Das fächerübergreifende Phänomen Mobbing wird in vielen Bereichen diskutiert, sei es in der Medizin, der Psychologie oder der Soziologie. Der gewählte Zugang dieser Arbeit ist ein organisationssoziologischer. Ziel dieser Arbeit ist es nämlich darzustellen, inwiefern das Fallbeispiel Mobbing in den Rahmen von Machtspielen passt und somit auf den mikropolitischen Ansatz anwendbar ist.
Um diese Fragestellung beantworten zu können, müssen vorerst die Bedingungen, unter denen Machtspiele überhaupt entstehen können, dargelegt werden.
Die idealtypische Definition nach Max Weber besagt, dass Macht sich auch gegen Widerstand von Menschen durchsetzen kann. Jedoch schließt Weber nicht aus, dass sie sich auch widerstandlos entfalten kann. Mit welchen Mitteln die Macht durchgesetzt wird, lässt Weber ebenfalls offen. Dies kann beispielsweise durch legitimierte Macht, nämlich Herrschaft, möglich sein, oder durch die Anwendung von Gewalt und Zwang.
Der Machtbegriff nach Max Weber bezieht sich auf das Durchsetzungsvermögen eines einzelnen Akteurs, ganz im Gegensatz zur Definition nach Michel Crozier und Erhard Friedberg. Nach ihnen ist Macht die Fähigkeit von Akteuren, Ressourcen für ihr Individualinteresse nutzen zu können und zu mobilisieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Macht
2.1. Definition
2.2 Machtressourcen
3. Mikropolitik
3.1 Definition und Ziele der Mikropolitik
4. Machtspiele
4.1 Definition
4.2 Konzepte und Strategien von Machtspielen
5. Mobbing
5.1 Definition
5.2 Beteiligte am Mobbing-Prozess und angewandte Methoden
5.3 Leymanns Phasenmodell
5.4 Die Metapher des Spiels
6. Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Mobbing - in den letzten Jahren hat dieser Begriff in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewonnen, sei es im Zusammenhang mit der Schule, im Verein, im Internet (Cyber-Mobbing) oder am Arbeitsplatz.
Dem Phänomen Mobbing bin ich persönlich zum ersten Mal in der Schule begegnet und musste leider schlechte Erfahrungen machen. Immer wieder musste ich am eigenen Leibe erfahren, wie es ist, sich von anderen unterkriegen zu lassen und trotzdem wieder auf die Beine zu kommen, um bloß keine Schwäche zu zeigen. Doch irgendwann machen das der Körper und die Psyche nicht mehr mit.
Das fächerübergreifende Phänomen Mobbing wird in vielen Bereichen diskutiert, sei es in der Medizin, der Psychologie oder der Soziologie. Der gewählte Zugang dieser Arbeit ist ein organisationssoziologischer. Ziel dieser Arbeit ist es nämlich darzustellen, inwiefern das Fallbeispiel Mobbing in den Rahmen von Machtspielen passt und somit auf den mikropolitischen Ansatz anwendbar ist.
Um diese Fragestellung beantworten zu können, müssen vorerst die Bedingungen, unter denen Machtspiele überhaupt entstehen können, dargelegt werden.
Hierzu werde ich zunächst einmal den Begriff der Macht aus organisationssoziologischer Sicht erläutern und die vier Machtressourcen, über die Mitarbeiter in Unternehmen verfügen können, aufführen. Definitionstechnisch werde ich mich hier u.a. auf Max Weber, Michel Crozier und Erhard Friedberg beziehen. Anschließend werde ich versuchen, den Begriff der Mikropolitik zu erklären und auf die Ziele dieser übergehen.
Wenn man sich mit dem Thema Mikropolitik auseinandersetzt, so ist es zwangsläufig nötig, sich ebenfalls mit Machtspielen zu beschäftigen. Machtspiele sind ein essentieller Bestandteil in der Mikropolitik von Unternehmen und sollen daher an dieser Stelle analytisch dargestellt werden. Dazu erfolgt eine Erläuterung der Konzepte und Strategien.
Was darauf folgt, ist ein Bezug auf das Fallbeispiel „Mobbing“, welches neben der analytischen Darstellung von Machtspielen den zweiten thematischen Schwerpunkt dieser Arbeit bilden soll. Hierfür werde ich zunächst eine Definition des Mobbingbegriffs liefern. Davon ausgehend werden die Beteiligten am Mobbingprozess und die einzelnen Methoden, welche diese anwenden, genannt. Anschließend wird das Phasenmodell nach Heinz Leymann vorgestellt, welches den Mobbingprozess in vier verschiedene Stadien unterteilt.
Schließlich wird die Thematik der Machtspiele wieder aufgegriffen, um Mobbing und die Metapher des Spiels in Zusammenhang zu bringen und die zu Anfang gestellte Frage beantworten zu können.
Zum Ende der Arbeit soll kurz auf den rechtlichen Aspekt des Themas Mobbing eingegangen werden und mögliche Präventionsmaßnahmen genannt werden.
2. Macht
2.1. Definition
„Macht bedeutet die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichwohl worauf diese Chance beruht.“
(Weber 1972: 28)
Diese idealtypische Definition nach Max Weber besagt, dass Macht sich auch gegen Widerstand von Menschen durchsetzen kann. Jedoch schließt Weber nicht aus, dass sie sich auch widerstandlos entfalten kann. Mit welchen Mitteln die Macht durchgesetzt wird, lässt Weber ebenfalls offen. Dies kann beispielsweise durch legitimierte Macht, nämlich Herrschaft, möglich sein, oder durch die Anwendung von Gewalt und Zwang. Der Machtbegriff nach Max Weber bezieht sich im Übrigen auf das Durchsetzungsvermögen eines einzelnen Akteurs, ganz im Gegensatz zur Definition nach Michel Crozier und Erhard Friedberg. Nach ihnen ist Macht die Fähigkeit von Akteuren, Ressourcen für ihr Individualinteresse nutzen zu können und zu mobilisieren.
Sie ist „(…) im Grunde nichts weiter als das immer kontingente Ergebnis der Mobilisierung der von den Akteuren in einer gegebenen Spielstruktur kontrollierten Ungewissheitszonen für ihre Beziehungen und Verhandlungen mit den anderen Teilnehmern an diesem Spiel.“ (Crozier / Friedberg 1979: 17)
Daraus kann man schlussfolgern, dass die Ausübung von Macht über jemand anderes in Organisationen u.a. von der Kontrolle bestimmter Ungewissheitszonen abhängt.
2.2 Machtressourcen
Crozier und Friedberg unterscheiden vier typische Ungewissheitszonen, die als Machtquelle dienen können und Mitarbeitern unabhängig von hierarchischen Strukturen in Unternehmen zur Verfügung stehen:
Die erste Machtquelle ist Fachwissen und der Besitz einer schwer ersetzbaren Spezialisierung (Expertise), wie z. B IT-Leute in Banken. Die zweite ist das Vorhandensein und die Benutzung organisatorischer Regeln, auf die man sich im Zweifelsfalle immer beziehen kann. Man kann durch sie beispielsweise das Handlungsfeld von Mitarbeitern und Angestellten einengen oder erweitern. Eine weitere Machtquelle können die Beziehungen zwischen der Organisation und der Umwelt sein, also das Privileg, bestimmte Kontakte zu besitzen. Die Kontrolle von Informations- und Kommunikationskanälen, wie sie z. B. eine Sekretärin besitzt, sind eine weitere Machtquelle (vgl. ebd.: 50).
Für alle Ungewissheitszonen gilt hierbei, dass je unvorhersehbarer das Handeln des Akteurs ist, desto größer ist seine Machtausübung. Derjenige, der über Macht verfügt, kann sich Freiräume schaffen und diese dauerhaft stabilisieren.
Die beteiligten Akteure wollen einander bzw. die Ressourcen des jeweils anderen ausnutzen, um die eigenen Ziele erreichen zu können. Andere sollen dabei am Aufbau eigener Machtressourcen gehindert werden.
Jedoch ist die Machtentfaltung begrenzt, da die Beziehung zwischen den einzelnen Akteuren durch wechselseitige Abhängigkeit geprägt ist. Nach Erhard Friedberg ist Macht nämlich eine gegenseitige Austauschbeziehung (vgl. Friedberg 1980: 125).
Ein Mitarbeiter kann in einem Unternehmen beispielsweise seine Stellung in einer Machtbeziehung nicht ganz ausnutzen, da er nicht wissen kann, ob er in Zukunft vielleicht auf seinen Kollegen angewiesen sein wird.
3. Mikropolitik
3.1 Definition und Ziele der Mikropolitik
In diesem Abschnitt soll eine Begriffsbestimmung für die Thematik der Mikropolitik erfolgen. Mikropolitik ist ein alltägliches Phänomen in Organisationen und beschäftigt sich mit deren Strukturen, Prozessen, Entscheidungen und Steuerungsmechanismen.
Folgende Definition von Horst Bosetzky, einem der Hauptvertreter der Thematik der Mikropolitik in Deutschland soll verdeutlichen, welche Ziele Akteure durch mikropolitische Handlungen verfolgen.
Mikropolitik ist „(…) die Bemühung, die systemeigenen materiellen und menschlichen Ressourcen zur Erreichung persönlicher Ziele, insbesondere des Aufstiegs im System selbst und in anderen Systemen zu verwenden sowie zur Sicherung und Verbesserung der eigenen Existenzbedingungen.“ (Bosetzky: 382)
Hier wird deutlich, dass Mitarbeiter neben Organisationszielen stets auch Individualinteressen im Unternehmen verfolgen.
Wie auch bei der Definition des Machtbegriffs steht für Crozier und Friedberg beim mikropolitischen Ansatz eine gegenseitige Austauschbeziehung zwischen einzelnen Akteuren im Mittelpunkt, in der es beiden Seiten darum geht, die jeweils eigenen Interessen durchzusetzen.
Wie auch in der ‚großen‘ Politik (Makropolitik) handeln die Akteure machtorientiert und konkurrieren um Ressourcen und um die Maximierung ihres Einflusses.
Was die Präfix Mikro- in Mikropolitik nun bedeutet und den Unterschied zur ‚großen‘ Politik darstellt, kann unterschiedlich erklärt werden: Meist wird sie für etwas Kleines, Unauffälliges genutzt, aber auch für etwas Unterschwelliges oder etwas Untergründiges.
Um die Präfix Mikro- nun in den Zusammenhang der Mikropolitik zu bringen, ist ein Zitat von Oswald Neuberger angebracht:
Im Unterschied zur ‘großen Politik‘, wird mit Mikropolitik meist das „Arsenal jener alltäglichen ‘kleinen‘ (Mikro-)Techniken gemeint, mit denen Macht aufgebaut und eingesetzt wird, um den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern und sich fremder Kontrolle zu entziehen.“ (Neuberger 1995: 14)
Hier wird deutlich, dass Macht eine wesentliche Rolle bei der Betrachtung von Mikropolitik spielt. In den meisten Unternehmen wird die Machtverteilung durch formale hierarchische Strukturen geregelt. Durch sie wird bestimmt, wer wem etwas zu sagen hat und wer über wen Macht ausüben darf (formale Macht). Mikropolitisches Verhalten kann hier als ungeregeltes Verhalten verstanden werden, welches außerhalb dieser formalen Strukturen liegt. Kommt es in solchen formalen Beziehungen zu einer ungleichen Machtverteilung, so wird diese durch mikropolitische Handlungen behoben. Die Probleme der Machtverteilung enden meist in Machtkämpfen (informelle Macht), welche dann informell ausgetragen werden (vgl. ebd.:14).
In der Mikropolitik steht nicht die profitable Zusammenarbeit innerhalb der Organisation zum Erreichen eigentlicher Organisationsziele, sondern - wie bereits erwähnt - der Aufbau, der Einsatz und die Maximierung von Macht zur Durchsetzung der Individualinteressen. Sprich die Akteure handeln machtorientiert.
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