Die Judenfrage in der Deutschen Evangelischen Kirche 1932/33. Deutsche Christen und ihre Gegner
Sind die Positionen von Deutschen Christen und Pfarrernotbund/Bekennender Kirche unvereinbar?
Zusammenfassung
Im Jahre 1933 waren von ca. 65,2 Millionen Einwohnern in Deutschland 40,9 Millionen evangelisch und machten fast zwei Drittel des Staates aus. Daher war die NSDAP hinsichtlich der Christenpolitik nicht komplett inaktiv, wie zwei evangelische Kirchenbewegungen beweisen, die im Zuge dieser Arbeit vorgestellt werden. Erstens die anfangs von der NSDAP unterstützten Deutschen Christen, zweitens der Pfarrernotbund bzw. später die Bekennende Kirche. Beide Bewegungen waren auch die Hauptakteure im sogenannten Kirchenkampf.
Dem Begriff Kirchenkampf liegt nicht die eine Definition zugrunde, vielmehr liegt die Gemeinsamkeit seines Ursprungs im Nationalsozialismus und – wie dem Namen zu entnehmen ist – der Kirche. Geht es also um das Verhältnis des NS-Regimes und der Kirche oder um Konflikte innerhalb der evangelischen Kirche in der NS-Zeit? Siegele-Wenschkewitz versucht Antwort zu geben: „Der Kampf um die Kirchen, gegen die Kirchen und in den Kirchen ist entbrannt um die Frage: Sind Nationalsozialismus und Christentum miteinander vereinbar?“
Gemäß der Fragestellung wird die Vorstellung von Kirchenkampf als Konfrontation zwischen Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche postuliert, welche das Gerüst des Hausarbeitsthemas darstellt. Es wird ein konkreter Streitpunkt des Kirchenkampfes als Bearbeitungsobjekt gewählt, nämlich die Judenfrage in der evangelischen Kirche. Die Frage, wie mit jüdischstämmigen Bürgern in der evangelischen Kirche verfahren werden soll, gilt als elementarer Konfliktgegenstand zwischen DC und BK.
Diese Hausarbeit spezifiziert sich dabei auf einen abgegrenzten Zeitraum, ab dem 6. Juni 1932 als Gründungsdatum der Glaubensbewegung Deutsche Christen, bis zum Ende des Jahres 1933, nachdem der Arierparagraph, ein wichtiges Gesetz in der Judenpolitik in Deutschland, auch in der Kirche durchgesetzt wurde.
Leseprobe
Gliederung
1. Einleitung
2. Historischer Kontext
2a) Forschungsstand
2b) Deutsche Christen und Deutsche Evangelische Kirche
2c) Pfarrernotbund/Bekennende Kirche
3. Hauptteil
3a) Die Deutschen Christen und die Judenfrage
3b) Kampf gegen den Arierparagraphen
4.Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Zeit des Nationalsozialismus wurde durch die Gleichschaltung eingeläutet. Dieser Terminus bedeutet die Durchdringung der nationalsozialistischen Ideologie in allen Lebensbereichen des Deutschen Reichs. Bekannt ist der Begriff vor allem im Zuge der „Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom Januar 1934, oder die Installation von Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädel im Erziehungssektor.
Die Gleichschaltung im Bereich der Religion ist dagegen nicht in Lehrbüchern für Schüler zu finden, zu wenig Einfluss hatten die christlichen Konfessionen auf das Nazi-Regime. Vielmehr tritt das positive Christentum an die Stelle der Kirchen und bildet das Fundament für eine politische Religion, die sich vor allem gegen das jüdische Volk behaupten soll.[1]
Im Jahre 1933 waren von ca. 65,2 Millionen Einwohnern in Deutschland 40,9 Millionen evangelisch und machten fast zwei Drittel des Staates aus.[2]
Daher war die NSDAP hinsichtlich der Christenpolitik nicht komplett inaktiv, wie zwei evangelische Kirchenbewegungen beweisen, die im Zuge dieser Arbeit vorgestellt werden. Erstens die anfangs von der NSDAP unterstützten Deutschen Christen,[3] zweitens der Pfarrernotbund bzw. später die Bekennende Kirche.[4] Beide Bewegungen waren auch die Hauptakteure im sogenannten Kirchenkampf.
Dem Begriff Kirchenkampf liegt nicht die eine Definition zugrunde, vielmehr liegt die Gemeinsamkeit seines Ursprungs im Nationalsozialismus und – wie dem Namen zu entnehmen ist- der Kirche. Geht es also um das Verhältnis des NS-Regimes und der Kirche oder um Konflikte innerhalb der evangelischen Kirche in der NS-Zeit?[5] Siegele-Wenschkewitz versucht Antwort zu geben: „Der Kampf um die Kirchen, gegen die Kirchen und in den Kirchen ist entbrannt um die Frage: Sind Nationalsozialismus und Christentum miteinander vereinbar?“[6]
Gemäß der Fragestellung dieser Ausarbeitung wird die Vorstellung von Kirchenkampf als Konfrontation zwischen Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche postuliert, welche das Gerüst des Hausarbeitsthemas darstellt. Dieses Thema muss eingegrenzt werden, eine Ausarbeitung dieses Umfangs würde nicht genügen, um auf alle Details des generellen Konflikts der DC und BK einzugehen. Demgemäß wird ein konkreter Streitpunkt des Kirchenkampfes als Bearbeitungsobjekt gewählt, nämlich die Judenfrage in der evangelischen Kirche. Die Frage, wie mit Jüdisch-Stämmigen Bürgern in der evangelischen Kirche verfahren werden soll, gilt als elementarer Konfliktgegenstand zwischen DC und BK.
Durch die Judenfrage, so Boyens, sei „man im Ausland überhaupt auf den sich anbahnenden Kirchenkampf in Deutschland aufmerksam geworden.“[7]
Diese Hausarbeit spezifiziert sich dabei auf einen abgegrenzten Zeitraum, ab dem 6. Juni 1932 als Gründungsdatum der Glaubensbewegung Deutsche Christen, bis zum Ende des Jahres 1933, nachdem der Arierparagraph, ein wichtiges Gesetz in der Judenpolitik in Deutschland, auch in der Kirche durchgesetzt wurde.
Demnach bildet sich folgende Fragestellung für die Hausarbeit: Die Judenfrage in der DEK 1932/33 – Die Deutschen Christen und ihre Gegner; Sind die Positionen von DC und Pfarrernotbund / BK unvereinbar?
Zuerst wird dabei kurz der Forschungsstand angerissen, um hinterher auf die Deutschen Christen und deren Gegner (später vor allem in BK zusammengefasst) vorzustellen. Anhand von Quellen (z.B. Richtlinien der DC) wird versucht, die Standpunkte der jeweiligen Parteien zu verdeutlichen.
2. Historischer Kontext
2a) Forschungsstand
Die Forschung zum Thema Kirchenkampf ist laut einiger Historiker, auf die sich in der Arbeit bezogen wird, Schwierigkeiten ausgesetzt. Als größte betrachtet u.a. Lächele die spärliche Quellenlage u.a. zum Thema DC oder BK.[8] Boyens hat dieselbe Einstellung, und nennt u.a. die schwindende Meinungsfreiheit während des Nationalsozialismus als Ursache für das Problem.[9] Obwohl Boyens‘ Publikation schon mehr als 40 Jahre zurückliegt, hat sich die Geschichtsschreibung zum Thema bis heute nicht grundlegend verändert. Auch z.B. Susanne Böhm, Gunther Mai und Jan Rohls, beziehen sich in ihren Arbeiten, die ab Mitte der Neunziger erschienen, oft auf den Text „Deutsche Christen“ von Kurt Meier,[10] welchen Lächele als „unverzichtbar“ stilisiert.[11]
Während die Seite um Pfarrernotbund und Bekennende Kirche in der Geschichtsschreibung als reformatorisch und z.T. als Widerstandsbewegung etikettiert wird, bilden die Deutschen Christen den „negativen Gegenpol“ als „pronationalsozialistische Gruppierung.“[12]
Die Publikationen zu den Themen Kirchenkampf, DC oder BK beschäftigen sich in der Regel mit dem Thema Judenfrage, da diese sowohl einen wichtigen Aspekt im Programm der DC darstellt als auch den Ausgangspunkt für die Gründung des Pfarrernotbundes setzt.
2b) Deutsche Christen und Deutsche Evangelische Kirche
Bei der Glaubensbewegung Deutsche Christen handelt es sich um eine Religionsbewegung ungefähr während der Zeit des Nationalsozialismus.[13] Sie wurde vom Berliner Pfarrer Joachim Hossenfelder am sechsten Juni 1932 gegründet und verabschiedete am selben Tag ihre Richtlinien.[14]
Die DC sind Teil der Deutschen Evangelischen Kirche, welche 1933 30, 1934 aber nur noch 23 deutsche evangelische Landeskirchen vereinigte.[15] Seit 1919 waren sowohl die Landeskirchen als auch die Reichskirche offiziell vom Staat getrennt, trotzdem bildeten sie in der DEK ein demokratisches Konstrukt, z.B. waren im Kirchenrat Landesbischöfe und der Reichsbischof zur Entscheidungsfindung für die DEK gewählt. Die DEK bestand neben den DC aus verschiedenen kirchlichen Gruppierungen, z.B. der BK, welche aber als Opposition in der DEK fungierte.[16] Als Körperschaft des öffentlichen Rechts galt die DEK als nationalsozialistisch geprägt und hatte ab September mit dem Theologen Ludwig Müller als Reichsbischof einen Begründer der DC zum Anführer, die sich selbst als antisemitische, antijudaistische und nationalsozialistische Glaubensbewegung verstanden.[17]
Die nationalsozialistische Gesinnung im Hinblick auf die Religion darf dabei nicht als Erfindung der DC angesehen werden, sondern liegt schon mindestens bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Der Historiker Rainer Lächele verweist dabei auf die „völkische Idee“, die sogar „lange vor dem Ersten Weltkrieg“ existiert hätte.[18] Die Begründer dieser Idee hätten es zum Ziel gehabt, den Menschen zum Guten zu bewegen, sodass er gute Taten vollbringen könne. Lächele benennt in seinen Ausführungen zu dieser Idee u.a. den französischen Schriftsteller und Rassentheoretiker Joseph Arthur Graf Gobineau, dessen Rassentheorie „die arische Rasse als gutes, die jüdisch-semitische Rasse als schlechtes einordnete.“[19]
Die Verschmelzung von Christentum und deutschem Charakter sei schließlich durch die Machtergreifung Hitlers 1933 realisierbar gewesen, nachdem sie durch den Theologen Paul de Lagarde oder den Philosophen Houston Stewart Chamberlain weiter thematisiert wurde.[20]
Meier sieht die DC daher als „völkische Bewegung.“[21]
Bis 1933 bildeten sich diverse Gruppierungen, die der „völkischen Idee“ folgten, wie der Bund für deutsche Kirche, mit dem Ziel der Reformation der evangelischen Kirche nach völkischem Vorbild.[22]
Als generelle Vorgängerorganisation der DC ist die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen auszuwählen,[23] die sich, wie der Name schon zeigt, 1927 in Thüringen gründete, um sich 1933 ebenfalls den DC anzuschließen. Es ist hinzuzufügen, dass die KDC trotz der Gründung in Thüringen viele Anhänger in den anderen Teilen des Deutschen Reichs hatten.[24]
Ihr mediales Parteiorgan war die Briefe an die Deutschen Christen, herausgegeben vom evangelischen Theologen Siegfried Leffler mit der „nationalkirchlichen Idee“ als Doktrin.[25] Diese Idee beinhaltet eine überkonfessionelle nationalsozialistische Kirche. Mit seinem engen Freund, dem Pfarrer Julius Leutheuser installierte er u.a. den Pfarrer- und Lehrerkreis, welcher durch z.B. Spielabende Einfluss auf Ortsgruppen nehmen sollte.
Für die spätere Einstellung der DC sind Leffler und Leutheuser wichtige Faktoren, denn der „Nationalsozialismus war für sie eine Art Religion, die im deutschen Volk nur in Verbindung mit den (protestantischen) Christentum zur Vollendung kommen konnte.“[26] So vertraten sie mit dem positiven Christentum einen Ansatz, der den Nationalsozialismus an sich als Religion bzw. Weltanschauung sieht und dabei christliche Denkweisen einbezieht.[27] Die beiden aus Bayern stammenden Pfarrer wären außerdem auch dafür verantwortlich gewesen, dass sich eben jener Pfarrer- und Lehrerkreis Deutsche Christen genannt hätte.[28]
Die neugegründeten Deutschen Christen- u.a. mit Müller, Hossenfelder und Leutheuser- sollten die NSDAP auf außerpolitischem Wege im religiösen Sektor unterstützen, ganz im Sinne der Gleichschaltung.[29] Die NS-Partei konnte sich dabei die „völkische Idee“ zunutze machen, um den Antisemitismus in verschiedensten Lebensbereichen (wie hier in der Religion) zu popularisieren. So versuchte der preußische Gauleiter Wilhelm Kube politisch auf die Kirche einzuwirken, indem die DC als Kirchenpartei bei den preußischen Kirchenwahlen teilnehmen sollten.[30]
[...]
[1] Vgl. Prolingheuer, Hans: Kleine politische Kirchengeschichte. Fünfzig Jahre evangelischer Kirchenkampf von 1919 bis 1969. Köln 1984. S.7ff.
[2] Piper, Ernst: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe. München 2005. Kapitel Kirchenkampf.
[3] Deutsche Christen im Folgenden: DC.
[4] Bekennende Kirche im Folgenden: BK.
[5] Vgl. Siegele-Wenschkewitz, Leonore: Die Kirchen zwischen Anpassung und Widerstand im Dritten Reich. In: Goeters, J.F. Gerhard, Kraske, Peter (hg. u.a.): Barmer Theologische Erklärung 1934-1984. Geschichte-Wirkung-Defizite (Unio und Confessio Band 8). Bielefeld 1984. S.11.
[6] Siegele-Wenschkewitz S.12.
[7] Boyens, Armin: Ökumenische Bewegung und Bekennende Kirche in Deutschland 1933 bis Kriegsausbruch 1939. München 1969. S.55.
[8] Vgl. Lächele, Rainer: Ein Volk, ein Reich, ein Glaube. Die „Deutschen Christen“ in Württemberg 1925-1960. Stuttgart 1994 (Quellen und Forschungen zur württembergischen Kirchengeschichte, Bd. 12). S.3.
[9] Boyens S.10.
[10] Meier, Kurt: Deutsche Christen, in TRE 8. 1981. S.552-554.
[11] Lächele S.3.
[12] Rinnen, Anja: Kirchenmann und Nationalsozialist. Siegfried Lefflers ideelle Verschmelzung von Kirche und Drittem Reich. Weinheim 1995. S.10.
[13] Falls die Kirchenpartei im Vordergrund steht, als GDC abgekürzt; Für die Bewegung selbst weiterhin DC.
[14] Joachim Hossenfelder (1899-1976).
[15] Deutsche Evangelische Kirche: im Folgenden DEK
[16] Zur BK siehe Pkt. 3
[17] Ludwig Müller (1883-1945).
[18] Lächele S.8.
[19] Ebd. S.8.
[20] Vgl. Ebd. S.8.
[21] Maier S.552.
[22] Gründung 1921.
[23] Kurz KDC.
[24] Vgl. Böhm, Susanne: Deutsche Christen in der Thüringer evangelischen Kirche (1927-1945). Leipzig 2008. S.15.
[25] Ebd. S.65.
[26] Ebd. S.65.
[27] Vgl. Ebd. S.65.
[28] Vgl. Mai, Gunther: Christenkreuz und Hakenkreuz. Die Kirchenbewegung Deutsche Christen in Südthüringen 1933-1937. In: Andreas Kötzing, Francesca Weil, Mike Schmeitzner, Jan Erik Schulte (Hg.): Vergleich als Herausforderung. Festschrift zum 65. Geburtstag von Günther Heydemann. Göttingen 2015. S.101.
[29] Vgl. Siegele-Wenschkewitz S.12.
[30] Vgl. Meier S.553.