Welchen Status hat vorgeburtliches Leben?
Zusammenfassung
Natürlich wurde dies von den verschiedensten Seiten kommentiert und die kontrovers geführte Diskussion zeigt auf, dass sich die Menschen in dieser Frage derzeit nicht einig sind. Die neuen Erkenntnisse auf dem Sektor der Fortpflanzungsmedizin haben kontrovers geführte Diskussionen über den Beginn des menschlichen Lebens entstehen lassen, denn von diesem hängt letztlich die Forschung auf diesem Gebiet in rechtlicher und ethischer Hinsicht ab.
Und es stellt sich die Frage, ob man nicht analog zur zwar allgemein anerkannten, aber mittlerweile doch umstrittenen Definition des Todes des Menschen durch den Hirntod, auch bezüglich des Lebensbeginns des Menschen eine solche rechtlich allgemein anerkannte Definition festlegen sollte.
Wie wurde das ungeborene Leben aber im Laufe der Geschichte betrachtet? War man der Ansicht, dass „der Embryo sich als Mensch oder zum Menschen entwickelt“?
Wobei unter Embryo, angesichts der Uneinigkeit der Wissenschaftler bezüglich der Begrifflichkeiten, in dieser Arbeit der ungeborene Mensch bis zur neunten Woche zu verstehen ist. Danach wird er bis zur Geburt als Fetus bezeichnet.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Entwicklung des ungeborenen menschlichen Lebens
1. 1. Embryogenese
1. 2. Fetogenese
2. Blick in die Geschichte
2. 1. Antike
2. 2. Weltreligionen
2. 2. 1. Hinduismus/Buddhismus
2. 2. 2. Judentum
2. 2. 3. Christentum
2. 2. 4. Islam
2. 3. Wissenschafts – und Medizingeschichte
2. 3. 1. Präformationstheorie
2. 3. 2. Epigenese-Theorie
2. 4. Rechtsgeschichte
3. Moralischer Status des ungeborenen Menschen
3. 1. Unbedingt schützenswürdig - Der Mensch entwickelt sich als Mensch
3. 1. 1. Religion
3. 1. 2. Deontologie
3. 1. 3. Gesetz der Gleichursprünglichkeit
3. 1. 4. SKIP-Argumente
3. 2. Abgestuft schützenswürdig - Der Mensch entwickelt sich zum Mensch
3. 2. 1. Nidation
3. 2. 2. Unteilbarkeit des Embryos
3. 2. 3. Ausbildung des Nervensystems
3. 2. 5. Suggestion eines Menschen
3. 2. 6. Psychische Bindung der Mutter
3. 2. 7. Extrauterine Lebensfähigkeit
3. 2. 8. Geburt
3. 1. 4. Nicht schützenswürdig
3. 3. 1. Natur-Argument
3. 3. 2. Phänomenologie-Argument
3. 3. 3. Argument der Relationalität
3. 3. 4. Einige andere Argumente
4. Ausblick
Literaturverzeichnis
Einleitung
Anfang April 2014 wurde in Brüssel von der Europäischen Bürgerinitiative gegen Embryonenforschung eine Petition vorgelegt. An die zwei Millionen EU-Bürger haben durch ihre Unterschrift kund getan, dass sie ein Forschungsverbot, dort wo Embryonen zerstört werden, wünschen, denn menschliches Leben beginne mit der Empfängnis[1] Allerdings hat die Europäische Kommission die Petition abgelehnt und mitgeteilt, dass sie derzeit keinen Handlungsbedarf sehe.[2]
Natürlich wurde dies von den verschiedensten Seiten kommentiert und die kontrovers geführte Diskussion zeigt auf, dass sich die Menschen in dieser Frage derzeit in Europa nicht einig sind. Und schon gar nicht, was denn ein menschlicher Embryo und ab wann dieser schützenswürdig sei.
Nicht einmal der Europäische Gerichtshof. Denn in seinem Urteil vom 18. Oktober 2011 hält er fest, dass jede menschliche Eizelle, auch eine solche unbefruchtete Eizelle, die zur Weiterentwicklung durch Parthenogenese angeregt worden ist, ein menschlicher Embryo sei.[3] Und nur drei Jahre später, also am 19. Dezember 2014, ändert sich die Meinung der Richter und es wird festgehalten, dass eine menschliche Parthenote eben nicht als Embryo eines Menschen gesehen werde.[4]
D. h., dass Firmen ein Patent auf pluripotente Stammzellen erhalten könnten, obwohl im Artikel drei der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgehalten ist, dass man Teile des menschlichen Körpers nicht zur Erzielung von Gewinnen nutzen darf.[5]
Dies macht deutlich, warum es wichtig ist, sich über den Beginn des menschlichen Lebens Gedanken zu machen und dies auch in die öffentliche Diskussion einzubringen, denn von diesem hängt letztlich die Beurteilung und Förderung von Forschung auf diesem Gebiet in rechtlicher und auch ethischer Hinsicht ab.
So wird zunächst einmal in der vorliegenden Arbeit die vorgeburtliche Entwicklung des Menschen betrachtet. Anschließend soll ein Blick in die Geschichte geworfen werden, wie denn das ungeborene Leben betrachtet worden ist und schlussendlich auch wie aus heutiger Sicht der moralische Status des ungeborenen Menschen beurteilt wird, ob man also der Ansicht war bzw. ist, dass „der Embryo sich als Mensch oder zum Menschen entwickelt“.[6]
Wobei unter Embryo, angesichts der Uneinigkeit der Wissenschaftler bezüglich der Begrifflichkeiten, in dieser Arbeit der ungeborene Mensch bis zur neunten Woche zu verstehen ist. Danach wird er bis zur Geburt als Fetus bezeichnet.
1. Entwicklung des ungeborenen menschlichen Lebens
Normalerweise hat eine geschlechtsreife Frau jeden Monat einen Eisprung. „Dabei wird die Eizelle aus einem Follikel, der sich an der Oberfläche des Eierstocks gebildet hat, ausgestoßen und "springt" in den Eileiter.“[7] Im Eileiter kann es dann zur Befruchtung der Eizelle kommen, wobei das Zeitfenster dafür sehr klein ist (Eizelle maximal 24 Stunden nach dem Eisprung, Samenzellen 2 – 4, maximal 5 - 6 Tage[8] ). Kommt es zu keiner Befruchtung setzt etwa nach 10 Tagen die Monatsblutung ein.
1. 1. Embryogenese
Dringt ein Spermium in die Eizelle ein, verliert es seinen Schwanz, da dieser nicht mehr benötigt wird, denn die Erbanlagen sind im Kopf des Samenfadens.[9] Der weibliche und der männliche haploide Vorkern bewegen sich auf einander zu und verschmelzen letztendlich zur diploiden befruchteten Eizelle (= Zygote), wobei sich die Chromosomen vermischen und so ein einmaliger genetischer Code entsteht.[10] Dieser Vorgang wird als Befruchtung (= Fertilisation) bezeichnet.
Ab der Bildung der Zygote bis zum frühen Morulastadium kann aus jeder dieser Zellen ein kompletter Mensch werden. Diese Stammzellen werden als totipotent bezeichnet.[11]
Die Zygote teilt sich dann nach ca. 30 Stunden in 2-Zellen (Blastomeren) und danach teilt sich diese im Abstand von ca. 20 Stunden immer wieder, wobei die Tochterzellen immer kleiner werden.[12] „Nach ca. 55 Stunden wird das 8-Zellen Stadium oder Maulbeerstadium, die Morula erreicht“[13], wobei diese Zellen bald nur mehr pluripotent sind, d. h., dass aus diesen zwar kein eigener Mensch, jedoch jeder Zelltyp des menschlichen Körpers entstehen kann[14], denn sobald die Blastozyste, die von der Zona pellucida umgeben ist, aus der Morula sich entwickelt hat, kommt es zur Ausbildung zweier Zelltypen: den Trophoblasten und den Embryoblasten.[15] Und bald wandert die Blastozyste Richtung Gebärmutter (=Uterus), die sich bereits darauf vorbereitet hat diese aufzunehmen. In der Gebärmutter kommt es dann zur „ersten Geburt“, denn die Eihaut (=Zona pelludica) wird „gesprengt“ und die Blastozyste kommt heraus, was auch als Schlüpfen bezeichnet wird.[16]
Am fünften oder sechsten Tag, also gegen Ende der ersten Woche, nistet sich dann die Blastozyste in der Uterusschleimhaut ein (= Nidation),[17] die Trophoblasten wachsen dabei an der Uterusschleimhaut an und bald ist die Blastozyste vollständig von der Schleimhaut umhüllt.[18]
Ab dem siebten Tag beginnt sich der Embryoblast in zwei Keimblätter, in das Ento- und das Ektoderm, zu differenzieren.[19] Jastrows führt dies auf seiner Internetseite weiter aus:
„Später werden aus dem Ektoderm hervorgehen: peripheres und zentrales Nervensystem, Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), Sinnesepithel von Auge, Ohr und Nase, Haut (Epidermis) mit Haaren, Nägeln, subcutanen Drüsen (Schweiß-, Duft- und Talgdrüsen), Brustdrüse und der Zahnschmelz. Aus dem Entoderm werden entstehen: Magen-Darmtrakt (Gastrointestinaltrakt), Lunge (Pulmo), Leber (Hepar) und Bauchspeicheldrüse (Pancreas).“[20]
Auf der Oberfläche des Entoderm bildet sich dann der sogenannte Primitivstreifen[21] „der die Achse des Embryos festlegt.“[22] Rund um den vierzehnten Tag ist es dann nicht mehr möglich, dass Zwillinge entstehen.[23] Die Bildung des Primitivstreifen zeigt außerdem den Beginn der Gastrulation an,[24] in deren Verlauf sich das dritte Keimblatt, das Mesoderm, aus dem die Gefäße, die Keimdrüsen, die Nieren, die Knochen und Muskeln, das Blut und das Herz hervorgehen, bildet.[25]
Ab dem sechszehnten Tag beginnt die Neurulation mit der Bildung des Neuralrohres, der Vorstufe des Zentralnervensystems.[26] Und ab dem achtzehnten Tag sind erste Blutgefäße erkennbar.[27]
„Im ersten Drittel der Schwangerschaft entwickeln sich bereits alle Organe. Auch die Ohren, Augen und Augenlider sind schon entwickelt. Bereits ab dem zweiundzwanzigsten Tag, also in der 5. SSW, beginnt das Herz zu schlagen - ab der achten Woche ist der Herzschlag auch auf dem Ultraschall nachweisbar.“[28] Am Ende des ersten Monats hat der Embryo einen Durchmesser von ca. 4,5 – 6 mm und eine Scheitel-Steiß Länge von ca. 4,8 mm.[29] Und ab dem 40. – 43. Tag, tritt die erste elektrische Hirnaktivität auf.[30]
Am Ende des zweiten Monats beträgt die Scheitel – Steiß - Länge des Embryos bereits ca. 30 mm[31] und wiegt ca. 4 g.
Wie man anhand des nebenstehenden Bildes sehen kann, sieht ein Embryo nach der achten Woche wie ein menschliches Wesen aus[32] und es sind bereits alle Organe angelegt. Ab nun muss nur mehr alles wachsen und reifen.[33]
[...]
[1] Vgl. Initiative gegen Forschung an Embryos, in: http://diepresse.com/home/politik/eu/1591815/Initiative-gegen-Forschung-an-Embryos [abgerufen am 10.4.2014]; vgl. Heftige "One of Us"-Debatte in Brüsseler EU-Parlament, in: http://www.kathpress.co.at/site/nachrichten/database/61693.html [abgerufen am 19.12.2014].
[2] Vlg. EINER VON UNS: EU-Kommission lehnt EINER VON UNS ab, in: http://www.1-von-uns.de/ [abgerufen am 19.12.2014].
[3] Vgl. EuGH: EuGH Urteil vom 18.10.2011, C-34/10 – Brüstle ./. Greenpeace e.V., in: http://www.eurolawyer.at/pdf/EuGH-C-34-10.pdf [abgerufen am 19.12.2014].
[4] InfoCuria Rechtssprechung des Gerichtshofs: in: http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=160936&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=380361 [abgerufen am 19.12.2014].
[5] Charta der Grundrechte der Europäischen Union: in: http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf [abgerufen am 19.12.2014].
[6] Vgl. Maio, Giovanni: Mittelpunkt Mensch: Ethik in der Medizin, Stuttgart: Schattauer GmbH 2012, 206.
[7] Just, Alexander: Eisprung und Befruchtung, in: http://www.netdoktor.at/familie/kinderwunsch/eisprung-und-befruchtung-5661 [abgerufen am 19.12.2014].
[8] vgl. Just: [abgerufen am 19.12.2014].
[9] Vgl. Nillsson, Lennart; Hamberger, Lars: Ein Kind entsteht, Stockholm: In Vitro Research AB und Albert Bonniers Förlag AB, 72003, 60
[10] Vgl. Nillsson: 65
[11] Vgl. Stammzellen, in: http://www.ttn-institut.de/node/183 [abgerufen am 19.12.2014].
[12] Vgl. Jastrow, Holger: Fakten und Zeitangaben zur menschlichen Entwicklung. Ein Internet Lehrangebot, in: http://www.uni-mainz.de/FB/Medizin/Anatomie/workshop/Embryology/Tag1.htm [abgerufen am 19.12.2014].
[13] Jastrow: Tag2 [abgerufen am 19.12.2014].
[14] Vgl. Stammzellen, in: http://www.ttn-institut.de/node/183 [abgerufen am 19.12.2014].
[15] Vgl. Blastozyste, in: http://flexikon.doccheck.com/de/Blastozyste [abgerufen am 19.12.2014].
[16] Vgl. Nidation, in: http://flexikon.doccheck.com/de/Nidation [abgerufen am 19.12.2014].
[17] Vgl. Hößle, Corinna: Der Embryo – Mensch von Anfang an? Schülervorstellungen zum Beginn menschlichen Lebens und zu dessen Schutzbedürftigkeit, in: Albrecht, Stephan, u.a. (Hrsg.): Stammzellforschung – Debatte zwischen Ethik, Politik und Geschäft, Hamburg: Hamburg University Press, 2003, 48.
[18] Vgl. Nidation, in: http://www.biologie-schule.de/nidation.php [abgerufen am 19.12.2014].
[19] Vgl. Jastrow: Tag7 [abgerufen am 19.12.2014].
[20] Jastrow: Tag7. [abgerufen am 19.12.2014].
[21] Vgl. Jastrow: Tag15 [abgerufen am 19.12.2014].
[22] Vgl. Zellux. Das Themenportal: Primitivstreifen, in: http://www.zellux.net/m.php?lx=31 [abgerufen am 19.12.2014].
[23] Vgl. Hößle: 49.
[24] Vgl. Jastrow: Tag15 [abgerufen am 19.12.2014].
[25] Vgl. Mesoderm, in: http://flexikon.doccheck.com/de/Mesoderm [abgerufen am 19.12.2014].
[26] Vgl. Hößle: 49.
[27] Vgl. Jastrow: Tag18 [abgerufen am 19.12.2014].
[28] 1. Schwangerschaftsdrittel, in: http://www.frauenaerzte-im-netz.de/de_1-schwangerschaftsdrittel-entwicklung-des-embryos_162.html [abgerufen am 19.12.2014].
[29] Vgl. Jastrow: Tag28.htm [abgerufen am 19.12.2014].
[30] Vgl. Gazzaniga, Michael S.: Wann ist der Mensch ein Mensch? Antworten der Neurowissenschaft auf ethische Fragen, Düsseldorf: Patmos Verlag GmbH & Co. KG., 2007, 24f.
[31] Vgl. Jastrow: Tag56 [abgerufen am 19.12.2014].
[32] Vgl. Gazzaniga, 27.
[33] Entwicklung des Kindes, in: http://lebensbewegung.at/schwanger/entwicklung-des-kindes#2.+Monat [abgerufen am 19.12.2014].