, wo versucht wird, das Reich Gottes für alle Menschen anbrechen zu lassen. Das ist in der Schulseelsorge offenbar dann der Fall, wenn sie sich unbedingt zuwendet, ihre Aufmerksamkeit denen widmet, die am Rande stehen und dort präsent ist, wo Leidende Trost suchen. Sie folgt damit ausdrücklich dem Beispiel Jesu Christi: sie öffnet sich für alle Menschen, sie führt sie zusammen und handelt damit in ernstzunehmender Weise kirchlich, „[d]enn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18, 20).
Inhalt
1 Einleitung ...2
2 Strukturelle Kontinuität der Schulseelsorge ...3
2.1 Gemeinschaftsbildende Zeichen ...4
2.1.1 „Die ‚Ekklesia Gottes‘“ – Schulseelsorge und Glauben in Gemeinschaft ...5
2.1.2 Der Leib Christi – Schulseelsorge und „ ‚Identifizierung durch das Mahl‘“ ...6
2.1.3 Das Volk Gottes – Schulseelsorge und Zeichen des Heils für alle Völker ...7
2.1.4 Bevollmächtigte Verkündigung in und gegenüber der Gemeinde – Schulseelsorge als Sendung der Jünger, der Apostel und Hirten ...9
2.2 Schulseelsorge als „Kirche für andere“ – als Anbruch des Reiches Gottes in der Welt ...11
2.3 Konkretion: „Identität in universaler Solidarität“ ...12
3 Fazit: „Kirche für andere“ durch gemeinschaftsbildende Zeichen in der Schulseelsorge und universale Solidarität ...12
Literaturverzeichnis ...14
1 Einleitung
Mit welcher Legitimation hält sich Kirche als Schulseelsorge in der Schule auf und was bedeutet es für die Reflexion der Kirche, wenn sie als Schulseelsorge in der Schule präsent ist? Mit welchem Selbstverständnis kann Schulseelsorge tätig sein und welche sind die entscheidenden Kriterien, die es den in Schulseelsorge Tätigen ermöglichen, diese Arbeit zu tun? Der Schlüssel für eine Annäherung an eine Klärung dieser Probleme scheint in der Annahme zu liegen, dass Schulseelsorge als kirchlicher Vollzug immer auch das Anbrechen des Reiches Gottes vollzieht, das eschatologisch ‚schon‘ und gleichzeitig ‚ noch nicht‘, nämlich in den verschiedenen vor Ort jeweils bestehenden Reichen Gottes zu erkennen ist. Dazu wird es nötig sein zu erklären, wie und warum Schulseelsorge strukturell in den Vollzügen von Kirche beheimatet ist und als solche an die dogmatischen, christologischen und ekklesiologischen sowie eschatologischen Voraussetzungen der Kirche gebunden ist. Im Hauptteil dieser Arbeit soll die Frage nach der strukturellen Kontinuität der Kirche erörtert und in einem jeweils daraus folgenden Schritt in die sich daraus ergebende strukturelle Kontinuität von Schulseelsorge übersetzt und integriert werden.
Die Arbeit orientiert sich in ihrer Argumentationsstruktur und ihrem Gliederungsverlauf wesentlich am sehr ausführlichen und umfangreichen Werk von G. Lames1. Dieser hat mithilfe der Systemtheorie und einiger von M. Kehl gezeichneter ekklesiologischer Linien2 schlüssig dargelegt, dass und wie Kirche sich in der Schulseelsorge manifestiert. Die vorliegende Arbeit untersucht diese Argumentation und versucht sie hier in ihren Grundzügen darzustellen. Der Fokus liegt dabei auf der Annahme, dass Kirche immer da ist, wo versucht wird, das Reich Gottes für alle Menschen anbrechen zu lassen. Das ist in der Schulseelsorge offenbar dann der Fall, wenn sie sich unbedingt zuwendet, ihre Aufmerksamkeit denen widmet, die am Rande stehen und dort präsent ist, wo Leidende Trost suchen. Sie folgt damit ausdrücklich dem Beispiel Jesu Christi: sie öffnet sich für alle Menschen, sie führt sie zusammen und handelt damit in ernstzunehmender Weise kirchlich, „[d]enn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“3.
2 Strukturelle Kontinuität der Schulseelsorge
In seiner systemtheoretischen Darstellung der Schulseelsorge geht Gundo Lames davon aus, dass Schulseelsorge „Kirche in der Schule [aktualisiert], wenn dort schulseelsorglich kommuniziert wird“4. Schulseelsorge sei folglich „strukturell gebunden … an das, was Kirche von ihrem reflektierten Selbstverständnis her ist bzw. sein will“5. Dies sei deshalb der Fall, weil die Schulseelsorge „sich stets innerhalb der Grenzen des kirchlichen Systems an seiner Peripherie“6 vollziehe. Wenn sich folglich mittels der Schulseelsorge Kirche in der Schule ereignet, erscheint es sinnvoll, zu fragen, welches Selbstverständnis von Kirche zugrunde liegen muss, damit dies der Fall sein kann. In der Sprache der Systemtheorie haben Systeme stets das Bestreben, sich selbst als System zu erhalten. Diese Intention kann als gr. Autopoiese (dt. Selbsterhaltung) bezeichnet werden. Demgemäß müssten soziale Systeme „ihre spezifische Operationsweise definieren oder über Reflexion ihre Identität bestimmen, um regeln zu können, welche Sinneinheiten intern die Selbstreproduktion des Systems ermöglichen“7. Das heißt in Bezug auf das System Kirche, dass „das religiöse System sich mittels religiöser Kommunikation, die an religiöse Kommunikation anschließt, erhält und verändert“8. Schulseelsorge wird im Kontext dieser Arbeit hauptsächlich als soziales Subsystem der Kirche verstanden werden.9
Eine so definierte Reflexion beinhaltet offenbar die Frage, wie und warum Schulseelsorge eingebunden ist in die sogenannte strukturelle Kontinuität der Kirche. Im Kontext dieser strukturellen Kontinuität sei Schulseelsorge zumindest ein Teil von Kirche, da sie geistlich kommuniziere, also zum Beispiel in ihren Grundvollzügen liturgisch, diakonisch oder koinonisch tätig sei.10 Der Begriff der strukturellen Kontinuität ergibt sich aus der Spannung zwischen dem Sprechen und Handeln des vorösterlichen Jesus einerseits und der Praxis der nachösterlich entstandenen Kirche andererseits, die sich ihrerseits auch und besonders auf Weisungen des auferstandenen Christus bezieht.
Der Unterschied zwischen dem Sendungsbewusstsein des Juden Jesus von Nazareth vor seinem Tod und den Weisungen des auferstandenen Christus11 wird in der folgenden Frage deutlich:
„Besteht angesichts der tiefen Zäsur durch den Tod Jesu … ein … Zusammenhang zwischen dem Wirken des irdischen Jesus und dem Entstehen der nachösterlichen Kirche, der diese legitimiert, ihren geschichtlichen und theologischen Grund im gesamten Wirken Jesu zu sehen, das sein irdisches Leben, seinen Tod und seine Auferweckung durch Gott einschließt?“12
An dieses Problem schließt sich unmittelbar ebenfalls die Frage an, wie Kirche ihre diachrone Identität rechtfertigen kann. Denn wenn Kirche davon ausgeht, zu einem Zeitpunkt t1 dieselbe zu sein wie zu einem anderen, vorhergehenden Zeitpunkt t0, und dies, obwohl sich sowohl die Zeiten als auch die Art und Weise ihres Reflektierens und Handelns geändert haben, muss geklärt werden, welche Merkmale eine solche zeitüberdauernde Kontinuität, oder eben diachrone Identität, gewährleisten können. Folglich müssen sowohl gute Gründe für die Annahme einer Kontinuität der Sendung Jesu von Nazareth über seinen Tod, seine Auferstehung als Christus sowie das Pfingstereignis hinaus als auch für die Hypothese einer strukturellen Kontinuität bzw. diachronen Identität der Kirche gefunden werden. Gezeigt werden muss also, dass Schulseelsorge „eingebunden ist in die strukturelle Kontinuität der Kirche und daß [sic!] sich … Kirche in der Schule ereignet“13.
2.1 Gemeinschaftsbildende Zeichen
Auf diese Frage kann, wie Kehl es tut, zunächst ekklesiologisch mithilfe sogenannter „gemeinschaftsbildender Zeichen des ankommenden Reiches Gottes“14, die Jesus zu seinen Lebzeiten gestiftet habe, geantwortet werden. Die sich daraus ergebenden ekklesiologischen Annahmen und Konsequenzen sowie dogmatischen Skizzen überträgt Lames in seiner Arbeit auf Elemente und Charakteristika der Schulseelsorge. Dabei muss immer die Frage gestellt werden, wie das System Kirche seinen Platz im System Schule fnden kann, d.h. systemtheoretisch gesprochen: wie die Anschlussfähigkeit der beiden Systeme gewährleistet bzw. hergestellt werden kann.
Kehl spricht dabei von „Zeichen einer strukturellen Kontinuität zwischen der Sammlung Israels und der nachösterlichen Entstehung der Kirche“15. Diese Darstellung soll im Folgenden in ihren Grundzügen skizziert und nachvollzogen werden.
2.1.1 „Die ‚Ekklesia Gottes‘“ – Schulseelsorge und Glauben in Gemeinschaft
Dogmatisch gesprochen gebe es das „Heil von Gott her, wie es Jesus gebracht hat, … nur als gemeinsames“16. Dies werde schon deutlich in der Beziehung der Elemente des Volkes und des Reiches Gottes. Unter anderem in den nachösterlichen Begegnungen mit dem Auferstandenen werde dies deutlich, denn bei diesen gehe es vor allem um die Sendung, um das „glaubende Bezeugen“17, woraus sich ein „Miteinander und füreinander zum Glauben kommen“18 ergebe, was sich vor allem im Pfingstereignis19 zeige. Wadenfels nennt dieses Phänomen ein „[g]eisterfülltes Miteinander“:
„Aus der Geisterfülltheit des neuen Gottesvolkes heraus kommt es zur Aufhebung aller sozialen Schranken, zur Praxis radikaler geschwisterlicher Liebe und radikalen Gewaltverzichts, bildet sich die neue Familie zur κοινωνια (lat. communio), die ein Herz und eine Seele ist und in der keine etwas von dem, was er hat, sein Eigentum nennt, sondern alle alles gemeinsam haben (vgl. Apg 4,32). Die Gemeinschaft ist geprägt von der Praxis des ‚Miteinander‘.“20
Wie lässt sich dieser Gedanke des gemeinschaftlichen Glaubens in der Kirche, der ‚Ekklesia Gottes‘ für die Zwecke dieser Arbeit, für eine adäquate Beschreibung der schulseelsorglichen Arbeit und die damit verbundene Aktualisierung von Kirche in der Schule anwenden? Die strukturelle Kontinuität der Kirche in der Schulseelsorge sei mithilfe der Aktualisierung des Willens Jesu zur Communio erklärbar: transportierter Glaube und tradiertes Wissen seien wesentliche Fundament des Tätigseins in der Schulseelsorge. Die in der Schulseelsorge tätigen Personen brächten immer schon ihre je eigene Erfahrung von Glauben in Gemeinschaft mit.
[...]
[1] LAMES, Gundo: Schulseelsorge als soziales System : Ein Beitrag zu ihrer praktisch-theologischen Grundlegung. München : Verlag W. Kohlhammer, 2000.
[2] KEHL, Medard: Die Kirche : Eine katholische Ekklesiologie. 2. Aufl. Würzburg : Echter, 1993.
[3] Mt 18, 20.
[4] LAMES, 282.
[5] Ebd.
[8] Ebd.
[7] LUHMANN, Niklas: Soziale Systeme : Grundriß einer allgemeinen Theorie. 2. Aufl. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 1984, 61.
[8] LAMES, 160.
[9] Vgl LAMES, 159ff.
[10] Vgl. LAMES, 178.
[11] Vgl. z.B. Mt 15, 24 im Unterschied zu Mt 28, 19, Apg 1, 8 u.a.
[12] KEHL, 277.
[13] LAMES, 282.
[14] Ebd.