Weisen beamtenrechtliche Regelungen bezüglich Beförderungen und Laufbahnwechsel tatsächlich einen solch restriktiven Charakter auf, dass die Karrieremöglichkeiten leistungsstarker Staatsdiener im administrativen Bereich sehr beschränkt werden?
Es erfolgt eine fast ausschließlich juristisch geprägte Betrachtung, die Überprüfung einer praxiskonformen Ausgestaltung der rechtlichen Regelungen ist explizit nicht Ziel und Anspruch dieser Ausarbeitung.
Der hier gesetzte Anspruch besteht weder exklusiv in einem dem rechtswissenschaftlichen Standard entsprechenden Gutachten, noch in einer rein deskriptiven Darstellung. Vielmehr wird der Versuch einer synergetischen Kombination dieser Lösungsansätze vorgenommen, indem eine an dem im vorangegangenen Kapitel eingeführten Sachverhalt orientierte Darstellung der Rechtslage erfolgt. Dies soll explizit einen ausschließlichen Lehrbuchcharakter dieser Ausarbeitung vermeiden und damit im Übrigen auch den Umfang auf eine im Rahmen dieser Arbeit angemessene Größenordnung begrenzen. Denn aus dem Maßstab des Kapitels 1.1 ergibt sich beispielsweise nicht nur eine Beschränkung auf die Fachrichtung des allgemeinen, nichttechnischen Verwaltungsdienstes, sondern auch auf solche Laufbahnwechsel, die sich vom gehobenen in den höheren Dienst vollziehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
1.1 Sachverhalt und Problematik
1.2 Vorgehensweise und thematische Eingrenzung
2. Das Laufbahnprinzip als wesentliches Karriereregulativ des Berufsbeamtentums
2.1 Einordnung und Begriffsverständnis
2.2 Zusammenhang von Ämtern und Laufbahnen
3. Die beamtenrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen von Beförderungen und Laufbahnwechseln
3.1 Beförderungen
3.1.1 Die Verleihung eines anderen Amtes mit anderem Grundgehalt
3.1.1.1 Formelle Voraussetzungen
3.1.1.2 Materielle Voraussetzungen
3.2 Laufbahnwechsel
3.2.1 Terminologisch-juristische Abgrenzung
3.2.2 Die Verleihung eines anderen Amtes mit einer anderen Amtsbezeichnung
3.2.2.1 Beförderungsrechtliche Voraussetzungen
3.2.2.2 Laufbahnrechtliche Aufstiegsvoraussetzungen
3.2.2.2.1 Fachrichtungsgleicher Aufstieg durch modulare Qualifizierung, § 38 LVO NRW
3.2.2.2.2 Fachrichtungsgleicher Aufstieg durch ein Masterstudium, § 39 LVO NRW
3.2.2.2.3 Aufstieg durch Spezialisierung bzw. Fachrichtungswechsel, § 40 LVO NRW
4. Bewertung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einführung
1.1 Sachverhalt und Problematik
Der A hat mit Beendigung des dreijährigen Vorbereitungsdienstes im Rahmen sei- nes Studiums an der FHöV NRW am 31.08.2015 den Bachelorgrad mit der Note „sehr gut“ erlangt. Die fachpraktischen Ausbildungsabschnitte hat er bei seiner Ein- stellungsbehörde, dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), absolviert.
Da die einschlägigen rechtlichen Bestimmungen diesen Abschluss mit dem Bestehen der Laufbahnprüfung und der daraus resultierenden Befähigung für die Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes (Fachrichtung: Allgemeine Verwaltung) in den Kommunen und Kommunalverbänden gleichsetzen, konnte der LWL-Direktor den A mit Wirkung vom 01.09.2015 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Inspektor ernennen.
Seit nunmehr einigen Wochen leistet der A seine vorgeschriebene Probezeit ab, stellt in seiner Position als Sachbearbeiter aber schnell fest, dass ein ihn zufriedenstellender beruflicher Werdegang sich nicht lediglich darauf beschränkt, sein aktuelles, auf relativ niedriger Hierarchieebene stehendes Eingangsamt der Besoldungsstufe A9 ein Leben lang zu bekleiden.
Er setzt sich in seiner Eigenschaft als äußerst engagierter und motivierter Beamter daraufhin zum Ziel, die „behördliche Karriereleiter schnellstmöglich emporzustei- gen“.
Der A ist allerdings ob der Praxistauglichkeit seines Bestrebens besorgt, wird doch fortwährend kolportiert, man sei im öffentlichen Dienst in seiner Laufbahn und den festgefahrenen hierarchischen Strukturen „gefangen“. Wenn überhaupt Beförde- rungen oder gar Wechsel in eine nächsthöhere Laufbahn möglich seien, würden diese nach einem (inoffiziell) vorherrschenden Senioritäts- und nicht etwa nach dem Leistungsprinzip erfolgen. In diesem Zusammenhang erinnert sich der A da- ran, während seines Studiums im Modul „Beamtenrecht“ gelernt zu haben, dass landesrechtliche Bestimmungen bei Laufbahnwechseln ein Mindestalter von 40 Jahren vorsehen, was dem A unter dem Gesichtspunkt seiner erst 22 vollendeten Lebensjahre in Bezug auf die alsbaldigen Karrierepläne natürlich ein Dorn im Auge ist.
Er fühlt sich ungerecht behandelt, weil er für sein Alter schließlich nichts könne und doch offensichtlich sei, dass er „deutlich intellektueller und folglich geeigneter als manch alteingesessener Beamter“ ist. Untermauernd verweist er darauf, dass er sich unmittelbar nach Erlangung seines ersten akademischen Titels an der Fernuni- versität Hagen in Eigeninitiative für einen konsekutiven „Master of Laws“ einge- schrieben habe. Aus dem sich daraus ergebenden Erfordernis, auch noch „nach Fei- erabend und an den Wochenenden für die Klausuren zu lernen“, sei nicht nur sein außerordentlich hohes Engagement, sondern auch die Tatsache, dass ein (baldiger) Masterabschluss ihn doch auch für höherwertige Posten in der Verwaltung qualifi- ziere, ableitbar.
Abschließend plädiert er, dass nicht nur der A selbst, sondern doch auch sein Dienstherr ein dringendes Interesse daran haben sollte, ihm schnellstmöglich eine verantwortungsvollere Position innerhalb der Behörde zu übertragen.
1.2 Vorgehensweise und thematische Eingrenzung
Der Fokus dieser Ausarbeitung liegt auf der Eruierung der thesenartigen Fragestel- lung respektive der Sorge des A - welcher im Folgenden stellvertretend für die ge- samte, ein schnelles berufliches Fortkommen anstrebende Beamtenschaft steht - dass beamtenrechtliche Regelungen bezüglich Beförderungen und Laufbahnwech- sel tatsächlich einen solch restriktiven Charakter aufweisen, dass die Karrieremög- lichkeiten leistungsstarker Staatsdiener im administrativen Bereich allzu sehr be- schränkt werden.
Dabei erfolgt eine fast ausschließlich juristisch geprägte Betrachtung, die Überprüfung einer praxiskonformen Ausgestaltung der rechtlichen Regelungen ist explizit nicht Ziel und Anspruch dieser Ausarbeitung.
Der hier gesetzte Anspruch besteht weder exklusiv in einem dem rechtswissen- schaftlichen Standard entsprechenden Gutachten, noch in einer rein deskriptiven Darstellung. Vielmehr wird der Versuch einer synergetischen Kombination dieser Lösungsansätze vorgenommen, indem eine an dem im vorangegangenen Kapitel eingeführten Sachverhalt orientierte Darstellung der Rechtslage erfolgt. Dies soll explizit einen ausschließlichen Lehrbuchcharakter dieser Ausarbeitung vermeiden1 und damit im Übrigen auch den Umfang auf eine im Rahmen dieser Arbeit ange- messene Größenordnung begrenzen. Denn aus dem Maßstab des Kapitels 1.1 ergibt sich beispielsweise nicht nur eine Beschränkung auf die Fachrichtung des allgemei- nen, nichttechnischen Verwaltungsdienstes2, sondern auch auf solche Laufbahn- wechsel, die sich vom gehobenen in den höheren Dienst vollziehen.3
Diese dezimierte Perspektive ergibt sich aus der persönlichen Situation des Autors.
Die nachfolgenden Zeilen erheben daher keinen Anspruch auf eine vollumfängliche Abdeckung des weitumfassenden Themas, vielmehr werden nach einem näher einführenden 2. Kapitel unter expliziter Bezugnahme der dargestellten Ausgangssituation die sich daraus für den A konkret ergebenden Möglichkeiten und Grenzen von Beförderungen und Laufbahnwechsel vorgestellt, ehe das vierte Kapitel mit einer zusammenfassenden Evaluation der Fragestellung abschließt.
2. Das Laufbahnprinzip als wesentliches Karriereregulativ des Berufsbeamtentums
2.1 Einordnung und Begriffsverständnis
Das zur Beantwortung der thematischen Fragestellung im Folgenden näher zu behandelnde Laufbahnrecht ist in seiner Gesamtheit ein elementarer Bestandteil des Beamtenrechts und befasst sich als solcher - neben den An- und Einstellungsvoraussetzungen - unter anderem auch mit den in dieser Ausarbeitung darzulegenden Beförderungen und Aufstiegen der Beamten.4
In enger Verknüpfung mit Karrieremöglichkeiten im Berufsbeamtentum steht das unstreitig zu den hergebrachten Grundsätzen des Art. 33 Abs. 5 GG zählende Lauf- bahnprinzip5, welches in Abgrenzung zum Ämterprinzip und einer damit verbun- denen partikularen Festlegung der Beförderungsvoraussetzungen für jedes einzelne Amt die Zusammenfassung aller statusrechtlichen Ämter in bestimmte Laufbahn- gruppen inkludiert.6 Das damit verknüpfte Ziel besteht darin, als eine Präzisierung7 des im öffentlichen Dienst vorherrschenden Leistungsgrundsatzes8 die Gewährleis- tung für eine bestmögliche sowie sachgerechte Personalselektion und einen effek- tiven Beamtenapparat zu bieten, indem ein jeder Beamter mit solchen Aufgaben betraut wird, die in adäquater Weise mit seiner (Vor-)Bildung korrespondieren.9 Dies sorgt für eine hierarchisch angeordnete Ämterorganisation, innerhalb derer eine strukturierte und vorhersehbare berufliche Entwicklung im Rahmen eines zu- vor klar definierten Eingangs- und Endamtes möglich ist.10
In diesem Sinne normiert § 7 Abs. 1 LBG NRW, dass eine Laufbahn alle Ämter derselben Fachrichtung umfasst, die eine gleiche Vor- und Ausbildung vorausset- zen. Weiterhin bezieht die vorgenannte Legaldefinition explizit auch den Vorberei- tungsdienst und die Probezeit als laufbahnrechtliche Bestandteile mit in das Be- griffsverständnis ein.
Bei abstrahierter Betrachtung wird eine Laufbahn also im Wesentlichen durch zwei unterschiedliche Kriterien determiniert.11 Dies wird selbst in Teilen der wissen- schaftlichen Literatur durch Etablierung der verbalen Formel, dass eine Laufbahn nichts anderes als die Summe aus Laufbahngruppe und der jeweiligen Fachrichtung darstellt, reflektiert.12
Wie sich bereits aus der Legaldefinition in § 7 Abs. 1 LBG NRW ergibt, subsumiert man unter Laufbahngruppen mehrere Ämter, die nach dem Kriterium der jeweiligen Vor- bzw. Ausbildungsanforderungen zusammengefasst bestimmten Kategorien zugeordnet werden.13
In begriffskomplementärer Hinsicht werden die den verschiedenen Ämter zugeord- neten Aufgaben nach diversen Fachrichtungen zusammengefasst. Diese decken ent- sprechend der Aufgabendiversität der öffentlichen Verwaltung - neben der in dieser Arbeit ausschließlich betrachteten „Allgemeinen inneren Verwaltung“ - beispiels- weise mit dem Polizeivollzugsdienst oder der Steuerverwaltung einen mannigfalti- gen Bereich ab.14
2.2 Zusammenhang von Ämtern und Laufbahnen
Konkret sieht § 6 Abs. 2 LVO NRW mit dem einfachen, mittleren, gehobenen und höheren Verwaltungsdienst vier verschiedene Laufbahngruppen vor, die nach dem Kriterium der Bildungsvoraussetzungen voneinander abgegrenzt sind.15 Die nachfolgenden Abbildungen, auf die auch in den nachstehenden Kapiteln fort- während verwiesen wird, geben einen Überblick über die Zugehörigkeit der Ämter zu den Laufbahn- und Besoldungsgruppen. Während die Besetzung der unteren Ämter einer Laufbahngruppe (Eingangsämter) durch Einstellung erfolgt, sind Be- förderungsämter im Umkehrschluss solche Dienstränge, die keine Eingangsämter repräsentieren und von Inhabern unterer Ämter generell nur durch ebenjene Beförderungen erreicht werden können16, sodass nach der Feststellung der Laufbahnbefähigung grundsätzlich lediglich eine Anstellung im Eingangsamt einer jeweiligen Laufbahngruppe in Betracht kommt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Übersicht über die Zugehörigkeit der Ämter zu den Laufbahngruppen
Quelle: Gunkel; Hoffmann, 2014, S. 149
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Bestimmende Termini des Laufbahngruppensystems
Quelle: Wichmann; Langer, 2014, S. 281
[...]
1 Ein solcher ist bspw. vorzufinden in Gunkel, Alfons; Hoffmann, Boris: Beamtenrecht in Nord- rhein-Westfalen, 6. Aufl., Witten: Verlag Bernhardt-Witten, 2014; künftig zitiert: Gunkel; Hoff- mann, 2014
2In Abgrenzung dazu stehen bspw. laufbahnbezogene polizeispezifische Regelungen
3Laufbahnwechsel vom einfachen in den mittleren oder vom mittleren in den gehobenen Dienst erfahren daher hier keine Beachtung
4 Vgl. Scheerbarth, Hans; Höffken, Heinz; Bauschke, Hans; Schmidt, Lutz: Beamtenrecht, 6. Aufl., Siegburg: Verlag Reckinger & Co., 1992, S. 273; künftig zitiert: Scheerbarth; Höffken; Bauschke; Schmidt, 1992
5Vgl. BVerfGE, Urteil vom 14.12.1982, 2 BvR 1261/79
6Vgl. Leppek, Sabine: Beamtenrecht, 6. Aufl., Karlsruhe: C.F. Müller Verlag, 2015, Rn.. 58; künftig zitiert: Leppek, 2015
7Vgl. Ziekow, Jan: Die Fortentwicklung des öffentlichen Dienstrechts der Bundesbeamten. In: Die Öffentliche Verwaltung, 61/2008, S. 569 - 576, S. 569; künftig zitiert; Ziekow, 2008
8 Vgl. Tadday, Heinz; Rescher, Ronald: Kommentar zur Laufbahnverordnung (LVO NRW) nebst laufbahnrechtlichen Vorschriften für einzelne Beamtengruppen. Siegburg: Verlag Reckinger, Stand Juni 2015, Einführung, S. 2; künftig zitiert: Tadday; Rescher: Kommentar zur LVO NRW
9 Vgl. Ickecke-Lux, Sabrina: Quo vadis, Laufbahnrecht? Schritte auf dem Weg zu einem modernen Laufbahnrecht in NRW. In: Recht im Amt, 03/2014, S. 112 - 117, S. 113; künftig zitiert: Idecke- Lux, 2014
10Vgl. Ziekow, 2008, S. 569 f.; Lecheler, Helmut: Abbau des Laufbahnprinzips? - Anpassung oder Demontage eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums? In: Zeitschrift für Beamtenrecht, 1981, S. 265 - 270, S. 265
11 Vgl. Hoffmann, Boris: Grundlagen des öffentlichen Dienstrechts. In: Fischer, Torsten (Hrsg.): Personalmanagement, 1. Aufl., Frankfurt: Verlag für Verwaltungswissenschaft, 2011, S. 220 - 242, S. 239
12Vgl. Baßlsperger, Maximilian Einführung in das neue Beamtenrecht, 1. Aufl., Heidelberg: Rehm Verlag, 2009, Rn. 63
13Vgl. Scheerbarth; Höffken; Bauschke; Schmidt, 1992, § 13 II 1
14Vgl. Baßlsperger, Maximilian: Modularer Aufstieg und Assessmentverfahren im Beamtenrecht. In: Zeitschrift für Beamtenrecht, 7-8/2011, S. 1 - 9, S. 9
15Vgl. § 9 Abs. 1 LBG NRW
16Vgl. Leppek, 2015, Rn. 58