In der vorliegenden Arbeit soll, exemplarisch für die Zensur in demokratischen Staatsformen, die Zensur von Kultur in den USA nach dem zweiten Weltkrieg anhand von zwei Beispielen untersucht werden. Die USA erscheinen hierfür ein besonders geeignetes Beispiel zu sein, da dort das Recht auf Meinungsfreiheit besonderes tief im kollektiven Bewusstsein verwurzelt ist und selbst solche Aussagen schützt, die anderorts einen kriminellen Tatbestand erfüllen würden.
Um die zu untersuchenden Beispiele von Zensur in einem demokratischen Land besser einordnen zu können, erscheint es sinnvoll, ihr die Kulturpolitik eines autoritär geführten Landes, in diesem Fall des postrevolutionären Kubas, entgegenzustellen. Kuba eignet sich für einen Vergleich, da es in einem ausgesprochenen Gegensatz zur Tradition der Meinungsfreiheit der USA steht, indem es auf eine lange Geschichte autoritärer Regierungen und diktatorischer Führung, sowie von Meinungssteuerung und Zensur zurückblickt.
Neben dem geschichtlichen Interesse an einer Darstellung der Zensurpraxis in den genannten Ländern erlaubt die Betrachtung gefällter Zensururteile immer auch einen punktuellen Blick auf die historische Rezeption von Kunst- und Kulturgütern und damit die gesellschaftlichen Ursachen der Zensur. Durch eine Betrachtung im Spiegel der Gegenwart lassen sich außerdem Rückschlüsse auf den Wandel ziehen, in dessen Rahmen sich die gesellschaftlichen Werte und damit die Definition von zensurwürdiger und kanonisierter Kunst verschieben.
Die Geschichte der Zensur reicht so lange zurück, wie es das Wissen um die subversive Macht von Schriftstücken und Kunstwerken gibt. So sind bereits aus dem 4. Jahrhundert vor Christus in der griechischen Antike Fälle von systematischen Bücherverbrennungen blasphemischer Schriften bekannt. Zensur stellte, ob zu Zeiten der chinesischen Dynastien, der spanischen Inquisition, des Dritten Reichs oder der DDR, über die vergangenen Jahrhunderte in den verschiedensten Ländern ein verbreitetes Mittel der Informationskontrolle durch eine herrschende Klasse dar. Dabei scheint Zensur in den westlichen Demokratien seit vielen Jahrzehnten keine Rolle mehr zu spielen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Facetten der Zensur
2.1 Kanon, Zensur und Macht
2.2 Zensur und Kunst
3. Kultur- Zensur in den USA nach dem 2. Weltkrieg
3.1 Antikommunismus und das Dallas Museum of Fine Arts
3.2 Obszönität und Zensur: Robert Mapplethorpes The Perfect Moment
3.3 Zensur in Demokratien und US-amerikanische Besonderheiten
4. Kultur-Zensur im postrevolutionären Kuba
4.1 Förderung von Künstlern und Entwicklung des Systems
4.2 Erste Konflikte
5. Abschließende Gedanken und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Geschichte der Zensur reicht so lange zurück, wie es das Wissen um die subversive Macht von Schriftstücken und Kunstwerken gibt. So sind bereits aus dem 4. Jahrhundert vor Christus in der griechischen Antike Fälle von systematischen Bücherverbrennungen blasphemischer Schriften bekannt (vgl. Deutsches Zensur Museum o.J.: o.S.). Zensur stellte, ob zu Zeiten der chinesischen Dynastien, der spanischen Inquisition, des Dritten Reichs oder der DDR, über die vergangenen Jahrhunderte in den verschiedensten Ländern ein verbreitetes Mittel der Informationskontrolle durch eine herrschende Klasse dar. Dabei scheint Zensur in den westlichen Demokratien seit vielen Jahrzehnten keine Rolle mehr zu spielen. In der öffentlichen Wahrnehmung erscheint die gezielte Informationskontrolle vielmehr als Problem von autoritären Staatsformen (vgl. Klein/Schubert 2011: o.S.) in der sogenannten Dritten Welt. Aber obwohl in der Regel demokratische Länder die Ranglisten zur Pressefreiheit, die als messbare Größe eng an die Zensur gekoppelt ist, deutlich anführen (vgl. Reporter ohne Grenzen 2012a: o.S.), stellte die Zensur in demokratischen Staatsformen in den vergangenen Jahrzehnten dennoch eine wahrnehmbare Größe dar. McCarthy weist außerdem darauf hin, dass in demokratischen Staaten die Zensur sich nicht auf staatlich diktierte Verbote beschränkt. Durch die Einbindung in soziale Netzwerke und Institutionen erkennt er eine präventive Zensur, deren Wurzeln in der Gesellschaft selber liegen (vgl. McCarthy 1995: 2ff). Die Untersuchung, wie die Zensur in demokratischen Staatsformen aussieht, welche Ausmaße sie annimmt und worin ihre Ursachen liegen, würde einen Forschungsumfang darstellen, der den Rahmen der vorliegenden Arbeit fraglos übersteigen würde. Daher soll hierfür exemplarisch die Zensur von Kultur in den USA nach dem zweiten Weltkrieg anhand von zwei Beispielen untersucht werden. Die USA erscheinen hierfür ein besonders geeignetes Beispiel zu sein, da dort das Recht auf Meinungsfreiheit besonderes tief im kollektiven Bewusstsein verwurzelt ist und selbst solche Aussagen schützt, die anderorts einen kriminellen Tatbestand erfüllen würden (vgl. Hansen 2012: o.S.). Um die zu untersuchenden Beispiele von Zensur in einem demokratischen Land besser einordnen zu können, erscheint es sinnvoll, ihr die Kulturpolitik eines autoritär geführten Landes, in diesem Fall des postrevolutionären Kubas, entgegenzustellen. Kuba eignet sich für einen Vergleich, da es in einem ausgesprochenen Gegensatz zur Tradition der Meinungsfreiheit der USA steht, indem es auf eine lange Geschichte autoritärer Regierungen und diktatorischer Führung, sowie von Meinungssteuerung und Zensur zurückblickt.
Neben dem geschichtlichen Interesse an einer Darstellung der Zensurpraxis in den genannten Ländern erlaubt die Betrachtung gefällter Zensururteile immer auch einen punktuellen Blick auf die historische Rezeption von Kunst- und Kulturgütern und damit die gesellschaftlichen Ursachen der Zensur. Durch eine Betrachtung im Spiegel der Gegenwart lassen sich außerdem Rückschlüsse auf den Wandel ziehen, in dessen Rahmen sich die gesellschaftlichen Werte und damit die Definition von zensurwürdiger und kanonisierter Kunst verschieben (vgl. McCarthy 1995. 6).
2. Facetten der Zensur
2.1 Kanon, Zensur und Macht
Dem Begriff der Zensur wird häufig der des Kanons entgegengesetzt. Der kanonisierte Teil einer Kultur beschreibt in diesem Zusammenhang jene gesellschaftlichen Elemente, über die ein breiter Konsens herrscht. Dabei bezieht sich der Begriff des Kanons nicht ausschließlich auf Gegenständliches wie Texte oder Artefakte, sondern kann auch Abstraktes wie Regeln beinhalten und stellt somit einen äußerst weit gefächerten Begriff dar (vgl. Hahn 1987: 28). Jedoch versteht man unter einem gesellschaftlichen Kanon nicht einen allumfassenden Katalog an Bestimmungen und Erklärungen, die jede Handlung oder Geisteshaltung plausibel machen. Vielmehr besteht er aus einer Reihe entscheidender Kernelemente, die jeweils größere Bereiche repräsentieren und immer auch das Selbstbild einer Gesellschaft prägen (vgl. ebenda: 28). Trotz seiner Omnipräsenz stellt der Kanon jedoch kein gesellschaftliches Dogma dar, zu dem keine Alternativen für die Individuen einer Gesellschaft existieren. Durch seinen identitätsstiftenden Charakter stellt die Möglichkeit der Ablehnung des Kanons beispielsweise eine ganz eigene Methode der Eigencharakterisierung dar (vgl. ebenda: 29).
Hier wird deutlich, dass ein Kanon nicht automatisch ewigen Bestand hat und eine universelle Gültigkeit aufweist, sondern sich permanent mit den gesellschaftlichen Gesetzen des Wandels konfrontiert sieht. Um diesen natürlichen Wandel abzuschwächen oder zu unterbinden existiert in verschiedenen Gesellschaften die Institution der Zensur. Ihr wird die Aufgabe zu Teil, solche Stimmen, die außerhalb des Kanons existieren, zu marginalisieren und zu entwerten (vgl. Assmann/Assmann 1987: 11). Jedoch erfolgt diese Arbeit nie ohne Spuren zu hinterlassen. Durch die gewaltsame Natur der Zensur erscheint der Kanon als künstlich generiert und wird als unnatürlicher Zustand wahrgenommen, in dem eine ständige Divergenz zwischen Kanon und Habitus herrscht (vgl. ebenda: 20).
Die damit entstandene Problematik, die sich aus der Schaffung eines künstlichen Kanons ergibt, stellt eine der Ursachen für die Konflikte zwischen Zensur und oppositionellen Meinungen dar. Schriftsteller und Künstler, die individuelle, vom Kanon abweichende Wege beschreiten möchten, stehen mit ihren Interessen den Steuerungsversuchen der Zensoren, entgegen, mittels derer ein Wandel des Kanons unterbunden werden soll. Diese Aussage würde allerdings von kaum einem Zensor selbst so anerkannt werden. Zensoren sehen in ihrem Handeln häufig eher die Unterstützungsleistung einer Kulturideologie, als einen Schutz gegen subversives Handeln (vgl. McCarthy 1995: 5). Neutral lässt sich feststellen, dass zwischen den subversiven und den etablierten Kräften ein Ringen um die Meinungs- und Deutungshoheit entsteht, in dessen Rahmen die Macht um eine Mitbestimmung des Kanon verteilt wird (vgl. ebenda: 5).
Somit stellt sich der Kampf um Kanon und Deutungshoheit ebenfalls als Wettbewerb um Macht, zwischen rivalisierenden gesellschaftlichen Gruppen dar. Der Antagonismus zwischen den Mächtigen und den progressiven Kräften einer Gesellschaft, in dem die Zensur als Mittel zur Machtsicherung seitens der Etablierten fungiert, wurde bereits vielfältig wissenschaftlich und künstlerisch untersucht und dargestellt. Johann Wolfgang von Goethe fasst seine Beobachtungen bezüglich der dialektischen Natur des Kampfes um Meinungsfreiheit in seinem Roman Wilhelm Meisters Wanderjahre anschaulich zusammen:
„Zensur und Preßfreiheit [sic] werden immerfort miteinander kämpfen. Zensur fordert und übt der Mächtige, Preßfreiheit [sic] verlangt der Mindere. Jener will weder in seinen Planen [sic] noch seiner Tätigkeit durch vorlautes widersprechendes Wesen gehindert, sondern gehorcht sein; jene wollen ihre Gründe aussprechen, den Ungehorsam zu legitimieren. Dieses wird man überall geltend finden.“ (Goethe 1973: 469f)
Hierbei betont Goethe die Universalität und Unauflösbarkeit des Interessenkonflikts auf Basis der unterschiedlichen Machtpositionen von etablierten und subversiven Gruppierungen. Es liegt im Interesse des Mächtigen den Status Quo zu erhalten, woraus die Motivation erwächst progressive Ideen, die einen Wandel nach sich ziehen könnten, zu zensieren. Die subversiven Gruppen, die sich durch die moralische Legitimationskraft ihrer Ideen im Recht sehen, klagen für sich das Recht ein, ihre Ideen einer breiten Masse zugänglich zu machen. Die Zensur dient hierbei als mächtiges Instrument, die öffentliche Meinung zu steuern und gegenwärtige Normen und Hierarchien zu erhalten. Dies gilt für die staatlich geregelte Zensur ebenso wie für eine informelle Form der Zensur (vgl. McCarthy 1995: 5). Die Möglichkeiten der Zensur liegen in jedem Fall in der Erhaltung von Althergebrachtem und im Schutz gegen Wandel. Somit steht sie in ständiger Opposition zu erneuernden Kräften in der Gesellschaft.
2.2 Zensur und Kunst
Zensur und Kunst erscheinen ebenfalls als Gegensatzpaar, da die Zensur der eigenen Arbeit wie eine Höchststrafe für einen Künstler erscheint. Die Bilder, die niemand sieht, die Bücher, die niemand liest oder die Musik, die niemand hört, können keine Wirkung auf ein Publikum entfalten und werden somit ihrer künstlerischen Aussage beraubt. Jedoch vermag keine Zensur das vollkommene Vergessen bestimmter Werke zu bewirken. Seit der massenhaften Verbreitung von Schriften infolge der Erfindung des Buchdrucks stehen die Zensoren vor einer kaum zu bewältigenden Aufgabe (vgl. Assmann/Assmann 1987: 19), und seit der Erfindung des Internets ist diese noch einmal beträchtlich gewachsen. Die Verbreitung und Weitergabe von indizierten Texten und Kunstwerken ist dabei nicht nur durch das subversive Potential einer Gesellschaft zu erklären, sondern ebenfalls auf die bevormundende Natur der Zensur zurückzuführen. Dass Kunstwerke eine derartig brisante Botschaft vermitteln, dass eine staatliche Institution beschließt, sie den Bürgern vorzuenthalten, kann in mündigen Individuen mitunter überhaupt erst die Neugierde bezüglich dieser Kunstwerke wecken. Diese Beobachtung teilt ebenfalls der deutsche Kabarettist Dieter Hildebrandt, der in einem bekannten Zitat den Reiz des Verbotenen beschreibt und gleichzeitig die Urteilskraft von Zensoren hinterfragt, indem er feststellt: „Zensur ist die geheime Empfehlung durch öffentliches Verbot." (Grönling 1996: 12). Das Verbot von Kunstwerken oder künstlerischen Texten kann trotzdem eine stark eingeschränkte Rezension des Künstlers und damit erhebliche finanzielle Einbußen bedeuten, womit seine künstlerische Arbeit gefährdet ist. Besonders in der Zeit, bevor breiten Massen der Zugang zum Internet ermöglicht wurde, war die Zensur so zu einem selektierenden Faktor in der Überlieferung von Kultur geworden (vgl. McCarthy 1995: 5). Dieser Überlieferung kommt eine große Bedeutung zu, die den Rahmen des Kulturellen überschreitet, da sie im Rahmen des kulturellen Gedächtnisses Teil der Identität und des Weltbildes von Individuen darstellt (vgl. Scharten 2011: 49). Somit kann der Zensur von Kultur eine entscheidende Rolle bezüglich der Formung von Identität und Tradition in einer Gesellschaft zu Teil werden.
Dabei hat die Zensur von Kultur in ihren jeweiligen Kontexten äußerst unterschiedliche Ursachen. Die spezifischen Gründe sind in den jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Kontexten des Umfeldes der Künstler zu suchen und können somit nur schwer zusammengefasst werden. Laut Alois Hahn existieren dennoch drei Typen der Zensur, die allgemeine Gültigkeit besitzen. Für diese Typisierung unterteilt er die Formen der Zensur anhand der Ausschlusskriterien, nach denen sie funktionieren (vgl. Hahn 1987: 30f).
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