Gegenstand dieser Hausarbeit ist die Behandlung des Nationalsozialismus in der Kinder- und Jugendliteratur. Zwölf Jahre lang bestimmte das nationalsozialistische Gedankengut das Leben in und um Deutschland. Zwölf Jahre in denen Antisemitismus, Rassismus und Sozialdarwinismus zu unvorstellbaren Gräueltaten geführt haben. Nichtsdestotrotz war Kinder- und Jugendliteratur nach dem zweiten Weltkrieg geprägt von der Nichtbeachtung der jüngsten Vergangenheit. Das Vorspielen einer heilen Welt und die Verleumdung des Geschehenen kam dem „Interesse einer moralisch und politisch kompromittierten Gesellschaft entgegen“ (Steinlein 2008, 313).
Erst gegen 1960 begann sich Kinder- und Jugendliteratur mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Diese Aufarbeitung der Vergangenheit sollte dazu beitragen, dass die Geschichte nicht in Vergessenheit gerät. Denn gerade bei Kindern und Jugendlichen begegnet man häufig einer bedenklichen Unwissenheit im Hinblick auf die deutsche Vergangenheit (vgl. ebd. 336).
Die Unwissenheit und das Nichtauseinandersetzen mit der Vergangenheit bilden jedoch den Nährboden für den leider auch heute in gehäufter Form auftretenden Rassismus. Dieser spiegelt sich vor allem in Form der aktuellen „Flüchtlingsdebatte“ wieder. Seit Anfang diesen Jahres hört man vermehrt von Übergriffen auf Asylbewerberheime, von „besorgten“ Bürgern, von „bösen“ Asylanten.
Besorgniserregend dabei ist vor allem, dass Fremdenhass in Deutschland wieder gesellschaftsfähig geworden ist. „Besorgte“ Bürger dürfen ihre Meinung offen kundtun. Die zunehmende Hetze der Rechtsextremen führt stellenweise zu einer Eskalation der Gewalt, wie man sie zuletzt in der Zeit des Nationalsozialismus erlebt hat.
Vor diesem Hintergrund ist die Relevanz und Aktualität des hier behandelten Themas nicht zu unterschätzen. Denn „nur wenn man sich mit der dunklen Geschichte des Dritten Reichs beschäftigt und aus ihr lernt, kann man verhindern, dass sich ähnliche finstere Kapitel in der Zukunft wiederholen“ (Körner 2000, 153).
Kinder- und Jugendliteratur hat nicht nur den Auftrag zu unterhalten. Sie soll Kindern auch die Möglichkeit geben, sich zu vernunftgeleiteten Erwachsenen zu entwickeln, die die Werte einer freien, sozialen, demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung zu schätzen wissen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kinder- und Jugendliteratur im Wandel
3. Beispiele für KJL über den Nationalsozialismus
3.1. Damals war es Friedrich
3.1.1. Inhaltsangabe
3.1.2. Literarische Gestaltung/ Intention
3.1.3. Entwicklung der Hauptfiguren im Hinblick auf ihre Freundschaft und deren gesellschaftliche Stellung
3.1.4. Eignung für die Schule?
3.2. Als Hitler das rosa Kaninchen stahl
3.2.1. Inhaltsangabe
3.2.2. Literarische Gestaltung/ Intention
3.2.3. Entwicklung der Hauptprotagonisten im Hinblick auf Familie und Gesellschaft
3.2.4. Eignung für die Schule?
4. Funktionen der Darstellung des Nationalsozialismus in der KJL
5. Vergleich stereotyper Merkmale in den Romanen
6. Fazit
7. Literaturangaben
1. Einleitung
Gegenstand dieser Hausarbeit ist die Behandlung des Nationalsozialismus in der Kinderund Jugendliteratur. Zwölf Jahre lang bestimmte das nationalsozialistische Gedankengut das Leben in und um Deutschland. Zwölf Jahre in denen Antisemitismus, Rassismus und Sozialdarwinismus zu unvorstellbaren Gräueltaten geführt haben. Nichtsdestotrotz war Kinder- und Jugendliteratur nach dem zweiten Weltkrieg geprägt von der Nichtbeachtung der jüngsten Vergangenheit. Das Vorspielen einer heilen Welt und die Verleumdung des Geschehenen kam dem „Interesse einer moralisch und politisch kompromittierten Gesellschaft entgegen“ (Steinlein 2008, 313).
Erst gegen 1960 begann sich Kinder- und Jugendliteratur mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Diese Aufarbeitung der Vergangenheit sollte dazu beitragen, dass die Geschichte nicht in Vergessenheit gerät. Denn gerade bei Kindern und Jugendlichen begegnet man häufig einer bedenklichen Unwissenheit im Hinblick auf die deutsche Vergangenheit (vgl. ebd. 336).
Die Unwissenheit und das Nichtauseinandersetzen mit der Vergangenheit bilden jedoch den Nährboden für den leider auch heute in gehäufter Form auftretenden Rassismus. Dieser spiegelt sich vor allem in Form der aktuellen „Flüchtlingsdebatte“ wieder. Seit Anfang diesen Jahres hört man vermehrt von Übergriffen auf Asylbewerberheime, von „besorgten“ Bürgern, von „bösen“ Asylanten. Besorgniserregend dabei ist vor allem, dass Fremdenhass in Deutschland wieder gesellschaftsfähig geworden ist. „Besorgte“ Bürger dürfen ihre Meinung offen kundtun. Die zunehmende Hetze der Rechtsextremen führt stellenweise zu einer Eskalation der Gewalt, wie man sie zuletzt in der Zeit des Nationalsozialismus erlebt hat.
Vor diesem Hintergrund ist die Relevanz und Aktualität des hier behandelten Themas nicht zu unterschätzen. Denn „nur wenn man sich mit der dunklen Geschichte des Dritten Reichs beschäftigt und aus ihr lernt, kann man verhindern, dass sich ähnliche finstere Kapitel in der Zukunft wiederholen“ (Körner 2000, 153).
Kinder- und Jugendliteratur hat nicht nur den Auftrag zu unterhalten. Sie soll Kindern auch die Möglichkeit geben, sich zu vernunftgeleiteten Erwachsenen zu entwickeln, die die Werte einer freien, sozialen, demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung zu schätzen wissen.
2. Kinder- und Jugendliteratur im Wandel
Kinder- und Jugendliteratur hatte lange Zeit einen „heile Welt“ Charakter. Sie hatte insbesondere den Auftrag Kinder auf ihr späteres Leben als Erwachsene vorzubereiten und dementsprechend zu formen. Dieser Literatur kam in erster Linie eine Erziehungsfunktion zu. Kinder sollten zu vernunftorientiertem Denken und tugendhaftem Handeln motiviert werden. Überwiegend vermied Kinder- und Jugendliteratur dabei einen psychologischen Tiefgang, um Kinder nicht zu sehr mit der Realität zu beschweren. Dies änderte sich in der Weimarer Republik. Gab es zunächst vor allem kriegsverherrlichende Werke, machten es sich gegen Ende der zwanziger Jahre einige wenige Autoren zur Aufgabe, den Krieg in seiner ganzen grausamen Härte und mit all seinen Folgen darzustellen. An dieser Stelle ist vor allem das Werk, Im Westen nichts Neues, geschrieben von Erich Maria Remarque, hervorzuheben (vgl. bücher-wiki).
Kinder- und Jugendliteratur im Dritten Reich sollte hingegen primär den Grundsätzen des nationalsozialistischen Regimes entsprechen. „Die auf „Volkwerdung“ und „Gemeinschaft“ ausgerichtete literarische Erziehung war eingebunden in das allgemeine NS-Erziehungskonzept, das auf die Begriffe „Bildung“ und „Individuum“ verzichtete und letztlich darauf abzielte, Kinder und Jugendliche zu manipulieren“ (vgl. Josting 2008, 278). Dabei stand in erster Linie die Schulung des Charakters hin zur Treue dem Staat und dem Führer gegenüber von Kinder und Jugendlichen im Vordergrund. Hitler hatte erkannt, dass Kinder und Jugendliche bei der Verwirklichung seines Führerkults eine maßgebliche Rolle spielen, da in ihnen noch das meiste formbare Potenzial steckt. Er machte sich die Erziehung der Heranwachsenden zur Aufgabe um sie mit seinem nationalsozialistischen Gedankengut zu infizieren. In einer Rede aus dem Jahre 1938 formulierte er dieses Ziel überaus deutlich: „Diese Jugend, die lernt ja nichts anders als deutsch denken, deutsch handeln,[…], und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben“ (vgl. Körner 2000, 83).
Die Kinder- und Jugendliteratur der Nachkriegszeit zeichnet sich hauptsächlich durch eine Verleumdungstaktik aus. „In Zeiten postnationalsozialistischer Verunsicherung besann man sich wieder alter Erzählformen und Stoffe“ (bücher-wiki). Dieser „Neuanfang“ kann als Rückzug in das Altbewährte und als das Ausweichen ins Harmlose gesehen werden (vgl. Steinlein 2008, 313). Das deutsche Volk sah sich selbst als Opfer und unternahm den Versuch sich von den begangenen Gräueltaten des nationalsozialistischen Regimes und seiner Politik zu distanzieren. (vgl. ebd.). In dem Bestreben, die eigene Schuld von sich zu weisen und anderen diese Schuld aufzuerlegen, waren Kinder- und Jugendliteratur vorzugsweise von der Nichtbeachtung der jüngsten Vergangenheit geprägt. Die gesellschaftliche Wirklichkeit stand einer harmonisierenden Beschönigung gegenüber (vgl. Dahrendorf 1974, 61). So wurden literarische Figuren geschaffen, die auf falsche, unglaubwürdige und verlogene Weise zeitlos waren (vgl. Steinlein 2008, 316). „Die Flucht ins Harmlos-Idyllische war erkauft um den Preis des Schweigens über so viele Untaten und der Tabuisierung jeglicher Verweise auf jene Welt, aus der sie hervorgegangen waren und in deren Verlängerung die jungen Leserinnen und Leser von Kinder- und Jugendliteratur zwangsläufig lebten“ (ebd. 316).
Mit der Teilung Deutschlands in die BRD und die DDR zeichneten sich unterschiedliche Tendenzen in der Kinder- und Jugendliteratur ab. Im Folgenden wird dabei ausschließlich die Perspektive der BRD genauer betrachtet. Erste Anfänge einer kritischen Auseinandersetzung mit den damals politischen Gegebenheiten wagte Erich Kästner in seinem Werk Die Konferenz der Tiere. Dieser Roman zeichnet das Bild einer fantastischen Politparabel, mit der Kästner auf die Missstände der damaligen politischen Gegebenheiten aufmerksam machen wollte. (vgl. ebd. 320). Den Anstoß hierfür lieferten unter anderem der vorherrschende kalte Krieg zwischen „Ost“ und „West“ und die zeitgleiche Aufnahme der UNO Gründung. Kästner kreierte dabei kindliche Helden, die als Korrektiv für die Erwachsenen fungierten, indem ihnen die Möglichkeit gegeben wurde, gegen das durch die Erwachsenen begangene Übel, vorzugehen (vgl. ebd. 321).
Gegen Ende der 50er Jahre zeichnete sich eine deutliche Wende in der Kinder- und Jugendliteratur ab. Diese bedeutete eine Abkehr von der bisher vorherrschenden Verdrängungsliteratur hin zu dem, was als Wiedergutmachungsliteratur bezeichnet werden kann. Erstmals wurden die Judenverfolgung und der Nationalsozialismus auf ungeschönte Weise und der damaligen grausamen Realität entsprechend thematisiert. Hervorzuheben ist an dieser Stelle das Tagebuch der Anne Frank (vgl. ebd. 335). Anne Frank steht stellvertretend für die sechs Millionen ermordeten Juden und deren traumatische Erlebnisse während der NS-Zeit. Durch die von Anne geschriebenen Tagebucheinträge können die schrecklichen Erlebnisse ihrer Zeit hautnah „wiedererlebt“ werden. Das Besondere daran ist, dass Anne selbst nicht zur Veröffentlichung ihrer Gedanken beitragen konnte, was wiederum dazu beiträgt, dass es sich um unverfälschtes Gedankengut handelt. Sie stellt die Realität dar, so wie sie sie empfunden hat, so wie sie war.
Grund für die Aufarbeitung der Vergangenheit war das wiedererstarken nationalsozialistischen Gedankenguts in Deutschland, was auch auf bedenkliche Unwissenheit im Hinblick auf das Dritte Reich zurückgeführt werden kann. Dies sollte vor allem zu einer politisch zeitgeschichtlichen Bildung beitragen (vgl. ebd. 336). Schon Erich Kästner betonte: „Den Abgrund der Vergangenheit zu verdecken, hieße den Weg in die Zukunft zu gefährden“ (ebd. 336 f.). Aus diesem Grund ist eine Auseinandersetzung mit der vorliegenden Thematik von besonderer Bedeutung geprägt.
3. Beispiele von KJL über den Nationalsozialismus
Mittlerweile gibt es eine Fülle von Kinder- und Jugendbüchern, die sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen. In der nun folgenden Bearbeitung werden die Romane Damals war es Friedrich von Hans Peter Richter und Als Hitler das rosa Kaninchen stahl von Judith Kerr detailliert betrachtet. Beide Romane beschreiben auf eindrucksvolle Weise die Abgründe des Nationalsozialismus in seinen unterschiedlichen Facetten. Während die Handlung in Richters Roman in Deutschland angesiedelt ist und überaus deutlich die Entwicklung von der Isolierung, Anfeindung und Entrechtung bis zur Ermordung der Juden darstellt (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2008, Dahrendorf 1988, 75f.), zeigt sich in Kerrs Roman ein anderes Bild. Hauptthema dieses Romans ist das Leben der Familie als Flüchtlinge aus der Perspektive Annas. In beiden Romanen lassen sich Bezüge zum aktuellen Zeitgeschehen finden. Auch heute werden Menschen vertrieben und befinden sich auf der Flucht. Auch heute werden Menschen aufgrund ihrer Religion oder ihrer Nationalität in Deutschland angefeindet und von der Gesellschaft ausgegrenzt (Blatt 2006, 1). Die Auseinandersetzung mit der Geschichte des dritten Reiches soll dazu beitragen, dass sich ähnliche Kapitel nicht wiederholen (vgl. Körner 2008, 153). „Neue Wege und bessere Möglichkeiten tun sich nur dann auf, wenn man sich die Irrwege und schrecklichen Beispiele der Geschichte vor Augen führt“ (ebd.153).
3.1. Damals war es Friedrich - Hans Peter Richter
3.1.2. Inhaltsangabe
Hans Peter Richter beschreibt in seinem Buch das Leben zweier Jungen und deren Familien die in der Zeit des Nationalsozialismus im selben Haus aufwachsen. Beide Jungen werden im Jahr 1925 geboren. Zwischen den Kindern entwickelt sich eine Freundschaft. Diese Freundschaft wird jedoch vom erstarkenden Nationalsozialismus überschattet und schließlich brutal beendet. Denn Friedrich Schneider und seine Familie sind Juden. Bei dem Ich-Erzähler, der namentlich nie benannt wird und seiner Familie handelt es sich um Deutsche. Zu Beginn der Handlung ist die jüdische Familie weitaus wohlhabender als die deutsche Familie. Friedrichs Vater ist Beamter bei der Post und scheint in wirtschaftlicher Hinsicht abgesichert zu sein. Die Familie des Erzählers leidet hingegen unter der Arbeitslosigkeit des Vaters und ist finanziell vom Großvater abhängig. Im Laufe der Zeit und aufgrund der unterschiedlichen Religion entwickelt sich das Leben der beiden Familien jedoch vollkommen gegensätzlich. Während die Familie des Erzählers vom Nationalsozialismus profitiert, indem der Vater auf Grund des Beitritts in die NSDAP wieder Arbeit findet, leidet Friedrichs Familie unter der antisemitistischen Gesinnung in Deutschland. Sieht sich die Familie Friedrichs anfangs „nur“ judenfeindlichen Äußerungen ausgesetzt, spitzen sich die Probleme im weiteren Verlauf der Geschichte immer weiter zu und gipfeln schließlich im Tode Friedrichs.
3.1.2. Literarische Gestaltung/ Intention
Der Roman gliedert sich in 32 kurze Episoden. Jede dieser Episoden stellt eine in sich geschlossene kleinere Geschichte dar. Diese enden immer auf einer Pointe und enthalten zumeist einen negativen Beigeschmack zum Thema Judenverfolgung, wobei sich dieses im Laufe der Handlung immer klarer herauskristallisiert. Im Roman finden sich einige Begrifflichkeiten aus der jüdischen Kultur, die jedoch im Anhang erklärt werden. Dadurch wird etwaigen Verständnisschwierigkeiten entgegengewirkt.
Die einzelnen Episoden werden bis auf das Kapitel Salomon aus der Perspektive des Ich- Erzählers dargestellt. Die Geschichte beschränkt sich also auf das, was der Erzähler mitbekommt. Das Erzählte liegt dabei in der Vergangenheit. Dadurch schafft Richter eine gewisse Distanz zum Erzählten, da nur das erzählt wird, was bereits geschehen ist.
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