Diese Arbeit richtet ihren Blick auf die Situation nach dem spanischen Bürgerkrieg und geht der Frage nach, wie Erinnerungspolitik im Franco-Regime zum Zweck der Legitimation eingesetzt wurde. Dabei werden zuerst die zweite spanische Republik als Ausgangspunkt für den Bürgerkrieg, sowie dessen Verlauf und Folgen behandelt, um zum Betrachtungspunkt hinzuführen und diesen festzusetzen. Anschließend wird der Fragestellung anhand zweier Theorien der Erinnerungskulturen nachgegangen, welche im darauffolgenden Unterpunkt auf die Erinnerungspolitik im Franquismus angewandt werden. Ein weiterer theoretischer Aspekt beschäftigt sich dann mit Ideologie und Propaganda als Kriterien für den Totalitarismus, was hinsichtlich der bedeutsamen Rolle der katholischen Kirche bei der Legitimation des Franco-Regimes bearbeitet wird. Schließlich endet die Arbeit mit einem Ausblick auf die Erinnerungskultur im postdiktatorischen Spanien nach 1975.
„An den Kampfesstätten, wo das Feuer der Waffen glänzte und das Blut der Helden floß, werden wir Stelen und Denkmäler errichten, in die wir die Namen derer einmeißeln werden, die Tag für Tag mit ihrem Tod den Tempel des Neuen Spanien errichten, damit eines Tages die Wanderer und Reisenden vor den glorreichen Steinen innehalten und der heldenhaften Erbauer dieses großen spanischen Vaterlandes gedenken.“ Mit diesen Worten führte Francisco Franco am 19. April 1937, dem Gründungstag der faschistischen Einheitspartei Falange, aus, wie er sich Erinnerungspolitik vorstellte. Dabei diente die franquistische Erinnerungspolitik während Francos Regierungszeit einzig dazu, das eigene Regime als in der Tradition der glorreichen spanischen Geschichte stehend zu legitimieren. Zu diesem Zweck bemächtigten sich die Franquisten von Beginn des Bürgerkrieges an des öffentlichen Raumes: Sie entfernten Symbole der Demokratie, änderten Straßen- und Ortsnamen und sogar den Festtagskalender. Durch symbolische Politik sollte die Herrschaft legitimiert und das entstehende Regime stabilisiert werden.
Die Hauptquelle meiner Arbeit bildet Professor Dr. phil. Walther L. BerneckerS Buch „Kampf der Erinnerungen. Der Spanische Bürgerkrieg in Politik und Gesellschaft 1936-2006“, da es eine der wenigen Quellen ist, die schon innerhalb der Zeit der Franco-Diktatur ansetzen und nicht erst im postdiktatorischen Spanien nach 1975.
Inhalt
1. Einleitung
2. Erinnerungskultur und Legitimation von Bürgerkrieg und Diktatur
in Spanien 1936-1975
2.1 Zweite Republik und Bürgerkrieg
2.1.1 Vorgeschichte und Verlauf
2.1.2 Folgen
2.2 Erinnerungskultur zum Zweck der Legitimation im Franco-Regime
2.2.1 Theorien der Erinnerungskulturen
2.2.2 Erinnerungspolitik im Franquismus
2.2.3 Ideologie und Massenkommunikation im spanischen Totalitarismus
2.2.4 Rolle der Kirche im Franco-Regime
3. Erinnerungskultur während und nach der Franco-Diktatur
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„An den Kampfesstätten, wo das Feuer der Waffen glänzte und das Blut der Helden floß, werden wir Stelen und Denkmäler errichten, in die wir die Namen derer einmeißeln werden, die Tag für Tag mit ihrem Tod den Tempel des Neuen Spanien errichten, damit eines Tages die Wanderer und Reisenden vor den glorreichen Steinen innehalten und der heldenhaften Erbauer dieses großen spanischen Vaterlandes gedenken.“[1] Mit diesen Worten führte Francisco Franco am 19. April 1937, dem Gründungstag der faschistischen Einheitspartei Falange, aus, wie er sich Erinnerungspolitik vorstellte. Dabei diente die franquistische Erinnerungspolitik während Francos Regierungszeit einzig dazu, das eigene Regime als in der Tradition der glorreichen spanischen Geschichte stehend zu legitimieren. Zu diesem Zweck bemächtigten sich die Franquisten von Beginn des Bürgerkrieges an des öffentlichen Raumes: Sie entfernten Symbole der Demokratie, änderten Straßen- und Ortsnamen und sogar den Festtagskalender. Durch symbolische Politik sollte die Herrschaft legitimiert und das entstehende Regime stabilisiert werden.[2]
In ihrem Aufsatz „Zum Phänomen der Bürgerkriege“ beklagen Sabina Ferhadbegovic und Brigitte Weiffen „dass [in wissenschaftlichen Arbeiten über Bürgerkriege] der Schwerpunkt eher auf Fallstudien und der Ursachenforschung als auf Kriegsverlauf, Kriegsfolgen oder Konfliktlösung liegt (…)“[3]. Diese Arbeit richtet deshalb ihren Blick auf die Situation nach dem spanischen Bürgerkrieg und geht der Frage nach, wie Erinnerungspolitik im Franco-Regime zum Zweck der Legitimation eingesetzt wurde. Dabei werden zuerst die zweite spanische Republik als Ausgangspunkt für den Bürgerkrieg, sowie dessen Verlauf und Folgen behandelt, um zum Betrachtungspunkt hinzuführen und diesen festzusetzen. Anschließend wird der Fragestellung anhand zweier Theorien der Erinnerungskulturen nachgegangen, welche im darauffolgenden Unterpunkt auf die Erinnerungspolitik im Franquismus angewandt werden. Ein weiterer theoretischer Aspekt beschäftigt sich dann mit Ideologie und Propaganda als Kriterien für den Totalitarismus, was hinsichtlich der bedeutsamen Rolle der katholischen Kirche bei der Legitimation des Franco-Regimes bearbeitet wird. Schließlich endet die Arbeit mit einem Ausblick auf die Erinnerungskultur im postdiktatorischen Spanien nach 1975.
Bei meinen Nachforschungen und der Quellensuche stieß ich immer wieder auf die Studien von Professor Dr. phil. Walther L. Bernecker, die er in verschiedenen Aufsätzen ausgearbeitet hat. Die Hauptquelle meiner Arbeit bildet sein Buch „Kampf der Erinnerungen. Der Spanische Bürgerkrieg in Politik und Gesellschaft 1936-2006“, da es eine der wenigen Quellen ist, die schon innerhalb der Zeit der Franco-Diktatur ansetzen und nicht erst im postdiktatorischen Spanien nach 1975. Aus demselben Grund finden auch die Studien von Georg Pichler aus seinem Buch „Gegenwart der Vergangenheit. Die Kontroverse um Bürgerkrieg und Diktatur in Spanien“ hier einigen Einfluss.
2. Erinnerungskultur und Legitimation von Bürgerkrieg und Diktatur
in Spanien 1936-1975
2.1 Zweite Republik und Bürgerkrieg
Die Ursachen des spanischen Bürgerkrieges sind in den Problemen und Konflikten Spaniens ab Beginn des 19. Jahrhunderts zu finden, die sich in der Zweiten Spanischen Republik zuspitzten, wobei die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts zu den konfliktreichsten in der Geschichte Spaniens wurden.[4]
2.1.1 Vorgeschichte und Verlauf
Nach der von 1923 – 1930 andauernden Diktatur unter Miguel Primo de Rivera und dessen Rücktritt aufgrund von Finanzproblemen des Regimes wurde am 14. April 1931 die Zweite Spanische Republik ausgerufen. Bei der ersten Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung erlangte die republikanisch-sozialistische Koalition eine Mehrheit von achtzig Prozent im Parlament. Nach zwei Jahren voller Spannungen und Aufständen aufgrund der eingeführten Reformen, die das Großbürgertum benachteiligten, gewannen die autonomen Rechtsparteien die zweiten Parlamentswahlen. Die amtierende Regierung revidierte fast alle vorher getätigten Reformen und schlug einen Arbeiteraufstand blutig nieder. Im Februar 1936 kam es erneut zu Wahlen, bei denen der linksgerichtete Parteienzusammenschluss der Volksfront mit Manuel Azaña als Präsident die Regierungsmacht erlangte. Trotzdem spitzte sich die soziale und politische Lage der Bevölkerung immer weiter zu, sodass es am 18. Juli 1936 zu einem Militärputsch unter der Führung Francisco Francos kam, aus dem der spanische Bürgerkrieg hervorging.[5]
Bereits bei dieser Betrachtung des Verlaufs der Zweiten Republik wird die Spaltung von Gesellschaft und Politik in zwei Lager deutlich. Zu Beginn des Bürgerkrieges standen sich dann diese politischen Blöcke gegenüber: Die rechtsgerichtete Nationale Front konstituierte sich aus Großgrundbesitzern, katholischen Konservativen, Monarchisten verschiedener Richtungen, Rechtsrepublikanern sowie der faschistischen Partei Falange. Außerdem schlossen sich das Afrikaheer und die karlistischen und falangistischen Milizen dem Militärputsch an. Die Aufständischen waren zahlenmäßig überlegen und konnten Teile Nordafrikas und des spanischen Westens und Südens einnehmen; jedoch erhielten sie nur in Navarra und den konservativen Teilen Altkastiliens Unterstützung durch die Bevölkerung. Demgegenüber fanden sich Sozialisten, Kommunisten, die republikanische Linke und regionalistische Kräfte als Volksfront zusammen. Sie schafften es, den kompletten Norden und Osten sowie große Teile des Südens in der Hand der Republik zu halten und konnten durch die Kontrolle über die größeren Städte, die Wirtschaftszentren und die Hauptstadt über die größere Wirtschaftsmacht des Landes verfügen. Zusätzlich wurde die Volksfront von den liberalen städtischen Mittelschichten und von einem Großteil der sozialistischen und anarchistischen Arbeiter unterstützt. Diese fast ausgewogene Ausgangskonstellation und die Mobilisierung großer spanischer Bevölkerungsteile verhinderten einen schnellen Kompromiss bezüglich des Regierungswechsels und brachten den Spanischen Bürgerkrieg hervor.
Der Verlauf des Krieges lässt sich in vier Abschnitte einteilen[6]: In der ersten Phase von Juli 1936 bis zum Frühjahr 1937 gelang es den Nationalisten mit Hilfe von deutschen Flugzeugen und italienisch-faschistischen Interventionstruppen etwa ein Drittel des Landes einzunehmen. Sie scheiterten jedoch zweimal an der Eroberung Madrids, vor allem, weil sich tausende Zivilisten an der Verteidigung beteiligten. Schon in dieser ersten Kriegsphase setzten die aufständischen Truppen, besonders das Afrikaheer, massiven Terror gegen die Soldaten der Republik und die Zivilbevölkerung ein. Vom Frühjahr 1937 bis zum Frühjahr 1938 brachten die Franquisten den gesamten spanischen Norden in ihre Gewalt, darunter auch Guernica. Drei Stunden lang wurde die heilige Stadt der Basken bombardiert, dabei hunderte Zivilisten und vor allem Frauen und Kinder getötet. Die Eroberung der Nordprovinzen war wegen deren Wirtschaftspotenzial enorm wichtig für die weitere Kriegsführung. In der dritten Phase des Bürgerkriegs vom Frühjahr bis Ende 1938 gelang es den Nationalisten, Katalonien vom übrigen republikanischen Territorium abzuschneiden. Die Republikaner erhoben sich zwar erneut zum Widerstand und errungen einen letzten Sieg am Ebro, zogen sich aber danach in die Defensive zurück. In der letzten Phase, die zwischen Dezember 1938 und März 1939 anzusetzen ist, wurde Barcelona eingenommen und auch der Rest Kataloniens erobert. Staatspräsident Azaña ging ins Exil und trat von seinem Amt zurück. Francisco Franco besetzte mit seinen Truppen die Hauptstadt und erklärte am 1. April 1939 den Spanischen Bürgerkrieg für beendet.[7]
2.1.2 Folgen
Als naheliegendste Folge des Bürgerkrieges ist die demographische Entwicklung zu nennen. Wenn auch die genaue Anzahl an Toten bis heute umstritten ist, wurde doch das drastische Sinken von Sterblichkeits- und Geburtenrate statistisch erfasst. Auch wirtschaftlich warf der Bürgerkrieg das Land stark zurück, laut Bernecker auf den Stand von 1914.[8] Bedeutender als die materiellen waren jedoch die psychischen Folgen. So beeinflusste die Niederlage von 1939 nicht nur das politische Handeln und Bewusstsein der Arbeiterbevölkerung, sondern erzeugte ein Trauma, dessen entpolitisierende Folgen bis über das Ende des Franquismus hinaus Bestand hatten. Die fortwährende Trennung der Gesellschaft in Sieger und Besiegte beschrieb der damalige falangistische Generalsekretär Cuesta so: „Zwischen ihrem Spanien und unserem besteht ein Abgrund, der nur durch Reue und Unterwerfung unter unsere Doktrin überwunden werden kann. Andernfalls ist es besser, daß sie jenseits des Abgrundes bleiben; falls sie ihn heimlich zu überqueren trachten, sollen sie umkommen.“[9] Den Siegern ging es nach Ende des Bürgerkriegs nicht um Versöhnung, sondern darum, Rache zu üben, zu regieren und „die Früchte der Macht [zu] genießen“[10]. Sie übten Vergeltung indem sie mit blutiger Repression regierten und diejenigen, welche die Volksfront im Krieg unterstützt hatten, verfolgten, folterten und erschossen oder sie verbannten. Vor allem die sozial schwachen Schichten mussten in den años del hambre, den Hungerjahren, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Krieges tragen: Die Reallöhne sanken fortwährend und die damit einhergehende Lebensmittelknappheit trieb die Arbeiterschaft häufig an den Rand ihrer Existenz. Dahingegen wurden die Klassenunterschiede vor allem durch eine kleine Oberschicht aus Falanquisten deutlich, die ihren Luxus offen zur Schau stellte.[11]
Diese Spaltung der spanischen Gesellschaft konnte vor allem deshalb so lange beibehalten werden, weil Francos Sieg über das „Anti-Spanien“ für ihn die Grundlage seiner rechtmäßigen Herrschaft darstellte und er die Erinnerung daran im öffentlichen Bewusstsein halten wollte.[12] Zu den Veränderungen die Bürgerkrieg und Franco-Regime für Spanien mit sich brachten schreibt Manuel Tuñón de Lara: „Seit dem ersten Oktober 1936 gab es nur einen einzigen Führer mit absoluten Machtbefugnissen (…) Ab April 1937 existierte eine Einheitspartei totalitärer Prägung, die nicht den Staat lenkte, sondern sich in ihn einfügte und ein kompliziertes System von Dienstleistungen und ideologischer Durchdringung aufbaute. (…) Politisch verkörperte das Regime die grundlegenden Ideen der Aufständischen vom Juli 1936: Ablehnung der Republik, der Volkssouveränität, des allgemeinen Wahlrechts, des Parlaments, der politischen Parteien, der Menschenrechte, der Autonomiestatute und natürlich des Laizismus und der religiösen Neutralität. Die Grundlagen der republikanischen Staatsform wurden für immer zerstört, und sie wurden durch andere ersetzt: persönliche, charismatische und von Gott gegebene Macht, Einheitspartei, vertikaler Syndikalismus, Konfessionalität des Staates, mit der Kirche geteiltes Monopol über die Massenkommunikationsmittel und das Schulwesen, Unterdrückung jeglicher individueller Rechte gegenüber dem Staat (…) Die grundlegenden Ziele des Staates waren erstens die Suche nach einer Legitimationsgrundlage, zweitens die völlige Beseitigung aller gegnerischen Organisationen und die Ausschaltung jeder Opposition, drittens die Einkommensumverteilung zugunsten der herrschenden Klasse.“[13]
[...]
[1] Bernecker, Walther; Brinkmann, Sören: Kampf der Erinnerungen. Der Spanische Bürgerkrieg in Politik und Gesellschaft 1936-2006, Fulda 2006, S. 152.
[2] Vgl. ebd., S. 151-155.
[3] Ferhadbegovic, Sabina; Weiffen, Brigitte: Zum Phänomen der Bürgerkriege, in: Bürgerkriege erzählen. Zum Verlauf unziviler Konflikte, Konstanz 2010, S. 9.
[4] Vgl. Bernecker, Walther; Brinkmann, Sören: Kampf der Erinnerungen. Der Spanische Bürgerkrieg in Politik und Gesellschaft 1936-2006, Nettersheim 2006, S. 17.
[5] Vgl. N.N.: Diktatur und Zweite Republik (1923-1936), abgerufen auf http://www.staff.uni-giessen.de/ ~gb1164/Landeskunde/handout_g3.pdf, Stand: 23.03.2014.
[6] Vgl. Bernecker, Walther; Brinkmann, Sören: Kampf der Erinnerungen, S. 32.
[7] Vgl. Bernecker, Walther; Brinkmann, Sören: Kampf der Erinnerungen. S. 30-35.
[8] Siehe dazu ebd., S. 87.
[9] Ebd., S. 88, zitiert nach Comisión Internacional de Juristas: El imperio de la ley en España, Genf 1962.
[10] Bernecker, Walther; Brinkmann, Sören: Kampf der Erinnerungen. S. 88.
[11] Vgl. Bernecker, Walther; Brinkmann, Sören: Kampf der Erinnerungen, S. 86-90.
[12] Vgl. ebd., S. 94.
[13] Tuñón de Lara, Manuel et al.: Der Spanische Bürgerkrieg. Eine Bestandsaufnahme, Frankfurt am Main 1987, S. 632-635.