Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Kindergarten und Grundschule zur Förderung der phonologischen Bewusstheit
Zusammenfassung
Zuerst muss die Frage geklärt werden, ob es sich bei der phonologischen Bewusstheit um eine Voraussetzung des erfolgreichen Schriftspracherwerbs handle, oder um dessen Folge. Korrelative Längsschnittstudien der Oxforder Gruppe um Bradley und Bryant oder der Salzburger Gruppe u.a. belegen, dass eine ausgeprägte phonologische Bewusstheit den Schriftspracherwerb erleichtert.
Einsiedler plädiert daher für vorschulische Trainings der phonologischen Bewusstheit, weil er diese als „eine Schlüsselkompetenz für das Lesenlernen“ bezeichnet. Die dänischen Forscher Lundberg und Peterson haben die These zur Trainierbarkeit der phonologischen Bewusstheit empirisch gesichert, indem sie Trainings zur phonologischen Bewusstheit in einem Kindergarten durchführten und dann die Rechtschreibleistungen dieser Kinder im zweiten Schuljahr prüften. Die Testergebnisse fielen besser aus als bei einer Vergleichsgruppe, deren phonologische Bewusstheit zwar diagnostiziert wurde, jedoch nicht gefördert wurde.
Es hat sich nun gezeigt, dass die Lese- und Rechtschreibfertigkeit maßgeblich durch Fördermaßnahmen zur phonologischen Bewusstheit positiv beeinflusst werden. Weiter wurde gezeigt, dass diese bereits im Vorschulalter notwendig ist. Nun stellt sich die Frage: Wie können Kindergarten und Grundschule zusammenarbeiten, um die phonologische Bewusstheit der Schulanfänger zu fördern?
Leseprobe
Gliederung
Einleitung
1.1. Ideengeschichtlicher Hintergrund der Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule
1.2. Phonologische Bewusstheit als Voraussetzung für den erfolgreichen Schriftspracherwerb
Hauptteil
2.1. Begriffsklärung der phonologischen Bewusstheit
2.2. Diagnosemaßnahmen der phonologischen Bewusstheit durch das Bielefelder Screening
2.3. Fördermaßnahmen zur phonologischen Bewusstheit anhand des Würzburger Trainingsprogramms
2.4. Chancen und Probleme bei der Zusammenarbeit
Schluss
3. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Einleitung
1.1. Ideengeschichtlicher Hintergrund zur Kooperation von Kindergarten und Grundschule
Der Gedanke von einer engeren Verzahnung vom Anfangsunterricht in der Grundschule und der Vorbereitung darauf durch den Kindergarten mag als relativ aktuelles Thema der letzten 20 Jahre erscheinen. Doch bereits Comenius plädierte für einen Bildungsbegriff, bei dem das Lernen stufenweise aufeinander aufbaut und kontinuierlich fortschreite(vgl. Hacker 2008). Dies wird in folgendem Zitat deutlich:
„Überall bereitet das Vorhergehende den Boden und legt den Grund für das Folgende.
Alles Spätere fügt sich dem Vorangegangenen nicht bloß als Anbau an, sondern es wird darüber gebaut, sodass es auf das Vorhergehende angewiesen ist, sich darauf stützt und auf ihm ruht. Daher ist klar: Wenn die Grundmauern nicht gut genug gelegt sind, kann das darauf errichtete Gebäude nicht sicher und fest stehen“ (Comenius 1960, S.281).
Im folgenden Absatz wird die Notwendigkeit der Zusammenarbeit am Beispiel eines phonologischen Trainings deutlich gemacht.
1.2. Phonologische Bewusstheit als Voraussetzung für den erfolgreichen Schriftspracherwerb
Zuerst muss die Frage geklärt werden, ob es sich bei der phonologischen Bewusstheit um eine Voraussetzung des erfolgreichen Schriftspracherwerbs handle, oder um dessen Folge. Korrelative Längsschnittstudien der Oxforder Gruppe um Bradley und Bryant oder der Salzburger Gruppe u.a. belegen, dass eine ausgeprägte phonologische Bewusstheit den Schriftspracherwerb erleichtert (vgl. Matschinke 2010).
Einsiedler plädiert daher für vorschulische Trainings der phonologischen Bewusstheit, weil er diese als „eine Schlüsselkompetenz für das Lesenlernen“(Einsiedler 2003, S. 54) bezeichnet. Die dänischen Forscher Lundberg und Peterson haben die These zur Trainierbarkeit der phonologischen Bewusstheit empirisch gesichert, indem sie Trainings zur phonologischen Bewusstheit in einem Kindergarten durchführten und dann die Rechtschreibleistungen dieser Kinder im zweiten Schuljahr prüften. Die Testergebnisse fielen besser aus als bei einer Vergleichsgruppe, deren phonologische Bewusstheit zwar diagnostiziert wurde, jedoch nicht gefördert wurde (vgl. Matschinke 2010).
Es hat sich nun gezeigt, dass die Lese- und Rechtschreibfertigkeit maßgeblich durch Fördermaßnahmen zur phonologischen Bewusstheit positiv beeinflusst werden. Weiter wurde gezeigt, dass diese bereits im Vorschulalter notwendig ist. Nun stellt sich die Frage: Wie können Kindergarten und Grundschule zusammenarbeiten, um die phonologische Bewusstheit der Schulanfänger zu fördern?
Hauptteil
2.1. Begriffsklärung phonologische Bewusstheit
Phonologische Bewusstheit ist also die Fähigkeit, nicht auf den semantischen Aspekt eines Wortes zu achten, sondern „sich dem formalen spekt der Sprache zuzuwenden und zu erkennen, dass die gesprochene Sprache gegliedert ist“(Helbig 2005, S.50).
An folgendem Beispiel lässt sich dies verdeutlichen: Fragt man einen Schüler, welches Wort ist länger, Zug oder Lokomotive, antwortet ein Schüler, der die Sprache „nur als Instrument zur Kommunikation unreflektiert gebraucht“, (Meiers 1998, S.59) wahrscheinlich Zug, weil er auf die lexikalische Bedeutung der Wörter achtet und dann die Länge der Gegenstände vergleicht. Anders bei dem Schüler, der die Sprache „zum Gegenstand der Betrachtung“(Meiers 1998, S.59) machen kann und die Länge der beiden gesprochenen Worte anhand der Zahl der Silben miteinander vergleichen kann und zur Erkenntnis kommt, dass das Wort Lokomotive länger ist als das Wort Zug.
Weiter lässt sich die phonologische Bewusstheit in eine phonologische Bewusstheit im engeren und im weiteren Sinne unterteilen, was im Anschluss zur Unterteilung der Fördermaßnahmen relevant wird. Skowonek und Marx bezeichnen als phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne die Fähigkeit, gesprochene Sprache in Silben zu gliedern und Reime zu erkennen. Im engeren Sinne wird bereits die phonetische Struktur des Wortes berücksichtigt, also das Nennen von An- und Endlauten, Synthese und Analyse von Phonemen oder das Ersetzen von Phonemen in einem Wort.
2.2. Diagnoseverfahren der phonologischen Bewusstheit durch das Bielefelder Screening
Aufgrund des Wissens über den Zusammenhang zwischen phonologischer Bewusstheit und ihre Auswirkungen auf den späteren Erfolg im Schriftspracherwerb wurde in Bielefeld ein Diagnoseprogramm entwickelt, das bereits im Kindergarten Risikokinder identifizieren sollte. Als Risikokinder gelten Kinder, die zu Beginn des letzten Kindergartenjahres erhebliche Defizite im Bereich der phonologischen Informationsverarbeitung aufweisen(vgl. Roth, Schneider 2002, S. 104) und deswegen eher Probleme beim Lesen und Schreibenlernen bekommen könnten. Diese Informationsverarbeitung wird nun durch verschiedene Testverfahren durchgeführt, welche neben der phonologischen Bewusstheit auch visuelle Aufmerksamkeitssteuerung, Phonetisches Rekodieren im Kurzzeitgedächtnis und den schnellen Abruf aus dem Langzeitgedächtnis beinhalten. Diese Früherkennung wird entweder von Logopäden/innen oder Erzieher/-innen 10 bzw. 4 Monate vor dem Schulbeginn durchgeführt.
Die tatsächliche Voraussagekraft dieser Prognosen wurde durch 2 Lägsschnittstudien empirisch gesichert. Man untersuchte also, ob die als Risikokinder identifizierten Schüler häufiger eine Lese- und Rechtschreibschwierigkeit vorzuweisen hatten als zufällig ausgewählte Schüler. Aus der Statistik geht hervor, dass man mit dem Bielefelder Screening mit bis zu 92% Wahrscheinlichkeit ein Kind erkennt, welches aufgrund von Defizite oder Förderbedarf Probleme beim Schriftspracherwerb haben wird. (vgl. Mannhaupt 2003)
Wird nun ein Kind als potentielles Risikokind identifiziert, kann es mit dem Würzburger Trainingsprogramm „Hören, Lauschen, Lernen“ gezielt gefördert werden.
2.3. Förderung der phonologischen Bewusstheit durch das Würzburger Trainingsprogramm
Der komplette Titel des Würzburger Trainingsprogramms lautet "Hören, lauschen, lernen - Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter - Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung auf den Erwerb der Schriftsprache". Kinder, die durch das Bielefelder Screening als Risikokinder identifiziert wurden, können nun gezielt durch phonologische Trainings gefördert werden, die zu einem erfolgreichen Schriftspracherwerb führen sollen. Es werden grundlegende phonologische Fertigkeiten eingeübt, wie beispielsweise genaues Hinhören, Reimen, Sätze in Wörter teilen, Wörter in Silben teilen, Anlaute bestimmen und Laute in Wörter analysieren. Die Kinder sollten diese Übungen als Spielen wahrnehmen. Die Übungen werden von dem/der Erzieher/-in kleinen Gruppen (4-8 Kinder) durchgeführt, wobei sich das Lerntempo in der Gruppe am Schwächsten orientiert. Die Trainingsspiele werden im Letzten Kindergartenjahr in einem Zeitraum von 20 Wochen jeden Tag ca. 10 Minuten lang durchgeführt. Die phonologischen Trainings an Risikokinder, die mit „Hören Lauschen Lernen“ gefördert wurden, wirken sich nachweisbar positiv auf ihren Schriftspracherwerb aus.
[...]