Das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP), das als eines der wichtigsten Instrumente der Raumplanung auf Landesebene gilt, hat als Zukunftskonzept vor allem die Aufgabe, raumbedeutsame Festlegungen in Form von Zielen und Grundsätzen bereitzustellen.
Es sollte daher stets den veränderten Rahmenbedingungen angeglichen werden und wird in regelmäßigen zeitlichen Abständen neu aufgestellt, um so das übergeordnete Ziel der Erhaltung gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Teilräumen Bayerns zu unterstützen. Hierfür ist allerdings eine Reihe von zuverlässigen Voruntersuchungen durchzuführen, die ein genaues Bild der Realität möglichst präzise nachzeichnen sollen.
Im Zuge einer solchen Revision des LEP soll nun diese Untersuchung dazu dienen, insbesondere die Wirtschafts- und Strukturpolitik des Freistaats den aktuellen Aufgaben entsprechend neu auszurichten. Einer der wesentlichen Schritte zur Bestimmung dieser Handlungsfelder besteht in einer auf der Grundlage von statistischen Datenanalysen vorgenommenen Einteilung der bayerischen Kreise und Kreisfreien Städte in unterschiedliche Raumtypen. Diese sollen sich vor allem in ihrer Raumausstattung, aber auch in der sozioökonomischen Entwicklung voneinander so unterscheiden, dass jeweils wichtige Handlungsfelder für die einzelnen Raumtypen herausgearbeitet werden können.
Auf diese Weise soll die neue Wirtschafts- und Strukturpolitik Bayerns nicht nur effizienter ausgerichtet werden, sondern sich gleichzeitig den notwendigen Aufgabenbereichen frühzeitig anpassen können. Zu diesem Zweck wurden im Rahmen dieser Untersuchung geeignete statistische Daten zur Wirtschafts- und Sozialstruktur Bayerns auf Kreisebene ausgewählt und mit ihnen verschiedene räumliche und zeitliche Analysen durchgeführt, welche eine Neuaufteilung der bayerischen Kreise zum Ziel hatten. Anschließend konnten die neu bestimmten Kreistypen anhand ausgewählter Beispiele detailliert charakterisiert werden. Dafür wurden auch einzelne Gemeindedaten in die Analysen miteinbezogen, um eventuelle Sonderentwicklungen herausbilden zu können.
Mithilfe der hier vorgestellten Untersuchungsergebnisse werden die wesentlichen Handlungsfelder der kommenden Jahre aufgezeigt. Konkrete Maßnahmen, die schließlich ihrer Umsetzung in den einzelnen Raumtypen dienen sollen, werden die Hauptaufgaben für nachfolgende Analysen darstellen.
Inhalt
1. Die Relevanz einer (Neu)Typisierung der bayerischen Landkreise
2. Umriss der aktuellen regionalen Gliederung Bayerns
3. Clusteranalyse zur Bestimmung der Kreistypen in Bayern
3.1 Clusteranalyse als Methode der Raumtypisierung
3.2 Auswahl der Variablen und der Analyseparameter
3.3 Ergebnisse der Clusteranalyse
3.4 Bezeichnung der Gruppen
4. Charakterisierung der Landkreistypen anhand ausgewählter Beispielentwicklungen
4.1 Beispiele für Kreistyp 3: Landkreise Freising und Tirschenreuth
4.1.1 Wirtschaftsstruktur und ökonomische Entwicklung
4.1.2 Handlungsfelder und -empfehlungen für Kreistyp 3
4.2 Beispiele für Kreistyp 4: Landkreise Ansbach und Passau
4.2.1 Demographische Situation und Wirtschaftsstruktur
4.2.2 Touristisches Entwicklungspotenzial
4.2.3 Handlungsfelder und -empfehlungen für Kreistyp 4
4.3 Sonderfall Landkreis München
5. Zusammenfassende Bewertung
Literatur und Datenquellen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Sekundärer Sektor im Landkreis Tirschenreuth und in Bayern 2002 bis 2012 11
Abbildung 2: Tertiärer Sektor im Landkreis Freising und in Bayern 2002 bis 2012 12
Abbildung 3: Bruttowertschöpfung der Landwirtschaft (in Mio. €) in den Landkreisen Passau und Ansbach 2002 bis 2009 16
Abbildung 4: Gästeankünfte in den Landkreisen Ansbach und Passau sowie in Bayern 2002 bis 2012 17
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ausgewählte Clustervariablen und dazugehörige Aussagen 3
Tabelle 2: Letzte zehn Schritte der Clusteranalyse mit erster Sprungstelle 5
Tabelle 3: Mittelwertvergleich über alle Variablen zwischen den sechs Clustern 7
1. Die Relevanz einer (Neu)Typisierung der bayerischen Landkreise
Das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP), das als eines der wichtigsten Instrumente der Raumplanung auf Landesebene gilt, hat als Zukunftskonzept vor allem die Aufgabe, raumbedeutsame Festlegungen in Form von Zielen und Grundsätzen bereitzustellen (vgl. StmWi Bayern 2014). Es sollte daher stets den veränderten Rahmenbedingungen angeglichen werden und wird in regelmäßigen zeitlichen Abständen neu aufgestellt, um so das übergeordnete Ziel der Erhaltung gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Teilräumen Bayerns zu unterstützen. Hierfür ist allerdings eine Reihe von zuverlässigen Voruntersuchungen durchzuführen, die ein genaues Bild der Realität möglichst präzise nachzeichnen sollen.
Im Zuge einer solchen Revision des LEP soll nun diese Untersuchung dazu dienen, insbesondere die Wirtschafts- und Strukturpolitik des Freistaats den aktuellen Aufgaben entsprechend neu auszurichten. Einer der wesentlichen Schritte zur Bestimmung dieser Handlungsfelder besteht in einer auf der Grundlage von statistischen Datenanalysen vorgenommenen Einteilung der bayerischen Kreise und Kreisfreien Städte in unterschiedliche Raumtypen. Diese sollen sich vor allem in ihrer Raumausstattung, aber auch in der sozioökonomischen Entwicklung voneinander so unterscheiden, dass jeweils wichtige Handlungsfelder für die einzelnen Raumtypen herausgearbeitet werden können. Auf diese Weise soll die neue Wirtschafts- und Strukturpolitik Bayerns nicht nur effizienter ausgerichtet werden, sondern sich gleichzeitig den notwendigen Aufgabenbereichen frühzeitig anpassen können. Zu diesem Zweck wurden im Rahmen dieser Untersuchung geeignete statistische Daten zur Wirtschafts- und Sozialstruktur Bayerns auf Kreisebene ausgewählt und mit ihnen verschiedene räumliche und zeitliche Analysen durchgeführt, welche eine Neuaufteilung der bayerischen Kreise zum Ziel hatten. Anschließend konnten die neu bestimmten Kreistypen anhand ausgewählter Beispiele detailliert charakterisiert werden. Dafür wurden auch einzelne Gemeindedaten in die Analysen miteinbezogen, um eventuelle Sonderentwicklungen herausbilden zu können.
Mithilfe der hier vorgestellten Untersuchungsergebnisse werden die wesentlichen Handlungsfelder der kommenden Jahre aufgezeigt. Konkrete Maßnahmen, die schließlich ihrer Umsetzung in den einzelnen Raumtypen dienen sollen, werden die Hauptaufgaben für nachfolgende Analysen darstellen.
2. Umriss der aktuellen regionalen Gliederung Bayerns
Der Freistaat Bayern gliedert sich derzeit (Stand 2014) in insgesamt 96 Landkreise sowie Kreisfreie Städte in sieben Regierungsbezirken. Mit einer Gesamtfläche von 70.550 km² ist das Bundesland das flächenmäßig größte in Deutschland. Im Sinne der Raumordnung in Bayern werden die Landkreise und Kreisfreien Städte in 18 Planungsregionen eingeteilt, welche sich sowohl durch historisch-kulturelle, vor allem aber durch sozio-ökonomische Gemeinsamkeiten auszeichnen. Alle 18 Planungsregionen werden wiederum in drei unterschiedliche Regionsgruppen aufgeteilt: Regionen mit großen Verdichtungsräumen, Grenzland und überwiegend strukturschwache Regionen, und Sonstige ländliche Regionen (vgl. Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung 2012). Diese Einteilung in drei grundsätzlich verschiedene Raumtypen stellt hinsichtlich einer groben Einschätzung der wichtigsten Aufgabenbereiche für die Raumplanung ein geeignetes Mittel dar; sie sollte jedoch mit Blick auf eine differenzierte Betrachtung der aktuellen Problemfelder detaillierter und möglichst auf Grundlage einer Landkreistypisierung erstellt werden. Hierfür bedarf es statistischer Methoden und der Auswahl geeigneter Daten, welche eine umfangreiche Einschätzung der realen Handlungsfelder zulassen. Im folgenden Abschnitt soll nun ein geeignetes statistisches Hilfsmittel zur Raumstrukturierung vorgestellt, sowie die mit den bayerischen Landkreisen durchgeführte Typisierung erläutert werden.
3. Clusteranalyse zur Bestimmung der Kreistypen in Bayern
3.1 Clusteranalyse als Methode der Raumtypisierung
Durch eine Clusteranalyse kann nach Auswahl passender Strukturdaten eine Klassifizierung von Raumtypen erfolgen. Wichtig ist bei einer sozio-ökonomischen Raumanalyse vor allem die Tatsache, dass diese Daten die gesamte Bandbreite der zu erforschenden Teilaspekte abdecken. Darüber hinaus sollen diejenigen Daten, welche letztlich in die Analyse einfließen nur eine geringe Kollinearität aufweisen, d.h. sie sollen möglichst unabhängig voneinander sein. Der Vorteil dieser Analyse besteht darin, dass die Raum-einheiten, welche es zu klassifizieren gilt, komplett in jeweils ein bestimmtes Cluster eingeteilt werden. Dabei sollen sich die einzelnen Cluster untereinander möglichst stark voneinander unterscheiden, während die Fälle (in diesem Falle Regionaleinheiten) inner-halb eines Cluster möglichst homogen erscheinen sollen. Um dieses Ziel zu erreichen, können bei der statistischen Berechnung der Cluster bestimmte Einstellungen vorgenommen werden, die einer besseren Interpretierbarkeit des Analyseergebnisses dienen können.
3.2 Auswahl der Variablen und der Analyseparameter
Für die Landkreistypisierung wurden insgesamt zehn verschiedene sozio-ökonomische Variablen ausgewählt, welche aus der Gemeindedatentabelle des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung (2012) entnommen wurden. Dafür wurde diese zunächst auf die Landkreise bzw. Kreisfreien Städte reduziert. Anschließend erfolgte die Auswahl geeigneter Variablen, welche für die Clusteranalyse herangezogen werden konnten. Insgesamt wurden zehn Variablen ausgewählt, welche jeweils den raumstrukturellen Gebietsstand über verschiedene Bereiche hinweg repräsentieren sollten (vgl. Tabelle 1). Es wurden also an dieser Stelle bewusst statische Variablen verwendet, um die derzeitige Situation in den Landkreisen darzustellen. Bereits im Vorfeld der Auswahl wurde besonders darauf geachtet, dass Variablen mit ähnlicher Aussage vermieden wurden.
Tabelle 1: Ausgewählte Clustervariablen und dazugehörige Aussagen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Zusammenstellung
Um zu überprüfen, ob Kollinearität zwischen den ausgewählten Variablen besteht, wurde eine Korrelationsmatrix erstellt, die eventuelle Zusammenhänge aufzeigen sollte. Da es sich ausschließlich um metrisch skalierte Variablen handelt, wurde hierfür der Produktmomentkorrelationskoeffizient nach Pearson verwendet. Es stellte sich heraus, dass die Variablen teilweise extrem stark miteinander korrelieren und somit für die Clusteranalyse nur bedingt geeignet sind.
Allerdings korrelieren sozio-ökonomische Daten im selben räumlichen Kontext häufig miteinander, ohne dass zwischen ihnen ein direkter inhaltlicher Zusammenhang besteht, weshalb dieser Punkt hier vernachlässigt wurde. Die Variablen boten auch aufgrund der guten Interpretierbarkeit des Ergebnisses für eine Clusteranalyse der bayerischen Landkreise und Kreisfreien Städte eine ausreichende Grundlage. Damit sie jedoch für die Analyse verwendet werden konnten, mussten die Variablen zunächst z-standardisiert werden (eine Normalverteilung der Variablen wurde angenommen), um die Dimensionsunterschiede kompensieren zu können.
Die Clusteranalyse wurde hierarchisch durchgeführt, d.h. die endgültige Anzahl der Fallgruppen wird zu Beginn offengelassen, und die Zuordnung zu den einzelnen Gruppen erfolgt schrittweise (iterativ). Da es sich insgesamt um 96 räumliche Einheiten handelte, wurden 95 einzelne Schritte berechnet (stets einer weniger, als es Fälle gibt), sodass im letzten Schritt stets alle Fälle in ein einziges großes Cluster eingeordnet wurden.
Als Klassifizierungsmethode wurde das sogenannte Ward-Verfahren verwendet, das in der Regel eine maximale Homogenität der Fälle innerhalb eines Clusters garantiert, bei maximaler Heterogenität zwischen ihnen (vgl. Bahrenberg et al. 2008, 267). Dieser besondere Umstand qualifizierte diese Methode für die vorliegende Aufgabe.
Für die Analyse musste auch ein geeignetes Distanzmaß gewählt werden, welches dazu benötigt wird, die einzelnen Fälle zusammenzufassen und zuzuordnen. Dabei werden in jedem Schritt der Clusterbildung diejenigen Fälle zusammengeführt, welche bezüglich dieses Distanzmaßes im multivariaten Koordinatenraum die geringste Entfernung aufweisen. In diesem Fall wurde die Quadrierte Euklidische Distanz (QED) als ein geeignetes und zuverlässiges Distanzmaß herangezogen. Die zu bestimmende Clusteranzahl wurde auf einen Rahmen zwischen minimal drei und maximal zehn beschränkt, um das Ergebnis auf einer interpretierbaren Ebene zu halten. Damit waren alle notwendigen Voraussetzungen für die Clusteranalyse gegeben.
3.3 Ergebnisse der Clusteranalyse
Der erste wichtige Schritt bei der Auswertung der Analyse bestand in der Bestimmung der geeigneten Clusterzahl. Diese lässt sich bei der Betrachtung der Klassifizierungsschritte über das sogenannte Elbow-Kriterium ermitteln. Dafür betrachtet man die Werte des verwendeten Distanzmaßes und sucht nach „Sprungstellen“, bei denen die Werte stärker als zwischen den anderen Schritten ansteigen (vgl. Tabelle 2). Innerhalb der letzten zehn Klassifizierungsschritte ist erstmals eine deutliche Sprungstelle zwischen dem 90. und dem 91. Schritt erkennbar. Demnach scheinen insgesamt sechs verschiedene Cluster die beste Variante darzustellen, um die bayerischen Landkreise und Kreisfreien Städte zu klassifizieren.
Tabelle 2: Letzte zehn Schritte der Clusteranalyse mit erster Sprungstelle
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Berechnung nach Daten des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung 2012
Um die gebildeten Cluster als Raumtypen charakterisieren zu können musste als nächstes ein geeignetes Mittel zur Interpretation gewählt werden. Das wohl beste Instrument zur Überprüfung der Klassenzugehörigkeit der einzelnen Fälle, stellt ein Mittelwertvergleich über alle Clustervariablen dar. Hierbei kann festgestellt werden, welche dieser Variablen bei der Unterscheidung der einzelnen Gruppen eine Rolle spielen und wie viele Fälle (Raumeinheiten) in einer bestimmten Gruppe vertreten sind (vgl. Tabelle 3).
Für die bayerischen Landkreise und Kreisfreien Städte ergab sich daraus ein sehr differenziertes Bild. Die Qualität einer solchen Clusteranalyse erweist sich auch dann, wenn sich die Fälle relativ gleichmäßig auf die gebildeten Gruppen verteilen. In diesem Fall sind zwei Gruppen mit vergleichbarer Größe entstanden: Cluster 1 mit 20 Fällen und Cluster 4 mit 26 Fällen. Die größte Gruppe bildet Cluster 3 mit 44 Fällen; in ihr ist also knapp die Hälfte aller Fälle vereinigt. Daneben sind drei Cluster mit einer nur sehr geringen Fallzahl entstanden. Cluster 5 mit 4 Fällen, und Cluster 2 und 6 mit jeweils nur einem einzigen Fall. Bei den beiden letztaufgeführten Clustern handelt es sich also eindeutig um zwei Sonderfälle, welche kaum mit den anderen Raumtypen vergleichbar sind. Cluster 2 enthält als einzigen Fall die Kreisfreie Stadt München und Cluster 6 die Stadt Nürnberg. Schnell wird bei einem Blick auf die Mittelwertvergleichstabelle deutlich, weshalb beide Räume diese Sonderstellung einnehmen.
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