Die vorliegende Arbeit stellt zunächst verschiedene Facetten des Begriffs „Toxic Leadership“ dar und geht anschließend auf die Determinanten seiner Entstehung, namentlich destruktive Führer, empfängliche Geführte und förderliche Umweltbedingungen, ein. Alle Erklärungen der Ursachen sind jedoch nur dann – abseits der akademischen Auseinandersetzung – von Interesse, wenn sich aus den gewonnenen Erkenntnissen Implikationen für eine originäre Vermeidung oder einer späteren Umwandlung toxischer Führung gewinnen lassen. Dementsprechend soll die Arbeit nicht auf die Ursachen beschränkt bleiben, sondern ebenso einen Blick auf die Konsequenzen, sowie potenzielle Möglichkeiten einer Umwandlung toxischer Führer werfen.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Was ist Toxic Leadership?
1. Dimensionen toxischer Führung
1.1 Ineffektivität
1.2 Unethischer Prozess
2. Kritische Würdigung
III. Determinanten toxischer Führung
1. Destruktive Führer
1.1 Charisma
1.2 Narzissmus
2. Empfängliche Geführte
3. Förderliche Umweltbedingungen
4. Kritische Würdigung
IV. Konsequenzen toxischer Führung
V. Umwandlung toxischer Führung
1. Umwandlung toxischer Führer
2. Umwandlung empfänglicher Geführter
3. Umwandlung förderlicher Umweltbedingungen
4. Kritische Würdigung
VI. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Führung und damit Verantwortung zu übernehmen wird heute gemeinhin als elementar wichtige Eigenschaft charakterisiert, sei es in der Schule, im Studium, im Beruf oder auf dem Fußballplatz. Eine Führungspersönlichkeit zu sein gilt als besondere Auszeichnung und wird von der Mehrheit der Führungsliteratur als erstrebenswerten Endzustand der persönlichen Entwicklung verstanden (vgl. Warneka 2006, S. xix; Hunter et al. 2007, S. 437f.).
Dies ist insofern erstaunlich, als dass die Welt in ihrer aktuellen Gestalt über die Jahrtausende mehrheitlich von Tyrannen in den Formen von Königen, Kaisern oder Diktatoren geformt wurde. Es gibt demnach ein menschliches Bedürfnis nach Führung, welches trotz aller schlechten Erfahrungen fortbesteht. Dies liegt zum einen daran, dass viele Menschen Halt und Orientierung in einer für sie zu komplexen Welt suchen und zum anderen an der latenten Neigung Führungspersonen zu idealisieren.
Der Führung wohnt jedoch, trotz aller Heroisierungen (vgl. Thoroughgood et al. 2011, S. 647), auch eine dunkle Seite inne, welche nicht vereinzelt auftritt, sondern aufgrund ihrer Häufigkeit als Alltagsphänomen und fester Bestandteil nahezu jeder Führungssituation gesehen werden muss (Lipman-Blumen 2005a, S. ix). Will man diese Seite erklären, wäre es am einfachsten und dem üblichen Reflex folgend, der Romantisierung der Führungsperson eine Dämonisierung toxischer Führer entgegenzuhalten. Jedoch stellen beide Ansätze nur einen Ausschnitt der Realität dar. Die Situation ist komplexer und erfordert eine vollständigere und nuanciertere Beleuchtung der kausalen Determinanten schädlicher Führung (Walton 2011, S. 420). Ebenso entscheidend für Erfolg, wie Misserfolg, sind die Geführten und die Umweltbedingungen (Padilla et al. 2007, S. 179f.; Tierney/Tepper 2007, S. 172).
Dieser Herangehensweise folgt die vorliegende Arbeit, indem sie zunächst verschiedene Facetten des Begriffs „Toxic Leadership“ darstellt (II.) und anschließend auf die Determinanten seiner Entstehung (III.), namentlich destruktive Führer, empfängliche Geführte und förderliche Umweltbedingungen, eingeht. Alle Erklärungen der Ursachen sind jedoch nur dann - abseits der akademischen Auseinandersetzung - von Interesse, wenn sich aus den gewonnenen Erkenntnissen Implikationen für eine originäre Vermeidung oder einer späteren Umwandlung toxischer Führung gewinnen lassen.
Dementsprechend soll die Arbeit nicht auf die Ursachen beschränkt bleiben, sondern ebenso einen Blick auf die Konsequenzen (IV.), sowie potenzielle Möglichkeiten einer Umwandlung toxischer Führer (V.) werfen.
II. Was ist Toxic Leadership?
Es existiert keine einheitliche Definition dessen was unter Toxic Leadership zu verstehen ist. Der Begriff wurde zunächst von Whicker (1996) geprägt, umfasst jedoch auch viele andere Strömungen in der Führungsliteratur (vgl. Mehta/Maheshwari 2013, S. 3), welche die dunkle Seite der Führung als destructive (Schaubroeck et al. 2007), abusive (Tepper et al. 2007; Tepper 2000), tyrannical (Ashforth 1994), bullying (Namie/Namie 2000) oder bad (Kellerman 2004) bezeichnen. Obwohl es weitreichende Überschneidungen zwischen den genannten Konzepten gibt, ist wegen der Komplexität der Thematik eine multidimensionale Herangehensweise an den Begriff des Toxic Leadership notwendig (vgl. Lipman-Blumen 2005b, S. 1f.).
1. Dimensionen toxischer Führung
Führung kann ineffektiv und damit schädlich für die jeweilige Organisation sein. Sie kann aber auch unethisch sein, was in der Folge die Geführten und die Gemeinschaft in Mitleidenschaft zieht (Kellerman 2004, S. 32ff.). Ersteres bezieht sich auf das Ergebnis, wohingegen letzteres den Prozess beschreibt. Hierdurch wird ein Feld aufgespannt, welches verschiedenste Kombinationen von ineffektiver und unethischer Führung zulässt (vgl. Weibler 2012, S. 633). Hierbei sind auch die machiavellistische Variante einer effektiven und gleichzeitig unethischen (Ma/Karri/Cittipeddi 2004, S. 33), sowie umgekehrt einer ethisch vorbildlichen, aber für das Unternehmen schädlichen Führung umfasst.
1.1 Ineffektivität
Ineffektivität im Hinblick auf das Ergebnis lässt sich im Kontext des Toxic Leadership dabei unter Umständen bereits an der Geeignetheit der Führung feststellen, die berechtigten Ziele der Geführten, sowie der Organisation zu verwirklichen (Einarsen et al. 2007, S. 207). Verhaltensweisen können geführtenorientiert oder organisationsorientiert sein.
Hieraus lassen sich fünf Varianten des Führungsverhaltens ableiten: Tyrannical leadership behaviour, derailed leadership behaviour, supportive-disloyal leadership behaviour, laissez-faire leadership behaviour und constructive leadership behaviour (Aasland et al. 2010, S. 440). Diese konkretisieren die unterschiedlichen Facetten ineffektiver Führung. Ineffektivität ist insbesondere dann zu erwarten, wenn sich die Zielsetzungen praktisch ausschließlich an den Zielen des Führenden orientieren (vgl. Barsky 2008, S.64; Latham/Locke 2006, S. 334ff.; Schweitzer et al. 2004, S. 423f.).
Beispielsweise wirken die immer mehr auf Quartalserfolgen basierenden Belohnungen (z.B. in der Form von Managerboni) einer verantwortungsbewussten Unternehmensführung entgegen. Es findet ein Überlagerung persönlicher Interessen vor Organisationsinteressen und/oder kurzfristiger Organisationziele über langfristige Organisationsziele statt (Weibler 2012, S. 642; Harvey et al 2007, S. 117). Vor allem die Ziele der Geführten treten immer mehr in den Hintergrund. Langfristige Karrierepläne und die damit verbundene Sicherheit müssen sich dem kurzfristigen Erfolgsdruck des jeweiligen Vorgesetzten beugen. Mithin geben bereits die Zielsetzungen das ineffektive und damit toxische Ergebnis vor. Wegen fehlender Kongruenz von Zielen des Führenden und den Zielen von Organisation und Mitarbeitern ist ein ineffektives Ergebnis zu erwarten.
1.2 Unethischer Prozess
Legt man den Fokus auf den unethischen Prozess ist toxische Führung durch ein Klima des Zwangs, der Manipulationen, der selbstbezüglichen Orientierung, der Realitätsverweigerung, der Überforderung des Personals, sowie der Missachtung abweichender Meinungen gekennzeichnet (Hogan/Hogan 2001, S. 50; Conger/Kanungo 1998, S. 211).
Sie manifestiert sich in verletzenden Verhaltensweisen des Führenden, die vor allem von den betroffenen Mitarbeitern als unfair, unsinnig oder unerträglich empfunden werden (Weibler 2012, S. 643). Hierzu zählen öffentliches lächerlich machen, ungerechtfertigte Bevorzugung einzelner, willkürliche Bestrafungen, Nötigung zu bekanntermaßen ungeliebten Aufgaben, sowie Wutanfälle (Pelletier 2010, S. 374). In bestimmten Fällen tritt sogar physische Gewalt, wie das Werfen von Gegenständen, mit der Faust auf den Tisch schlagen oder unangemessener Körperkontakt jedweder Form, zu Tage (Pelletier 2010, S. 375).
2. Kritische Würdigung
Kellerman (2004) spannt mit ihrem zwei Dimensionen Modell einen geeigneten Rahmen zur Klassifizierung verschiedener Arten von Toxic Leadership auf. In diesen Rahmen lassen sich alle anderen Ansätze und Definitionsversuche der Führungsliteratur integrieren. Gleich einem Koordinatensystem wird eine nuancierte Verortung des jeweiligen Führungsverhaltens ermöglicht. Er stellt daher den idealen Ausgangspunkt für eine Diskussion der Thematik dar.
Keines der Modelle kann jedoch die vollständige Realität abbilden. Gerade bei der Frage toxischer Führung kommt es auf die subjektive Perspektive an. Was ethisch oder unethisch ist liegt allzu oft im Auge des Betrachters. Dies erschwert es in der Realität einen toxischen Führer zu identifizieren. Viel hängt von der jeweiligen Perspektive und den eigenen Zielen ab. Nicht jedes Führungsverhalten ist generell gut oder schlecht. Für manche kann sich ein toxischer Führer als die Chance des Lebens entpuppen, während es für die Geschädigten zum Alptraum werden kann.
Zudem gibt es viele verschiedene Grade an destruktivem Verhalten, sowie Höhe und Art der dadurch verursachten Schäden. Oft sind die Auswirkungen nicht eindeutig bestimmbar. Teilweise hilft die einzelne Maßnahme an einer Stelle, während sie an anderer Stelle schädigend wirkt. Selbst anerkannt große Persönlichkeiten wie John F. Kennedy oder Martin Luther King wurden von vielen bejubelt, jedoch von anderen in einem Maße gehasst, dass es zu ihrer Ermordung kam. Im Folgenden sollen auf Basis der toxischen Triangel von Padilla et al. (2007) die Ursachen der Entstehung toxischer Führung dargestellt werden.
III. Determinanten toxischer Führung
Destruktive Führer, empfängliche Geführte und förderliche Umweltbedingungen bilden eine toxische Triangel und sind die bestimmenden Faktoren, die als Nährboden für toxische Führung dienen können (Padilla et al. 2007, S. 179f.).
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