Ziel der Arbeit ist es, den komplexen Übergang vom Unendlichen zur fürsichseienden Einheit im Hinblick auf das Verhältnis von Qualität und Quantität in G.W.F. Hegels "Wissenschaft der Logik" (2. Aufl.) näher zu beleuchten.
Nach einer kurzen Einführung in Zielsetzung und Methode der Dialektik in Hegels "Wissenschaft der Logik" werde ich für das Verständnis des Gesamtzusammenhangs den Fortgang der Seinslogik bis zur Kategorie der Unendlichkeit skizzieren.
Ausführlich werden die Kategorien der Unendlichkeit und des Fürsichseins dargestellt mit besonderer Betonung ihres Übergangs. Abschließend erfolgt eine Darstellung der Funktion der fürsichseienden Eins im Übergang von der Qualität zur Quantität.
Inhaltsverzeichnis
1) Einführung
2) Hauptteil
a) Hegels Methodik der Dialektik
b) Fortgang der Seinslogik bis zum Unendlichen
c) Das Unendliche
d) Übergang zum Fürsichsein, der qualitativen Eins
e) Qualitative Eins als Übergang zur Quantität
3) Zusammenfassung
4) Literaturverzeichnis
1) Einführung
Hegels Wissenschaft der Logik (WdL) teilt sich in drei Bücher ein: 1. Die Lehre vom Sein, 2. Die Lehre vom Wesen, 3. Die Lehre vom Begriff. Innerhalb des ersten Buches, der Seinslehre, behandelt Hegel die Abschnitte Qualität, Quantität und Maß. Im ersten Abschnitt über Qualität (Bestimmtheit) führt Hegel mit Hilfe der dialektischen Methode vom unbestimmten Sein und Nichts über die Kategorien Werden, Dasein, Endlichkeit, Unendlichkeit, Fürsichsein, Eines und Vieles, Repulsion und Attraktion. Ab dem Fürsichsein ergibt sich thematisch der Übergang zum zweiten Abschnitt der Quantität (Größe).
In dieser Hausarbeit soll die Weiterentwicklung der Kategorien der Seinslogik von der Unendlichkeit bis zur fürsichseienden Einheit dargestellt werden. Nach einer kurzen Einführung in Zielsetzung und Methode der Dialektik in Hegels WdL werde ich für das Verständnis des Gesamtzusammenhangs den Fortgang der Seinslogik bis zur Kategorie der Unendlichkeit skizzieren. Ausführlich werden die Kategorien der Unendlichkeit und des Fürsichseins dargestellt mit besonderer Betonung ihres Übergangs. Abschließend erfolgt eine Darstellung der Funktion der fürsichseienden Eins im Übergang von der Qualität zur Quantität.
2) Hauptteil
a) Hegels Methodik der Dialektik
Hegel selbst bezeichnet die Logik als das System der reinen Vernunft, als das Reich des reinen Gedankens in Anlehnung an Anaxagoras, der den Gedanken (nous) als das Prinzip der Welt bestimmt hat. (1, S. 44) Aus Platons Ideenlehre verneint Hegel eine Transzendenz dieser Ideen in eine andere Welt außerhalb welcher sich die Welt der Wirklichkeit befinde (1, S44), sondern extrahiert sie als das Allgemeine oder bestimmter den Begriff des Gegenstandes. Hegel betont damit die Verknüpfung von Begriff (Denkbestimmung) und Wirklichkeit, dass diesem Denken das Sein entspreche (1, S. 45).
Für das Verständnis des Fortgangs der Entwicklung des logischen Prozesses der Seinslogik ist Hegels Konzept der Dialektik wichtig. Der logische Prozess ist ein autonomer Prozess, der von einer Bestimmung zur nächsten fortschreitet. Hierbei werden die Kategorien jeweils auf sich selbst angewandt. Diese Bewegung der Selbstanwendung, die reflexives Wissen entfaltet, bezeichnet Hoffmann als das Strukturgesetz der logischen Fortentwicklung (2, S. 289). Diese dialektische Bewegung beschreibt Hegel in der Einleitung der WdL mit Verweis auf ein Beispiel aus der Phänomenologie: „Um den wissenschaftlichen Fortgang zu gewinnen ist die Erkenntnis des logischen Satzes, daß das Negative ebensosehr positiv ist oder daß das sich Widersprechende sich nicht in Null, in das abstrakte Nichts auflöst, sondern wesentlich nur in die Negation seines besonderen Inhalts , oder daß eine solche Negation nicht alle Negation, sondern die Negation der bestimmten Sache, die sich auflöst, somit bestimmte Negation ist; daß also im Resultate wesentlich das enthalten ist, woraus es resultiert …Indem das Resultierende, die Negation, bestimmte Negation ist, hat sie einen Inhalt. Sie ist ein neuer Begriff, aber der höhere, reichere Begriff als der vorhergehende; denn sie ist um dessen Negation oder Entgegengesetztes reicher geworden, enthält ihn also, aber auch mehr als ihn, und ist die Einheit seiner und seines Entgegengesetzten.“ (1, S. 49)
Die dialektische Bewegung in den Begriffen gründet im Widerspruch. Taylor betont, ausgehend von einem einzigen Begriff den wir als Kategorie auf die Wirklichkeit im Allgemeinen anwenden z.B. dem Sein, dass dieser für sich allein betrachtet einen Widerspruch erzeugt, daraus folgend die Notwendigkeit einer bestimmten Veränderung oder Anreicherung des Begriffs wodurch eine neue Kategorie erlangt wird. (4, S. 300)
Hoffmann präzisiert diesen Vorgang der Selbstanwendung bei dem die Kategorie jeweils einerseits erschöpft, andererseits der Boden einer neuen Kategorie wird, die das Resultat der Selbstanwendungsbewegung als Unmittelbarkeit nimmt und damit ihre eigene Bewegung anfängt. (2, S. 291) Dabei bezeichnet Hegel den Status einer Kategorie als nur unmittelbarer ihren „Begriff“, als „Realisierung“ bezeichnet er den nächsten Schritt der Beziehung auf sich selbst und den dritten Schritt die vollständig durch sich auf sich bezogene Kategorie als ihre „Totalität“, in der sie ihre wahre Bedeutung erlangt hat. (ebd.)
Taylor resümiert, die Hegelsche Logik stelle die Kette notwendigerweise miteinander verbundener Begriffe dar, die die begriffliche Struktur der Wirklichkeit angeben. (4, S. 304)
In der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I entwickelt Hegel in den §§79-82 die Methode der Dialektik, bestehend aus 3 Momenten jedes Logisch-Reelen (jedes Begriffes oder jedes Wahren) (5, S. 168-179):
1. die abstrakte oder verständige Seite
Der Verstand erkennt und bestimmt das Seiende. Er bleibt dabei im Endlichen stehen: „Das Denken als Verstand bleibt bei der festen Bestimmtheit und der Unterschiedenheit derselben gegen andere stehen; ein solches beschränktes Abstraktes gilt ihm als für sich bestehend und seiend.“ (5, §80)
2. die dialektische oder negativ-vernünftige Seite
Die negative Vernunft negiert diese Bestimmung und erzeugt so einen Widerspruch. Das immanente Hinausgehen über die Verstandesbestimmungen hebt die Einseitigkeit und Endlichkeit auf: „Das dialektische Moment ist das eigene Sichaufheben solcher endlichen Bestimmungen und ihr Übergehen in ihre entgegengesetzten.“ (5, §81)
3. die spekulative oder positiv-vernünftige Seite
Die positive Vernunft vereint in sich die widersprüchlichen Bestimmungen und hebt sie als Momente in sich auf, enthält somit die Entgegengesetzten als ideelle Momente: „Das Spekulative oder Positiv-Vernünftige fasst die Einheit der Bestimmungen in ihrer Entgegensetzung auf, das Affirmative, das in ihrer Auflösung und ihrem Übergehen enthalten ist.“ (5, §82)
b) Fortgang der Seinslogik bis zum Unendlichen
Hegel beginnt mit dem Sein – mit dem komplett unbestimmten reinen Sein, einfachem Sein, das sonst nichts ist, reine Leere ist, nichts. „Das Sein ist das unbestimmte Unmittelbare.“ (1, S. 83) Diesem äquivalent ist das reine Nichts, die vollkommene Leerheit, Bestimmungs- und Inhaltslosigkeit. (ebd.) Sein und Nichts sind weder in sich unterschieden noch gegeneinander. Als Relation beider aufeinander, als Synthese beider, entsteht das Werden. Das, was entsteht oder vergeht, bewegt sich vom Nichtsein zum Sein oder umgekehrt. (5, S. 307) Diese Bewegung angetrieben durch die formelle Differenz von Sein und Nichts erzeugt im Werden dynamisch die beiden Momente des Entstehens und Vergehens. Bereits Platon verbindet mit dem Begriff Werden den Gedanken einer „Mischung“ aus Sein und Nichts (6, 478e), wobei Platon hier auf die Erkenntnis abzielt, die zwischen dem Moment des unwandelbaren Seins der Idee, dem Sein, welches immer ist, und dem „umhergetriebenen von Werden und Vergehen“ des Pseudo-Seins der Erscheinung steht. (7, S. 187)
Der dynamischen Prozess des Sich-Beziehens des Werdens mit aller „Unruhe“ der Momente des Entstehens und Vergehens wendet sich dialektisch auch gegen sich selbst und indem diese Werdensmomente in ihm verschwinden, verschwindet auch das Werden selbst – das „Verschwinden des Verschwindens“ und aus dem verschwundenen Werden tritt als Telos das Ge-Wordene, das Dasein hervor. (2, S. 298 ff) Hegel beschreibt dieses Resultat als „die zur ruhigen Einfachheit gewordene Einheit des Seins und Nichts. Die ruhige Einfachheit aber ist Sein …Das Werden so als Übergehen in die Einheit des Seins und Nichts, welche als seiend ist oder die Gestalt der einseitigen unmittelbaren Einheit dieser Momente hat, ist das Dasein.“ (1, S. 113)
Mit dem Begriff des Daseins geht Hegel zum bestimmten Sein über und damit zur Endlichkeit, dem endlichen Etwas. Alles Dasein ist differentes Dasein (2, S. 299), in Anlehnung an Spinozas „omnis determinatio est negatio.“ Wie bereits Platon am Beispiel des Theaitetos (8, 263a) erfolgt eine nähere Bestimmung des Daseins nicht nur durch positive Zuschreibungen, sondern durch die Negationen, einiges zu sein und anderes nicht zu sein. Im Etwas wird Realität und Negation vereint und in diesem sein Differentsein auf sich beziehend zum Daseienden, zum individuierten Dasein, das in sich reflektiert ist. Durch die Selbstbeziehung des Etwas negiert es die Negation, indem sie sich in ihr affirmiert. (2, S. 300) Hegel spricht von der „ersten Negation der Negation als einfache seiende Beziehung auf sich“. (1, S. 123)
Hegel gibt an dieser Stelle den ersten Ausblick auf das Fürsichseiende, als nähere Bestimmung des Insichseins, das er als noch unbestimmten Anfang des Subjekts im Etwas bezeichnet. (ebd.)
Mit dem Etwas, dem Resultat einer Vermittlung, und den „anderen“ Etwas tritt nicht nur das Prinzip der Rückkehr des Selbst im Anderen in die WdL, sondern auch der Begriff der Endlichkeit. Damit verknüpft ist der Begriff der Grenze. Hegel beschreibt den Begriff der Grenze als Negation im Dasein. Und nur in und durch seine Grenze ist das Etwas das, was es ist, und diese Grenze geht durch das ganze Dasein hindurch, ist ihm nichts äußerliches. (5, § 92) Aber dieser Begriff der Grenze enthält einen Widerspruch in sich und erweist sich damit als dialektisch. „Die Grenze macht nämlich einerseits die Realität des Daseins aus, und andererseits ist sie dessen Negation.“ (ebd.) Zum Einen grenzt sich darüber das Etwas vom Anderen ab: „Etwas ist an sich das Andere seiner selbst, und dem Etwas wird im Anderen seine Grenze objektiv.“ (ebd.). Zum Anderen steht das Etwas dem Anderen nicht gleichgültig gegenüber, sondern sie stehen in kausaler Wechselbeziehung miteinander. „Das Andere, dem Etwas gegenüber, ist selbst ein Etwas.“(5, § 93)
In der Grenze fallen das was ist, und das was es nicht ist, zusammen; die Grenze ist darum die Totalität des Etwas. (2, S. 304) Eben erst durch die Grenze erhalten die Dinge ihre Form und treten in geordnete Wechselbeziehung untereinander. Dadurch sind alle endlichen Dinge der Veränderung unterworfen und der Vernichtung. (4, S. 312) Der innere Widerspruch in dem sich alle endlichen Dinge befinden, da sie immanent begrenzt sind, ist das Ergebnis der wesentlichen Beziehung des Daseins zu seinem Anderen. „Wenn wir von den Dingen sagen, sie sind endlich, so wird darunter verstanden, … daß sie nicht bloß begrenzt sind …, sondern daß vielmehr das Nichtsein ihre Natur, ihr Sein ausmacht. Die endlichen Dinge sind, aber ihre Beziehung auf sich selbst ist, daß sie als negativ sich auf sich selbst beziehen… Sie sind, aber die Wahrheit dieses Seins ist ihr Ende…Sondern das Sein der endlichen Dinge als solches ist, den Keim des Vergehens als ihr Insichsein zu haben; die Stunde ihrer Geburt ist die Stunde ihres Todes.“ (1, S. 139-140)
c) Das Unendliche
Der Begriff Unendlichkeit existiert bei Hegel in zwei verschiedenen Bedeutungen. Einerseits das schlechte oder negative Unendliche, das die Negation des Endlichen darstellt, die durch diese Negation aber nicht aufgehoben wird, sondern nur sich wiederholt, das Endliche erneut entsteht und dieser Prozess setzt sich bis ins Unendliche fort. (5, §§93, 94) Hegel bezeichnet diesen Versuch des Aufhebens des Endlichen als Sollen, das dem Dasein immanent ist. „Der Progreß ins Unendliche bleibt bei dem Aussprechen des Widerspruchs stehen, den das Endliche enthält, daß es sowohl Etwas ist als sein Anderes.“ (5, §94) In der Sphäre der schlechten Unendlichkeit ist das Endlich eine Schranke, die überwunden werden soll und das Sollen ist Voraussetzung der Wandlung der Grenze zur Schranke: „Als Sollen ist somit Etwas über seine Schranke erhaben, umgekehrt aber hat es nur als Sollen seine Schranke.“ (1, S. 144). Das Unendliche bleibt mit dem Endlichen als solchem behaftet, ist dadurch begrenzt und selbst endlich. (1, S. 156) Dieser Progress ins Unendliche, dieser Wechsel der Bestimmungen, dieser Wechsel von Sollen und Schranke immer nur vom Endlichen zum Endlichen, zum Endlichen usf. (12, S. 43) ist nach Hegel „das Schlecht-Unendliche, das Endliche des Verstandes zu nennen.“ (1, S.152), das dieser aber als die höchste Wahrheit verkennt. Diese resultierende Einheit von Endlichkeit und Unendlichkeit, die die Endlichkeit zur Bestimmung ihrer selbst benötigt, stellt Hegel als Widerspruch dar, der nicht aufgelöst wird.
Im Gegensatz dazu beschreibt Hegel den Begriff des „wahrhaft Unendlichen“, als das Sichaufheben des abstrakten, einseitigen Unendlichen wie des Endlichen als ein Prozess. (1, S. 149) Die Einheit von Endlichem und Unendlichem, in dem beide selbst Momente des Prozesses sind, die gemeinschaftlich das Endliche darstellen, resultiert aus deren gemeinschaftlicher Negation „mit Wahrheit das Unendliche.“ (1, S. 163) Dieses Resultat der Negation ist das Unendliche als In-Sich-Zurückgekehrtsein, Beziehung seiner auf sich selbst, im Sinne des Spekulativen oder Positiv-Vernünftigen, die Aufhebung des Widerspruchs von Endlichkeit und Unendlichkeit. Dieses wahrhaft Unendliche, als Affirmatives, die Negation negierend, ist Sein. Dieses Sein ist bestimmtes Sein, Dasein, im Gegensatz zum Schlecht-Unendlichen, dem Jenseits, das als Negation des real gesetzten Endlichen nur als negativ bestimmt ist. (1, S. 164) Das wahrhaft Unendliche, das Affirmative, die Negation der Negation erreicht nach Hegel selbst eine Idealität, die jener Realität des endlichen Dasein gegenüber gesetzt ist. Dieses Ideelle ist das als Moment des Endlichen im wahrhaft Unendlichen gesetzte.
Das wahrhaft Unendliche vereint das Endliche und das Unendliche, das Unendliche umfasst das Endliche. Das Absolute steht nicht getrennt von der Welt, sondern beinhaltet sie als ihre Verkörperung, als ein geordnetes Ganzes. (4, S. 316) Hegel beschreibt dies symbolisch mit dem Bild des Kreises, einer im Vergleich zur Linie des infiniten Progresses der schlechten Unendlichkeit in sich zurückgebogenen Linie. (1, S. 164) Taylor interpretiert dieses Bild des Kreises als Symbol für ein unendliches Leben, das in einem Kreis endlicher Wesen verkörpert ist, die ihm alle unangemessen sind und daher untergehen müssen, aber in einer notwendigen Ordnung von anderen ersetzt werden. (4, S. 316) Er überträgt dieses Bild weiter auf Kreise von Kategorien, Seinsebenen und Funktionen als endliche und vergängliche Elemente, die von einem unendlichen und ewigen Ganzen, das von nichts Äußerem abhängig ist, umfasst werden. Somit entsteht ein auf Notwendigkeit gegründetes System von Entstehen und Vergehen, ein System wechselnder Daseinsformen auf dem Boden einer im spekulativen Sinne verstandenen Unendlichkeit, bei der es für endliche Dinge außerhalb des Systems des Endlichen keine Grundlage gibt. (4, S. 319)
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