Post-Konflikt-Friedensprozesse. Bewertung des Peacebuildingprozesses in Sri Lanka
Zusammenfassung
Im Jahr 2009 endete der fast 30 Jahre andauernde Bürgerkrieg in Sri Lanka durch den Sieg der sri-lankischen Regierung gegen die tamilischen Rebellen der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE). Dass das Ende des Krieges nicht zugleich der Anfang des Friedens ist lässt sich auch anhand des sri-lankischen Beispiels verdeutlichen.
Die folgende Arbeit zeigt, dass Post-Konflikt-Friedensprozesse mitunter schwieriger sein können als jene Verhandlungen und Prozesse die zum eigentlichen Konflikt führten. Viele Faktoren, die für den Ausbruch des Krieges und für die gesellschaftliche Entwicklung prägend wurden, lassen sich bereits in den Zeiten der Unabhängigkeit Ceylons von den britischen Kolonialmächten finden. Besonders wichtig für die Grundlage des heutigen Miteinanders in dem südasiatischen Inselstaat sind die finalen Entwicklungen und die Bedingungen unter denen der Krieg beendet werden konnte. Des Weiteren wird besonders auf die verschiedenen Interessenvertreter eingegangen, die sich bezüglich der Friedenserhaltung sehr unterschiedlich positionieren und verschieden starke Einflussmöglichkeiten auf die friedvollen Entwicklungen innerhalb der sri-lankischen Gesellschaft haben. Die Darstellung dieses Rahmenwerks von Interessen und dessen Machtverteilung bildet den Schwerpunkt dieser Arbeit und soll vor allem die Frage klären, wie das Netzwerk unterschiedlicher Gruppen von Vertretern Friedensprozesse ermöglicht und diese jeweils begünstigt oder einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft entgegenwirkt. Nachdem die Grundlagen und Akteure für den Friedensprozess in Sri Lanka dargestellt werden, zeigt ein kurzer Diskurs wie auch lokal bereits Peacebuilding-Prozesse stattfinden und wie diese zu bewerten sind.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2.Geschichtlicher Kontext
3.Das Ende des Krieges als Übergang zum Frieden
4.Rahmenwerk für Peacebuilding
4.1 Die Sri-Lankische Regierung
4.2 Die Tamilische Opposition
4.3 Die Tamilische Diaspora
4.4 Religiöse Gruppen
4.5 Ausländische Stakeholder
5.Peacebuilding
6.Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Jahr 2009 endete der fast 30 Jahre andauernde Bürgerkrieg in Sri Lanka durch den Sieg der sri-lankischen Regierung gegen die tamilischen Rebellen der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE). Dass das Ende des Krieges nicht zugleich der Anfang des Friedens ist lässt sich auch anhand des sri-lankischen Beispiels verdeutlichen. Die folgende Arbeit zeigt, dass Post-Konflikt-Friedensprozesse mitunter schwieriger sein können als jene Verhandlungen und Prozesse die zum eigentlichen Konflikt führten. Viele Faktoren, die für den Ausbruch des Krieges und für die gesellschaftliche Entwicklung prägend wurden, lassen sich bereits in den Zeiten der Unabhängigkeit Ceylons von den britischen Kolonialmächten finden. Besonders wichtig für die Grundlage des heutigen Miteinanders in dem südasiatischen Inselstaat sind die finalen Entwicklungen und die Bedingungen unter denen der Krieg beendet werden konnte. Des Weiteren wird besonders auf die verschiedenen Interessenvertreter eingegangen, die sich bezüglich der Friedenserhaltung sehr unterschiedlich positionieren und verschieden starke Einflussmöglichkeiten auf die friedvollen Entwicklungen innerhalb der sri-lankischen Gesellschaft haben. Die Darstellung dieses Rahmenwerks von Interessen und dessen Machtverteilung bildet den Schwerpunkt dieser Arbeit und soll vor allem die Frage klären, wie das Netzwerk unterschiedlicher Gruppen von Vertretern Friedensprozesse ermöglicht und diese jeweils begünstigt oder einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft entgegenwirkt. Nachdem die Grundlagen und Akteure für den Friedensprozess in Sri Lanka dargestellt werden, zeigt ein kurzer Diskurs wie auch lokal bereits Peacebuilding-Prozesse stattfinden und wie diese zu bewerten sind.
Das Ziel dieser Arbeit ist es vor allem aufzuzeigen, dass die Beendigung eines Krieges nicht gleich den Anfang eines Friedens ist und dass der Grat zwischen einer friedlichen Koexistenz auf einem Nationalstaatsgebiet und dem Verständnis eines gemeinsamen Staates sehr schmal ist. Vielen Faktoren und Interessen beeinflussen das Miteinander und somit letztendlich auch den Frieden innerhalb einer Nation.
2. Geschichtlicher Kontext
Der nahezu drei Dekaden anhaltende nationale Konflikt in Sri Lanka entwickelte sich unter anderem als Resultat der politischen Veränderungen nach dem Abzug der britischen Kolonialmächte im Jahr 1948. Bereits in diesem Zeitraum sind spezifische Faktoren zu finden die zum einen das Auslösen des Bürgerkrieges begünstigten und die zum anderen über den Konflikt hinaus anhalten und somit einen besonderen Einfluss in der angewandten Friedensbildung darstellen. Im Folgenden wird zum umfassenden Verständnis ein kurzer Einblick in die politische Geschichte im Sri Lanka der fünfziger Jahre, sowie deren Kommunikation und den Zusammenhang mit einer strategischen Ausgrenzung der tamilischen Minderheit gegeben. Der besondere Fokus liegt hierbei auf den singhalesisch-buddhistisch geprägten Verfassungsänderungen, der Festlegung der Amtssprache und dem Aufkommen des zunehmenden linguistischen Nationalismus.
Als grundlegende Ursache für den Beginn des interethnischen Konfliktes werden zwei ungeklärte Fragen gewertet, die die britischen Kolonialherren der jungen indigenen Regierung nach ihrem Abzug hinterließen. In dieser Zeit, zwischen dem fremdregierten Inselstaat Ceylon und dem jungen, unabhängigen Sri Lanka können daher politische Fixpunkte für den langjährigen Konflikt gefunden werden. Zum einen ist das die Frage um das Staatsbürgerschaftsrecht der sogenannten Estate-Tamilen, den Tamilischen Bürgern des Hochlandes, die von der britischen Regierung nicht geklärt wurde. So wurde bereits 1949 mindestens 50 Prozent der Tamilen das Wahlrecht entzogen und nur wenige bekamen das sri-lankische Bürgerrecht, während die Mehrheit als staatenlose Gruppe nach Indien repatriiert wurde. Des Weiteren blieb die Frage um die zukünftige Nationalsprache ungeklärt. Im Jahr 1956 brach eine Diskussion aus, welcher durch die kulturell begründete Entscheidung der Sinhala-nationalistischen Partei Sri Lanka Freedom Party (SLFP) mit der einzigen Amtssprache Singhalesisch entschieden wurde – eine Entscheidung die aus der vorher genannten Diskussion, durch die Wertung des buddhistischen Klerus und die nationalsozialistischen singhalesischen Machthabern, unter Tolerierung der Zurücksetzung der tamilischen und muslimischen Bevölkerung entstand.
Die beiden genannten Punkte zeigen nicht nur einige der Auslöser für den Konflikt im Inselstaat Sri Lanka, sondern auch Faktoren die die Scheidung der Gesellschaft zunehmend begünstigten. Besonders der Sprachkonflikt trieb einen weitreichenden Keil in die Gesellschaft. Zwar wurde in den Folgejahren der zuvor beschriebenen Diskussion eine Einigung gefunden, die bewilligte, dass Tamilisch in den vorwiegend tamilischen Gebieten als offizielle Amtssprache erklärt wurde, jedoch konnte dieses politische Entgegenkommen die bereits entstandene Entwicklungsdifferenz nicht mehr revidieren. So wurden, zum Beispiel, die Aufstiegschancen der indigenen Tamilen durch die verhandlungssichere Fähigkeit in der singhalesischen Sprache als Voraussetzung erheblich bedroht. Die Verstaatlichung der meisten unabhängigen Missionarsschulen, die vorwiegend von Tamilen besucht wurden, kennzeichnet einen weiteren Faktor in der durch Sprache bedingten Ab- und Ausgrenzung der minderheitlichen Bevölkerung. Im Hochschulsystem wurde die englische Sprache zunehmend durch Singhalesisch ersetzt und eine komplizierte Zugangsregelung erleichterte den singhalesischen Hochschulbewerbern den Zugang zu den Bildungsinstitutionen, mit der Begründung durch die SLFP, dass die Gruppe der Tamilen, bzw. die der Sekundarschulabsolventen aus den Distrikten Jaffna und Colombo mit 70 Prozent, überproportional hoch sei. Der tatsächliche prozentuelle Rückgang von tamilischen Hochschulabsolventen war zwar gering, jedoch förderte die explizite Wahrnehmung der tamilischen Studierenden als eine zu regelnde Gruppe die weiterführende Diskriminierung der selbigen und wird als Angriff zur Verstärkung ihrer Schwächung in der Gesellschaft bewertet (Kreuzer; Weiberg, 2007).
Der 1956 verabschiedete „Sinhala only“ – Act, der unter anderem Singhalesisch als einzige Amtssprache in Sri Lanka festlegte, befähigte also nach der britischen Kolonialherrschaft erstmals zirka 74 Prozent der Nation, die der englischen Sprache nicht mächtig waren, bürokratische Handlungen in ihrer Muttersprache durchzuführen. Die offizielle Benutzung der englischen Sprache wurde untersagt, somit auch der tamilischen Bevölkerung, die zu weiten Teilen bessere Englischkenntnisse vorwies. Dieser Akt konnte zum einen als Konsequenz gegen die ausländischen Einflüsse bewertet werden, zum anderen jedoch auch als Möglichkeit der tamilischen Bevölkerung etwaige Vorteile in den Bereichen Bildung und Erwerbstätigkeit abzusagen (Manogaran, 1987). Diese Entwicklung wurde als starke politische Abgrenzung von der nun beendeten britischen Führung gesehen und auch als solche kommuniziert. Neben der Bildungsebene wurde die systematische Ausgrenzung der Tamilen auch auf ökonomischer Ebene gezielt verfolgt, zum Beispiel durch den gezielten Ausschluss von Tamilen aus der expandierenden staatlichen Wirtschaft und Beamtenschaft.
Beide zuvor genannten Faktoren, die Einschränkung der anerkannten Sprachen, sowie die systematische Ausgrenzung der tamilischen Bevölkerung aus weiten Teilen der Wirtschaft und der Politik, förderten die Auseinanderentwicklung der tamilischen und der singhalesischen Gesellschaft in erheblichem Maße. Der Friedens- und Konfliktforscher Kreuzer und die Politikwissenschaftlerin Weiberg gehen in ihrer Beschreibung sogar so weit, dass die beiden Bevölkerungsgruppen sich bis heute, über fünf Jahre nach Beendigung des Konflikzs, stetig und zunehmend voneinander abgrenzten und somit jeweils von einem multiethnischen Staatsverständnis distanzierten. So sehen die Singhalesen, laut Kreuzer und Weiberg, den Begriff der sri-lankischen Nation gleichgesetzt mit dem Verständnis eines Staates der singhalesischen Ethnie und strebten in der Entwicklung eher dem präsidialen Modell nach. Die tamilische Vorstellung zum Staatssystem wird hingegen als eine föderale Ausrichtung mit ethnischer und sprachlicher Vielfalt beschrieben. Als Ursache der wachsenden Kluft in dem sich neu zu entwickelnden Staat werden die Verfassungsänderungen mit singhalesisch-buddhistischer Prägung zum Vorteil der Mehrheitsbevölkerung und der starken Orientierung an einer homogenen Kultur genannt (Kreuzer; Weilberg, 2007).
Der politische Versuch sich auf der einen Seite klar von dem zur Kolonialzeit geführten Regierungsstil abzugrenzen und auf der anderen Seite die Einführung einer liberalen Demokratie unter kultureller Orientierung nach indigenen Mustern zu Gunsten der Mehrheitsbevölkerung zeigen Gründe für den Ausbruch des Konflikts, sowie Richtungen für eine divergierende Entwicklung der Bevölkerung die über die militärische Zeit des Krieges weit hinaus reichen wird. Ausgrenzungen gingen mit Misstrauen einher und wurden von Gewalt geformt und bilden somit Bedingungen die sich nicht alleine durch Waffenstillstand ändern lassen, sondern von vielen wichtigen Faktoren und Personengruppen bestimmt werden, wie im Folgenden weiter erklärt wird.
3. Das Ende des Krieges als Übergang zum Frieden
Im Jahr 2009 wurde der Krieg in Sri Lanka für beendet erklärt und somit die wichtigste Grundlage für einen nachhaltigen Frieden und eine befriedete Gesellschaft geschaffen. Heute, über fünf Jahre nach diesem wichtigen Wendepunkt in der Geschichte des Staates, ist zu sehen dass Frieden nicht dadurch geschaffen wurde, dass sich die ehemals kämpfenden Parteien nicht mehr bewaffnet gegenüber stehen. Prozesse die nachhaltigen Frieden und ein gesellschaftliches Miteinander fördern sind oft weitaus schwieriger und zeitaufwendiger als Entwicklungen die zu einer militärischen Eskalation führen. Der folgende Abschnitt zeigt kurz wie wichtig die finale Phase des Konflikts war und welche Folgen die Entwicklungen in dieser Zeit für die heutige Gesellschaft Sri Lankas haben.
Wie zuvor beschrieben wurde den Sri Lanka-Tamilen, also den tamilischen und muslimischen Minderheiten des Landes, durch die singhalesische Politik zwar der Status einer mitwohnenden Minderheit zugesprochen, jedoch wurde die Möglichkeit in Gemeinschaft ein multiethnisches Sri Lanka zu konstituieren weitestgehend verwehrt. Neben der Entwicklung des ebenfalls zuvor beschriebenen singhalesischen Nationalismus entwickelte sich zur gleichen Zeit auch ein reaktiver tamilischer Nationalismus. Während aufkommende Konflikte zunächst noch auf parlamentarischer Ebene diskutiert und teilweise gelöst werden konnten, verlagerten sich diese zunehmend in die Mitte der Gesellschaft und wurden versucht unter Zivilisten auszutragen. Diese Verlagerung gab, auch aufgrund von sich schnell entwickelnden Mustern in den verschiedenen Gesellschaftsgruppen, dem aufkommenden Konflikt eine stetig wachsende und zunehmend komplizierter werdende Grundlage. Auf der Suche nach politischen Orientierungen, auf den Seiten der Minderheit und der Mehrheit, bildeten sich in den 1970er und 1980er Jahren mehrere militante tamilische Organisationen. Hier ist auch der Ursprung der stärksten Bewegung, der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), anzuordnen. Der Friedensforscher Norbert Ropers stellt die Strategie der singhalesischen, politischen Führung als „ethnic outbidding“ vor, auf die die tamilische politische Radikalisierung mit einem „violence outbidding“ reagierte und erklärt damit den gewaltsamen Widerstand der politischen Führung der tamilischen Bevölkerung. Ropers erklärt weiter, dass der konfliktbedingten Dynamik eine besondere Stellung beizumessen ist. Er erklärt, dass die Transformation des Konflikts nur unter Berücksichtigung der gegenseitigen Abhängigkeit von „ethnic outbidding“ und „violence outbiddung“ zu verstehen sei (Ropers, 2010). Diese Einleitung des Bürgerkriegs in Sri Lanka legt die Grundlage des langanhaltenden Konflikts dar, die es über 30 Jahre lang schaffte den Krieg zu speisen, sowie Misstrauen, Angst und Stigmatisierung innerhalb der Gesellschaft nachhaltig zu fördern. Verschiedene Zählungen haben ergeben, dass der Bürgerkrieg in Sri Lanka bis zu 40.000 zivilistische Todesopfer gefordert hat, diese Zahl macht das Ausmaß des Konfliktes greifbar, jedoch konnte sie bisher nicht statistisch validiert werden (United Nations, 2011). Das Ende des Bürgerkrieges kann als blutiger „Showdown“ des langen Konfliktes gesehen werden. Mithilfe von Massenentführungen von Zivilisten, gezielten Bombardierungen der sogenannten „no fire zones“ und Internierungen von Gruppen der tamilischen Minderheit in Lagern unter menschunwürdigen Bedingungen wurde der Krieg von beiden Seiten zum Ende geführt und wird heute zunehmend unter dem Aspekt der Kriegsverbrechen und als Kritik an der Kriegsführung durch internationale Organisationen diskutiert. Diese und andere Beispiele für die radikale Beendigung des Bürgerkrieges werden als Strategien für den Siegfrieden der sri-lankischen Regierung angeführt und besonders auf internationaler Ebene bis heute analysiert.
Die sri-lankische Regierung wehrt sich strikt gegen die Kritiken und drohende Sanktionen durch internationale Autoritäten, Ropers geht sogar so weit zu sagen, dass die sri-lankische Regierung die während des Krieges verfolgten Handlungsmaxime auch im befriedeten Sri Lanka weiter fortführt und die Nachkriegszeit anhand einer „wer nicht für uns ist, ist gegen uns“-Ideologie gestaltet (Ropers, 2010). Ob diese Strategie Friedensverhandlungen und Peacebuilding-Prozesse zulässt wird im Folgenden beschrieben.
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