Im Zentrum der geplanten Projektarbeit steht die Frage, ob und in welcher Form besondere Lichtexpositionen geeignet sind, der „nächtlichen Unruhe“ von Patienten vorzubeugen, die an Demenz erkrankt sind. Es geht also um die Frage, wie Lichtexpositionen, welche bereits für andere Indikationen erfolgreich in einer Studie in Wien angewendet wurden, die circadiane Rhythmik von Demenz-Erkrankten positiv beeinflussen können und wie diese im Pflegealltag praktisch eingesetzt werden könnten.
Zum Krankheitsbild der Demenzerkrankung gehören Schlafstörungen, die nicht selten Anlass für Angehörige sind, demenzkranke Angehörige in eine Pflegeeinrichtung zu geben. „Nächtliche Unruhe“ von Patienten mit Demenzerkrankung ist als pflegerisch relevantes Problem zu werten. Fast 40 % aller Patienten im mittleren Stadium der Erkrankung leiden unter Schlafstörungen, welche die Symptome der Erkrankung verstärken können. Mit zunehmender Dämmerung werden diese Patienten unruhig, gehen aber häufig auch zu früh ins Bett, finden keinen tiefen Schlaf, schrecken nachts auf, irren desorientiert durch die Flure, manchmal heftig erregt, oder sind schon vor der allgemeinen Aufstehzeit hellwach.
Für das Pflegepersonal entstehen neben den nachts durchzuführenden Routineaufgaben zusätzliche Aufgabenfelder: Die umherirrenden Menschen müssen begleitet und oftmals beruhigt werden. Aufgrund des reduzierten Personalschlüssels zur Nachtzeit kann dies jedoch kaum ausreichend gewährleistet werden. In der Fachliteratur wird daher bereits seit Längerem gemahnt, dass mehr individuelle Zuwendung und ein erhöhter Zeitaufwand im Krankenhaus erforderlich seien, um die Qualität der Betreuung dieser Patienten zu sichern.
Inhaltsverzeichnis
1 „Nächtliche Unruhe“ ein pflegerisch relevantes Problem
2 Lösungsansätze
2.1 Medikamentöse Intervention
2.2 Tagesstrukturierende und aktivierende Maßnahmen
2.3 Das Forschungsprojekt St. Katharina in Wien
3 Lichtexposition
3.1 Theoretische Grundlagen der Lichttherapie in Abgrenzung zur Lichtexposition für die Unterstützung der circadianen Rhythmik bei Demenz...
3.2 Therapeutische Lichtexposition und Pflege
3.3 Adaption an räumliche, technische und personelle Gegebenheiten
4 Entwicklung eines Konzepts für die Lichtexposition zur Unterstützung der circadianen Rhythmik
4.1 Technische Umsetzung
4.1.1 Positionierung und Eigenschaften der Beleuchtungskörper
4.1.2 Lichtszenarien
4.2 Pflegerische Umsetzung
4.3 Organisatorische Umsetzung
4.4 Anschaffungskosten
5 Fazit
6 Quellenverzeichnis
7 Anhang
1 „Nächtliche Unruhe“ ein pflegerisch relevantes Problem
Zum Krankheitsbild der Demenzerkrankung gehören Schlafstörungen, die nicht selten Anlass für Angehörige sind, demenzkranke Angehörige in eine Pflegeeinrichtung zu geben. „Nächtliche Unruhe“ von Patienten mit De- menzerkrankung ist als pflegerisch relevantes Problem zu werten. Fast 40 % aller Patienten im mittleren Stadium der Erkrankung leiden unter Schlafstö- rungen (vgl. KÖPFLI/INGLIN 2007: 1-4), welche die Symptome der Erkrankung verstärken können. Mit zunehmender Dämmerung werden diese Patienten un- ruhig, gehen aber häufig auch zu früh ins Bett, finden keinen tiefen Schlaf, schrecken nachts auf, irren desorientiert durch die Flure, manchmal heftig er- regt, oder sind schon vor der allgemeinen Aufstehzeit hellwach: Sie - und meist auch ihr gesamtes Wohnumfeld - leiden an einer Störung des circadia- nen Rhythmus. Häufig gelingt es - auch unter Einsatz sedierender Psychophar- maka oder Schlaf induzierender Mittel - nicht, den ruhigen Nachtschlaf dieser Patienten wiederherzustellen. Durch das Verlassen des Betts zur Nachtzeit ent- stehen zudem gefährliche Sturzsituationen, weil die Patienten aufgrund von Desorientierung, Medikamenteneinfluss oder physischen Einschränkungen oft gangunsicher sind. Die Pflegesituation ist daher für Angehörige, für Mitpati- enten auf den Stationen, für Pflegende und Ärzte keineswegs einfach.
Für das Pflegepersonal entstehen neben den nachts durchzuführenden Routi- neaufgaben zusätzliche Aufgabenfelder: Die umherirrenden Menschen müs- sen begleitet und oftmals beruhigt werden. Aufgrund des reduzierten Perso- nalschlüssels zur Nachtzeit kann dies jedoch kaum ausreichend gewährleistet werden. In der Fachliteratur wird daher bereits seit Längerem gemahnt, dass mehr individuelle Zuwendung und ein erhöhter Zeitaufwand im Krankenhaus erforderlich seien, um die Qualität der Betreuung dieser Patienten zu sichern (vgl. KLOSTERMANN 2004: 841-844).
Im Rahmen meiner Tätigkeit als „Sitzwache“ im Nachtdienst der X-Klinik, einer Klinik für Psychotherapie und Gerontopsychiatrie, konnte ich die „nächtliche Unruhe“ von Patienten mit Demenzerkrankung regelmäßig be- obachten. Immer wieder verließen einzelne Patienten unangekündigt ihr Bett und irrten in den Räumen umher. Bei meiner Ansprache beharrten sie konse- quent darauf, dass es „doch Zeit sei, aufzustehen“, „nach Hause zu fahren“ und ähnliches.
Im Zentrum der geplanten Projektarbeit steht die Frage, ob und in welcher Form besondere Lichtexpositionen geeignet sind, der „ nächtlichen Unruhe “ von Patienten vorzubeugen, die an Demenz erkrankt sind. Es geht also um die Frage, wie Lichtexpositionen, welche bereits für andere Indikationen erfolg- reich in einer Studie in Wien angewendet wurden, die circadiane Rhythmik von Demenz-Erkrankten positiv beeinflussen können und wie diese im Pflegealltag praktisch eingesetzt werden könnten.
Im Hauptteil werden theoretische Grundlagen dargestellt, das Problem definiert und Lösungsansätze vorgestellt (in Anlehnung an PULVER/FREY 2013: 1006; SKJERVE/BJORVATN/HOLSTEN 2004: 343-347). Es werden zunächst in der Institution bereits angewendete Interventionen, etwa die medikamentöse Therapie (DEGRAM-Leitlinie Nr. 12 Demenz, 2008) sowie tagesstrukturierende und aktivierende Maßnahmen (DGPPN/DGN-S3-Leitlinie „Demenzen“, 2009), dargestellt und kritisch reflektiert.
Ziel der Projektarbeit ist es, exemplarisch ein Konzept einer Lichtexposition für die konkrete Pflegesituation, also für die Station der Psychotherapie und Gerontopsychiatrie der X.-Klinik, zu entwickeln. Es sollen Beispiele vorgestellt werden, wie Lichtexposition im Klinikalltag technisch und praktisch umzusetzen und zu evaluieren ist.
2 Lösungsansätze
Schlafstörungen bei Demenzkranken stellen besondere Anforderungen an die medikamentöse Intervention. Medikamente wirken bei Demenzerkrankungen oft paradox. Beispielsweise wird statt einer beruhigenden Wirkung, eine anregende Wirkung erzeugt.
2.1 Medikamentöse Intervention
Hypnotika sind aufgrund ihrer Nebenwirkungen, z. B. Sturzgefahr und Ein- schränkungen der Kognition, nicht zu empfehlen. Nur Medikamente mit einer kurzen Wirkungszeit sind bessere Alternativen. So empfiehlt die Deutsche Ge- sellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin nur leicht sedierende (niedrigpotente) Neuroleptika oder Antidepressiva mit geringer anticholiner- ger Komponente in niedriger Dosierung einzusetzen (DEGAM-Leitlinie Nr. 12 Demenz, 2008).
2.2 Tagesstrukturierende und aktivierende Maßnahmen
Eine Alternative zur medikamentösen Intervention sind tagesstrukturierende und aktivierende Maßnahmen. In Studien wurde deren positive Wirkung auf die Schlafdauer belegt (CONNELL/SANFORT/LEWIS 2007: 194 209). Es wurde aber auch festgestellt, dass schon vermehrte Außenaktivitäten die Häufigkeit des Erwachens in der Nacht deutlich reduzieren. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde/Deutsche Gesellschaft für Neurologie empfiehlt in ihrer Leitlinie eine „angemessene strukturierte Akti- vierung während des Tages“ (DGPPN/DGN-S3-Leitlinie „Demenzen“, 2009).
2.3 Das Forschungsprojekt St. Katharina in Wien 2011
Ein Forschungsprojekt in Wien zeigte 2011, dass Kommunikation, hauswirt- schaftliche Aktivitäten sowie die Beteiligung an sozialen Aktivitäten bei de- menten Bewohnern durch Lichtexposition signifikant verbessert wurden (vgl. SUST et al. 2012: 44). Die Autoren der Studie hielten fest, dass noch zu klären sei, ob Wirkungen bereits bei geringeren Expositionszeiten von Licht zu errei- chen seien und wie sich diese auf den Schlaf auswirken. Eine erste Sichtung von Literatur legt nahe, dass bereits mit geringen Expositionszeiten, aber aus- reichender Stärke, und speziell angepassten Lichtfrequenzen, eine positive Be- einflussung des circadianen Rhythmus erreichbar ist und sich positiv auf den Schlaf auswirkt (vgl. KIM/SONG 2003: 239-243; ferner AARTS 2009: 1959- 1969; PULVER/FREY 2013: 1006). Von einer Autorin wird kritisch angemerkt, dass insbesondere die Lichttherapie einen positiven Einfluss auf die Schlafför- derung hat. Dennoch würde von einer Einführung dieser Intervention in der Pflegepraxis noch abgeraten, weil in den verschiedenen Studien nicht immer die gleiche Lichtintensität verwendet wurde. Es müsse noch weiter geforscht werden, welche Lichtintensität die geeignetste ist (PULVER/FREY 2013: 1006).
3 Lichtexposition
Da Demenzen hauptsächlich bei älteren Menschen auftreten, sollten bei der Anwendung von Lichtexpositionen physiologischen Veränderungen des Auges besonders beachtet werden.
Bei fortschreitender Linsentrübung tritt auch gleichzeitig eine Vergilbung ein, die wie ein Filter wirkt. Dadurch wird blaues Licht schlechter absorbiert, welches die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin beeinflusst. Auch das circadiane System wird gestört, das durch die Blauanteile des Lichts in Rhythmus gehalten wird (VAN DE KRAATS/VAN NORREN 2007: 1842 1857). Die fehlende Rhythmik hat wiederum Auswirkungen auf die Antagonisten Serotonin und Melatonin sowie dem Suprachiasmatischen Nucleus (SCN), ein Areal im Gehirn, das als „Zentrum der Inneren Uhr“ bezeichnet wird. In der Netzhaut (Retina) befindet sich neben den Zapfen für das Farbsehen und Stäbchen für das Dämmerungssehen noch ein dritter Lichtsensor, die sogenannten retinalen Ganglienzellen (ipRGCs). Sie haben eine direkte Verbindung zum SCN des Hypothalamus. Sie sind lichtempfindlich, dienen aber nicht dem Sehvorgang. Sie nehmen nur Helligkeitsunterschiede wahr und regulieren dadurch den circadianen Rhythmus. Die Wissenschaftler entdeckten in diesen nicht-visuellen Fotorezeptoren (ipRGCs) das lichtempfindliche Protein Melanopsin (LUCAS/PEIRSON 2014: 1 9; ferner FGL 2015a: 15).
3.1 Theoretische Grundlagen der Lichttherapie in Abgrenzung zur Licht exposition für die Unterstützung der circadianen Rhythmik bei Demenz
In weiteren Versuchen veränderten die oben genannten Wissenschaftler, durch Impfen von menschlichem Melanopsin, lichtunempfindliche Zellen von Mäusen, zu lichtempfindlichen Zellen . Bei daraufhin durchgeführten Lichtexpositionen, reagierten die Mäuse am empfindlichsten auf das blaue Licht des sichtbaren Spektrums (LUCAS/PEIRSON 2014: 1 9; FGL 2015a: 15).
Die ipRGCs wurden beim Menschen indirekt nachgewiesen, indem man die Versuchspersonen nachts für eineinhalb Stunden mit monochromatischem Licht unterschiedlicher Spektralbereiche bestrahlte und die Konzentration des Melatonins (Schlafhormon) im Blut untersuchte. Dabei fand man heraus, dass Licht mit einer Wellenlänge von 480 Nanometer die Produktion von Melatonin zur Nachtzeit unterdrückt. Daraus folgerten sie, dass die ipRGCs den Supra- chiasmatischen Nucleus mit Informationen über Lichtreize versorgen und dass gleichzeitig die Produktion von Melatonin am Tag verhindert wird. Die ipRGCs sind mit der Epiphyse, dem SCN und dem Hypothalamus verbunden (FGL 2015a: 17). Die Müdigkeit am Abend tritt ein, wenn die Epiphyse Me- latonin ausschüttet. Das Erwachen des Menschen entsteht durch Absinken des Melatoninspiegels und der gleichzeitigen Hemmung der Produktion von Me- latonin durch das aufkommende Tageslicht (ebd.). Um diese Erkenntnisse the- rapeutisch nutzen zu können, muss im Gegensatz zur Lichttherapie, die z. B. bei der saisonal abhängigen Depression Anwendung findet, und hohe Licht- stärken (min. 2.000 Lux) verwendet das Licht großflächig mit geringeren Lichtstärken zwischen 500 und 1.500 Lux aus dem oberen Halbraum ins Auge fallen. Damit ist gewährleistet, dass die besonders empfindlichen ipRGCs im unteren und nasalen Bereich innerviert werden (FGL 2015: 19). Dabei ist die Farbtemperatur sehr entscheidend. Man fand heraus, dass sie tagsüber mög- lichst dem natürlichen Licht mit hohen Blauanteilen ähneln sollte. In den Abendstunden und in der Nacht und am frühen Morgen ist dagegen biologisch nur gering wirksames Licht sinnvoll, um den Anstieg des Schlafhormons Me- latonin nicht zu beeinflussen. So könnte man am Morgen mit kühlweißem Lichtfarben und hohen Beleuchtungsstärken Patienten aktivieren und das Licht zum Abend hin dynamisch mit warmen Lichtfarben und reduzierter Helligkeit gestalten, um beruhigende Wirkungen zu erzielen (FGL 2015a: 19). Einige Autoren stellen fest, dass bisher keine Studien genügende Evidenz erbrachten, um die Wirkung und Stärke der Lichttherapie bei Menschen mit Demenz be- urteilen zu können (vgl. KREUTZNER/RADZEY/STRIFFLER 2010: 47). Unbestrit- ten sei aber, dass Licht ein wichtiger Impulsgeber für den circadianen Rhyth- mus sei und die Regulierung der Melatonin-Ausschüttung steuere (ebd.). Sie stellen die ausschließliche Fokussierung auf die Beleuchtungsstärke in Frage, da mittlerweile nachgewiesen ist, dass die Farbtemperatur bzw. Lichtfarbe ei- nen wesentlichen Einfluss auf die Wirksamkeit des Lichts hat. In den genann- ten Studien sei die Farbtemperatur noch nicht explizit berücksichtigt worden (KREUTZNER/RADZEY/STRIFFLER 2010: 49).
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