CrossFit als Trendsport? Beschreibung und Einordnung der Sportart
Zusammenfassung
Spezifisch soll in dieser Arbeit die Frage aufgegriffen werden, ob CrossFit ein Trendsport ist. Dazu wird sowohl auf den Trendsport an sich als auch auf CrossFit näher eingegangen, um anschließend beides aufeinander beziehen zu können. Zum allgemein besseren Verständnis von CrossFit wird ebenfalls ein Überblick über diese Trainingsform gegeben, mit ihren Besonderheiten und Inhalten.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Wertewandel
2. 1 Der Wertewandel im Sport
2.2 Trendsport - Definition und Merkmale
2.3 Entwicklung von Trendsportarten
3 CrossFit
3.1 Die wesentlichen Merkmale
3.2 Trainingsinhalte
3.2 Zur Entwicklung von CrossFit
4 Ist CrossFit ein Trendsport?
4.1 Merkmale von CrossFit als Trendsport
4.2 Entwicklung von CrossFit als Trendsport
5 Zusammenfassung
1 Einleitung
Es wird vielfach davon ausgegangen, dass sich ein allgemeiner Wertewandel vollzieht (vgl. Digel, 1986; Ingelhart, 1998; Roedder, 2015; Sigg, 2014). Dieser zieht sich durch alle Bereiche des Lebens wie z.B. der Religion, der Berufstätigkeit, der Familiengestaltung sowie der Freizeitgestaltung oder dem Materialismus. Nach Ingelhart (1998) ist seit den 1970er Jahren eine zunehmende Wertschätzung der postmateriellen gegenüber einer abnehmenden Wertezuteilung der materiellen Dinge zu beobachten. Postmaterialismus bedeutet eine Lebenseinstellung, mit der Menschen nach den materiell übergeordneten Dingen wie Gesundheit, Glück, Freiheit, Kultur, Bildung oder Umweltschutz streben (fremdwort.de, 2015). Roedder (2015) nennt dazu speziell die Freizeitgestaltung, welche seit Ende des 20. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung gewinnt. Sozialwissenschaftler stufen die Bedeutung der Freizeit für die soziale Gesellschaftsstruktur höher ein als materielle Werte (Roedder, 2015). Ein Grund für diesen Wertewandel ist wohl der zunehmende materielle Wohlstand, welcher das Streben dahin eher in den Hintergrund rücken lässt, ganz nach dem Motto, dass man „Den größten subjektiven Wert [...] Dingen zu misst, die relativ knapp sind“ (Ingelhart, 1998).
Nach Digel (1986) gibt es Tendenzen in der Veränderung der Freizeitgestaltung, die sich ganz klar herausbilden. Dazu zählt die Zunahme kommunikativer Bedürfnisse und Aktivitäten, die häufig zu einer erhöhten Sportaktivität führt. Ebenso nennt Digel (1986) ein gesteigertes Bedürfnisses nach körperlichem Kontakt und nach Auslebung der Körperlichkeit. Auch diesem wird ein Zusammenhang nach vermehrtem Sporttreiben sowie ein gesteigertes Reisebedürfnis zugeschrieben. Es ist also zu erkennen, dass der Wertewandel sich auch auf das Sporttreiben auswirkt.
In dem Zusammenhang stehen Trendsportarten, die sich im Zuge des Wertewandels entwickeln. Wann genau man von einem Trendsport sprechen kann, ist nicht immer ganz eindeutig und bedarf einiger Klärung (Kittel, 2011). Spezifisch soll in dieser Arbeit die Frage aufgegriffen werden, ob CrossFit ein Trendsport ist. Dazu wird sowohl auf den Trendsport an sich als auch auf CrossFit näher eingegangen, um anschließend beides aufeinander beziehen zu können.
2 Wertewandel
2. 1 Der Wertewandel im Sport
Der allgemein zu beobachtende Wertewandel ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts übertrug sich auch auf den Bereich des Sports (Sigg, 2014). Feststehende Werte im Sport, die bis in die 50er und 60er Jahre einheitlich galten wie Leistung, Wetteifer, Konkurrenz, Disziplin, Unterordnung und Solidarität lösten sich auf (Sigg, 2014; Digel, 1986). Ender der 70er Jahre begann eine Neubewertung der sportlichen Aktivitäten. Auch hier spricht man wieder von einem Wandel der materialistischen zu postmaterialistischen Werten (Sigg, 2014). Es wurde erkannt, dass durch den Sport postmaterialistische Werte erreicht werden können wie Gesundheit und Körperlichkeit. So wird Sport als allgemeine Lebenshilfe verstanden (Sigg, 2014). Untersucht man die Motive, wegen denen Menschen Sport treiben, kristallisiert sich bei den deutschen Erwachsenen das Gesundheitsmotiv heraus und bei den Kindern und Jugendlichen Spaß und Freude (Franke, 1986). Aber auch der Aspekt der Freizeitgestaltung und des Erlebens gewinnt an Bedeutung (Schulze, 1992), sodass von einer heutigen Erlebnisgesellschaft die Rede ist.
Diesen veränderten Bedingungen der Werte und Prioritäten folgt auch ein entsprechendes Angebot. Die Spannungen, die durch die Modernisierung und die geänderten Zustände auftreten, werden durch Anpassungen, sogenannten Trends, aufgenommen. So wird versucht, mit den Veränderungen umzugehen (Horx, 1993). Horx (1993) redet von einer entfalteten Trendgesellschaft. Neben den althergebrachten Sportarten entstehen neue, sogenannte Trendsportarten, die den veränderten Bedürfnissen nach Postmaterialismus, Selbstverwirklichung, Erlebnisbedarf und Freizeitgestaltung versuchen gerecht zu werden. Wenn in dieser Arbeit von Trendsport gesprochen wird, handelt es sich also um ebendiese Trendsportarten, die im Zuge des Wertewandels entstanden sind.
2.2 Trendsport - Definition und Merkmale
Wann ein Sport offiziell als Trendsport bezeichnet werden kann, ist nicht allgemeingültig geklärt worden (Kittel, 2011). „Fragt man 10 Wissenschaftler nach einer Definition von Trendsport, so erhält man sicherlich 11 Antworten“ (Breuer & Michels, 2003, S. 12). Was klar gesagt werden kann, ist, dass Trendsportarten ein unstetes Phänomen sind (Sigg, 2014). Etwas, was sich ständig ändert, lässt sich schwer definieren. Damit ein neues Bewegungsangebot zum Trendsport wird, muss es sich über mehrere Jahre im Bewusstsein der Sporttreibenden verankern und in der Praxis etablieren (Schwier, 1998).
Obwohl es keine einheitliche Definition von Trendsport gibt, lassen sich doch gemeinsame Merkmale zusammenstellen und Abgrenzungen zu ähnlichen Begriffen treffen. Dies soll in diesem Abschnitt geschehen, um dann im folgenden Verlauf der Arbeit eine genauere Gegenüberstellung von CrossFit zum Trendsport darzustellen zu können. Zunächst zur reinen Begrifflichkeit: „Trend“ bezeichnet allgemein eine „über einen gewissen Zeitraum bereits zu beobachtende, statistisch erfassbare Entwicklung[stendenz]“ (Duden, 2015). Bezieht man die Soziologie mit ein, ist diese Entwicklung besonders tiefgreifend und nachhaltig. Diese Entwicklungstendenz muss zusätzlich aus einem Bewegungsangebot bestehen, damit man von einem sportiven Trend sprechen kann (Schwier, 1989). „Trends werden definiert als Entwicklungen, die eine bestimmte Wirkungsdauer (Zeit) und Wirkungsbreite (Einfluss auf die Bevölkerung) haben“ (Wopp, 2007, S. 1). Nicht alles, was gerade „Inn“ oder neu, ist also ein Trend (Kittel, 2011). „Ein neu auftauchendes Bewegungsangebot [muss sich] über mehrere Jahre im Bewusstsein der Sporttreibenden verankert und als Praxis etabliert“ haben, damit von einem Trendsport gesprochen werden kann (Schwier, 1998).
Es wird unterschieden zwischen: Moden - Hype - Nischentrend - Trend. Moden sowie Hypes sind sehr kurzlebig und erzielen teilweise eine erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit. Nischentrends hingegen halten sich über einen längeren Zeitraum und sprechen lediglich hauptsächlich Minderheiten an. Trends hingegen haben eine lange Wirkungsdauer und eine hohe Wirkungsbreite (Wopp, 2007).
Knüpft man an den Wertewandel unserer Zeit an, insbesondere an jenen des Sports, sind Trendsportarten als Folge dieser Veränderung zu sehen. Trends beschreiben nach Horx (1991) eine kulturelle Anpassung an neue veränderte Gegebenheiten. Sie sind eine stetige Reaktion auf Veränderungen, die in unserer Gesellschaft zu beobachten sind. Zur Dauer von Trends lassen sich ebenfalls keine allgemeingültigen Aussagen finden. Fünf Jahre wäre eine genannte Zeit für die Dauer von Trends (Schildmacher). „Sogenannte Haupttrends auch Metatrends genannt, wird eine ungefähre Dauer von zehn bis 25 Jahren zugeschrieben“ (Horx, 1991, S. 238).
Neben diesen schwammigen Definitionen geben mehrere Autoren Merkmale an, die Trendsportarten oft gemeinsam aufweisen und nach denen man einen Trendsport identifizieren kann. Schwier (2003, S.10) nennt sechs allgemeine Merkmale, die in wechselnden Kombinationen und Anteilen auftreten können:
1) Stilisierung (als Grundlage für Lebensstil)
2) Tempo (zunehmende Beschleunigung)
3) Virtuosität (Perfektion, durch intrinsische Motivation)
4) Extremisierung (besondere Herausforderung, Intensität oder Risiko)
5) Ordalisierung (Risiko für Existenzgarantie)
6) Sampling (Sportartenhybride)
Wopp (2007, S.1) nennt ebenfalls Merkmale von Trendsportarten, insbesondere im Freizeitsport:
1) Sie entstammen mindestens einem der Themen:
- Gesundheit, - Ausdauer, - Fitness, - Wellness (Wohlbefinden, Entspannung, Körpererfahrung),
- Wilderness (Abenteuer, Risiko, Spannung), - Tempo oder Verlangsamung, - Outdoor,
- Expressivität (Tanz, Darstellung, Bewegungskünste) oder
- Teamsport.
2) Sie dienen zur Körperoptimierung und/oder zur Körperpräsentation.
3) Sie sind als Wortschöpfungen aktuell im Bewusstsein vieler Menschen verankert und sie basieren auf einem weiten Sportverständnis.
4) Sie enthalten Exit-Optionen.
5) Sie sind Lebensstilorientiert.
6) Sie sind marktrelevant oder könnten es werden.
7) Sie orientieren sich an Bildern von Jugendlichkeit und/oder Dynamik
Eine weitere Autorin, welche Merkmale als Einzeltrends nennt, die innerhalb einer Trendsportart beobachtet werden können, ist Schildmacher (1998). Auf die genauere Nennung der Merkmale wird in dieser Arbeit verzichtet. Jedoch kann man ein gesamtes Fazit aus den Merkmalen aller drei Autoren ziehen:
Insgesamt sind die aufgeführten Merkmale recht inhomogen. Einige Gesichtspunkte wiederholen sich allerdings. Wopp (2007) sowie Schwier (2003) sehen beide den Aspekt der Wichtigkeit des Trendsports für den Lebensstil als relevant. Schildmacher nennt ebenfalls wie Schwier den Trend zum Risiko. Auch der Aspekt der Unverbindlichkeit kristallisiert sich bei Wopp (2007) und Schildmacher (1998) heraus. Als Synthese der angeführten Definitionen lassen sich ebenfalls innovative Bewegungsformen und Sportgeräte sowie die Betonung der Körperlichkeit und Ästhetik benennen.
2.3 Entwicklung von Trendsportarten
Um eine Sportart oder Bewegungserscheinung als Trendsport eindeutig identifizieren zu können, ist es hilfreich, sich neben dem grundlegenden Verständnis und den Merkmalen von Trendsport aus dem vorherigen Kapitel auch die Entwicklung einer solchen anzuschauen. In diesem Abschnitt wird ein Modell dargestellt, dass die Genese von Trendsportarten darstellt. Auf dieser Grundlage wird in Kapitel 4.2 eine Einordnung von CrossFit in den Trendsport stattfinden.
In der Literatur lassen sich hauptsächlich zwei Modelle zur Genese von Trendsport finden. Zum einen handelt es sich um das semiotische Modell nach Schwier (1998), zum anderen um das an einem Produktlebenszyklus orientierte Modell nach Lamprecht und Stamm (1998). Diese wurden durch Schwier (2003) aufeinander bezogen (vgl. Abbildung 1). Beide Modelle wurden nahezu zeitgleich publiziert (1998) und versuchen idealtypische Muster der Entwicklung von Trendsport nachzuzeichnen. Die Ergebnisse stimmen im Wesentlichen überein und sind in der rechten Spalte „Charakteristika“ zusammengeführt. Ein näherer Bezug zu den Phasen wird im Kapitel 4.2 direkt im Zusammenhang mit CrossFit hergestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Phasen der Entwicklung von Trendsportarten (Schwier, 2003).
3 CrossFit
In dieser Studienarbeit soll es darum gehen, CrossFit in die Trendsportarten einzuordnen bzw. davon abgrenzen zu können. Bisher wurde viel über sportliche Entwicklungen und Trendsport, als Grundlage für die Beantwortung der Frage, dargestellt. In diesem Kapitel soll es nun darum gehen, CrossFit näher zu beschreiben sowie die Entwicklung dieser Bewegungserscheinung darzustellen.
3.1 Die wesentlichen Merkmale
Ein Satz, der immer wieder im Zusammenhang mit CrossFit zu finden ist, lautet: „konstant variierende, hoch-intensive, funktionelle Bewegung“. Er steht beispielsweise auf den T-Shirts der lizensierten Trainer, wird im Trainingshandbuch (2015) als „Verordnung“ von CrossFit dargestellt und von Sportlern benutzt, um kurz und bündig ihren Sport zu beschreiben. Die einzelnen Wörter werden im Folgenden kurz erläutert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Trainer T-Shirt mit CrossFit
Beschreibung (Crossfitfederalhill, 2015).
Variierend: Umfang und Tiefe des Stimulus bestimmen ebenfalls Umfang und Tiefe der Anpassung, daher variierende Funktionalität und Intensität mit dem Hintergrund der unbekannten und unvorhersehbaren Ereignisse.
Intensität: Leistung als unabhängige Variable, sie führt zur Maximierung der Adaptionen.
Funktionalität: Funktionalität bedeutet universelle motorische Rekrutierungsmuster als Kontraktionswellen vom Rumpf in die Extremitäten, komplex und mehrgelenkig. Sie steht für natürliche, effektive und effiziente Bewegungen des eigenen Körpers und externer Gegenstände. Je mehr Gewicht, Distanz und Geschwindigkeit, desto höher die Leistung der funktionellen Bewegung.
In diesem Abschnitt und auch im Folgenden wird sich auf „die Aussage von CrossFit“ bezogen. Damit sind die Inhalte des sogenannten Handbuchs gemeint, welches von den Entwicklern eigens entworfen wurde, um allgemeingültige Standards von CrossFit zu definieren und festzuhalten.
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