Ulrich Becks "Risikogesellschaft". Das Verhältnis zwischen Laien und Experten unter Bedingungen einfacher und reflexiver Modernisierung
Zusammenfassung
Hierbei wird dieses Verhältnis zuerst im Zuge einfacher Modernisierung dargestellt, um nach kurzer Thematisierung der Unterschiede zwischen einfacher und reflexiver Modernisierung in der Umbruchphase, dieses Verhältnis im Zuge reflexiver Modernisierung in der Risikogesellschaft zu beschreiben.
Schließlich werde ich meine eigene Meinung zu diesem Verhältnis darstellen und ein kurzes Fazit ziehen. Grundlage für die folgenden Ausführungen sind das Buch „Risikogesellschaft – Auf dem Weg in eine andere Moderne“ von Ulrich Beck, insbesondere die Kapitel I und VII, die Mitschriften und Unterlagen aus dem Seminar, sowie Sekundärliteratur.
Leseprobe
Das Verhältnis zwischen Laien und Experten unter Bedingungen einfacher Modernisierung und reflexiver Modernisierung
Gammelfleisch, Dioxin-Eier, Ehec-Sprossen, Pferdefleisch-Lasagne oder aflatoxinbelastete tierische Erzeugnisse – was darf es sein?
Angesichts aktueller und in der nahen Vergangenheit liegender Lebensmittelskandale, erscheinen Ulrich Becks Thesen zur Risikogesellschaft aktueller denn je. Im Folgenden soll diese Risikogesellschaft mit ihren zentralen Elementen kurz beschrieben werden, um dann ausführlich Ulrich Becks Thesen zum Verhältnis zwischen Laien und Experten darzustellen. Hierbei wird dieses Verhältnis zuerst im Zuge einfacher Modernisierung dargestellt, um nach kurzer Thematisierung der Unterschiede zwischen einfacher und reflexiver Modernisierung in der Umbruchphase, dieses Verhältnis im Zuge reflexiver Modernisierung in der Risikogesellschaft zu beschreiben. Schließlich werde ich meine eigene Meinung zu diesem Verhältnis darstellen und ein kurzes Fazit ziehen. Grundlage für die folgenden Ausführungen sind das Buch „Risikogesellschaft – Auf dem Weg in eine andere Moderne“ von Ulrich Beck, insbesondere die Kapitel I und VII, die Mitschriften und Unterlagen aus dem Seminar, sowie Sekundärliteratur.
Risikogesellschaft ist, nach einem Zitat von Beck, ein „System- und Epochenwandel in drei Bereichen: Es handelt sich erstens um das Verhältnis der Industriegesellschaft zu ihren Ressourcen, die sie aufbraucht. Zweitens um das Verhältnis der Gesellschaft zu den von ihr erzeugten Gefahren, die die Grundannahmen der bisherigen Gesellschaftsordnung erschüttern. Drittens um den Prozeß [sic!] der Individualisierung, da alle kollektiven Sinnquellen erschöpft sind.“ (Beck, 1986: S. 2). Die Risikogesellschaft, als „neuzeitlicher Typ der Industriegesellschaft“ (Treibel, 2006: S. 248) und „Nachfolgerin der Industriegesellschaft“ (Treibel, 2006: S. 246), ist somit zur klassischen Industriegesellschaft abgrenzbar, was im Verlauf des Essays weiter ausgeführt wird. Ulrich Becks Risikogesellschaft nimmt tendenziell eher eine makrotheoretische Perspektive ein (vgl. Tillmann, 1989: S. 328), behält dabei jedoch Individuen, Gruppen und ihre Zwänge im Blick, welche letztlich für ihn sogar „entscheidender als die Frage nach System- oder Strukturprinzipien“ (Treibel, 2006: S. 246) sind. „Implizit formuliertes Ziel“ ist für Beck dabei die „Dualität von Handlung und Struktur“, also die „Zusammenschau von Mikro- und Makrotheorie“ bzw. die „Verknüpfung des Handlungs- und Strukturaspektes in Gesellschaften“ (Treibel, 2006: S. 246).
Im Gegensatz zur klassischen Industriegesellschaft sind in der Risikogesellschaft die ökologischen Fragen mit den Fragen nach sozialer Gerechtigkeit, z.B. zwischen arm und reich, gleichwertig, wenn nicht sogar wichtiger. Globale Gefahren, wie Atomenergie, Luftverschmutzung, Gentechnologie, Klimawandel oder Gifte in Wasser und Lebensmitteln sind von primärem Interesse, da sie nach Beck das „Überleben der Menschheit“ (Treibel, 2006: S. 249) gefährden. Die Gefahren betreffen zwar alle, sind also universal und grenzüberschreitend, jedoch lokal und global ungleich verteilt. Sie entstehen sowohl in der Mangelgesellschaft als auch im Wohlfahrtsstaat (vgl. Beck, 1986: S. 26-27). Materielle Ressourcen oder Wissen (um die Gefahren und Risiken) unterscheiden die Menschen in ihrem Ausgeliefertsein an die Risiken, z.B. durch die an finanzielle Möglichkeiten gebundene Wahl des Wohnortes oder das Wissen über mehr oder weniger mit Schadstoffen belastete Nahrungsmittel. Außerdem gibt es Risikogewinner und Risikoverlierer, Profiteure und Geschädigte (vgl. Beck, 1986: S. 30-31). Angesichts der permanenten Präsenz der Risiken wird in der „Katastrophengesellschaft“ der „Ausnahmezustand zum Normalzustand“ (Beck, 1986: S. 31).
Zur Zeit der Veröffentlichung von Ulrich Becks Buch „Risikogesellschaft“ im Jahre 1986 befindet sich die Gesellschaft im Übergang zur Risikogesellschaft (vgl. Beck, 1986: S. 27). Sie steht zwischen der ersten Moderne, Beck nennt sie auch halbierte Moderne, und der zweiten Moderne. Die erste Moderne zeichnet sich noch durch ihr nationalstaatliches Denken - Beck spricht hier von „methodologischem Nationalismus“ (Treibel, 2006: S. 275) - aus. Der Transformationsprozess erfolgt laut Beck über „reflexive Modernisierung“. Die zweite Moderne ist global ausgelegt: Wir befinden uns in einer Weltrisikogesellschaft. Über Reflexion und Reformierung in allen wichtigen Bereichen der Gesellschaft (z.B. Politik, Wissenschaft) sowie bürgerliches Engagement kann laut Beck die Weltrisikogesellschaft zu einer Weltbürgergesellschaft werden (vgl. Treibel, 2006: S. 252). Dass wir uns schon in der Weltrisikogesellschaft und zweiten Moderne befinden, hat Beck kurze Zeit nach den Anschlägen vom 11.09.2001 behauptet (vgl. Treibel, 2006: S. 267).
Individualisierung, wie Beck sie beschreibt, meint weniger Emanzipation, sondern vielmehr die Prozesse der „Veränderung von Lebenslagen“ und „Biographiemustern [sic!]“ (Beck, 1986: S. 207). Dabei wird von einer dreifachen Individualisierung ausgegangen: 1. Herauslösung aus traditionalen Sozialformen und -bindungen, 2. Verlust von traditionalen Sicherheiten und 3. Soziale (Wieder-) Einbindung auf eine neue Art (vgl. Beck, 1986: S. 206). Ambivalenz ist ein zentrales Merkmal der Individualisierung (vgl. Treibel, 2006: S. 255): Dem Individuum ist es in vielerlei Hinsicht möglich, eine eigene biographische Perspektive zu entwickeln, gleichzeitig fördert die Arbeitsmarktabhängigkeit des Individuums eine zunehmende Standardisierung (vgl. Treibel, 2006: S. 254). Der Prozess der Individualisierung ist als ein Teil des reflexiven Transformationsprozesses bzw. der „reflexiven Modernisierung“ hin zur zweiten Moderne zu betrachten.
Um das Verhältnis zwischen Laien und Experten in der Risikogesellschaft zu beschreiben, ist es zunächst wichtig die geschichtliche Entwicklung des Verhältnisses zwischen Laien und Experten darzustellen. Beck tut dies, indem er einfache Modernisierung bzw. primäre Verwissenschaftlichung und reflexive Modernisierung bzw. sekundäre Verwissenschaftlichung sowie, wie bereits oben genannt, erste Moderne und zweite Moderne, unterscheidet. Durch diese Unterscheidung wird der Wandel der Verhältnisse verschiedener Bereiche im Staat untereinander deutlich. Beck nimmt besonders Bezug auf die Bereiche Wissenschaft, hier insbesondere das Verhältnis zwischen Laien und Experten, Politik, Öffentlichkeit, hier besonders die Gesellschaft, und Wirtschaft (vgl. Beck, 1986: S. 261).
Einfache Modernisierung steht für die „Modernisierung der Tradition“ (Beck, 1986: S. 14). Sie wirkte in der traditionalen Gesellschaft, die sich über die einfache Modernisierung zur Industriegesellschaft, die Beck als erste Moderne bezeichnet, entwickelte. Die Industriegesellschaft ist somit in all ihren Facetten geprägt vom Einfluss primärer Verwissenschaftlichung. Man kann von einer konstanten Abnahme primärer Verwissenschaftlichung vom Ende des 19.Jh. bis in die erste Hälfte des 20.Jh. ausgehen, „in dem Maße, in dem die reflexive Konstellation an Bedeutung gewinnt“ (Beck, 1986: S. 255). Der Einfluss einfacher Modernisierung reichte dabei „bis in die sechziger Jahre hinein“ (Beck, 1986: S.278). Laut Beck gewinnt die primäre Verwissenschaftlichung „ihre Dynamik aus der Gegenüberstellung von Tradition und Moderne, Laien und Experten“ (Beck, 1986: S. 255). Primäre Verwissenschaftlichung bezieht sich in ihrem Wirken besonders auf die „vorgegebene Welt von Natur, Mensch und Gesellschaft“ (Beck, 1986: S. 254). Diese Phase einfacher Modernisierung ist gekennzeichnet durch ungebrochene Wissenschafts- und Technikgläubigkeit der Laien (vgl. Beck, 1986: S. 255) und eine klare Trennung der Experten von den Laien im Bereich der Wissenschaften aber auch in anderen Bereichen (vgl. Beck, 1986: S. 259). Die Laien haben hier keine Möglichkeit auf die Wissenschaften Einfluss zu nehmen und streben dies auch nicht an, da die Wissenschaften ihre Fehler und Risiken in Expansionschancen zu verwandeln wissen (vgl. Beck, 1986: S. 260). Durch den kontinuierlichen wirtschaftlichen Erfolg, welchen immer neue, wenn auch risikobehaftete(re) Technologien ermöglichen, wird sich so mancher in seiner blinden Wissenschaftsgläubigkeit bestätigt fühlen. Wissenschaftliche Entwicklung als Wachstumsmotor entzieht sich somit jeglicher Kritik und ist „ultrastabil“ (Beck, 1986: S. 261). Die Wissenschaften geben sich hierbei gegenüber den Laien überlegen: Nach außen demonstrieren die einzelnen Wissenschaftsbereiche Geschlossenheit und wissen ihre Interessen konsequent durchzusetzen, während innen Konkurrenz herrscht, die jedoch unter autoritärer Führung von oben noch im Zaum gehalten werden kann (vgl. Beck, 1986: S. 261). Die Wissenschaft wird nur auf das Außen, die Umwelt, angewendet, während das Innere unberührt bleibt (vgl. Beck, 1986: S. 254). Dieser Unterschied im Innen- und Außenverhältnis der Wissenschaften ist widersprüchlich, Beck spricht in diesem Zusammenhang von einer „halbierten Verwissenschaftlichung“ (Beck, 1986: S. 254). Da diese Widersprüchlichkeit auch in anderen Verhältnissen, wie beispielsweise im Geschlechterverhältnis (vgl. Treibel, 2006: S. 253) deutlich wird, spricht Beck von einer „halbierten Moderne“ (Treibel, 2006: S. 253). Die klassische Industriegesellschaft als „Moderne“ zu bezeichnen ist für ihn ein Trugschluss (vgl. Beck, 1986: S. 251). Allgemein kann gesagt werden, dass die Laien in dieser Phase der primären Verwissenschaftlichung „dem Urteil, den Fehlern, den Kontroversen der Experten“ (Beck, 1986: S. 35) vollkommen ausgeliefert sind und wenig bis keine Einflussmöglichkeiten haben.
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