Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Theorie der Sinnesdaten. Im Folgenden soll geklärt werden, was unter Sinnesdaten zu verstehen ist und welche Argumente für die Sichtweise der Sinnesdaten-Theoretiker spricht. Hierbei wird insbesondere auf den Standpunkt von Ayer eingegangen.
Wir nehmen im alltäglichen Leben viele Dinge als sicher an. Wenn man diese Annahmen jedoch genauer untersucht, wird man feststellen, dass sie viele Widersprüche aufweisen. Bei der Betrachtung eines Tischs beispielsweise fällt auf, dass er, je nach Lichteinfall oder nach dem Standpunkt der Betrachtung, anders erscheint. Eine Unterscheidung zwischen Erfahrung und Wirklichkeit scheint unumgänglich.
Die sekundären Qualitäten des Tisches (Farbe, Geruch, etcetera) sind demnach von kausaler Abhängigkeit zum Beobachter und nicht etwas objektives – Sinnesdaten-Theoretiker bezeichnen diese Eigenschaften als subjektive Sinnesdaten.
Laut fundamentalistischer Erkenntnistheorie ist nur das Sinnesdatum als Eigenschaft eines Objekts täuschungssicher, während Vertreter des Physikalismus diese Sichtweise beispielsweise abstreiten, da alles physikalischer Natur und damit objektiv bestimmbar sei. Welche Argumente bringen aber nun Sinnesdaten-Theoretiker vor, um darzulegen, dass dem eben nicht so ist? Diese Frage soll im Folgenden untersucht und beantwortet werden.
Inhaltsverzeichnis
Was sind Sinnesdaten
Was bedeutet direkte sowie indirekte Wahrnehmung
Naiver und kritischer Realismus - ein Exkurs
Zum Text: Ayer, „Foundations of Empirical Knowledge“
Ayer und das Problem der Sinnesdaten
Kritik an der faktischen Auffassung
Die sprachliche Auffassung10
Erscheinungen und Propositionen
Fazit
Austin & Ayer - ein Disput?..
Verweise
Literaturverzeichnis
Was sind Sinnesdaten
Wir nehmen im alltäglichen Leben viele Dinge als sicher an. Wenn man diese Annahmen jedoch genauer untersucht, so wird man feststellen, dass sie viele Widersprüche aufweisen. Um Gewissheit zu erlangen, müssen wir dort beginnen nachzufragen, wo unsere Erfahrungen beginnen - bei unseren Sinnen. Die Frage stellt sich was das, was wir unmittelbar erfahren, denn sei. Wir beginnen zwischen „Erscheinung“ und „Wirklichkeit“ zu unterscheiden, denn immerhin stellen wir oft fest, dass zwischen dem, wie materielle Objekte wirklich sind, und dem wie sie uns erscheinen, manchmal eine große Kluft sich auf tut. Betrachten wir einen Tisch, so sieht er anders aus je nach Lichteinfall oder je nach dem Standpunkt aus welchem wir ihn betrachten.
Von verschiedenen Standpunkten aus gesehen, scheint der Tisch verschiedene Farben zu haben, und es besteht kein Grund zu glauben, dass einige dieser Farben „wirklicher“ seien als andere. Wir wissen weiter, dass sogar von einem gegebenen Standpunkt aus die Farbe bei künstlichem Licht oder für einen Farbenblinden oder für jemanden, der eine blaue Brille trägt, verschieden erscheinen wird, (...) (1)
Daraus geht hervor, dass die sekundären Qualitäten des Tisches (Farbe, Geruch, etc.) von kausaler Abhängigkeit zum Beobachter sein müssen und nicht etwas unabhängiges. Da wir also nicht sagen können, ob jene Farberscheinung des Tisches die mir widerfährt, qualitativ gerechtfertigter als wahr anzusehen ist, als jene Farberscheinung des Tisches Dritter, so muss ich wohl annehmen, dass der Tisch an sich gar keine Farbe hat. Der „wirkliche“ Tisch ist uns also nicht zugänglich, jedoch haben wir ein Sinnesdatum davon, aber dieses variiert je nach Beobachter. Farben, Gerüche etc. sind in der Sinnesdatentheorie keine sekundären Qualitäten von physikalischen Gegenständen sondern dispositionale Eigenschaften. Dies sind jene Eigenschaften, wie etwa die Wasserlöslichkeit von Zucker oder die Zerbrechlichkeit von Glas. Wenn man so will, ist es bei einer Farbe deren Wahrnehmungsfähigkeit.
Wir sind uns den Sinnesdaten also unmittelbar bewusst und sie sind bewusstseinsabhängige Objekte. Diese haben genau jene Qualitäten, wie sie uns erscheinen. Sinnesdaten-Theoretiker schließen damit kategorisch jenen Einwand aus, dass wir unmittelbaren Zugang (directly awareness) zu den materiellen Objekten an sich haben.
Die fundamentalistische Erkenntnistheorie besagt, dass etwas jedem zu Grunde liegt und dies ist täuschungssicher - das Sinnesdatum. Nun kann ich mich nicht täuschen dass ich, in etwa ein rot-Sinnesdatum fühle/erlebe wenngleich ich eine grüne Tomate sehe. Denn wer kann mir absprechen welches Sinnesdatum ich fühle welches die grüne Tomate in mir auslöst. Sinnesdaten haben die Eigenschaften so wie sie uns erscheinen.
Um dem naiv-realistischen Einwand vorweg zu begegnen wir hätten unmittelbaren Zugang zu den Dingen selbst und daher sei dieser Zwischenschritt über die Sinnesdaten nicht notwendig, ist entgegenzusetzen dass es durchaus sein kann, dass dem Objekt und dem Sinnesdatum das es in uns verursacht verschieden Eigenschaften (Farben etc.) zu Grunde liegen. Verschiedene Perspektiven ergeben verschiedene Bilder, also ändert sich unsere Wahrnehmung, aber nicht das physikalische Objekt an sich. Unsere Wahrnehmung ist unter andere abhängig von der Perspektive, aus der wir in etwa physikalische Objekte betrachten. Das physikalische Objekt ist uns nicht unmittelbar bewusst, wir nehmen es über den Umweg der Sinnesdaten mittelbar war. Daher können zwei Menschen niemals ein und dasselbe Sinnesdatum erfahren. Unsere Sinnesdaten sind subjektabhängig sowie bewusstseinsabhängig. Wir nehmen mittelbar den Umweg unserer subjektiven Sinnesdaten. Diese unterscheiden sich aber zwingend von denen anderer Menschen, auch wenn dem Sinnesdatum derselbe physikalische Gegenstand zugrunde liegt.
In nahezu allen Texten von Ayer bis Russell können wir bereits der Einleitung entnehmen, dass jene Philosophen einräumen, dass man basierend auf unserer Alltagssprache meinen könnte, man bräuchte keine Sinnesdaten Theorie einzuführen. Es ist doch klar, dass wir, dem common-sense entsprechend, physikalische Objekte direkt wahrnehmen. Nun welche Argumente bringen aber nun Sinnesdaten-Thorethiker vor, um darzulegen, dass dem eben nicht so ist?
Die wichtigsten Argumente für mich hierfür sind:
- Argument from Illusion
- Materielle Objekte haben unterschiedliche Erscheinungen für unterschiedliche Beobachter und/oder unter anderen Bedingungen. Eine Münze in etwa sieht aus verschiedenen Blickwinkeln einmal rund und einmal oval aus. Wenn wir auch die wirklichen Qualitäten der Münze nicht sehen können, so sehen wir immer noch etwas. Dieses Etwas ist ein Sinnesdatum.
- Perspektivische Variante
- Nähere ich mich einem Tisch aus der Ferne, so sehe ich ihn anfangs kleiner als er ist. Komme ich näher, so sehe ich den Tisch größer als vorhin. Also muss unsere Wahrnehmung, welche sich verändert hat, nicht eine Wahrnehmung des materiellen Objektes sein, sondern ein Sinnesdatum, da sich das materielle Objekt ja nicht verändert.
- Halluzination
- Eine Oase in der Wüste zu sehen, ist möglich, ohne dass dieser Wahrnehmung ein materielles Objekt (eine reale Oase) zu Grunde liegen muss. Die Qualität meiner Wahrnehmung ist jedoch dieselbe, ob es eine Halluzination ist oder nicht. Also sind es auch hier Sinnesdaten die ich wahrnehme - da es das materielle Objekt, mangels seiner Existenz, nicht sein kann.
- Double Vision
- Drücke ich auf mein Auge oder kneife sie zusammen so sehe ich ein vor mir liegendes Blatt Papier doppelt, auch wenn nur ein Blatt vor mir liegt. Also nehme ich auch hier ein Sinnesdatum direkt wahr und kein materielles Objekt.
- Time Gap
- Blicken wir mit einem Fernrohr in den Himmel so sehen wir Gestirne und deren Licht, jene Planeten die wir in diesem Augenblick wahrnehmen existieren auf Grund der langen Zeit, bis wir sie auf der Erde wahrnehmen können, teilweise gar nicht mehr. Also liegt unserer Wahrnehmung kein materielles Objekt zu Grunde. Wir nehmen also nicht den Planeten oder den Stern wahr, sondern ein Sinnesdatum.
Gegen die Sinnesdaten-Theorie spricht zum größten Teil die Vertreter des Physikalismus. Nach welchen es bekanntlich so etwas wie „mental states“ nicht geben kann da alles physikalischer Natur ist.
Was bedeutet direkte sowie indirekte Wahrnehmung
Von einer indirekten Wahrnehmung sprechen, wir wenn wir etwas, wie einen physikalischen Gegenstand, durch etwas wahrnehmen, wie etwa durch ein Fernrohr. Wahrnehmung muss aber nicht immer nur auf das visuelle beschränkt sein, ebenso können wir haptische sowie auditive Wahrnehmungen machen. Wie man etwa ein Live Konzert direkt und eine Aufnahme davon später über eine CD in etwa indirekt wahrnehmen kann. Wie verhält es sich bei der Temperatur des Wassers in einem Kochtopf? Nun stecke ich die Hand hinein und spüre ich auf meiner Hand die hohe Temperatur des Wassers, so sprechen wir von einer direkten Wahrnehmung. Hingegen stecke ich ein Thermometer in den Kochtopf mit Wasser, so kann ich von eben jenem Thermometer die Temperatur ablesen und dadurch auf die reelle Temperatur des Wassers schließen.
Über meine subjektiv empfundenen Sinnesdaten kann ich mich nicht täuschen. Qualitativ besteht kein Unterschied zwischen einem Sinnesdatum welchem eine veridische Wahrnehmung zu Grunde liegt, wie etwa ein physikalisches Objekt und einer delusiven (nicht veridischen) Wahrnehmung, welcher etwa eine Halluzination zu Grunde liegt. Es gibt daher keinen kategorialen Unterschied zwischen Träumen und Realität, denn beide führen zum gleichen „mental image“.
Naiver und kritischer Realismus - ein Exkurs
Der naive Realismus oft auch als Common Sense Realismus bezeichnet, geht ebenso wie der kritische Realismus von jenem Fundament aus, dass die Außenwelt unabhängig von uns existiert. Im Gegensatz zu etwa dem Idealismus. Im naiven Realismus geht man weiter davon aus, eine Wahrnehmung verursacht, welche ein echtes Abbild der Wirklichkeit bzw. der Realität ist. In diesem Sinne können wir als naive Realisten direkt auf die Eigenschaften des physikalischen Objektes, etwa des Baumes, schließen. Diese Wahrnehmung ist in dieser Tradition ein echtes Abbild der Außenwelt. Der kritischen Realismus, der auch von Ayer und allen anderen Sinnesdaten- Theoretikern vertreten wird, muss mit dem naiven Realismus dahingehend überein, dass die Außenwelt unabhängig von uns existiert. Ebenso existieren unsere subjektiven Wahrnehmungen der Außenwelt, jedoch bleibt uns jenes Wissen verschlossen, ob diese Wahrnehmungen, welche wir persönlich empfinden, mit der tatsächlichen Außenwelt übereinstimmen. Daher darf man im Sinne des kritischen Realismus niemals anhand seiner Wahrnehmung unmittelbar auf eventuelle Eigenschaften eines physikalischen Objektes schließen.
Zum Text: Ayer, „Foundations of Empirical Knowledge“
Alfred J. Ayer hat sich in „The Foundations of Empirical Knowledge“ mit den diversen Wahrnehmungstheorien beschäftigt. Auf den folgenden Seiten werde ich Ayers Ausführungen skizzieren. Den Anfangspunkt bildet das „Argument from illusion“, an welches sich eine Darstellung der faktischen Auffassung einerseits und der sprachlichen Auffassung andererseits anschließt. Ausgehend von dieser Grundlage, soll Ayers Sinnesdatenbegriff vorgestellt werden. Ayer ist zwar in gewisser Hinsicht ein Verteidiger einer Sinnesdatentheorie, vor allem gegen andere Theorien der Wahrnehmung, aber er wendet sich auch gegen Sinnesdatentheoretiker selbst: Er möchte die Sinnesdatentheorie als sprachlich und entgegen anderer Meinungen, nicht als faktisch zu interpretierende Theorie verstanden wissen.
Das sicherlich zwingenste Argument, welches pro Sinnesdaten-Theorie spricht, ist jenes „Argument from illusion“. Es wird in Ayers Text zu erst bearbeitet und spricht klar gegen den naiven Realismus. Einführend gibt Ayer zu, dass es unter normalen Umständen keinerlei Grund gebe, unseren Glauben an materielle Dinge zu hinterfragen. Es gibt an sich keinen Zweifel daran, dass physikalische Gegenstände wie Tische und Stühle von uns direkt gesehen (wahrgenommen) werden und wir darum auf deren reelle Existenz schließen dürfen. An eben diese, von vielen Menschen als selbstverständlich angenommene, „direkte“ Wahrnehmung von physikalischen Objekten setzt seine Kritik an. Für ihn ist es klar, dass ein und dasselbe physikalische Objekt unterschiedliche Erscheinungen für unterschiedliche Beobachter haben kann. Ebenso kann es sich unter verschiedenen Umständen bzw. unterschiedlichen Bedingungen anders darstellen. Eine Münze sieht aus verschiedenen Blickwinkeln einmal oval einmal elliptisch aus, ebenso wie uns ein gerader Stock, wenn wir diesen ins Wasser steckten, gekrümmt erscheint. Diese Täuschungen betreffen aber nicht immer rein die visuelle Wahrnehmung, vielmehr können sie ebenso bei auditiven sowie kinästhetischen und weiteren Sinneswahrnehmungen auftreten. Dieses „Argument from illusion“ führt uns dazu, dass, wenn wir auch die Münze einmal so sehen und einmal anders, und eine dritte Person noch eine zusätzliche andere Wahrnehmung als die meinen hat, wir also nicht direkt das physikalische Objekt wahrnehmen. Jedoch nehmen wir immer noch irgendetwas wahr. Wir können uns nicht täuschen, dass wir etwas wahrnehmen und das, was wir wahrnehmen, ist ein Sinnesdatum.
Nun gibt es auch „Wahrnehmungen“, welchen kein physikalischer Gegenstand wie etwa ein Stuhl oder ein Tisch zu Grunde liegt. Das Sinnesdatum etwa einer Fata Morgana. Dieses hat dieselbe Qualität wie jenes einer echten Oase, denn wir können uns, nach Ayer, zwar darin täuschen, was wir wahrnehmen, nicht aber, dass wir etwas wahrnehmen. Denn gebe es einen Unterschied zwischen veridischen Wahrnehmung, also jener, welcher ein physikalischer Gegenstand zu Grunde liegt und einer, welcher nur eine Halluzination zu Grunde liegt, so müsste eben jener Unterschied immer erkennbar sein. Den einzigen Beweis, welchen wir in etwa bei dem Beispiel mit dem gekrümmt wirkenden Stock im Wasser anführen können, ist unsere Erfahrung uns lehrt, dass der Stock gerade ist.
Ein weiteres Argument, welches für die notwendige Existenz von Sinnesdaten spricht, ist das „auf ein Ding zugehen“. Während wir ein Objekt von der Ferne aus betrachten und weiter darauf zugehen, erfahren wir eine ganze Kette von Täuschungen.
„Thus, if I gradually approach an object from a distace I may begin by having a series of perceptions which are delusive in the sense that the object appears to be smaller than it really is. Let us assume that this series terminates in a veridical perception.“ (2)
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