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Berufliche Mobilität in Deutschland und den USA. Ein Vergleich

©2014 Hausarbeit (Hauptseminar) 25 Seiten

Zusammenfassung

Diese Arbeit stellt die Frage nach der Destabilisierung und Destandardisierung von Erwerbsverläufen in Deutschland und will die institutionellen Einflüsse auf die berufliche Mobilität in Deutschland und Amerika vergleichend analysieren und dabei vor allem den Fokus auf die (Aus-)Bildungssysteme setzen. Insbesondere soll die Frage diskutiert werden, ob dieses institutionelle System in Deutschland an Bindungskraft verliert und sich der einst sehr starre und von Beruflichkeit geprägte deutsche Arbeitsmarkt im Zuge globaler Veränderungen und Flexibilitätsanforderungen dem von jeher als flexibel geltenden amerikanischen Arbeitsmarkt angleicht.

In Deutschland spielt der erlernte Beruf durch die historisch bedingte enge institutionelle Verknüpfung des Berufsbildungssystems mit der auf dem Arbeitsmarkt ausgeübten Beschäftigung immer noch eine wichtige Rolle. Berufswechsel werden daher oftmals negativ assoziiert, weil sie häufig nicht freiwillig stattfinden, denn die Kosten des Wechsels scheinen durch Umschulung und Verlust des erlernten Wissens den Nutzen zu übersteigen.

Stattdessen ergibt sich berufliche Mobilität vielmehr aus der Arbeitslosigkeit heraus, wird also erzwungen. Daher scheinen Phasen der atypischen Beschäftigung und der Arbeitslosigkeit die berufliche Mobilität positiv zu beeinflussen. Andersherum kann von einer hohen beruflichen Mobilität auf diese oft negativ assoziierten Phasen im Lebenslauf, also einer Abweichung von der idealtypischen Normalbiographie, zurückgeschlossen werden, weil Individuen scheinbar nicht freiwillig aus ihrem erlernten Beruf aussteigen würden.

Eine weitaus weniger negative Perspektive auf die berufliche Mobilität existiert auf dem Arbeitsmarkt in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort ist die institutionelle Kopplung zwischen beruflicher Bildung und Beschäftigung wesentlich loser und damit nicht darauf ausgelegt, Individuen auf eine lebenslange Beschäftigung im selben Beruf auszubilden. Weil kein ausschließlich berufsspezifisches Wissen erworben wurde, sind die Kosten beruflicher Wechsel geringer und diese Wechsel daher wahrscheinlicher.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung mit Forschungsfrage

2. Berufliche Mobilität: Theoretische Ansätze
2.1 Matching auf dem Arbeitsmarkt
2.2 Beruf als Institution

3. Arbeitsmärkte in Deutschland und US-Amerika
3.1 Institutionelle Bedingungen in Deutschland und den USA: nationale (Aus-) Bildungssysteme
3.2 Berufliche Mobilität: Methodische Besonderheiten und Herausforderungen
3.3 Der Einfluss der Institutionen auf die berufliche Mobilität
3.4 Jüngste Entwicklungen der beruflichen Mobilität in Deutschland: Annäherung an das amerikanische System durch Destandardisierung?

4 Fazit und Ausblick: Zukünftige Entwicklungen der beruflichen Mobilität

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Berufliche Mobilitätsraten in den Vereinigten Staaten (saisonal bereinigt)

Abbildung 2: Ausbildungsabsolventen mit Berufswechsel in Abhängigkeit von der Übernahme durch den Ausbildungsbetrieb und Arbeitslosigkeit

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

In der aktuellen arbeitsmarktpolitischen Diskussion spielt die Zunahme und Wirkung atypischer Beschäftigungsformen wie Teilzeit, Leiharbeit, geringfügige oder befristete Be- schäftigung (Keller & Seifert, 2009) sowie die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses (Kocka & Offe, 2000) eine zentrale Rolle. So ist der Anteil der Erwerbstätigen in atypischen Beschäftigungsformen von 20,7 Prozent im Jahr 1991 auf 35,9 Prozent im Jahr 2009 gestie- gen, während der Anteil in Standarderwerbsformen im selben Zeitraum um knapp 14 Pro- zentpunkte gesunken ist (Bellmann et al., 2013, S. 43). In diesem Zusammenhang wird auch häufig die Frage nach der zunehmenden Instabilität, Unsicherheit sowie Diskontinuität der Beschäftigung und der Berufe auf dem deutschen Arbeitsmarkt aufgeworfen (Dütsch, Liebig, & Struck, 2013; Grunow & Mayer, 2007; Mayer, Grunow, & Nitsche, 2010). Das vorherr- schende Modell einer lebenslangen Zugehörigkeit zum Betrieb und einer lebenslangen Aus- übung des einst in der Ausbildung erlernten Berufes scheint in Folge von Flexibilisierungs- prozessen aufzuweichen: „Die Fluidität der Arbeitsverhältnisse nimmt zu. Lebenslange Tätig- keit in ein und demselben Beruf ist nicht mehr die Regel. Das ‚Normalarbeitsverhältnis‘ ero- diert. Was der Arbeitskraft abverlangt wird, ist ‚Flexibilität‘ (…).“ (Kocka & Offe, 2000, S. 11).

In Deutschland spielt jedoch der erlernte Beruf durch die historisch bedingte enge in- stitutionelle Verknüpfung des Berufsbildungssystems mit der auf dem Arbeitsmarkt ausgeüb- ten Beschäftigung immer noch eine wichtige Rolle (Konietzka, 1999a; Steinmann, 2000). Berufswechsel werden daher oftmals negativ assoziiert, weil sie häufig nicht freiwillig statt- finden, denn die Kosten des Wechsels scheinen durch Umschulung und Verlust des erlernten Wissens den Nutzen zu übersteigen. Stattdessen ergibt sich berufliche Mobilität vielmehr aus der Arbeitslosigkeit heraus, wird also erzwungen (Grunow & Mayer, 2007; Mayer et al., 2010; Seibert, 2007). Daher scheinen Phasen der atypischen Beschäftigung und der Arbeitslo- sigkeit die berufliche Mobilität positiv zu beeinflussen. Andersherum kann von einer hohen beruflichen Mobilität auf diese oft negativ assoziierten Phasen im Lebenslauf, also einer Ab- weichung von der idealtypischen Normalbiographie, zurückgeschlossen werden, weil Indivi- duen scheinbar nicht freiwillig aus ihrem erlernten Beruf aussteigen würden.

Eine weitaus weniger negative Perspektive auf die berufliche Mobilität existiert auf dem Arbeitsmarkt in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort ist die institutionelle Kopp- lung zwischen beruflicher Bildung und Beschäftigung wesentlich loser und damit darauf aus- gelegt, Individuen auf eine lebenslange Beschäftigung im selben Beruf auszubilden. Weil kein ausschließlich berufsspezifisches Wissen erworben wurde, sind die Kosten beruflicher Wech- sel geringer und diese Wechsel daher wahrscheinlicher.

Im Zuge der oben aufgeworfenen Frage nach der Destabilisierung und Destandardisierung von Erwerbsverläufen in Deutschland, will die vorliegende Arbeit die institutionellen Einflüsse auf die berufliche Mobilität in Deutschland und Amerika vergleichend analysieren und dabei vor allem den Fokus auf die Ausbildungssysteme setzen. Insbesondere soll die Frage diskutiert werden, ob dieses institutionelle System in Deutschland an Bindungskraft verliert und sich der einst sehr starre und von Beruflichkeit geprägte deutsche Arbeitsmarkt im Zuge globaler Veränderungen und Flexibilitätsanforderungen dem von jeher als flexibel geltenden amerikanischen Arbeitsmarkt angleicht.

Dazu wird im zweiten Kapitel der Begriff des Berufes in eine institutionentheoretische Skizze eingebettet und theoretisch abgeleitete Wirkungen des Institutionalisierungsgrades beschrieben. Darauf aufbauend erfolgt in Kapitel 3.1 eine Darstellung der Berufsbildungssys- teme in Deutschland und Amerika, bevor die allgemeinen methodischen Herausforderungen bei der Messung von beruflicher Mobilität in Kapitel 3.2 kurz erläutert werden. Nachdem die Wirkungen der (Aus-)Bildungssysteme auf die berufliche Mobilität analysiert werden, wird im Anschluss daran anhand der näheren Betrachtung der aktuellen Literatur die Frage nach der Annäherung des deutschen Systems an das amerikanische gestellt und diskutiert. Ab- schließend wird ein Fazit gezogen, aktuelle Entwicklungen des deutschen Arbeitsmarktes insbesondere im Zusammenhang mit der Zunahme atypischer Beschäftigung noch einmal aufgegriffen und in einen internationalen Kontext gestellt, um darauf aufbauend eine Aussage über zukünftige Entwicklungen treffen zu können.

2. Berufliche Mobilität: Theoretische Ansätze

2.1 Matching auf dem Arbeitsmarkt

Eine der zentralen Funktionen des Arbeitsmarktes besteht in der Allokation von Ar- beitsangebot und -nachfrage (Sengenberger, 1987). Arbeitsmärkte werden damit zu „arenas for the matching of persons to jobs“ (Sørensen & Kalleberg, 1981, S. 52). Um eine effiziente Zuordnung (Match) zu erreichen, müssen die Qualifikationen der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers1 und die Stellenanforderungen des Arbeitgebers möglichst deckungsgleich sein. Denn die Produktivität ist dann am höchsten, wenn eine offene Stelle mit genau der Per- son besetzt werden kann, die für diese Stelle optimal ausgebildet ist und die geforderte Tätig- keit im Vergleich zu anderen potenziellen Arbeitsanbietern am besten ausführen kann. Ande- rerseits will auch der Arbeitnehmer diejenige Arbeit ausführen, die ihm mit seinen Qualifikationen am meisten Nutzen einbringt und konkurriert daher mit anderen Arbeitnehmern auf dem Markt um die vakanten Stellen (Abraham, Damelang, & Schulz, 2011; Sengenberger, 1987). Ausgehend von dieser Annahme gelangt man zu der Frage, wie in einem Arbeitsmarkt die strukturelle Umsetzung dieses Matchingprozesses von statten gehen kann und welche Folgen eine solche Umsetzung mit sich zieht. In der Auseinandersetzung mit dieser Frage vor allem in Hinblick auf einen internationalen Vergleich soll der theoretische Ansatz der Institutionalisierung der Berufe näher beleuchtet werden.

2.2 Beruf als Institution

Im perfekten Markt des neoklassischen Modells ist die Annahme der vollständigen In- formiertheit und Rationalität der Akteure zentral (Abraham & Hinz, 2008). Daher würde das beschriebene Matching auf dem Arbeitsmarkt ohne Institutionen funktionieren, weil sowohl Arbeitgeber über die Qualifikationen und die Produktivität potentieller Arbeitnehmer als auch Arbeitnehmer über Merkmale potentieller Arbeitgeber vollständig informiert sind und sich deshalb den Tauschpartner suchen können, der am besten ihren Anforderungen entspricht. Da die Arbeitskraft (das Tauschgut) homogen und beliebig teilbar ist, wird über die Anpassung des Lohnes (der Preis des Gutes) ein Marktgleichgewicht hergestellt und es kommt zur Markt- räumung, weil jede arbeitswillige Person eine Arbeit finden und annehmen wird (Abraham & Hinz, 2008; Hoffmann, Damelang, & Schulz, 2011). Die unsichtbare Hand des Marktes wür- de deshalb zu optimalen Allokationsergebnissen führen.

Dass diese Annahme des perfekten Marktes in der Realität nicht erfüllt ist, die Akteure also nie gänzlich über alle Eigenschaften ihres Tauschpartners informiert sein können, ist zum einen plausibel anzunehmen und zum anderen durch empirische Tatsachen wie beispielsweise das gleichzeitige Vorhandensein von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit und vakanten Stellen nachzuweisen (Hoffmann et al., 2011, S. 12). Stellt man also die vollständige Informiertheit der Akteure in Frage, so ergeben sich bezüglich des Matchingprozesses am Arbeitsmarkt für beide Seiten Probleme: Der Arbeitgeber weiß nicht, wie produktiv der Arbeitsanbieter ist, und ob es vielleicht noch produktivere Personen gäbe und gleichzeitig ist auch der Arbeitnehmer nicht oder nur unvollständig über die genauen Anforderungen seiner zukünftigen Tätigkeit und den Nutzen aus der Tätigkeit informiert. Daraus entstehen sogenannte Transaktionskos- ten, da sich die beteiligten Akteure die fehlenden und notwendigen Informationen beschaffen müssen. Diese Kosten der Informationssuche gilt es zu minimieren, um trotz der Unsicherhei ten ein effizientes Matching zu erhalten. Eine Möglichkeit der Kostenreduktion kann in der Institutionalisierung von Berufen gesehen werden (Abraham et al., 2011).

Allgemein können Institutionen als Spielregeln der Gesellschaft verstanden werden, die formell oder informell festgelegt sind, verbindlich gelten und deren Einhaltung gesellschaftlich gefordert bzw. deren Nichteinhaltung mit Sanktionen bestraft wird (Abraham & Hinz, 2008; Esser, 2000). Dadurch dienen Institutionen grundsätzlich dazu, in einer Gesellschaft Kooperations-, Koordinations- oder Verteilungsprobleme möglichst effizient zu lösen (Stumpf, Damelang, & Schulz, 2012).

Auch der Beruf kann als solche Institution verstanden werden. So kann er als ein Bün- del von Informationen (Signalen) über die Fähigkeiten und Präferenzen eines typischen Ar- beitnehmers, das mehr oder weniger institutionalisiert sein kann, definiert werden (Abraham et al., 2011). Durch Prozesse wie beispielsweise Spezialisierung, Standardisierung und Zerti- fizierung werden für den Markt bedeutsames Wissen und Fähigkeiten zu „institutionalisierten Kompetenzprofilen“ (Hoffmann et al., 2011, S. 13) gebündelt. Die berufliche Institution kann somit als die Summe von Regeln über die in einer Gesellschaft vorherrschende Verknüpfung zwischen (Aus-)Bildungssystem und Arbeitsmarkt aufgefasst werden, die den Zugang zum Erwerb und den Zugang zur Verwertung von Qualifikationen steuert. Dies hat bei stark insti- tutionalisierten Berufen zur Folge, dass Arbeitgeber durch standardisierte und geregelte Aus- bildungen den Umfang und die Qualität der Qualifikation eines potentiellen Arbeitnehmers kennen und erwarten können. Umgekehrt wissen Arbeitnehmer, auf welche Position sie sich mit einem bestimmten Ausbildungsabschluss bewerben können und welche Tätigkeiten sie auf dieser Position ausüben werden. Man kann also davon ausgehen, dass eine ausgeprägte berufliche Institution Unsicherheiten und Informationsasymmetrien reduziert, Handlungssi- cherheit schafft und ein effizienteres und kostengünstigeres Matching ermöglicht (Abraham et al., 2011). Auf der anderen Seite steigen die Kosten der Informationssuche bei Tätigkeiten, die nicht oder nur gering institutionalisiert sind. Für den Arbeitgeber bedeutet dies beispiels- weise, dass er selbst die Fähigkeiten und die Produktivität eines Arbeitnehmers z. B. durch Assessment Center oder befristete Verträge ermitteln muss (Hoffmann et al., 2011).

Sind institutionalisierte Berufe in einer Gesellschaft etabliert, so ist davon auszugehen, dass dadurch eine gewisse Beschäftigungsstabilität im Erwerbsverlauf entsteht. Da im Falle eines beruflichen Wechsels Teile der erworbenen beruflichen Fähigkeiten nicht mehr produk- tiv eingesetzt werden können, aufgebautes Humankapital also abgeschrieben wird und gleich- zeitig Investitionen in die Erlernung eines neuen Berufes getätigt werden müssen, sind diese Wechsel meist mit hohen Kosten verbunden und dadurch weniger wahrscheinlich (Abraham et al., 2011; Hoffmann et al., 2011; Konietzka & Seibert, 2001): Die erlernten Qualifikationen führen demnach zu festgelegten Wegen auf und innerhalb des Arbeitsmarktes (Übergang von der Ausbildung auf den Arbeitsmarkt bzw. Mobilität zwischen Arbeitsplätzen) (Stumpf et al., 2012). Da von diesen Wegen nur schwer abgewichen werden kann, resultiert aus der Instituti- onalisierung eine „Schließung“ des Berufssegments (Abraham et al., 2011; Weeden, 2002). Eine erhöhte Stabilität kann somit gleichzeitig zu einer reduzierten Flexibilität des Arbeits- marktes führen, weil Personen auch dann noch in ihren einst erlernten Berufen verharren, wenn ein Wechsel in ein anderes Berufssegment bedingt durch äußere Veränderungen, bei- spielsweise konjunktureller, technologischer oder struktureller Art, gesamtgesellschaftlich effizient wäre. Verstärkt wird die Berufstreue durch weitere Mobilitätshindernisse wie der Prozess der Arbeitsmarktsegmentation, der ebenfalls durch die Institutionalisierung der Beru- fe entsteht (Abraham et al., 2011). Da aber der Fokus dieses Beitrags vor allem auf der beruf- lichen Mobilität liegt, wird das Konzept der Arbeitsmarktsegmentierung, das vor allem die betriebliche Mobilität, also Wechsel zwischen Betrieben, behandelt, nicht näher beleuchtet.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass aus theoretischer Perspektive ein Trade-Off zwischen einem möglichst optimalen Match und hoher Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt zu existieren scheint (Stumpf et al., 2012): Stark institutionalisierte Berufe ermöglichen ein gutes Match, Personen in diesen Berufen besitzen aber eine geringe Anpassungsmobilität an Veränderungen. Dagegen sinkt die Wahrscheinlichkeit eines effizienten und kostengünstigen Matches bei gering institutionalisierten Berufen, während Inhaber dieser flexibler und kostengünstiger auf Veränderungen des Arbeitsmarktes reagieren können.

Im Folgenden sollen nun zwei scheinbar typische Vertreter der beiden Systeme, der Arbeitsmarkt in Deutschland und der in US-Amerika, in Bezug auf ihre berufliche Institutio- nalisierung und Mobilität beschrieben und aktuelle Entwicklungen kritisch betrachtet und analysiert werden. Der Fokus liegt dabei auf der beruflichen Mobilität, also dem Wechsel zwischen Berufen bzw. Berufssegmenten (eine kurze methodische Erläuterung dieser Begriffe folgt in Kapitel 3.2).

3. Arbeitsmärkte in Deutschland und US-Amerika

3.1 Institutionelle Bedingungen in Deutschland und den USA: nationale (Aus-) Bildungssysteme

Ausgehend von der in Kapitel 2 theoretisch abgeleiteten Annahme, dass das (national) vorherrschende Bildungssystem in Verbindung mit seiner Verknüpfung zum Beschäftigungs- system einen maßgeblichen Einfluss auf die berufliche Mobilität in einer Gesellschaft ausübt, wird im Rahmen dieses Kapitels der Fokus vor allem auf der Beschreibung der jeweiligen (Aus-)Bildungsinstitutionen gesetzt. Neben diesen existieren noch zahlreiche weitere Ar- beitsmarktinstitutionen wie beispielsweise die Arbeitslosenversicherung oder der Kündi- gungsschutz, die sich ebenfalls auf Berufswechsel auswirken (Gangl, 2004), auf die jedoch im Folgenden nicht weiter eingegangen wird, weil es über den Fokus der Arbeit hinausgeht.

In international vergleichenden Studien wird die Institutionalisierung eines nationalen Bildungssystems häufig anhand des Ausmaßes von Standardisierung und Stratifizierung cha- rakterisiert (Allmendinger, 1989; Hinz, 1999). Standardisierung beschreibt dabei den Grad der Gleichheit der Ausbildungsqualität, während Stratifizierung als Grad der Differenzierung der Ausbildung in der Gesellschaft definiert wird (Abraham & Hinz, 2008, S. 48). Vor allem aus dem institutionellen Merkmal der Standardisierung wird ein Einfluss auf die berufliche Mobilität (als horizontale Bewegung zwischen Positionen ohne wesentliche Veränderung in Status oder Einkommen) vermutet (Stumpf et al., 2012), während aus dem Merkmal der Stratifizierung ein Einfluss auf die vertikale Mobilität, also einem Wechsel im Beruf verbun- den mit einem Aufstieg, angenommen wird (Abraham & Hinz, 2008; Allmendinger, 1989). Daher werden im Folgenden die institutionellen Rahmenbedingungen in Deutschland und Amerika vor allem in Hinblick auf die Standardisierung beschrieben. Da der Fokus auf diesen Aspekt liegt, erhebt die folgende Beschreibung der beruflichen und schulischen Bildungssys- teme keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich einen kurzen Überblick über die institutionellen Gegebenheiten in diesen zwei Ländern geben.

Das allgemeine Bildungssystem in Deutschland zeichnet sich demnach durch eine ho- he Standardisierung aus, auch wenn die Bildungspolitik dezentralisiert und Aufgabe der Bun- desländer ist. Dennoch stellt die Kultusministerkonferenz sicher, dass die Strukturen, Institu- tionen und Lehrpläne in Schulen der gesamten Bundesrepublik vergleichbar sind (Allmendinger, 1989).

Innerhalb des Berufsbildungssystems ist in Deutschland nach wie vor die stark institu- tionalisierte duale Ausbildung vorherrschend (Allmendinger, 1989; Harhoff & Kane, 1995; Konietzka, 2004). Der Zugang zu dieser steht grundsätzlich jedem offen. Demnach absolvie- ren Auszubildende nach Abschließen eines allgemeinbildenden Schulabschlusses ihre berufli- che Ausbildung in einem Betrieb mit gleichzeitigem Besuch einer öffentlich-rechtlichen Be- rufsschule (Reibold, 1997). Die Inhalte der Ausbildung sind durch geregelte Vorgaben und bundesweit normierte Zertifikate stark standardisiert (Abraham et al., 2011). Des Weiteren zeichnet sie sich durch eine starke Differenzierung der Abschlüsse („fachspezifische Schnei- dung“) aus (vgl. Konietzka, 2004, S. 278).

Auch wenn in Deutschland der Großteil der Bevölkerung nach der allgemeinbildenden Schule eine Ausbildung im dualen System absolviert (Konietzka, 2004), existieren daneben 9

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1 Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit wird im folgenden Text auf eine geschlechtsneutrale Formulierung verzichtet. Es sind jedoch immer beide Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung angesprochen.

Details

Seiten
Jahr
2014
ISBN (eBook)
9783668157651
ISBN (Paperback)
9783668157668
Dateigröße
558 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Erscheinungsdatum
2016 (Februar)
Note
1,0
Schlagworte
Mobilität Berufswechsel
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