Diese Hausarbeit widmet sich den Problematiken des Messens, Bewertens und Zensierens von Leistungen speziell im Sportunterricht. Es handelt sich hierbei nicht um eine völlig neue Thematik, so haben sich bereits Miethling, Scherler und Volkamer damit eingehend auseinandergesetzt. Jedoch ist diese Thematik immer noch aktuell, weshalb hier wesentliche Aspekte unter Rückgriff auf die drei Autoren dargestellt werden sollen.
Bevor auf die Zensurengebung im Sportunterricht eingegangen werden kann, werden zunächst die Funktionen von Zensuren im Allgemeinen zusammengetragen sowie der Unterschied des Zensierens vom Bewerten verdeutlicht.
In der Schule sollen Lernleistungen gemessen und bewertet werden. Zensieren ist dabei eine Form des Bewertens, die maßgeblich für die staatlichen Regelschulen geworden ist. Zensuren gehören hier ebenso zum Schulalltag, wie der Gong zur Pause. Noten stellen eine Möglichkeit dar, gemessene Leistungen in einer Einheit festzuhalten. Gleichzeitig sollen sie motivieren und Druck auf die Lernenden ausüben. Außerdem sind sie ideal, um Leistungsstände zu vergleichen sowie die leistungsstarken von den -schwachen SchülerInnen zu trennen und sie den verschiedenen Schulformen zuzuweisen. Die Zensuren im Abschlusszeugnis üben darüber hinaus meistens einen enormen Einfluss auf die zukünftige Laufbahn der Absolventen aus, gerade hinsichtlich des Numerus Clausus bei der Studienplatzvergabe oder einer attraktiven Ausbildungsstelle.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Funktionen von Zensuren
3 Zensieren und Bewerten
4 Zensurengebung im Sportunterricht
4.1 Realisierbarkeit der Notenfunktionen im Fach Sport
4.2 Was wird im Sportunterricht gemessen?
4.3 Gütekriterien
4.3.1 Objektivität
4.3.2 Reliabilität
4.3.3 Validität
4.4 Fehlerquellen
4.4.1 Milde- und Strengefehler sowie Tendenz-zur-Mitte-Effekte
4.4.2 Halo- oder Hofeffekt
4.4.3 Logische Fehler
4.4.4 Reihungsfehler
4.4.5 Wissen-um-die-Folgen-Fehler
5 Umgang mit Bewerten und Zensieren im Sportunterricht
5.1 Selbstbewertungen fördern
5.2 Eine Feedback-Kultur errichten
5.3 Gütemaßstäbe und Prüfungsbedingungen verhandeln
5.4 Bewertungsrituale pflegen und Stellenwert der Benotung relativieren
6 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In der Schule sollen Lernleistungen gemessen und bewertet werden. Zensieren ist dabei eine Form des Bewertens, die maßgeblich für die staatlichen Regelschulen geworden ist. Zensuren gehören hier ebenso zum Schulalltag, wie der Gong zur Pause. Noten stellen eine Möglichkeit dar, gemessene Leistungen in einer Einheit festzuhalten. Gleichzeitig sollen sie motivieren und Druck auf die Lernenden aus- üben. Außerdem sind sie ideal, um Leistungsstände zu vergleichen sowie die leis- tungsstarken von den -schwachen SchülerInnen zu trennen und sie den verschiede- nen Schulformen zuzuweisen. Die Zensuren im Abschlusszeugnis üben darüber hin- aus meistens einen enormen Einfluss auf die zukünftige Laufbahn der Absolventen aus, gerade hinsichtlich des Numerus Clausus bei der Studienplatzvergabe oder ei- ner attraktiven Ausbildungsstelle.
Die vielen unterschiedlichen Funktionen von Noten spiegeln ihre starke Bedeutung im Schulalltag und darüber hinaus wider. Sicherlich wollen SchülerInnen wissen, wo sie leistungsmäßig stehen und die meisten Eltern möchten wohl auch darüber infor- miert werden. Zensuren sind dabei jedoch per se problematisch, da es sich bei ihnen immer um Fremdbewertungen handelt. Es ist außerdem davon auszugehen, dass durch die vielen unterschiedlichen Funktionen von Zensuren die Gefahr besteht, dass SchülerInnen vergessen, warum sie eigentlich etwas Lernen und Leisten.
Diese Hausarbeit widmet sich den Problematiken des Messens, Bewertens und Zen- sierens von Leistungen speziell im Sportunterricht. Es handelt sich hierbei nicht um eine völlig neue Thematik, so haben sich bereits Miethling, Scherler und Volkamer damit eingehend auseinandergesetzt. Jedoch ist diese Thematik immer noch aktuell, weshalb sie hier wesentliche Aspekte unter Rückgriff auf die drei Autoren dargestellt werden sollen.
Bevor auf die Zensurengebung im Sportunterricht eingegangen werden kann, wer- den zunächst die Funktionen von Zensuren im Allgemeinen zusammengetragen so- wie der Unterschied des Zensierens vom Bewerten verdeutlicht. In einem auf den Sportunterricht bezogenem Teil soll zunächst überlegt werden, inwieweit die ver- schiedenen Notenfunktionen zu erfüllen sind. Anschließend wird das Messen von Lernleistungen thematisiert, da eine Bewertung eine Messung voraussetzt. Zunächst wird hierbei dargestellt, was im Sportunterricht gemessen werden soll. Anschließend werden die Gütekriterien, welche jeder Messung unterliegen sollen, vorgestellt sowie kritisch reflektiert, ob diese überhaupt bei der Leistungsmessung im Sportunterricht zu erfüllen sind. Anschließend daran werden weitere Fehlerquellen der schulischen Leistungsbeurteilung angeführt, die aufgrund subjektiver Einflüsse auftreten können. Nach diesem Teil, der zum Nachdenken über die Sinnhaftigkeit von Zensuren anregen soll, werden Alternativen dazu aufgeführt, wie Schülerleistungen anstelle von Zensuren bewertet werden können. Hierzu hat Miethling (1997) einige Vorschläge aufbereitet, welche abschließend dargestellt werden.
In einem Fazit werden noch einmal die wesentlichen Inhalte dieser Arbeit zusammengefasst sowie eine persönliche Bewertung des Dargestellten abgegeben.
2 Funktionen von Zensuren
Die Zensurengebung ist das zentrale Instrument der Leistungsbeurteilung. Als hauptsächliche Beurteilungsform innerhalb der pädagogischen Diagnostik ist die Zensurengebung allerdings paradox. Denn der pädagogische Wert der Einordnung der SchülerInnenleistungen in eine Rangskala, welche durch Ziffern ausgedrückt wird, ist sehr gering. Erklärt werden kann dies damit, dass die ÄVerfahrenslogik der Zensurengebung nicht an erster Stelle pädagogisch motiviert ist, sondern politisch (vgl. Jürgens/ Sacher, 2008, S. 52).
Während die Selbstbewertung eine selbstständige Einschätzung der Leistung hin- sichtlich des Handlungspotenzials ist, werden der Fremdbewertung durch Zensuren- gebung weitere Funktionen zugeschrieben. Nachfolgend sollen die Funktionen der schulischen Zensurengebung vorgestellt werden, um später kritisch reflektieren zu können, ob die Notenvergabe im Sport die jeweiligen Funktionen erfüllen kann. Nach Zielinski (1975) lassen sich zehn Funktionen, die der Notengebung beigemes- sen werden, unterscheiden:
1. Die Rückmeldefunktion für die LehrerIn: Wesentlich ist hier, dass die Lehr- person den Erfolg ihres Unterrichts an den Zensuren ablesen können soll.
2. Die Rückmeldefunktion für die SchülerInnen: Die Note dient als Information über den Könnens- und Leistungsstand der SchülerInnen im Vergleich zu den MitschülerInnen.
3. Die Berichtfunktion: Zensuren dienen als Information für die Eltern über den Leistungsstand ihrer Kinder.
4. Die Anreizfunktion: Noten sollen SchülerInnen motivieren, sich mit den Un- terrichtsinhalten zu beschäftigen.
5. Die Disziplinierungsfunktion: Schlechte Noten werden leistungsunwilligen SchülerInnen aus pädagogischen Gründen gegeben, um sie zur Leistungs- erbringung zu disziplinieren.
6. Die Sozialisierungsfunktion: SchülerInnen werden in der Schule damit kon- frontiert, dass sich die Leistungsnormen teilweise stark von den Ansprüchen in der eigenen Familie unterscheiden.
7. Die Klassifizierungsfunktion: Die SchülerInnen werden aufgrund ihrer unter- schiedlichen Noten in unterschiedliche Bewertungsklassen eingeteilt.
8. Die Selektionsfunktion: Zensuren dienen dazu, SchülerInnen nach ihren Leistungen zu selektieren, um sie entsprechenden Institutionen zuführen zu können.
9. Die Zuteilungsfunktion: Ähnlich wie in der Selektionsfunktion geht es hier da- rum, dass Noten über den weiteren sozialen Aufstieg entscheiden.
10. Die Chancenausgleichsfunktion: Bessere Noten können von manchen Lehr- personen an Benachteiligte verteilt werden, um ihre Benachteiligungen aus- zugleichen.
3 Zensieren und Bewerten
Miethling (vgl. Miethling, 1997, S. 20 sowie ders., 2007, S. 156) weist zu Recht darauf hin, dass zwischen dem Bewerten und Zensieren Unterschiede bestehen. Dennoch werden häufig beide Vorgänge miteinander vermischt. In der Folge werden die Unterschiede nicht wahrgenommen und falsche Rückschlüsse gezogen. Doch eine Kritik an der Zensurengebung ist nicht gleichbedeutend mit einem Verzicht auf Bewertungsvorgänge, ebenso wie eine Befürwortung von Noten im Sportunterricht nicht bedeutet, dass dadurch am besten bewertet werden kann.
Zensieren ist eine spezielle Form des Bewertens. Dabei sind Zensuren
Äin wenige Zahlen gegossene komplexe Fremd-Bewertungen von Schülern durch Lehrer, die zumeist in besonderen Situationen erstellt werden. Die Maßstäbe und Normen dieser Fremd-Beurteilungen entstehen im Allgemeinen nicht als Vereinbarungen zwischen Schülern und Lehrern, sondern werden vom gesellschaftlichen Umfeld in Entscheidungs- prozessen festgelegt, die von den betroffenen (Schülern und Lehrern) zumeist als un- durchsichtig, unbeeinflussbar und somit häufig als willkürlich empfunden werden“ (Miethling, 1997, S. 20).
Während dem Zensieren besondere Situationen unterliegen, findet Bewerten eigent- lich permanent statt. Bewertungen werden dabei jedoch auch und vor allen Dingen als Selbstbewertungen unternommen. So dienen Selbstbewertungen dazu, die eige- nen Kompetenzen mit sich stellenden Aufgaben zu vergleichen und danach eine Handlungsstrategie zu entwickeln. Ebenso wird selbst erfahren und bewertet, ob eine Handlung gelungen ist oder nicht und daraus Konsequenzen für die Zukunft gezogen (vgl. ebd.).
4 Zensurengebung im Sportunterricht
Die von Zielinski zusammengetragenen zehn Funktionen von Noten verdeutlichen den hohen Anspruch, der an Zensuren gesetzt wird. Dabei ist zu fragen, ob eine Ziffernnote diesen überhaupt erfüllen kann. Daher werden zunächst die Funktionen mit ihrer Durchsetzbarkeit im Sportunterricht verglichen.
Dass es nicht leicht ist, Leistungen zu messen und zudem gar nicht eindeutig bestimmt ist, was genau im Sportunterricht in die Leistungsmessung einfließt, wird anschließend dargestellt. Zensurengebung hat den Anspruch, Ä‚messmethodisch‘ auf hohem Niveau durchgeführt zu werden, um den Einfluss von sachfremden Aspekten und Subjektivismen so gering wie möglich zu halten (Jürgens/Sacher, 2008, S. 53).“ Hierfür gilt die Orientierung an den nachfolgend dargestellten Gütekriterien. Abschließend soll auf Fehlerquellen eingegangen werden, welche die Objektivität der Leistungsmessung wieder in Frage stellen.
4.1 Realisierbarkeit der Notenfunktionen im Fach Sport
In Übereinstimmung mit Ingenkamp kann sich jeder Fachlehrer skeptisch fragen, ob eine einzige Ziffer den oben angeführten vielen Funktionen gerecht werden kann.
ÄAllein schon die Tatsache, daß eine Ziffer oder die Zusammenfassung mehrerer Ziffern im Zeugnis so viele unterschiedliche Funktionen gleichzeitig erfüllen soll, müßte uns zei- gen, daß im schulischen Beurteilungssystem mit erstaunlicher Naivität versucht wurde, das Unmögliche tagtäglich zu praktizieren“ (Ingenkamp, 1972, S. 41, zit. Nach Volkamer, 105).
Hier soll jedoch hauptsächlich aus der Perspektive der Sportlehrkraft reflektiert wer- den, inwieweit die verschiedenen Funktionen von Noten zu erfüllen sind. Die ersten drei Funktionen stellen den Anspruch, über Zensuren gewisse Informatio- nen zu vermitteln. Jedoch sind diese Informationen ausgesprochen gering. Insbe- sondere die Eltern werden kaum an einer Ziffer ablesen können, auf welchem Leis- tungsstand sich ihre Kinder in einem bestimmten Bewegungsfeld befinden. Wenn SchülerInnen ihre gemessenen Teilleistungen kennen, sich an die Prüfungsanforde- rungen erinnern können und auch ihre Prüfungsnoten kennen, können sie zumindest rekonstruieren, wie ihre Halbjahresnote entstanden ist. Im Sportunterricht treten jedoch selten solche Prüfungssituationen wie in den übrigen Fächern auf, da erst ab der Oberstufe schriftliche Arbeiten geschrieben werden, mündliche Noten nicht verteilt werden und praktische Leistungsprüfungen selten durchgeführt werden. Eher werden Leistungen durch Beobachtung der Lehrkraft festgehalten und bei Bedarf mitgeteilt (vgl. Scherler, 2000, S. 180).
Durch die Anreiz- und Disziplinierungsfunktion wird die Notengebung zu Äeinem In- strument extrinsischer Motivation. Schüler leisten nicht um der Sache willen (extrinsi- sche Motivation), sondern wegen damit verbundener Belohnung bzw. Bestrafung“ (ebd. S. 180-181). Dabei sollte vermieden werden, dass SchülerInnen nur um der guten Note willen motiviert im Unterricht sind. Außerdem wird nicht jeder Lernende auf gleiche Weise durch eine Note diszipliniert oder motiviert. Während eine schlech- te Note den einen motivieren kann, sich beim nächsten Mal mehr anzustrengen, wird ein anderer durch die Note anschließend noch weniger Elan aufbringen können (vgl. ebd., S. 180).
An der Sozialisierungsfunktion ist allgemein zu kritisieren, dass sich die Leistungsbeurteilungen bereits von Lehrperson zu Lehrperson unterscheiden können und diese sich daher nicht unbedingt an allgemeine Normen halten.
Die Klassifizierungsfunktion gilt als Basis für Förderungs- und Selektionsmaßnah- men. Die SchülerInnen sollen durch die Vergabe von Zensuren unterschiedlichen Bewertungsklassen zugeordnet werden können. Die Selektions- lässt sich kaum von der Zuteilungsfunktion abgrenzen. Mithilfe von Zensuren werden Laufbahnentschei- dungen getroffen, über Versetzungen entschieden und SchülerInnen in unterschied- liche Leistungskurse eingeteilt. Beim Sport werden jedoch selten verschiedene Leis- tungsgruppen gebildet. Außerdem ist eine schlechte Note in Sport leichter auszuglei- chen als eine in den Hauptfächern. Darüber hinaus sind schlechte Zensuren im Sport relativ selten und liegen nach Angabe Scherlers in vielen Untersuchungen Äknapp unter oder über 2“ (Scherler, 2000, S. 182). Dies ist hilfreich für die SchülerInnen, so kann die Sportnote die Selektion auf einen Schulzweig positiv beeinflussen. Dennoch ist stark anzuzweifeln, dass es in irgendeiner Form gerecht ist, durch die Sportnote den entscheidenden Numerus Clausus für die Annahme zum Medizinstudium o.Ä. zu erreichen.
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