In den Jahren 1972 und 1973 zeigte sich im Bayrischen Motoren Werk in München ein vorläufiger Höhepunkt der Beschäftigung von Ausländern. Die Mehrheit dieser ausländischen Arbeiter besaß nur eine niedrige Qualifikation bei geringen Deutschkenntnissen, was zur Folge hatte, dass sich in bestimmten Bereichen des Werkes Probleme ergaben.
So existierten betriebliche Schwierigkeiten durch die sogenannte Sprachbarriere, einen sprunghaften Anstieg der Fluktuation (Abgangs- oder Austauschrate von Personal im Betrieb) und der Abwesenheitsquote, einen Mangel an qualifizierten Mitarbeitern, sowie eine nur mangelnde Einarbeitung bei Neueinstellungen. Die ausländischen Arbeitnehmer fühlten sich vom Betrieb ausgegrenzt und die deutschen Mitarbeiter distanzierten sich auf Grund von Vorurteilen von ihnen. Diese Probleme hatten Auswirkungen auf den Betrieb und lähmten die Produktion.
Um dem entgegenzuwirken, entschied im Februar des Jahres 1973, der für Ausländerfragen zuständige Personalreferent beim Vorstand der BMW AG Jürgen Laber, dass ein neues Modell von der Kommunikationsfirma "Metaplan" im Betrieb umgesetzt wird. Dieses Modell in Form einer "Lernstatt für Sprache" diente dem Erwerb der deutschen Sprache für ausländische Mitarbeiter und sollte kommunikative-, wie auch soziale Probleme zwischen Deutschen und Ausländern lösen. Das Konzept der Lernstatt zeigte sich im Jahr 1973 als solch großer Erfolg für das Werk, dass weitere Gelder von Seiten des Managementbereichs für die Weiterentwicklung des Modells im Jahre 1974 freigegeben wurden.
Da sich ebenfalls weitere Betriebe in Deutschland vom Konzept überzeugt haben und diese in Konkurrenz zueinander standen, entwickelte sich das Modell der Lernstatt kontinuierlich weiter. Heutzutage stehen außerhalb des Erwerbs von Sprachkompetenzen auch weitere Faktoren im Vordergrund des Konzeptes.
Diese Arbeit soll den intertemporalen Vergleich des Lernstattkonzepts zwischen den siebziger Jahren und heute wiedergeben. Im Fokus steht die Integration des Modells im industriellen Sektor.
Zu Beginn wird eine theoretische Grundlage mit den Punkten Lernstatt und Lernprozessen vorgestellt. Im nächsten Schritt erfolgt der Vergleich des Konzeptes aus den siebziger Jahren und dem heutigen Model. Daran anknüpfend wird ein Praxisbeispiel erläutert. Zum Schluss sollen alle Ergebnisse zusammengefasst und mit einer eigenen Stellungnahme vorgestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Problemstellung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Lernstatt
2.1.1 Elemente der Lernstatt
2.1.2 Ziele der Lernstatt
2.1.3 Lernstatt im Kontext der Unternehmenskultur
2.2 Lernprozess in der Lernstatt
3. Das Lernstatt-Konzept in seiner Entwicklung
4. Praxismodell
5. Schlussteil
6. Literatur- und Internetquellenverzeichnis
1. Problemstellung
In den Jahren 1972 und 1973 zeigte sich im Bayrischen Motoren Werk in München ein vorläufiger Höhepunkt der Beschäftigung von Ausländern (vgl. Kunstek Rolf, 1986, S. 26). Die Mehrheit dieser ausländischen Arbeiter besaß nur eine niedrige Qualifikation bei geringen Deutschkenntnissen, was zur Folge hatte, dass sich in bestimmten Bereichen des Werkes Probleme ergaben. So existierten betriebliche Schwierigkeiten durch die sogenannte Sprachbarriere, einen sprunghaften Anstieg der Fluktuation (Abgangs- oder Austauschrate von Personal im Betrieb) und der Abwesendheitsquote, einen Mangel an qualifizierten Mitarbeitern, sowie eine nur mangelnde Einarbeitung bei Neueinstellungen (vgl. Kunstek Rolf, 1986, S. 27). Die ausländischen Arbeitnehmer fühlten sich vom Betrieb ausgegrenzt und die deutschen Mitarbeiter distanzierten sich auf Grund von Vorurteilen von ihnen. Diese Probleme hatten Auswirkungen auf den Betrieb und lähmten die Produktion. Um dem entgegenzuwirken entschied im Februar des Jahres 1973, der für Ausländerfragen zuständige Personalreferent beim Vorstand der BMW AG Jürgen Laber, dass ein neues Modell von der Kommunikationsfirma "Metaplan" im Betrieb umgesetzt wird (vgl. Kunstek Rolf, 1986, S. 30). Dieses Modell in Form einer "Lernstatt für Sprache" diente dem Erwerb der deutschen Sprache für ausländische Mitarbeiter und sollte kommunikative-, wie auch soziale Probleme zwischen Deutschen und Ausländern lösen (vgl. Pallasch Waldemar/ Reimers Heino, 1990, S. 49). Das Konzept der Lernstatt zeigte sich im Jahr 1973 als solch großer Erfolg für das Werk, dass weitere Gelder von Seiten des Managementbereichs für die Weiterentwicklung des Modells im Jahre 1974 freigegeben wurden (vgl. Kunstek Rolf, 1986, S. 44). Da sich ebenfalls weitere Betriebe in Deutschland vom Konzept überzeugt haben und diese in Konkurrenz zueinander standen, entwickelte sich das Modell der Lernstatt kontinuierlich weiter. Heutzutage stehen außerhalb des Erwerbs von Sprachkompetenzen auch weitere Faktoren im Vordergrund des Konzeptes (vgl. Schneider Joachim/ Stötzel Berthold, 1993, S. 37).
Diese Arbeit soll den intertemporalen Vergleich des Lernstattkonzepts zwischen den siebziger Jahren und heute wiedergeben. Im Fokus steht die Integration des Modells im industriellen Sektor.
Zu Beginn wird eine theoretische Grundlage mit den Punkten Lernstatt und Lernprozessen vorgestellt. Im nächsten Schritt erfolgt der Vergleich des Konzeptes aus den siebziger Jahren und dem heutigen Model. Daran anknüpfend wird ein Praxisbeispiel erläutert. Zum Schluss sollen alle Ergebnisse zusammengefasst und mit einer eigenen Stellungnahme vorgestellt werden.
2. Theoretische Grundlagen
Schon der Reformpädagoge Georg Kerschensteiner erkannte Anfang des 20. Jahrhunderts, dass Berufsbildung nicht nur aus dem Erwerb von Wissen bestehen dürfte (vgl. Gonon Philipp, 1992, S. 177). Vielmehr sollte der Schüler zum Wollen und Können angeregt werden. So beschrieb Kerschensteiner, dass das Wesen des Menschen aus Bildung, Arbeit, Beruf, Wert, Charakter und Persönlichkeit bestehen würde und dieser sich auch damit in jeder Lebenslage auseinanderzusetzen habe (vgl. Gonon Philipp, 1992, S. 171). Um dies zu erfühlen, prägte der Reformpädagoge am 12. Januar 1908 den Begriff der Arbeitsschule (vgl. Gonon Philipp, 1992, S. 209). Dort sollten die Schüler nicht nur berufliches Wissen erwerben, sondern auch charakterlich zum Beruf erzogen werden. Eine stetige Disziplin und der Wunsch als Träger eines Ganzen mitzuwirken, würde die Arbeitsschüler dazu anleiten, dass diese aus Dankbarkeit ihren Dienst erfüllen. Auf den Punkt gebracht, existierte die Vorstellung, dass ein Arbeiter effektiver seine Pflichten erfüllen könne, wenn dieser sich mit seiner Arbeit identifizieren könnte. Entscheidend ist, dass er sich als wichtiger Bestandteil eines großen Prozesses wiederkennt und so aus eigenem Pflichtbewusstsein sein stetig Bestes gibt. Dieser Grundgedanke existiert in ähnlicher Form im Lernstatt-Konzept und soll im weiterem erläutert werden.
2.1 Lernstatt
Um die Lernstatt deutlich vorzustellen, ist es wichtig sich mit ihren Elementen, Zielen und dem Gesamtzusammenhang im Unternehmen auseinander zu setzen. Diese Schritte vereinfachen den späteren Übergang zum Praxisbeispiel.
2.1.1 Elemente der Lernstatt
Bei der Lernstatt handelt es sich um eine Wortschöpfung aus den Begriffen "Lernen" und "Werkstatt" und gehört aus Sicht der Organisationsentwicklung zu den Team- und Kleingruppen-Konzeptionen (vgl. Ganser Renate, 1988, S. 153). Das Lernstattmodel will eine Verbindung zwischen der konkreten Arbeit vor Ort, also in einem Werk oder Betrieb, und dem Bedürfnis nach einem Weiterlernen der Arbeitnehmer schaffen. Der Begriff selbst konnte sich nicht überall einheitlich durchsetzen (vgl. Pallasch Waldemar/ Reimers Heino, 1990, S. 36). Doch besitzt sie ihren Ursprung in den Produktionsbetrieben, da sich ihre Form des Lernens durch die Beratergruppe "Cooperative Arbeitsdidaktik" initiiert hatte. Ziel war es, in Produktionsbetrieben mit einem hohen Ausländeranteil, durch eine arbeitsplatzbezogene und teilnehmerorientierte Sprachvermittlung, die Verständigungsprobleme zwischen ausländischen und deutschen Arbeitern zu verringern (vgl. Kunstek Rolf, 1986, S. 30). Im Wesentlichen geht es aus Sicht der Arbeitgeber um eine Verbesserung der Produktionsqualität, der Steigerung der Produktivität und die Erhöhung der Arbeitsmotivation (vgl. Schneider Joachim, Stötzel Berthold, 1993, S. 23). Diese sollen durch die Einbeziehung von Arbeitnehmern der unteren Hierarchieebene in Kleingruppen zusammengefasst werden, um betriebliche Probleme vor Ort zu erkennen und zu lösen.
Im Fall der "Sprach-Lernstatt"1 sollten die ausländischen Arbeiter sprachliches Wissen durch das Lernen in Kleingruppen mit eigenen Kollegen, statt professionellen Lehrern, Meistern und Ausbildern, als Wissensvermittler sammeln.
In anderen Betrieben mit Lernstätten können Themenschwerpunkte in den Kleingruppen fachbezogen oder arbeitsplatzbezogen formuliert werden. Dazu gehören die Arbeitsplatzsicherheit, Umweltschutz, Zusammenarbeit und weitere Punkte (vgl. Ganser Renate, 1988, S. 155). Im Fokus der Gruppenarbeit steht die Befähigung von Menschen in Betrieben zum problemorientierten Umgang und der Suche nach Lösungen. Um dieses Konzept zu erfüllen, sind jedoch Rollenverteilungen in der Gruppe von Nöten.
Diese setzt sich zusammen aus der Lernstattgruppe, den Moderatoren, der Lernstatt-Zentrale, den Situationsberater (Experten) und zuletzt den Koordinatoren (vgl. Pallasch Waldemar/ Reimers Heino, 1990, S. 35-39). Die Lernstattgruppe besteht aus vier bis zehn Teilnehmer (Ungelernte, Angelernte und Facharbeiter) oder aber sie kommt aus verschiedenen Bereichen (bereichsübergreifende Gruppe). Sie stellen die Teilnehmer dar und werden in der Regel durch Moderatoren, Vorgesetzen oder der Lernstatt-Zentrale vorgeschlagen.
Geleitet wird die Lernstatt-Gruppen von einem Moderator und einem Co-Moderator, welche in einer vorhergehenden Intensivübung auf ihre Aufgaben vorbereitet wurden (vgl. Deppe Joachim, 1992, S. 91). Die Doppelbesetzung soll sowohl eine durchgängige Arbeit der Gruppe bei Abwesenheit eines der Moderatoren (z.B wegen Krankheit oder Urlaub), als auch eine gegenseitige Hilfestellung ermöglichen. Moderatoren können sowohl Vorgesetze, als auch Mitarbeiter sein.
Die Lernstatt-Zentrale ist zuständig für die Ausbildung, Beratung und Betreuung der Moderatoren, in dem sie ihre Tätigkeiten vorbereitet (vgl. Ganser Renate, 1988, S. 158). Dazu gehört das konzipieren und durchführen von Intensivübungen, die Betreuung von Moderatorenrunden und bei Bedarf soll die Zentrale beratende Aufgaben übernehmen.
Treten in bei Gruppensitzungen spezifische Problemstellungen auf, die die Konsultation (Beratung eines Fachmanns) eines Experten erforderlich machen, stehen Situationsberater zur Verfügung. Diese Experten ihrer Fachgebiete bestehen unter anderem aus Vorgesetzten, aus Personal aus dem Betriebsrat, sowie Personalreferenten. Zu ihren Aufgaben gehören im weiterem die Beratung der Gruppen zu themenbezogenen Fragen, um diese zu beantworten und Lösungsvorschläge vorzugeben.
Um jedoch eine Lernstatt in einem Unternehmen einzurichten sind Koordinatoren für die Planung, Einrichtung, Steuerung und Weiterentwicklungen notwendig. Da sie in der Betriebshierarchie hoch angesiedelt sind, verfügen sie über die notwendige Autorität, um die Lernstattprojekte zu begünstigen (vgl. Ganser Renate, 1988, S. 160).
[...]
1 Der Begriff der Sprach-Lernstatt bezog sich in den siebziger Jahren auf die Betriebe, die das Konzept zur Überwältigung von innerbetrieblichen Kommunikationsproblemen nutzen. In den Jahren darauf entstanden weitere Lernstattbegriffe für anderweitige betriebliche Probleme.