Nachfolgend soll geprüft werden, ob man den Erwerb kognitiver Fähigkeiten durch Computerspiele als Bildung oder nur als reinen Lernprozess bezeichnen kann. Dafür soll zunächst geklärt werden, was Lernen und was Bildung ist und wo der brisante Unterschied zwischen ihnen liegt.
Im nächsten Teil soll an die Anforderungen von Computerspielen herangeführt und dabei besonders auf die kognitiven eingegangen werden. Nach der anschließenden Klärung, ob man überhaupt von einem Lernprozess sprechen kann, folgt die Möglichkeit der Übertragung auf die reale Welt.
Abschließend soll auf die Frage nach der Bildung durch Computerspiele im Bezug auf die Kognition eine Antwort gefunden werden.
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Begriffserklärungen
1. Lernen
2. Bildung nach Sesink
3. Vergleich
C. Computerspiele
1. Negative Meinungen
2. Gegenansatz
3. Anforderungen an Computerspieler
3.1 Kognitive Anforderungen
3.2 Die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten als Lernprozess
4. Übertragungsmöglichkeiten
D. Untersuchung der kognitiven Lernprozesse auf ihre Bildungsmöglichkeit
E. Quellenverzeichnis
A. Einleitung
Nachfolgend soll geprüft werden, ob man den Erwerb kognitiver Fähigkeiten durch Computerspiele als Bildung oder nur als reinen Lernprozess bezeichnen kann. Dafür soll zunächst geklärt werden, was Lernen und was Bildung ist und wo der brisante Unterschied zwischen ihnen liegt. Im nächsten Teil soll an die Anforderungen von Computerspielen herangeführt und dabei besonders auf die kognitiven eingegangen werden. Nach der anschließenden Klärung, ob man überhaupt von einem Lernprozess sprechen kann, folgt die Möglichkeit der Übertragung auf die reale Welt. Abschließend soll auf die Frage nach der Bildung durch Computerspiele im Bezug auf die Kognition eine Antwort gefunden werden.
B. Begriffserklärungen
Um die nachfolgende Untersuchung durchführen zu können benötigt man eine Vorstellung davon, was unter Lernen und Bildung verstanden wird und wo die Unterschiede zwischen den Begriffen liegen.
1. Lernen
Hier soll sich nach der Definition von E.R. Hilgard und G. H. Bower gerichtet werden[1]. Sie verstehen unter Lernen eine veränderte Verhaltensweise eines Individuums, die sich nicht mit Neurophysiologie begründenlässt und auch nicht zeitbegrenzt ist, sondern aufgrund einer wiederholten Wechselbeziehung mit der Umwelt aufgetreten ist. Diese sogenannten Lernvorgänge können nicht direkt beobachtet werden, das heißt am Menschen selbst findet keine Veränderung statt. Erst wenn die Person erneut mit ihrer Umwelt in Kontakt tritt, kann aus dem Vergleich der früheren und aktuellen Reaktionen auf einen Lernvorgang geschlossen werden. Sie führen dazu, dass der Mensch die von der Umwelt gestellten Anforderungen besser erfüllen kann. In diesem Prozess kann man den Lernenden als aktiv bezeichnen, da er sein bisheriges Wissen neu sortieren muss, um es auf die neue Situation anwenden zu können, das Wissen selbst konnte er jedoch passiv erhalten. Ob und wie gelernt wird hängt von der Person ab, sie kann zwar durch äußere Einflüsse dazu angeregt werden, doch der Erfolg hängt an ihr selbst.
2. Bildung nach Sesink
Bildung ist nach Sesink[2] ein wichtiger Bestandteil um den Menschen zum eigenen Sein zu führen. Er ist durch sie dazu befähigt sich kritisch mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen und somit auch einen Beitrag zu einer Neu- oder Umgestaltung zu leisten.
Diese Eigenschaften von Bildung lassen sich mithilfe zweier Begriffe erklären, aus denen jeder Bildungsbegriff besteht, die transitive und die intransitive Bildung. Bei der transitiven Bildung geht die Initiative von einer Instanz aus, was bedeutet, dass sie jemanden bildet. Als Beispiel könnte man die Schule heranziehen, in der der Lehrer versucht die Schüler zu bilden, indem er seinen Unterricht hält. Der intransitive Begriff beleuchtet die Situation hingegen von der anderen Seite, das bedeutet, jemand bildet sich. Im Falle der Schule träfe das auf den Schüler zu, der zum Unterricht kommt um dort etwas zu erfahren. Die Initiative geht hier also von dem Sich-Bildenden aus.
Diese beiden Begriffe stehen in einer engen Verbindung zueinander. Um in einen Bildungsprozess eintreten zu können muss der Mensch zunächst eine Beziehung zu sich und eine Beziehung zu dem aufnehmen, was er in sich fühlt. Jeder trägt in sich einen Drang nach Bildung, nach Vermittlung, der spontan in ihm auftritt. Im vorhergehenden Abschnitt haben wir diesen Impuls als intransitive Bildung beschrieben. Von außen kann darauf eine Resonanz erfolgen, die in dem Mensch ein Bewusstsein schafft, das sich auf ihn selbst und seine Bildung bezieht. Durch genau dieses Bewusstsein kann er sein Gefühl, seinen inneren Drang, auf die Welt um ihn herum beziehen, also auch auf die bildenden Einflüsse, die als transitive Bildung vorgestellt wurden. Durch diesen Bezug entsteht eine Vermittlung der beiden Bildungsbegriffe, das wichtigste Zeichen von Bildung kann entstehen: Die Reflexivität. Nur durch sie kann der Mensch sich selbst, andere und die Welt kritisch betrachten, eine eigene Sichtweise entwickeln und darauf aufbauend die Welt beeinflussen.
Wichtig ist hierbei, dass Bildung somit von der Person ausgehen muss, sie muss den Wunsch erkannt haben, sich bilden zu wollen. Erst dann kann sie das Bildungsangebot von außen wahrnehmen und einen Bildungserfolg erzielen. Nur von außen vermitteltes Wissen ohne Reflexivität ist keine Bildung.
3. Vergleich
Der Unterschied zwischen Lernen und Bildung liegt in dem Prozess der Reflexivität. Beim Lernen muss zwar Wissen erhalten und zwischenzeitlich neu strukturiert werden, um es anzuwenden, jedoch erreicht der Mensch hier nicht den Grad der Reflexivität der Bildung. Er ist sich meist nicht darüber bewusst, dass er lernt, es entsteht also kein intransitiver Bildungsbegriff, auch wenn beabsichtigt ist, dem Mensch etwas zu vermitteln. Erst durch das Bewusstsein, die Beziehung zum Bildungsdrang, kann Bildung ermöglicht werden. Beim Lernen ist im Gegensatz zur Bildung dieses Bewusstsein nicht vorhanden.
C. Computerspiele
Wie wir im Folgenden sehen werden besteht Einigkeit darüber, dass Computerspiele Auswirkungen auf den Spieler haben können. Doch die Meinungen darüber, ob diese Effekte positiv oder negativ sind gehen weit auseinander. Zur Einführung in die Thematik werden einige der negativen Meinungen vorgestellt, um die verbreitetsten Ansichten zu verdeutlichen.
1. Negative Meinungen
Viele Menschen stehen Computerspielen mit Misstrauen gegenüber und lehnen die Inhalte ab. Diese beständen nur aus Gewalt und Sex, man könnte den Werteverfall klar nachverfolgen, wodurch die moralische Haltung des Menschen geschädigt würde[3].Auch die intellektuellen Fähigkeiten blieben auf der Strecke, die Kinder würden verblöden, wenn sie zu lange spielten.Es gab sogar eine Studie, die den Beweis erbrachte, dass durch Computerspiele das Gedächtnis im Lernteil des Gehirns gelöscht wird[4]. Es ist erkennbar, dass all diese Ansichten einen Bezug zum Lernen herstellen, sei es, dass sie befürchten es könne etwas Schlechtes gelernt oder dass gar nicht mehr gelernt werden könnte. Oft wird auf das Lesen verwiesen, das inhaltlich wertvoller und fördernder sei, dabei würde im Gegensatz zu Computerspielen das Gedächtnis trainiert, die Aufmerksamkeit gefördert und die Fähigkeit Zusammenhänge zu verstehen trainiert und sei somit diesen vorzuziehen[5]. Der einzige Vorteil der den Computerspielen hin und wieder noch gelassen wird, ist die Förderung der Augen-Hand-Koordination.
2. Gegenansatz
Es gibt im Gegensatz zu den eben gezeigten Ansichten eine ganz andere Herangehensweise an das Problem. Dabei betrachtet man nicht die Inhalte und Thematiken der Computerspiele, sondern eher die Art und Weise wie sie das Gehirn fordern. Hier gibt es eine grundlegende Vergleichsmöglichkeit zwischen Büchern und Computerspielen, die den negativen Ansichten widerspricht. Traditionelle Medien basieren danach auf dem sogenannten Sender-Empfänger Modell, das bedeutet, dass keinerlei wechselseitige Kommunikation stattfinden kann.Im Falle eines Buches werden Informationen an den Leser gegeben, doch der hat keine Möglichkeit in irgendeiner Weise Einfluss auf den Lauf der Geschichte zu nehmen oder seine eigenen Ansichten und Methoden einfließen zu lassen[6]. Neue Medien, zum Beispiel der Computer, basieren hingegen auf einer Vernetzung und bilden die Möglichkeit von Interaktivität, indem sie virtuelle Interaktionsräume erstellen. Solche interaktiven Welten werden auch in Computerspielen erstellt und bieten die Möglichkeit sich selbst in die Geschichte einzubringen und diese in gewissen Maßen zu gestalten. Steven Johnson drückt es folgendermaßen aus: „Es geht nicht darum, Chaos zu tolerieren und als ästhetisches Erlebnis zu verarbeiten. Es geht darum, die Ordnung und Bedeutung einer Welt zu erkennen und Entscheidungen zu treffen, die dieser Ordnung angemessen sind.“[7]. Man nimmt also die Eindrücke nicht einfach hin, wie es bei einem Film oder Buch der Fall ist, sondern man greift ein, man interagiert mit dem Geschehen. Durch diese Interaktionsmöglichkeit eröffnen sich ganz andere Anforderungen an ihren Nutzer, wodurch man keinen direkten Vergleich zwischen Büchern und Computerspielen im Bezug auf ihre Auswirkungen anstellen kann. Im nächsten Absatz sollen die Anforderungen, die ein solches Spiel an eine Person stellen kann, grob umrissen und an Beispielen kurz verdeutlicht werden.
3. Anforderungen an Computerspieler
Zurzeit teilt man die Anforderungen an den Spieler in fünf grundsätzliche Bereiche ein[8]. Der erste beinhaltet die sozialen Anforderungen, die sich durch die Möglichkeit der Interaktion mit anderen Spielfiguren und der Übernahme einer Rolle ergibt. Es gibt mittlerweile Computerspiele, bei denen der Spieler zu Beginn einen Test durchführen muss, bei dem er Situationen vorgestellt bekommt und dann wählen kann, wie er sich gegenüber den anderen Spielfiguren verhält („Fallout 3“). Seine Wahl bestimmt während des nachfolgenden Spiels den Charakter und die Fähigkeiten seiner Figur. Andere beinhalten Gespräche, bei denen man viele Antwortmöglichkeiten hat. Die gegebenen Antworten bestimmen den nachfolgenden Spielverlauf. Es gibt immer verschiedene Möglichkeiten eine Situation zu regeln, man kann aggressiv werden oder ruhig bleiben, die anderen betrügen oder ehrlich bleiben. Jede Wahl hat eine Auswirkung auf das nachfolgende Geschehen und verändert die ganze Geschichte. Hier ist als brisantes Beispiel „Knights of the Old Republic 2“ zu nennen. Diese Spiele lassen erkennen, welch große Rolle die sozialen Anforderungen einnehmen können.
Die zweite Anforderung ist die medienbezogene, die vor allem in Computerspielen mit komplexen Navigationsstrukturen und verwirrenden 3D-Welten zu finden ist. Somit dürften viele der neueren Spiele diese Anforderung an den Spieler stellen, insbesondere jedoch Simulatoren, zum Beispiel für Flugzeuge, bei denen das Hauptaugenmerk auf den oben genannten Eigenschaften liegt.
Weiterhin ist die dritte, die emotionale Anforderung von Bedeutung. Hierbei ist vor allem der Umgang mit Stress und Misserfolgen zu erwähnen. Ein passendes Beispiel ist das Computerminigame „Farm Frenzy“. In einer bestimmten Zeit müssen bestimmte Produkte hergestellt werden. Viele Abläufe müssen gleichzeitig im Auge behalten werden: Die Tiere, die Produktionsstätten, die Produkte, das Lagerhaus, der Warentransport, die Warenbeschaffung, die Zeit, das Geld, der Brunnen und einiges mehr. Verliert man einen der Faktoren aus dem Auge, was schnell geschehen kann, fängt man von vorne an. Misserfolge kommen immer wieder vor und Stress ist die Grundlage dieses Spiels, emotionale Anforderung ist darin ein bedeutender Teil.
Viertens gibt es noch die sensomotorischen und fünftens die kognitiven Anforderungen. Die ersten beziehen sich vor allem auf die Augen-Hand-Koordination, das heißt visuell empfangene Signale können schnell in Bewegungen umgewandelt werden. Auf die kognitiven Anforderungen und ihre Auswirkungen soll nun intensiver eingegangen werden.
3.1 Kognitive Anforderungen
Dieser Aspekt soll nun genauer betrachtet werden, da hierzu, im Gegensatz zu den anderen Teilgebieten, ein umfangreicheres Wissen besteht, wie im Folgenden zu sehen sein wird. Aus diesem Grund sollen die ersten fünf Anforderungen auch keine weitere Beachtung finden Studien mit Kindern haben gezeigt, dass das Schweigen und die Passivität gegenüber ihrer Umwelt während eines Computerspiels nicht negativ, sondern ein Zeichen von Konzentration ist. Auch unruhige Kinder können hier still sitzen und sich für eine längere Zeit mit etwas beschäftigen.
[...]
[1]Vgl. auch folgend: H. Schaub / K. Zenke: Wörterbuch der Pädagogik.
[2]Vgl. auch folgend: W. Sesink: Bildung ans Netz, S. 35-39.
[3]Gundelach, Stefan: Machen Videospiele Kinder dumm? Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit, in: Machen Computer Kinder dumm?, hg. von M. Hoyer, S. 163f.
[4]Feibel, Thomas: Ist der Tod ein Computerspiel?, in: Machen Computer Kinder dumm?, hg. von M. Hoyer, S. 106.
[5]Vgl. auch folgend: S. Johnson: Neue Intelligenz, S. 32, 37.
[6]Vgl. auch folgend: J. Fromme/B. Jörissen/A. Unger: Bildungspotenziale digitaler Spiele und Spielkulturen, S. 4.
[7]Vgl. auch folgend: S. Johnson: Neue Intelligenz, S. 73.
[8] Vgl. auch folgend: Gebel, Christa: Schnell reagieren, cool bleiben, planen und probieren: Kompetenzpotenziale populärer Computerspiele, in: Machen Computer Kinder dumm?, hg. von M. Hoyer, S. 152 ff.