In der vorliegenden Arbeit werde ich im ersten Hauptkapitel versuchen, eine Trennlinie zwischen Trans- und Interkulturalität zu ziehen. Danach beschäftige ich mich mit der Bezugswissenschaft der transkulturellen Literaturdidaktik: der transkulturellen Literaturwissenschaft.
Im dritten Hauptpunkt widme ich mich der transkulturellen Literaturdidaktik. Hier soll ein Einblick in den didaktischen Zugang, mit dem der Name Werner Wintersteiner aufs engste verbunden ist, vermittelt werden. Im Folgekapitel soll eine Begründung für den transkulturellen Literaturunterricht geliefert werden.
Im letzten Hauptkapitel folgen zwei praktische Beispiele, die sich mit Büchern von Feridun Zaimoglu beschäftigen. Darin sind auch Grobplanungen für zwei Stundensequenzen zu je fünf Stunden enthalten. Abschließend sollen die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst werden.
Aufgrund der Vielschichtigkeit der Arbeit fällt es sehr schwer eine konkrete Forschungsfrage abzuleiten, daher habe ich mich für drei Fragen entschieden:
I. Wie kann Transkulturalität von Interkulturalität abgegrenzt werden?
II. Wodurch unterscheidet sich die transkulturelle Literaturdidaktik von anderen literaturdidaktischen Ansätzen?
III. Wie können die theoretischen Grundgedanken der transkulturellen Literaturdidaktik praktisch umgesetzt werden?
Diese Fragen werden in der vorliegenden Seminararbeit behandelt.
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort
2 Begriffsdefinitionen: Transkulturalität vs. Interkulturalität
3 Die Herausbildung einer transkulturellen Literaturwissenschaft
4 Transkultureller Literaturunterricht und seine Grundzüge
5 Begründung der Notwendigkeit eines transkulturellen Literaturunterrichts
6 Praktische Beispiele
6.1 Das Leben und Schaffen von Feridun Zaimoglu
6.2 Kanak Sprak
6.2.1 Informationen zum Buch
6.2.2 Konzeption einer Stundensequenz: Grobplanung
6.3 Liebesmale, scharlachrot
6.3.1 Informationen zum Buch
6.3.2 Konzeption einer Stundensequenz: Grobplanung
7 Zusammenfassung
8 Bibliographie
1 Vorwort
Multikulturalität, Globalisierung, Mehrsprachigkeit: Themen, die Teil unseres Alltages und somit auch Teil der schulischen Wirklichkeit sind. Egal ob Politik, Wirtschaft oder Kunst, es gibt keinen Bereich, der nicht von dieser Entwicklung erfasst wurde. Reflektiert man die Wahlkämpfe der letzten zehn Jahre, so erkennt man sehr rasch, dass es gegenwärtig kaum eine populärere Thematik gibt. Die eine Gruppe feiert sie und die andere Gruppe verdammt sie. Da die letztere Position immer mehr Anhänger zu finden scheint, ist es für uns zukünftige LehrerInnen von ganz besonderer Wichtigkeit ein Gefühl für den Chancenreichtum, der damit einhergeht, bei unseren Schülerinnen und Schülern zu wecken.
2014 ist in unserem Land ein wichtiges Gedenkjahr. Im Zuge dessen sollte allerdings auch die Zeit vor 1914 reflektiert werden. Das Österreich habsburgischer Ausdehnung umfasste unterschiedlichste Völker – deren kulturelle Einflüsse haben genau das, was wir heute als typisch österreichisch bezeichnen, mitgestaltet. Auch wenn wir diverse Einwanderungs- und Flüchtlingswellen ausblenden würden, gäbe es auch im heutigen kleinen Österreich noch deutlich spürbare Elemente des ehemals sogenannten Schmelztiegels der Nationen.
Die in den Klassen herrschende Mehrsprachigkeit ist für Österreich ein großer Gewinn. Damit gehen auch aus literaturdidaktischer Sicht neue methodische Zugänge und Sichtweisen einher. Selbst seit Jahrzehnten festgefahrene Themen, wie beispielsweise die Kanonsfrage, können und müssen neu gestellt werden.
Transkulturalität ist ein Schlagwort, welches breite Wellen geschlagen hat. Meiner Einschätzung nach hat es ebenso viele Anhänger wie Gegner. Auch die Abgrenzung zur Interkulturalität ist keine Leichte und daher wird die Trennlinie von jedem Wissenschafter ein wenig anders gezogen. Diese Seminararbeit beschäftigt sich mit Transkulturalität aus literaturdidaktischer Perspektive.
Im Bezug auf den Aufbau der Arbeit lässt sich folgendes festhalten: Im ersten Hauptkapitel werde ich versuchen eine Trennlinie zwischen Trans- und Interkulturalität zu ziehen. Danach beschäftige ich mich mit der Bezugswissenschaft der transkulturellen Literaturdidaktik: der transkulturellen Literaturwissenschaft. Im dritten Hauptpunkt widme ich mich der transkulturellen Literaturdidaktik. Hier soll ein Einblick in den didaktischen Zugang, mit dem der Name Werner Wintersteiner aufs engste verbunden ist, vermittelt werden. Im Folgekapitel soll eine Begründung für den transkulturellen Literaturunterricht geliefert werden. Im letzten Hauptkapitel folgen zwei praktische Beispiele, die sich mit Büchern von Feridun Zaimoglu beschäftigen. Darin sind auch Grobplanungen für zwei Stundensequenzen zu je fünf Stunden enthalten. Abschließend sollen die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst werden.
Aufgrund der Vielschichtigkeit der Arbeit fällt es sehr schwer eine konkrete Forschungsfrage abzuleiten, daher habe ich mich für drei Fragen entschieden:
I. Wie kann Transkulturalität von Interkulturalität abgegrenzt werden?
II. Wodurch unterscheidet sich die transkulturelle Literaturdidaktik von anderen literaturdidaktischen Ansätzen?
III. Wie können die theoretischen Grundgedanken der transkulturellen Literaturdidaktik praktisch umgesetzt werden?
Die Seminararbeit entstand im Rahmen des Seminars Mehrsprachigkeit an der Universität Wien bei Mag. Helga-Elisabeth Schabus-Kant. Es soll der Veranschaulichung der im Seminar erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie der Erfüllung der Benotungskriterien dienen.
2 Begriffsdefinitionen: Transkulturalität vs. Interkulturalität
Die beiden Begriffe Transkulturalität und Interkulturalität scheinen in der fachdidaktischen Diskussion immer wieder zu verschwimmen bzw. zu zahlreichen Missverständnissen zu führen. Daher ist es mir ein besonderes Anliegen an den Beginn dieser Arbeit Überlegungen zu stellen, die eine deutlichere Abgrenzung ermöglichen und zu einem näheren Verständnis beitragen sollen.
Subklew umzeichnet den Begriff Interkulturalität auf der Homepage von Europa erleben als ein Verständnis, welches die Vielfalt der Ethnien und ihrer Kulturen in ihrer Verschiedenheit bewusst wahrnehme. Diese Verschiedenheit könne sich auf die Hautfarbe, Religion oder ähnliches beziehen, auf jeden Fall referiere man auf eine Andersartigkeit, die wahrgenommen werde. Als solche erhielte sie Raum bei Integrationsdebatten und Vergleichbarem. Dennoch vertrete man nicht die Ansicht, dass diese Andersartigkeit und das damit verbundene Nationalbewusstsein durch den Faktor Zeit aufgelöst werden könne. Die beiden Begriffe Integration und Assimilation werden streng voneinander unterschieden. (Vgl. Subklew 2010: Europa erleben/Interkulturalität)
Die Erfahrung der Verschiedenheit der Menschen und der Kulturen, gehöre inzwischen zu unserem Alltag. Für einen respektvollen Umgang brauche es daher Kompetenzen, die zu der Akzeptanz verschiedener Lebensformen beitragen würden. Im folgenden Zitat wird dieser Gedanke meines Erachtens nach sehr gut auf den Punkt gebracht: „Wir finden also unsere eigene Identität in der eigenen Gruppe, um den Kontakt zu den anderen Gruppen zu suchen. Wir gelangen so zu einer Vernetzung unserer Kulturen, Interkulturalität genannt.“ (Subklew 2010: Europa erleben/Interkulturalität)
Spricht man über die Unterschiede der beiden im Mittelpunkt stehenden Begriffe, darf die Erwähnung des Aufsatzes Transkulturalität. Lebensformen nach der Auflösung der Kulturen von Wolfgang Welsch nicht ausbleiben. Darin betont er die Notwendigkeit einer Abschaffung der Interkulturalität und Ersetzung durch den Begriff Transkulturalität. Seine Ansichten kommen im folgenden Zitat besonders deutlich zum Ausdruck:
Ob man an die Lebensform des Arbeiters oder des Intellektuellen, des Managers oder des Fremdenführers denkt: Sie sind weltweit und transkulturell gleich – was auch faktisch zunehmenden Austausch zur Folge hat. Nationale Prägungen werden eher als hinderlich betrachtet, als anachronistische Überstände, die es abzuschleifen gilt. (Welsch 1994: 159)
Interkulturalität hingegen beschreibt Welsch als etwas Negatives und vergleicht den Begriff plakativ mit den Funktionen der Polizei:
(E)s braucht eine Polizei nach innen wie nach außen: nach innen, um über die Authentizität der Kultur zu wachen, die nicht durch Importe verwässert, durch Einwanderung untergraben werden darf; nach außen, um die Grenzen dicht zu halten: kein freier Warenverkehr zwischen den Kulturen, hohe Schutzzölle und Kennzeichnungspflicht für jeden Kulturartikel. (Welsch 1994: 153)
Er selbst bringt seine Definition von Transkulturalität in dem Artikel Migration und Kultureller Wandel sehr verständlich zum Ausdruck:
Die heutigen Kulturen entsprechen nicht mehr den alten Vorstellungen geschlossener und einheitlicher Nationalkulturen. Sie sind durch eine Vielfalt möglicher Identitäten gekennzeichnet und haben grenzüberschreitende Konturen. Das Konzept der Transkulturalität beschreibt diese Veränderung. Es hebt sich ebenso vom klassischen Konzept der Einzelkulturen wie von den neueren Konzepten der Interkulturalität und Multikulturalität ab. (Welsch 1995: 1)
Auch Wintersteiner knüpft an Welsch an und konkretisiert seinen Gedankengang auf zwei Hauptpunkte, die an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben sollen:
- Erstens, dass kulturelle Mischung, Multikulturalität und Mehrsprachigkeit nicht den Ausnahmezustand, sondern den Normalzustand darstellen. Damit wird jeder Vorstellung einer »homogenen Leitkultur« eine Absage erteilt.
- Zweitens, dass dieser Zustand nicht widerwillig hingenommen werden soll, sondern einen positiven Wert darstellt, der das alte Ideal der Reinheit, der Monokulturalität und des Monolingualismus ablösen sollte. Damit wird die Vorstellung verabschiedet, dass MigrantInnen (und besonders ihre Kinder in der Schule) »desorientiert« seien und sie sich an der (vorgeblich stabilen) Kultur des Aufnahmelandes orientieren sollen. Sie sind vielmehr als gleichberechtigte GestalterInnen dieser Kultur zu verstehen. (Winterseiner 2010: 22)
Dennoch muss an dieser Stelle auch betont werden, dass Welschs Verständnis von Transkulturalität nicht unumstritten ist und sogar als eine Art Utopie und Sackgasse gesehen wird. Dies wird auch in Subklews Verständnis der Transkulturalität deutlich.
Subklew sieht Transkulturalität wie folgt: „Wenn ich diese Beschreibung auch noch für Wunschdenken halte - wir sind höchstens auf dem Wege dahin - wäre es auch meiner Ansicht nach schade, wenn es zu einer Einheitskultur käme.“ (Subklew, 2010: Europa erleben/Transkulturalität)
Auch Bredella wirft Welsch vor, dass seine Einschätzungen immer ein Vermischen von deskriptiven und normativen Momenten darstelle. Empirisch überprüfbare Behauptungen und Forderungen würden verschmelzen, wodurch sich das Konzept von einem Hauch Utopie durchsetze. (Vgl. Bredella 2010: 127f)
Auch Iljassova-Morger macht sich Gedanken über die Nachteile der Transkulturalität und fasst sie unter folgenden Hauptgedanken zusammen:
- Rückgriff auf das „traditionelle“ Kulturkonzept
- Anspruch auf absolute Gültigkeit
- Das Problem der Macht: Asymmetrie in den kulturellen Hierarchien (Vgl. Iljassowa-Morger 2009: 40-43)
Zuletzt möchte ich betonen, dass man beim Hantieren mit diesen Begrifflichkeiten immer auch die dahinterstehenden Wertvorstellungen bedenken und reflektieren sollte. In dieser Arbeit aber werde ich mich dezidiert mit transkulturellem Literaturunterricht beschäftigen. Interkulturelle Ansätze müssen aufgrund der eingeschränkten Umfangsmöglichkeiten ausgeblendet werden.
3 Die Herausbildung einer transkulturellen Literaturwissenschaft
Iljassova-Morger beschreibt den steinigen Weg der Aufnahme der Transkulturalität in die Literaturwissenschaft und zeichnet den Entwicklungsstrang sehr anschaulich nach.
Das Konzept der Transkulturalität führte bereits am Ende der 1990er Jahre zur Begründung zahlreicher Forschungsbereiche. Dabei können die transkulturelle Pädagogik, die transkulturelle Genderforschung und die transkulturelle Psychologie als Beispiele genannt werden. In der germanistischen Literaturwissenschaft hingegen stieß er zunächst auf Ablehnung, was beim Literatur- und Kulturwissenschafter Mecklenburg besonders deutlich zum Ausdruck komme. (Vgl. Iljassova-Morger 2009: 37) Diejenigen, die sich dennoch für die Aufnahme des Begriffes entschieden wurden von Mecklenburg abwertend als „Begriffsmodenarren“ bezeichnet. Auch am Konzept selbst ließ er kein gutes Haar und verwendete zur Beschreibung desselben die Wörter undurchdacht und unpraktikabel. (Vgl. Mecklenburg 2008: 90)
Dennoch kann Iljassova-Morger die Verneinung der Einführung des neuen Paradigmas zum Teil nachvollziehen. Immerhin habe es Jahre gebraucht, bis man brauchbare Vorstellungen einer interkulturellen Literaturwissenschaft entwickelt hatte und die Motivation zur neuerlichen Aufnahme der Arbeit zu dieser Zeit nicht besonders überschwappend gewesen sei. „Die Folge sind zahlreiche Debatten, ob das „Trans“ das „Inter“ ersetzen soll oder ob „Inter“ als ein übergeordneter Begriff für alle Prozesse verwendet werden kann, in denen verschiedene Kulturen auf die eine oder andere Weise kommunizieren.“ (Iljassova-Morger 2009: 37)
Trotz aller Skepsis kam man nach einiger Zeit in der germanistischen Literaturwissenschaft zu der Frage, wie Transkulturalität und Literaturwissenschaft miteinander verbunden werden konnten. Wie können die beiden Bereiche voneinander profitieren? Welche neuen Perspektiven eröffnen sich?
Sehr rasch kam man zu der Feststellung, dass es zwischen der Literatur weltweit zahlreiche Prallelen und Überlappungen gibt. Diese Beobachtung steht in sehr engem Zusammenhang mit dem Transkulturalitätskonzept und so wurde in der Folgezeit Transkulturalität als eine wichtige Eigenschaft literarischer Werke problematisiert. (Vgl. Iljassova-Morger 2009: 43)
Beobachtet werden kann, dass sich in letzter Zeit als transkulturell bezeichnete Diskurse dezidiert von interkulturellen Diskursen abzuheben beginnen. In Folge sollen einige Beispiele aufgelistet werden: Inter- und transkulturelle Studien (Antor Hrsg. 2006), Transcultural German Studies/Deutsch als Fremdsprache. Building Bridges/Brücken bauen (Martinson/Schulz Hrsg. 2008), Transkulturelle Begegnungen (Sandten et al. Hrsg. 2006). Ein wichtiges gemeinsames Kennzeichen ist die Abkehr von den nationalphilologischen Lokalisierungen und ein Anstreben einer fächerübergreifenden transkulturellen Literaturwissenschaft. (Vgl. Iljassova-Morger 2009: 45)
Immer wieder kommt auch die Diskussion auf, ob transkulturelle- und interkulturelle Literaturwissenschaft einander ergänzen würden oder ob sie nicht viel mehr in Konkurrenz zueinander zu sehen seien. Diese Frage kann auch aus gegenwärtiger Sicht nicht eindeutig beantwortet werden. Dennoch beschreibt Iljassova-Morger das interessante Symptom der Beziehung zwischen interkultureller und transkultureller Literaturwissenschaft wie folgt: Vertreter der interkulturellen Literaturwissenschaft würden die Leistungen der transkulturellen Literaturwissenschaft meist ignorieren und herunterspielen. Transkulturelle Literaturwissenschafter hingegen würden sich viel mehr für ein Sowohl-als-auch einsetzen und die Leistungen der interkulturellen Literaturwissenschaft keineswegs negieren. (Vgl. Iljassova-Morger 2009: 46)
Auch Frank Schulze-Engler betont, dass die interkulturelle nicht einfach durch die transkulturelle Sichtweise ersetzt werden könne: „Die Problemhorizonte des ‘interkulturellen’ [scheinen] keineswegs historisch ‘erledigt’ zu sein; sie bedürfen allerdings der Ergänzung durch eine transkulturelle Perspektive, die nicht nur in den Kultur- und Literaturwissenschaften zunehmend wichtiger wird.“ (Schulze-Engler 2008: 41)
Auch Iljassova-Morger greift auf Welsch zurück und kritisiert seine Forderung nach einer Ersetzung:
Die transkulturelle Perspektive sollte also auf keinen Fall als Bedrohung oder Infragestellung der ‘interkulturellen Literaturwissenschaft’ angesehen werden, sie eröffnet vielmehr zusätzliche Einblicke in die Besonderheiten der grenzüberschreitenden Literaturrezeption und -produktion. Anders als dies Welsch tut, sollten die Interkulturalität und Transkulturalität nicht als konkurrierende, sondern als einander ergänzende Konzepte verstanden werden. (Iljassova-Morger 2009: 46)
4 Transkultureller Literaturunterricht und seine Grundzüge
Wirtschaftliche Migration führt zu Massenmigration und diese wiederrum erfordert neue Umgangsmöglichkeiten mit den veränderten Lebensbedingungen. Eng einher geht damit die kulturelle mediale globale Vernetzung, was uns dazu zwingt unser eingefleischtes Persönlichkeitsmuster zu verlassen und neue Persönlichkeitsaspekte auszubilden. Das Konfliktpotential wächst an, wodurch der Ruf nach Ausbildung neuer Fähigkeiten, die das Zusammenleben der Menschheit erleichtern, immer lauter wird. Diese Fähigkeit wird im Fachjargon die Fähigkeit zur interkulturellen Kommunikation genannt. Die Schule soll den zukünftigen Erwachsenen den Weg zu einem friedlichen und demokratischen Zusammenleben in der Verschiedenheit aufzeigen. (Vgl. Wintersteiner 2010: 21)
Wintersteiner sieht den Schlüssel dazu in der „Poetik der Verschiedenheit“. Was er wie folgt darlegt: „Dabei geht es keineswegs nur um kulturelle oder ethnische Verschiedenheiten. Soziale Unterschiede kommen oft in kulturellen Charaktermasken daher, aber Sprache und Kultur werden auch direkt zu Instrumenten der Machtausübung, nicht zuletzt im Bildungswesen.“ (Wintersteiner 2010: 21)
Für die Nutzung dieses Schlüssels ist der Literaturunterricht natürlich in besonderer Weise geeignet. Die Auseinandersetzung mit Literatur fördert die Begegnung mit Anderen und Fremden ebenso wie die Herausbildung einer Ich-Identität. Dabei werden dargestellte Bilder oder Werthaltungen nicht einfach übernommen, sondern kritisch reflektiert. (Vgl. Wintersteiner 2010: 21)
Literatur erlaubt die Auseinandersetzung mit Sprache und über Sprache und dient somit dem Erwerb von Weltwissen und der Ausbildung von Selbst-Bewusstsein. Literatur, als fiktive zweite Welt, führt schon durch ihre Existenz vor Augen, dass Anderssein möglich ist — das eigene Anderssein wie auch eine andere Gesellschaft, eine andere Welt. (Wintersteiner 2010: 21)
Wo aber liegen die Aufgabenfelder einer transkulturellen Literaturdidaktik? Diese lassen sich im Bezug auf Texte, Subjekte, Methoden und Unterrichtssituationen bestimmen. Anreize kommen aus den unterschiedlichsten Richtungen. Beispielsweise aus dem radikalen Konstruktivismus und auch dem Dekonstruktivismus. (Vgl. Iljassova-Morger 2009: 49)
Lange Zeit missbrauchte man die Literatur für die Herausbildung des eigenen Nationalbewusstseins, wodurch die Sicht auf die Vielschichtigkeit und Weite der Weltliteratur verstellt blieb. Dem kehrt man zwar mittlerweile den Rücken, dennoch gelang die Loslösung des Literaturunterrichts vom nationalen Paradigma nicht. (Vgl. Wintersteiner 2010: 21)
Das gesamte reiche Universum des Literarischen wird in nationale Literaturen eingeteilt, als ob das seine wichtigsten Bestimmungslinien wären. Der Unterricht konzentriert sich, trotz einiger unübersehbarer Fortschritte, darauf, das jeweils »Eigene« — die in der »eigenen Sprache«, im »eigenen Land« verfasste Literatur — zu präsentieren, sei es im muttersprachlichen wie im fremdsprachlichen Literaturunterricht. (Wintersteiner 2010: 21f.)
Dabei ist die Literatur selbst es, die sich längst nicht mehr an beliebige Landes- und Sprachgrenzen hält. Übersetzungen und intertextuelle Bezüge sind ein fixer Bestandteil unserer alltäglichen Literaturrezeption. Globalisierung und die zahlreichen Migrationswellen haben eine neue Literatur hervorgebracht, die „Weltliteratur der Migration“ genannt wird. Homi Bhaba charakterisierte die Weite dieser Literatur wie folgt:
Während einst die Weitergabe nationaler Traditionen das Hauptthema einer Weltliteratur war, können wir jetzt möglicherweise annehmen, dass transnationale Geschichten von Migranten, Kolonisierten oder politischen Flüchtlingen — diese Grenzlagen — die Gebiete der Weltliteratur sein könnten« (Bhabha 2000, S.18).
Eine Entwicklung, die von der Bezugskunst Literatur vollzogen wird, darf natürlich auch im Literaturunterricht nicht ausgeklammert werden. Dabei darf man nicht dem Irrglauben verfallen, es handle sich lediglich um ein spezielles Programm für Migrantinnen und Migranten. Beim transkulturellen Literaturunterricht sollen alle gleichermaßen eingebunden werden und davon auch gleichermaßen profitieren. (Vgl. Wintersteiner 2010: 22)
Was unterscheidet den transkulturellen Literaturunterricht von anderen Ansätzen? Die beiden Hauptaspekte können sehr kurz zusammengefasst werden. Einerseits wird die Literatur aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, andererseits liegt eine andere Literatur im Fokus der Auseinandersetzungen. In der Beschäftigung mit Literatur werden Gemeinsamkeiten, Unterschiedlichkeiten sowie das Dazwischen von unterschiedlichen Literaturen untersucht. Ebenso werden sprachliche, kulturelle, wirtschaftliche und politische Machtverhältnisse beleuchtet. (Vgl. Wintersteiner 2010: 23)
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