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Soziale Arbeit zwischen Hilfe und Kontrolle. Eine Analyse mithilfe Foucaults Machttheorie

©2015 Hausarbeit 21 Seiten

Zusammenfassung

Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, dass die Soziale Arbeit in die Gesellschaft und die Herstellung und Produktion von Machtverhältnissen eingebunden ist. Außerdem geht es um eine Dekonstruktion der alltagsweltlichen Vorstellung einer Macht, deren Auswirkungen und Zielsetzungen stets negativ konnotiert sind und damit ihre eigentlichen Funktionsweisen verschleiern.

Im Folgenden werde ich mich mit Michel Foucaults Machttheorie in Bezug auf die Funktion der Hilfe und Kontrolle in der Sozialen Arbeit auseinandersetzen. Dabei werde ich vor allem auf den Text „Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses“ eingehen und mich mit den Begriffen der Normalität, der Abweichung und Macht beschäftigen, da dies für die Foucaultsche Theorie von Bedeutung ist.

Es wird methodisch wie folgt vorgegangen: Im ersten Kapitel wird Foucaults Machtbegriff analysiert, dessen Verständnis die Voraussetzung für die folgenden Textabschnitte darstellt. Das zweite Kapitel ist eine Hinführung zu den beiden nächsten Kapiteln und behandelt die Geburt der Disziplin und der Fokussierung einer Gesellschaft auf die Nützlichkeitssteigerung der Individuen.

Die nächsten beiden Kapitel thematisieren zum einen die Disziplinierung und die Durchdringung der Körper mithilfe der Disziplinierungstechniken und zum anderen die Regierung als Zugriff und Regulation der Bevölkerung. Damit wird mit der Mikro und Makroperspektive das theoretische Fundament für die im Hauptteil gestellte Frage nach der Sozialen Arbeit als Teil der Disziplinierungs- und Regulierungsmechanismen gelegt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Macht
2.1. Wie wird Macht ausgeübt?

3. Die Gelehrigkeit der Körper

4. Die politische Anatomie des Körpers
4.1. Der hierarchische Blick
4.2. Die normierende Sanktion
4.3. Prüfung
4.4. Disziplin als Nützlichkeitssteigerung und Unterwerfung

5. Biomacht und Gouvernementalität

6. Soziale Arbeit mit Foucault

7. Schluss/ Was bleibt für die Soziale Arbeit?

Literatur

1. Einleitung

Im Folgenden werde ich mich mit Michel Foucaults Machttheorie in Bezug auf die Funktion der Hilfe und Kontrolle in der Sozialen Arbeit auseinandersetzen. Dabei werde ich vor allem auf den Text Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses eingehen und mich mit den Begriffen der Normalität, der Abweichung und Macht beschäftigen, da dies für die Foucaultsche Theorie von Bedeutung ist. Die Arbeit soll sich also einmal auf die Machttheorie mit den Disziplinierungsmaßnahmen auseinandersetzen, aber auch mit Foucaults Machtanalytik vor dem Hintergrund einer sich verändernden Gesellschaft und damit veränderten Ansprüchen an die Soziale Arbeit.

Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen, dass die Soziale Arbeit in die Gesellschaft und die Herstellung und Produktion von Machtverhältnissen eingebunden ist. Außerdem geht es um eine Dekonstruktion der alltagsweltlichen Vorstellung einer Macht, deren Auswirkungen und Zielsetzungen stets negativ konnotiert sind und damit ihre eigentlichen Funktionsweisen verschleiern.

In der vorliegenden Arbeit wurde methodisch wie folgt vorgegangen:

Im ersten Kapitel wird Foucaults Machtbegriff analysiert, dessen Verständnis die Voraussetzung für die folgenden Textabschnitte darstellt. Das zweite Kapitel ist eine Hinführung zu den beiden nächsten Kapiteln und behandelt die Geburt der Disziplin und der Fokussierung einer Gesellschaft auf die Nützlichkeitssteigerung der Individuen.

Die nächsten beiden Kapitel thematisieren zum einen die Disziplinierung und die Durchdringung der Körper mithilfe der Disziplinierungstechniken und zum anderen die Regierung als Zugriff und Regulation der Bevölkerung. Damit wird mit der Mikro und Makroperspektive das theoretische Fundament für die im Hauptteil gestellte Frage nach der Sozialen Arbeit als Teil der Disziplinierungs- und Regulierungsmechanismen gelegt.

2. Macht

Um Foucaults Machttheorie auf die Soziale Arbeit zu übertragen, bedarf es einer genauen Betrachtung, was unter Macht verstanden wird, beziehungsweise wie sie wirkt.

2.1. Wie wird Macht ausgeübt?

Um Foucaults Verständnis von Macht nachzuvollziehen, muss zuerst einmal Abstand von einem oppositionellen Denken von Macht und die im Alltagsverständnis gegenüber gestellte Freiheit genommen werden. Folgt man nämlich dieser Begriffskonstruktion der Gegenüberstellung, verfällt man gerne in eine normativ aufgeladene Analyse von Macht, bei der das Verständnis hiervon von vorneherein negativ aufgeladen und als böse oder schlecht betrachtet wird (vgl. Ricken 2004: 119). Im Gegensatz zur Freiheit wird Macht dann mit „Behinderung der freien Persönlichkeit, der Unterdrückung von gesellschaftlichen Gruppen, der rücksichtlosen Durchsetzung partikularer Interessen und sogar mit der politischen Hintertriebenheit, dem zu verantwortenden Unrecht auch noch Legitimation zu verschaffen“(Kraus, Krieger 2014: 9), also der negativen Form von Freiheit assoziiert (vgl. Ricken 2004:122).

Foucault nimmt von einer solchen Machtdefinition Abstand und versteht unter einem Machtverhältnis eine „Relation zwischen mehreren Personen oder Institutionen“ (Krieger, Kraus 2014: 10). Dabei handelt es sich um ein reziprokes Verhältnis, was bedeutet, dass Macht nicht als Gut zu verstehen ist, welches im Besitz der

„machtvollen“ Seite ist, sondern ist so zu verstehen, dass sowohl Herrschender als auch Beherrschter Macht aufeinander ausüben ( vgl. ebd.:10). Damit beschreibt Macht ein soziales Verhältnis, „ein Ensemble wechselseitig induzierter und aufeinander bezogener Handlungen“ (Foucault 1982:282).

„Macht muss als Kräfteverhältnis, als Netzwerk auch konkurrierender und gegeneinander gerichtete Kräfte und damit als Kampf von Macht und Gegenmacht bzw. Widerstand verstanden werden, in die Kausalitäts- und Intentionalitätsunterstellungen jeweilig eingebettet werden müssen“ (Ricken 2004:125f)

Macht ist damit keine „substanzielle Habe“ (Ricken 2004:122) sondern „eine Form handelnder Einwirkung auf andere“ (Foucault 1982: 285).

Die Voraussetzung, dass überhaupt ein Machtverhältnis entstehen kann ist, die Freiheit des Subjektes, auf das eingewirkt wird. Damit sind Freiheit und Macht nicht als Voraussetzung für das Entstehen eines Machtverhältnisses. So kann nur auf ein Wesen Macht ausgeübt werden, dass eine Auswahl an möglichen Reaktionen auf die Machtausübung hat, also „über mehrere Verhaltens- und Reaktions- und Handlungsmöglichkeiten verfügen“ (ebd.:287) und seine Antwort auf die Beeinflussung nicht von vorneherein determiniert ist. Darin unterscheidet sich ein Machtverhältnis auch von einem Gewaltverhältnis. Denn ein Gewaltverhältnis zeichnet sich immer dadurch aus, dass sie „als Gegenpol nur die Passivität [kennen], und wenn sie auf Widerstand stoßen, haben sie keine andere Wahl als den Versuch ihn zu brechen“ (ebd.:285). Die Voraussetzung für ein Machtverhältnis hingegen ist, dass der Beherrschte „durchgängig und bis ans Ende als handelndes Subjekt anerkannt“ (ebd.: 285) wird. Machtvolles Verhalten wird von Foucault definiert als ein

„Ensemble aus Handlungen, die sich auf mögliches Handeln richten, und operiert in einem Feld aus Möglichkeiten für das Verhalten handelnder Subjekte. Sie bietet Anreize, verleitet verführt, erleichtert oder erschwert, sie erweitert Handlungsmöglichkeiten oder schränkt sie ein, sie erhört, sie senkt die Wahrscheinlichkeit von Handlungen, und im Grenzfall erzwingt oder verhindert sie Handlungen. Aber stets richtet sie sich auf handelnde Subjekte, insofern sie handeln oder handeln können. Sie ist auf Handeln ausgerichtetes Handeln“ (Foucault 1982:286)

Um einen Machteinfluss zu beschreiben schlägt Foucault den Begriff der Führung vor, der in „seiner Mehrdeutigkeit das Spezifische an den Machtbeziehungen vielleicht am besten zu erfassen“ (ebd.:286) weiß. So bedeutet Führung sowohl, andere zu lenken als auch sich in einem Handlungsfeld zu verhalten. Demnach ist eine Machtausübung eine Beeinflussung der Wahrscheinlichkeit von Verhalten (vgl. ebd.).

3. Die Gelehrigkeit der Körper

Dass Foucault Macht anhand des „menschlichen Körper[s] und seinen Formungen“ (Kupfer 2011: 69)[1] beschreibt, verwundert zuerst einmal, da „der Körper in sozialwissenschaftlichen Analysen meist keine große Rolle spielt“ (ebd.). Durch diese Beschreibung kann er jedoch nicht nur die Geschichte der Unterwerfung des Körpers, sondern auch die Unterwerfung der Seele und des Geistes nachzeichnen. Foucault, selbst bezeichnender „Experimentator“ erzählt in seinen Schriften eine „Geschichte der Formierung des modernen Denkens“ (Endreß 2013: 187), wobei er auf den kontingenten Charakter der betrachteten Umstände verweist, also „den Umstand, dass sich ihr jeweiliges Sosein konkreten Situationsbedingungen und Umständen verdankt“ (ebd.:188). Damit stellen Machtverhältnisse das Ergebnis der „Entstehungsbedingungen der sozialen Welt“ (ebd.) dar und entspringen damit keiner ‚natürlichen‘ logischen Konsequenz, sondern sind das Ergebnis eines auf Zufällen beruhenden Prozesses in der erst kurzen Geschichte der menschlichen Sozialisation.

In „Marter“ beschreibt Foucault die Reformation von Strafpraktiken von einer körperlichen, öffentlichen „peinlichen Strafe“, hin zu einer körperlosen, auf die „Seele“ des Straffälligen zugreifenden Straftechnik. Diese Veränderung innerhalb des Justizvollzugs, die gerne eines Prozesses der zunehmenden „Humanisierung“ zugeschrieben wird, ist nach Foucault eher dem Wandel des Bestrafungsziels verschuldet (vgl. Foucault 2013: 719). Von der Wiederherstellung der Macht des Souveräns bei der öffentlichen Marter, hin zu einer Strafe die „nicht die Gesetzesübertretung sanktionieren sollen, sondern das Individuum kontrollieren, seinen gefährlichen Zustand neutralisieren und erst nach erreichter Änderung aufhören soll[…].“ (Foucault 2013: 721). Ziel des Strafens ist nicht mehr um „Rache am Täter, sondern die Verwandlung des Täters in ein nützliches Glied bzw. Werkzeug der Gesellschaft durch Erziehung“ (Endreß 2013:194). Dieses Prinzip der Nützlichkeitssteigerung wird in dem Text „Die Gelehrigkeit der Körper“ wieder aufgegriffen um aufzuzeigen, wie durch eine Etablierung von Machttechniken in institutionalisierten Räumen der Körper durch Zugriffe von außen unterworfen und gleichzeitig seine Produktivität gesteigert wird.

Gelehrig ist nach Foucault ein „Körper der unterworfen werden kann, der ausgenutzt werden kann, der umgeformt und vervollkommnet werden kann“ (Foucault 2013: 838). Bei der Fabrizierung eines nützlichen Subjektes finden also zwei Mechanismen statt. Zum einen die vollkommene Unterwerfung des Menschen und gleichzeitig eine Steigerung der Produktivität. Um ersteres zu veranschaulichen, beschreibt Foucault den Soldaten des 18. Jahrhunderts. Dieser stellt für ihn das Paradebeispiel einer vollkommen von Zwang und Machtmechanismen beherrschten Maschine dar. Der Körper des Soldaten wird zu einem Objekt, das gelenkt und zugerichtet werden kann (vgl. 838f).

„Aus einem formlosen Teig, aus einem untauglichen Körper macht man die Maschine, deren man bedarf; Schritt für Schritt hat man die Haltungen zurecht gerichtet, bis ein kalkulierter Zwang jeden Körperteil durchzieht und bemeistert, den gesamten Körper zusammenhält und verfügbar macht und sich insgeheim bis in die Automatik der Gewohnheiten durchsetzt“ (Foucault 2013: 837).

Der Körper des Menschen gerät immer mehr in den Blick als „Gegenstand und Zielscheibe der Macht“ (ebd.:838) und etabliert sich zunächst in Schulen, Spitälern und Militär und dringt von dort aus immer tiefer in die Strukturen der Gesellschaft ein. sowie anhand „empirischen und rationalen Prozeduren zur Kontrolle oder Korrektur der Körpertätigkeiten“ (ebd.). Die Verstrickung von Analyse und Unterwerfung der Körper

stellt die Geburt der Gelehrigkeit und damit der bis ins kleinste Detail des Körpers durchdringe Zwang.

Das Neue an der Gelehrigkeit des 18. Jahrhunderts zeigt sich laut Foucault anhand dreier Veränderungen in der Besetzung des Körpers:

i. Der Körper wird nun nicht mehr als Masse, „als eine unterschiedslose Einheit“ (Foucault 2013:839) betrachtet, sondern er wird im Detail bearbeitet und der Zwang geht bis „ins kleinste“ (ebd.) Detail.
ii. Ziel des Zwangs ist eine Steigerung der Kräfte, es geht um „die Ökonomie und Effizienz der Bewegungen“ (ebd.)
iii. Es besteht ein durchgehender Zwang, dem es weniger um das Ergebnis der arbeitet, sondern eher um die genau abgerichteten Bewegungen, Raum und Zeit geht (vgl. ebd.)

4. Die politische Anatomie des Körpers

In „Überwachen und Strafen“ wird die Entwicklung von den körperlichen Strafpraktiken, wie der Marter, über Strafpraktiken hin zu den nicht- körperlichen Disziplinierungstechniken beschrieben. Im folgenden Kapitel werden die Disziplinartechniken in Form der Überwachung, der normierenden Sanktion und der Prüfung beschrieben und aufgezeigt inwieweit die Soziale Arbeit sich solcher Techniken bedient.

Disziplin kann beschrieben werden als „spezifische Technik einer Macht, welche die Individuen sowohl als Objekte wie als Instrument behandelt und einsetzt“ (Foucault 2013: 875). Dabei unterscheidet sie sich von der Marter und der Strafe darin, dass sie die Kräfte der beherrschten Person nicht unterdrückt oder entzieht, sondern die Kräfte „allesamt so zu verbinden, daß [sic!] sie vervielfältigt und nutzbar gemacht werden“ (ebd.). Es geht also bei der „guten Abrichtung“ (ebd.) darum, die Energien der Subjekte zuerst zu trennen, um sie dann wieder in einer anderen Kombination zu verbinden, sodass eine gesteigerte Produktivität des Subjektes geschaffen werden kann. Foucault spricht hier von einer „Verfertigung“ der Individuen, was implizieren würde, dass sich durch die Züchtigungsverfahren eine „Besserung“ des Individuums stattfindet, wobei man hierbei kritisch fragen muss, ob ein „fertiges“ Wesen sich nur durch seine Produktivität für die Gesellschaft auszeichnet oder ob hier nicht andere Kriterien ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.

Die erfolgreiche Etablierung der Disziplinargesellschaft ist der Effektivität der Disziplinartechniken und deren besonderen Charakter zu verdanken. Die Techniken unterscheiden sich von Marter und Strafe darin, dass sie unauffälliger und auf den ersten Blick nicht sichtbar wirken. Auf den ersten Blick sind es wenig wichtige Prozesse, die sich aber umso durchdringender und fester in die Strukturen der Gesellschaft integrieren und als „sparsam kalkulierte, aber beständige Ökonomie funktioniert“ (ebd.). Die Instrumente, die für die Durchsetzung einer Disziplin verwendet werden, sind folgende: der hierarchische Blick, die normierende Sanktion und die Prüfung als Kombination der beiden ersten Instrumente.

4.1. Der hierarchische Blick

Der hierarchische Blick als Instrument zur Durchsetzung der Disziplin meint eine Technik der Überwachung von Menschen ohne selber gesehen zu werden (vgl. Foucault 2013:876). Als Beispiel eines Überwachungsapparates führt Foucault das Militärlager an, bei dem eine beinahe ideale Observation stattfindet.

„Das Lager ist die Hauptstätte einer Macht, die umso intensiver und diskreter, umso wirksamer und vorbeugender sein muß, als es eine Macht über Bewaffnete ist“ (ebd.:876).

Das Grundprinzip der hierarchischen Überwachung liegt in der „räumlichen Verschachtelung […], das Prinzip der »Einlagerung«“ (ebd.:877). Wie auch im Militärlager werden auch in anderen Einrichtungen wie in Gefängnissen und Erziehungsheimen, die Gebäude und ihre Räume so angeordnet, dass eine genaue Beobachtung und ständige Kontrolle der Insassen möglich wurde (vgl. ebd.:877). Durch die spezielle Bauweise der Gebäude wird den Insassen wenig Raum zum Rückzug geboten, sodass sie jeder Zeit sichtbar sind. Architektur hat nun nicht mehr nur die Funktion, schöne Gebäude ohne Sinn zu entwerfen, sondern wird nun genutzt, um Individuen zu verändern, sie zu kontrollieren und sie damit greifbar und verfügbar für einen Machtzugriff zu machen.

„Noch allgemeiner geht es um eine Architektur, die ein Instrument zur Transformation der Individuen ist; die auf diejenigen welche sie verwahrt , einwirkt, ihr Verhalten beeinflußbar [sic!] macht, die Wirkungen der Macht bis zu ihnen vordringen läßt[sic!], sie einer Erkenntnis aussetzt und sie verändert“ (ebd.:877).

Als Beispiel des räumlichen Aufbaues eines Überwachungsapparates beschreibt Foucault das Spital, das durch seinen Aufbau selbst zu einem Heilmittel wird, indem es die Insassen voneinander räumlich trennt um Ansteckungen zu vermeiden und durch die Anordnung der Räume eine ideale Pflege gewährleistet. Als weiteres Beispiel nennt er das Militärschulgebäude, welches zu einer pädagogischen Maschine, einem „Überwachungsapparat“ wird, indem es die Schüler streng durch dicke Mauern trennt, aber gleichzeitig die Räume so gestaltet, sodass eine ständige Überwachung durch die Aufseher möglich ist (vgl. ebd.:877f). Im Laufe der Zeit veränderte sich die Form der Beobachtung und Kontrolle. Grund hierfür sind in den Schulen eine höhere Klassengröße und beispielsweise die Entstehung großer Fabriken und damit der Bedarf an intensiverer Überwachung. Da mit der Größe der Gruppe als negativer Nebeneffekt die Schwierigkeiten der Überwachung wachsen, bedarf es statt einer Überwachung von außen, eine „innere, intensive, stetige Kontrolle“ (ebd.:880), aber auch einer gestreuten Kontrolle.

Am Beispiel der Schule lässt sich die Entwicklung besonders gut nach vollziehen: Der Schulunterricht wird dahingehend verändert, dass der Lehrer seine Kontroll- und pädagogischen Aufgaben an Hilfskräfte abgibt und damit ein Netz der Überwachung schafft. Diese beiden Elemente werden später dann wieder in einer Person vereint, sodass Überwachung mit dem pädagogischen Handeln gekoppelt wird (vgl. ebd.:882). Damit wird der Lehrer zum einen zum Vermittler von Wissen und Erkenntnissen, aber zum anderen auch zum Bewertenden von ‚richtigem‘ und ‚falschem‘ Verhalten. Da die Methoden der Überwachung, die er verwendet, vordergründig der Leistungssteigerung dient und die Überwachung nicht mehr „als daneben liegendes Element, sondern als Mechanismus“ (ebd.) wirkt, der nicht mit der Lehrerperson verknüpft wird, rückt die Funktion der Überwachung, hinter die Funktion der Leistungssteigerung. Kontrolle wird nun unsichtbar, oder aber sogar gern und als notwendig angesehen, da es ja der Steigerung der Leistung dient (ebd.).

Nur kurz von Foucault erwähnt, aber für den Pädagogen wichtig, ist in wieweit eine hierarchische Überwachung auch in der Sozialen Arbeit stattfindet. Denn wie auch der Lehrer haben Sozialpädagogen ein Doppeltes Mandat im Hinblick auf den Umgang mit ihren Klienten. Was gerne als Hauptgrund für die Ausübung des Berufs gilt, was aber auch Voraussetzung für die Arbeit in der Sozialarbeit ist, ist der Wille zur Hilfe. Dabei darf aber auch die andere Seite der Medaille nicht vergessen werden. Denn Hilfe bedeutet auch immer Kontrolle.

4.2. Die normierende Sanktion

Die normierende Sanktion ist das zweite Instrument zur Durchsetzung der Disziplin welches Foucault in ‚Überwachen und Strafen beschreibt. Disziplinarstrafen unterscheiden sich von den Justizstrafen darin, dass sie diejenigen Verhaltensweisen sanktionieren, die nicht von der Justiz erfasst werden.

„Im Herzen aller Disziplinarsysteme arbeitet ein kleiner Strafmechanismus, der mit seinen eigenen Gesetzen […] so etwas wie ein Justizprivileg genießt. Die Disziplinen etablieren eine »Sub - Justiz«; sie erfassen einen Raum, der von den Gesetzen übergangen wird; sie bestrafen und qualifizieren Verhaltensweisen, die den großen Bestrafungssystemen entwischen“ (Foucault 2013:883).

[...]

Details

Seiten
Jahr
2015
ISBN (eBook)
9783668203730
ISBN (Paperback)
9783668203747
Dateigröße
717 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Trier
Erscheinungsdatum
2016 (April)
Note
2,3
Schlagworte
Foucault Macht Hilfe und Kontrolle Überwachen und Strafen Macht in der Sozialen Arbeit Nomalität Abweichung
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