Halo- und Pygmalion-Effekt im Schulkontext. Konsequenzen für die pädagogische Arbeit
Zusammenfassung
Es gibt viele Faktoren, die den Lernerfolg von Schülern beeinflussen. Der vorliegende Beitrag bezieht sich auf Lehrer-Schüler Interaktionsprozesse, die unter anderem zur „Etikettierung“ bzw. „Stigmatisierung“ führen können. Die aus dem Bereich der Sozialpsychologie stammenden Begriffe „Halo-Effekt“ und „Pygmalion-Effekt“ spielen dabei eine bedeutende Rolle.
Für Lehrer ist es von Bedeutung, sich der verschiedenen Formen von sozialen schulischen Interaktionsprozessen bewusst zu sein, um möglichen negativen Folgen für die Lernerfolge der Schüler entgegenwirken zu können. Obwohl die Diskussion um die Effekte der sogenannten selbsterfüllenden Prophezeiung bereits seit Jahrzehnten die empirische Wissenschaft beschäftigt, ist sie dennoch aktuell und bietet zahlreiche Forschungsfragen, die bislang nicht eindeutig geklärt werden konnten.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Halo- und der Pygmalion-Effekt im Schulkontext
2.1 Der Halo-Effekt
2.2 Der Pygmalion-Effekt
2.3 Der Halo-Pygmalion-Effekt
3. Das Rosenthal Experiment
3.1 Versuchsbeschreibung
3.2 Ergebnisse der Rosenthal Studie
3.3 Zur Kritik an der Rosenthal Studie
4. Negative Etikettierung und ihre Folgen
5. Konsequenzen für pädagogische Arbeit
6. Schlussbemerkung
Literatur
1. Einleitung
Es gibt viele Faktoren, die den Lernerfolg von Schülern beeinflussen.
Der vorliegende Beitrag bezieht sich auf Lehrer-Schüler Interaktionsprozesse, die u. a. zur „Etikettierung“ bzw. „Stigmatisierung“ führen können. Die aus dem Bereich der Sozialpsychologie stammenden Begriffe „Halo-Effekt“ und„Pygmalion-Effekt“ spielen dabei eine bedeutende Rolle.
Mit folgenden zentralen Fragestellungen werde ich mich im Rahmen dieser Arbeit beschäftigen:
- Welche Auswirkung hat die subjektive bzw. voreilige Einschätzungeines Schülers durch den Lehrer (Halo-Effekt)?
- Welche Auswirkung hat die Lehrererwartung auf das Verhalten und die Leistungen der unterrichteten Schüler (Pygmalion-Effekt)?
- Wie kann man als Lehrperson möglichen negativen Auswirkungen auf die Lernfortschritte der Schüler aktiv entgegenwirken?
Für Lehrer ist es von Bedeutung, sich der verschiedenen Formen von sozialen schulischen Interaktionsprozessenbewusst zu sein, um möglichen negativen Folgen für die Lernerfolge der Schülerentgegenwirken zu können.
Obwohl die Diskussion um die Effekte der sogenannten selbsterfüllenden Prophezeiung bereits seit Jahrzehnten die empirische Wissenschaft beschäftigt, ist sie dennoch aktuell und bietet zahlreiche Forschungsfragen, die bislang nicht eindeutig geklärt werden konnten.
In der vorliegenden Arbeit werden die vier folgenden Begriffe Erwartungseffekt, selbst erfüllende Prophezeiung, Pygmalioneffekt und Rosenthal-Effekt synonym verwendet.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.
2.Der Halo- und der Pygmalion-Effekt im Schulkontext
2.1 Der Halo-Effekt
Der Halo-Effekt (=Heiligenschein), im Deutschen auch Hof-Effekt genannt, stammt aus der Sozialpsychologie und ist ein Beurteilungs-/Wahrnehmungsfehler.
Einzelne Eigenschaften einer Person erzeugen einen positiven oder negativen Eindruck, der die weitere Wahrnehmung der Person „überstrahlt“ und so den Gesamteindruck beeinflusst.(vgl. Fischer, L./Wiswede, G., 32009, S.231-232)
„Es wird von einem Schülermerkmal (z. B. ungepflegtes Äußeres) auf andere – davon eigentlich unabhängige Merkmale geschlossen( z.B. Intelligenz, Lernfähigkeit).“(vgl. Werning,R/Lütje-Klose, B., 32012, S.67)
Psychologischen Studien zufolge setzt sich der 1. Eindruck zu 55% aus unserer Kleidung und Körpersprache zusammen, 38% macht die Stimme aus und nur 7% das, was wir sagen (vgl. Fischer, L./Wiswede, G.,32009, S.234)
Ein typisches Beispiel für einen Halo-Effekt wäre, wenn eine Lehrerin die Leistungen eines gutaussehenden und freundlichen Schülers höher bewertet als sie es objektiv im Vergleich mit anderen Schülern sind.
Hat der zu Beurteilende besonders hervorstechende Eigenschaftenbzw. legt der Beurteiler auf ein spezielles Merkmal einen besonderen Wert, ist der Einfluss des Halo-Effektes sehr stark.
„Die Welt urteilt nach dem Scheine.“ (Johann Wolfgang von Goethe) „Ein Urteil lässt sich widerlegen, ein Vorurteil nie.“ (Marie von Ebner Eschenbach)
2.2 Der Pygmalion-Effekt
Der Pygmalion-Effekt, auch Rosenthal-/ bzw. Versuchsleiter-Erwartungseffekt genannt, geht auf die klassischen Untersuchungen von Rosenthal und Jacobson zurück (s. Das Rosenthal-Experiment unter Punkt 3). Er besagt, dass der Einfluss von Lehrererwartungen an ihre Schüler die tatsächlichen Leistungenin Form einer „Selbst erfüllenden Prophezeiung“ beeinflussen. Diese Erwartungen wirken sich auch auf Schülerbeurteilung (Urteilsfehler) aus.
Dies gilt selbst dann, wenn die Schüler von den Erwartungen nichts wissen und der Lehrer glaubt, sich neutral zu verhalten. Die Beeinflussung des Schülerverhaltens wirkt dabei indirekt über ein positives emotionales Klima, das der Lehrer erzeugt, z. B. durch persön-liche Zuwendung, die Wartezeit auf eine Schülerantwort, durch Häufigkeit und Stärke von Lob/Tadel oder durch hohe Leistungsanforderungen. (Lexikon der Psychologie, U.P.K., Copyright 2000)
Der Lehrer stellt dabei bestimmte Erwartungen an den zuvor bewerteten Schüler. Dieser passt sich der unbewusst übermittelten Haltung des Lehrers ebenso unbewusst an, was wiederum Auswirkungen auf seine Lernmotivation hat. Das Resultat der Anpassung ist das Erbringen der vom Lehrer erwarteten Leistung, was dieser verständlicherweise als Bestätigung auffasst.
Es entsteht gewissermaßenein Teufelskreis, da Aktion und Reaktion genau zusammen spielen. Verfestigt wird dieser Effekt durch Faktoren sowohl auf Lehrer als auch auf Schülerseite. Bleiben die Lehrpersonen über längere Zeit dieselben und/oder stellen sie schnell und voreilig Prognosen über ihre Schüler, ist sicher mit der beschriebenen Entwicklung zu rechnen. (vgl. Ludwig, P, 1991, S.121ff)
Der Nachweis, dass Lehrer Erwartungen entwickeln und sich diesen entsprechend den SchülerInnen verhalten, erklärt noch keinen Erwartungseffekt. Entscheidend ist, wie der Schüler das Verhalten des Lehrers wahrnimmt.„Fehlt der Glaube an die Richtigkeit der Voraussage, wird diese sich auch nicht erfüllen.“ (Watzlawick, 2000, S.95). Demnach ist es notwendig, dass das prophezeite Ereignis auch erwartet wird, damit es eintreten kann.
2.3 Der Halo-Pygmalion-Effekt
Was passiert, wenn der Pygmalion-/und der Halo-Effekt kombiniert werden -wie es im schulischen Alltag permanent und unbewusst der Fall ist?
Unter Punkt 2.1 werden dem gutaussehenden freundlichen Schüler Intelligenz und Fleiß unbewusst zugewiesen (Halo-Effekt).
Behandelt man einen Menschen, den man für fleißig und intelligent hält genauso wie einen Menschen, den man für faul und wenig intelligent hält?
Natürlich nicht, und die vielen Kleinigkeiten wie Stärke von Lob und Tadel, Leistungsanforderungen und andere unterbewusst gesendete Signale bewirken, dass sich die Erwartungen der Lehrer schließlich erfüllen. Allein ein Gedanke löst in jedem Fall eine mimische Reaktion aus. (vgl. Ludwig, P, 1991, S.100ff)
Egal, ob es sich um positive (Galatea-Effekt) oder negative Erwartungen (Golem-Effekt) handelt, das Prinzip ist das gleiche: Der Lehrer bildet auf der Grundlage von Vorinformationen und eigenen Beobachtungen eine bestimmte Erwartungshaltung und behandelt das Kind gemäß dieser Erwartungen.(vgl. Ludwig, P, 1991, S.62)
3.Das Rosenthal Experiment
3.1Versuchsbeschreibung
Eine der ersten und bedeutendsten Studien über die selbsterfüllende Prophezeiung und ihre Auswirkungen im Unterricht stammt von den Psychologen Rosenthal und Jacobson. Sie untersuchten 1965 den Effekt von falsch induzierten Erwartungen der Lehrer bezüglich ihrer Schüler.
Zur Durchführung dieses Experimentes wurde eine Grundschule mit 650 Schülern in einer amerikanischen Stadt ausgesucht.Die Schule besaß einen schnellen, mittleren und langsamen Zug. Rosenthal und Jacobsen nennen sie „Oak-School“. Die meisten der dort unterrichteten Kinder stammten aus einer Gegend, in der zum größten Teil Bewohner aus der sozialen Unterschicht wohnten, was sich u. a. stark in der Verarmung der Sprache bemerkbar machte. Die Schule besaß im Vergleich mit den anderen Grundschulen der Stadt das niedrigste Leistungsniveau.
Die am Test teilnehmenden Lehrer bekamen die Information, dass sie an einem wissen-schaftlichen Test teilnehmen würden, bei dem die Leistungspotentiale der Schüler eingeschätzt werden sollten. Dieser Test sollte speziell die 20% derjenigen Kinder identifizieren, die kurz vor einem Entwicklungsschub standen.
Die Lehrer gingen demnach bei einigen Kindern davon aus, dass sich ihre Leistungen im folgenden Jahr steigern würden. Dieser Unterschied zwischen den „Aufblühern“ (Experimentiergruppe) und den „normalen Kindern“(Kontrollgruppe) existierte nur in den Köpfen der Lehrer. In Wirklichkeit wurden die 20% der Schüler per Los ausgewählt.
Durch den Test wurde nicht das Leistungspotential, sondern der IQ gemessen. Die so gewonnenen Vortest–IQ–Ergebnisse wurden zu Vergleichszwecken mit den Ergebnissen der späterfolgenden Tests verwendet. (Rosenthal, R./Jacobsen, L. u. a.,31976, S.82ff)
3.2 Ergebnisse der Rosenthal Studie
45% der Kinder aus der Experimentiergruppe steigerten innerhalb eines Jahres ihren IQ um 20 Punkte. Wenn man bedenkt, dass ein Kind mit einem IQ von 100 als normal intelligent und einem IQ >130 als hochbegabt gilt, ist es ein erstaunliches Ergebnis. Bei gut aussehenden Schülern war die IQ Steigerung besonders hoch, ebenso bei Schülern, deren Charakter von den Lehrern positiver beurteilt wurde. Des Weiteren war der Effekt bei Kindern in der 1. und 2. Klasse besonders stark.
Da alle Bedingungen -außer die Lehrerinformation über das angebliche Leistungs-steigerungspotential- während des Experimentes konstant geblieben sind, kann der einzige Grund der IQ-Steigerung nur in der Erwartung der Lehrer gegenüber der Schüler gelegen haben.
Rosenthal und Jacobsen konnten anhand dieser Studie ihre Hypothese beweisen, dass die Erwartungen der Lehrer das Verhalten der von ihnen unterrichteten Schüler maßgeblich beeinflussen können, und somit zum Einstellen des Pygmalion-Effektes führen (Aus ethischen Gründen wurden in den Lehrern nur positive Erwartungen von ihren Schülern geweckt).(vgl. Rosenthal, R./Jacobsen, L. u. a.,31976, S.95ff)
[...]