Eine der bekanntesten und in der Öffentlichkeit umstrittensten Fragen lautet immer wieder: Was darf Kunst? Es geht um die Frage nach dem Schutz von bürgerlichen und religiösen Werten einerseits und um die Entfaltung der Persönlichkeit durch Kunst beziehungsweise das Vermitteln von Problemen, Meinungen und Kritik mit Hilfe der Kunst andererseits. Im Zentrum stehen hier die Öffentlichkeit und Religionsgemeinschaften sowie deren Interessen, welche durch die §§166 ff StGB geschützt werden sollen.
Diese Seminararbeit widmet sich dem Thema „Kunst und Schutz der Religion und Weltanschauung“. Hierzu beschäftigt sich die nachfolgende Arbeit im speziellen mit der Frage, Inwiefern der Künstler im christlich/jüdisch geprägten Abendland übertreibend veranschaulichen darf? Diese Frage versucht diese Seminararbeit vor allem am Beispiel der Filme „Das Leben des Brian“ von Monty Python und „Die Passion Christi“ von Mel Gibson zu beantworten.
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
I. Einleitung
II. Entwicklung
1. Gedanke und Entwicklung des §166 StGB
2. Abgrenzung von §166 StGB zu §§185-188 StGB
III. Verhältnis von Religion und Kunst
1. Kunst als Mittel zur Verbreitung von Religion
2. Kunst als Mittel der Religionskritik
3. Prozesse und aktuelle Entwicklung
IV. Religion im Film
1. Kritik an Religion als Element der Satire am Beispiel des Films „Das Leben des Brian“
2. Kritik an Religion in der geschichtlichen Darstellung am Beispiel von „Die Passion Christi“
V. Schluss
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
I. Einleitung
Eine der bekanntesten und in der Öffentlichkeit umstrittensten Fragen lautet immer wieder: Was darf Kunst? Es geht um die Frage nach dem Schutz von bürgerlichen- und religiösen Werten einerseits und um die Entfaltung der Persönlichkeit durch Kunst bzw. das Vermitteln von Problemen, Meinungen und Kritik mit Hilfe der Kunst andererseits. Im Zentrum stehen hier die Öffentlichkeit und Religionsgemeinschaften sowie deren Interessen, welche durch die §§166 ff. StGB geschützt werden sollen. Diese Seminararbeit widmet sich dem Thema „Kunst und Schutz der Religion und Weltanschauung“. Hierzu beschäftigt sich die nachfolgende Arbeit im speziellen mit der Frage,Inwiefern der Künstler im christlich/jüdisch geprägten Abendland übertreibend veranschaulichen darf?Diese Frage versucht diese Seminararbeit vor allem am Beispiel der Filme „Das Leben des Brian“ von Monty Python und „Die Passion Christi“ von Mel Gibson zu beantworten.
II. Entwicklung
1. Gedanke und Entwicklung des §166 StGB
Die Diskussion über die Notwendigkeit des §166 StGB in der heutigen Zeit und seine Präsenz durch Karikaturen und Satire über Religionsgemeinschaften, welche durch aufsehenerregende Prozesse in den Medien gewahrt bleibt, zeigt die dem Delikt trotz Pluralismus immer noch innewohnende Sprengkraft. Das Delikt der Gotteslästerung bzw. von Handlungen die gegen Gott selbst gerichtet sind,geht bis auf das Alte Testament in der Bibel zurück. Dort heißt es bereits: „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.“1. Das erste Anzeichen des Konflikts zwischen Kunst und Religion lässt im Neuen Testament die Offenbarung des Johannes vermuten „ Aber die übrigen Menschen, die nicht durch diese Plagen umgekommen waren,wandten sich nicht abvon den Machwerken ihrer Hände: Sie hörten nicht auf, sich niederzuwerfen vor ihren Dämonen, ihren Götzen aus Gold, Silber, Erz, Stein und Holz, den Götzen, die weder sehen, noch hören, noch gehen können.“.2 In die Rechtsgeschichte traten Religionsdelikte verhältnismäßig spät ein.3 Der Wirkungskreis des frühen römischen Rechts umfasst Religionsdelikte nicht, da dieser nach damaliger Auffassung an den Menschen und den menschlichen Interessen orientiert war,was in dem Satz „deoruminiuriaediiscurae(Der Götter Verletzung, der Götter Sorge)“4 deutlich wird. Das hatte vor allem damit zu tun, dass sich die Menschen nicht anmaßen wollten, Unrecht zu ahnden, was den Göttern vorbehalten war.5 Im späteren römischen Recht, vor allem nach der Erklärung des Christentums zur Staatsreligion des römischen Reichs im Jahr 379,begann die Schaffung der Religionsverbrechen nach dem heutigen Verständnis.6 Der monotheistische Charakter des Christentums mit dem Selbstverständnis als einzige allgemeingültige Religion zog den Schutz der Religion gegen verschiedenste Angriffe nach sich.7 Das Delikt der Gotteslästerung wurde vor allem durch die alttestamentarische Vorstellung eines strafenden, rachsüchtigen Gottes geprägt, der aus Zorn über ihn die betreffende Schmähung Rache an dem Land und dessen Bewohnern üben könnte.8 Die Grundlage dieser Vorstellungen bietet die Novella 77, die dem Codes Justinianeus I 9 im Jahre 538 angefügt wurde und welche die Rechtswissenschaft 1200 Jahre beeinflusste.9 Diese lautete „Da aber Einige, durch teuflische Einwirkungen befangen, sich in die gröbsten Ausschweifungen abstehen sollen, damit sie nicht wegen solcher frevelhafter Handlungen den gerechten Zorn Gottes erfahren und nicht die Städte mit ihren Bewohnern zu Grunde gehen. Denn wir werden durch die heiligen Schriften belehrt, daß wegen solcher frevelhafter Handlungen mit den Menschen zugleich auch die Städte vernichtet worden sind.“.10 Die mittelalterliche Gerichtsbarkeit erkannte in dem in der Bibel verorteten Begriff der Gotteslästerung eine Ausformung des Begriffs der Ketzerei und verwendete diese dazu, Delikte wie Meineid, Ketzerei, Sakrilegium oder Zauberei als Beleidigung Gottes aufzufassen und sie unter dem Tatbestand der Gotteslästerung zu verorten.11 Im 13. Jh. entstand die erste Definition der Gotteslästerung: Sie kann zum einen darin bestehen, Gott etwas zuzueignen, was ihm nicht zukomme; zweitens, ihm etwas wegnehmen, was ihm zukomme und drittens, den Geschöpfen etwas beizulegen, was allein Gott zukomme.12 An dieser Definition lassen sich bereits erste Einschränkungen gegenüber der Kunst, im Speziellen im Verbot der Karikierung Gottes, erkennen.Auch wurde im mittelalterlichen Recht der Tatbestand der Gotteslästerung als schwerste Strafe eingestuft.13 Die Vorstellung des rachsüchtigen Gottes aufgebaut auf der Novella 77 behielt innerhalb der Rechtsordnung noch bis ins 18. Jh. hinein Bestand. Der Umschwung begann in Preußen im Jahr 1794 mit dem § 217 des Allgemeinen Landrechts für Preußische Staaten: „Wer durch öffentlich ausgestoßene grobe Gotteslästerungen zu einem gemeinen AergernisseAnlaßgiebt, soll auf zwey bis sechs Monate ins Gefängnis gebracht, und daselbst über seine Pflichten, und die Größe seines Verbrechens belehrt werden.“.14 Das revolutionäre an dieser Norm stellt zum einen der Grund der Strafbarkeit dar, welcher sich in der Verletzung der religiösen Gefühle anderer findet und zum anderen die milde Strafe sowie das Erfordernis der Öffentlichkeit.15 Zuvor wurden die strafbaren Handlungen direkt gegen Gott verübt und über die weltliche Gerichtsbarkeit mit Unterstützung und im Auftrag der Kirche geahndet.Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff der Blasphemie, also der Lästerung Gottes,noch wie folgt bestimmt: „Das die Gottheit injurirrt werde, ist unmöglich; dass sie durch Strafe ihrer Beleidiger versöhnt werden müsse, Torheit. Aber die Kirche hat, als moralische Person, ein Recht auf Ehre. Wer ihren Zweck entwürdigt, entwürdigt die Gesellschaft; wer die Gegenstände religiöser Verehrung schmäht, die ihrer Vereinigung zu Grunde liegen, schmäht sie selbst. Hierdurch allein wird der rechtliche Begriff der Gotteslästerung bestimmt, als einer an der kirchlichen Gesellschaft begangenen Injurie, durch eine dem Gegenstand ihrer Verehrung äußerlich bewiesene positive Verachtung.“16. Hieraus ergeben sich die Unterscheidungen von unmittelbarer und mittelbarer Gotteslästerung. Während die unmittelbare Gotteslästerung die Schmähung der Gottheit selbst in Gestalt der Dreifaltigkeit nach der christlichen Lehre durch Entziehung der ihr zukommenden oder durch Beleidigung durch Addition der ihr nicht zukommenden Eigenschaften umfasst, umfasst die mittelbare Gotteslästerung die Schmähung eines Gegenstandes bloßer Verehrung, etwa die Mutter Gottes oder die Heiligen und die Engel bzw. bei Protestanten die Bibel oder das Evangelium.17 Im fortschreitenden Prozess der Aufklärung wandelte sich dieses Verständnis jedoch erneut. Im Jahr 1848 wurde im Vereinigten Ständischen Ausschuss Stellung zur staatspolitischen Begründung des Tatbestandes der Gotteslästerung genommen und festgestellt, dass in gotteslästerlichen Handlungen eine tiefe Verletzung des religiösen Gefühls eines großen Teils der Nation liege, was der Grund für die Strafbarkeit sei.18 Das darauf aufgebaute Preußische Strafgesetzbuch von 1851 lautete im Wortlaut des §135 „Wer öffentlich in Worten, Schriften oder anderen Darstellungen Gott lästert, oder eine der christlichen Kirchen oder eine andere mit Kooperationsrechten im Staate bestehende Religionsgesellschaft oder die Gegenstände ihrer Verehrung, ihre Lehren, Einrichtungen oder Gebräuche verspottet, oder in einer Weise darstellt, welche dieselben dem Hasse oder der Verachtung aussetzt, ingleichen wer in Kirchen oder anderen religiösen Versammlungsorten an Gegenständen, welche dem Gottesdienst gewidmet sind, beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft.“.19 Hier fällt vor allem auf, dass insbesondere das Strafmaß wesentlich höher bemessen war als noch im § 217 des Allgemeinen Preußischen Landrecht von 1794. Bis 1871 bestanden im Bereich des deutschsprachigen Raums im Wesentlichen 3 Gruppen der Einbettung des Tatbestandes der Gotteslästerung in die Gesetzbücher. Die erste Gruppe bildete Bayern mit seiner Regelung von 1813, welche vollkommen auf den Tatbestand der Gotteslästerung verzichtete.20 Die zweite Gruppe, welcher Oldenburg, Württemberg, Hannover, Hessen, Baden, Nassau und ab 1861 auch Bayern angehörte, gewährte den Gegenständen religiöser Verehrung wie z.B. dem Gottesdienst bzw. auch der Religion überhaupt strafrechtlichen Schutz, jedoch mit Verzicht auf einen einheitlichen Gesichtspunkt für die Bestrafung.21 Die dritte Gruppe bestand aus Sachsen-Anhalt, Braunschweig, Thüringen, Preußen, Österreich und Sachsen und zeichnete sich dadurch aus, einen eigenständigen Tatbestand der Gotteslästerung zu besitzen und damit Gott einen eigenständigen Strafrechtsschutz zuzusprechen.22 Die Regelung des Preußischen Strafgesetzbuchs wurde in das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes und mit leicht verändertem Wortlaut in den §166 des Reichsstrafgesetzbuches von 1871 übernommen.23 In seiner ursprünglichen Fassung von 1871 enthielt der §166 des Reichsstrafgesetzbuchsin erster Variante das Verbot, durch die öffentliche Lästerung Gottes ein Ärgernis zu bieten und in zweiter Variante eine auf Bundesgebiet bestehende Religionsgesellschaft mit Kooperationsrechten öffentlich zu beschimpfen sowie in dritter Variante beschimpfenden Unfug in einer Kirche oder einem anderen zur Versammlung religiöser Gemeinschaften bestimmten Ort zu verüben.24 Die Regelung bestand in ihrer Form von 1871 auch in den Strafgesetzbüchern der Weimarer Republik und des Nationalsozialistischen Deutschlands weiter. Obwohl Stimmen aus der Literatur während der Herrschaft der Nationalsozialisten forderten, Religionsdelikte aus dem Strafrecht zu streichen, da diese als fremdes, nicht völkisches Geistesgut angesehen wurden und das Fundament der Gesetzesschöpfung die naturgesetzlichen Notwendigkeiten des Deutschtums sein müssten.25 Jedoch wurden nach Untergang des dritten Reichs die Arbeiten an der Strafrechtsreform wieder aufgenommen. Der §166 RStGB galt bis zu der Strafrechtsreform vom 25.06.1969 in der Bundesrepublik Deutschland fort. Die heute gültige Fassung des §166 StGB wurde mit dem 1.StrRG vom 25.6.1969 beschlossen.26 Der Tatbestand des §166 StGB wurde im folgenden Maße umgestaltet: „Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften, Tonträgern, Abbildungen oder Darstellungen den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften, Tonträgern, Abbildungen oder Darstellungen eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebäude in einer Weise beschimpft die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“ Hier verdeutlichte sich der Gedanke, dass Staat und Kirche zwar getrennt seien, dass die gegenseitige Achtung und Anerkennung es jedoch notwendig mache, dass der Staat den strafrechtlichen Schutz der Kirche übernahm.27 Zudem wandelte sich §166 StGB durch die 1.StRG von einem Delikt, in dem der Tatbestand der Gotteslästerung ein Erfolgsdelikt darstellte und der Tatbestand der Religionsbeschimpfung ein abstraktes Gefährdungsdelikt, in ein Eignungsdelikt, welcher weder den abstrakten noch den konkreten Gefährdungsdelikten zugeordnet werden kann.28 Die letzten beiden redaktionellen Änderungen fanden im Zuge des vierten Gesetzes zur Reform des Strafrechts am 23.11.197329 statt, indem in beiden Absätzen das Wort Tonträgern durch Ton-oder Bildträger ersetzt wurde und am 02.03.1974 durch das EGStGB30, indem ein Verweis auf §11 III 3 StGB vorgenommen wurde. Der Gedanke des §166 StGB in seiner jetzigen Form verfolgt nicht den Schutz von Religion und Weltanschauung oder dergleichen Organisationen, ebenso wenig soll das religiöse Gefühl oder Empfinden einzelner geschützt werden, sondern der öffentliche Frieden vor schweren Verletzungen des Toleranzgebotes.31 Das Toleranzgebot stellt dabei die Summe aller gesetzmäßigen Umgangsregeln und Duldungspflichten dar, mit denen der Staat versucht, diejenige geistige Freiheit zu gewähren, die nach modernem Verständnis ein wesensbestimmendes Element ziviler Ordnung darstellt.32 Aus Absatz 1 des §166 StGB lässt sich eine individuelle Schutzrichtung entnehmen, da bereits der Inhalt des Bekenntnisses eines Einzelnen den Angriffsgegenstand darstellt. In Absatz 2 wird eine institutionelle Schutzrichtung aufgezeigt, da sich der Angriff hier gegen eine religiöse oder weltanschauliche Institution bzw. deren Gebräuche oder Einrichtungen richten muss.33 Die Angriffe auf ein Individuum oder eine Institution müssen um den Tatbestand des §166 StGB zu erfüllen, zusätzlich geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören.34 Somit wird dem Gedanken der Gotteslästerung in einer an den pluralistischen Rechtstaat angepassten Form Rechnung getragen.
2. Abgrenzung von §166 StGB zu §§185-188 StGB
Im besonderen Maße steht das Verhältnis der verschiedenen Beleidigungstatbestände zu dem des §166 StGB. Das Schutzgut der §§185-188 StGB ist die persönliche Ehre. Personenmehrheiten wird, sofern sie mit staatlicher Billigung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bestimmt waren, ein strafrechtlicher Schutz innerhalb der §§185-188 StGB zugesprochen.35 Die Rechtsprechung hat die Beleidigungsfähigkeit auch für solche Personenmehrheiten angenommen, die eine rechtlich anerkannte gesellschaftliche Funktion erfüllen und einen einheitlichen Willen bilden können.36 Religionsgemeinschaften erfüllen diese Voraussetzungen in der Regel, wodurch ein strafrechtlicher Schutz anzunehmen ist.37 Jedoch muss der beleidigte Personenkreis hinreichend klar definiert sein.38 Somit stellen Mitglieder eines Glaubensbekenntnisses eine ausreichend umrissene Gruppe dar und sind geeignetes Tatobjekt. Weltanschauungsvereinigungen sind innerhalb der §§185-187 StGB schwerer zu verorten, da eine rechtlich anerkannte Funktion und die Fähigkeit, einen einheitlichen Willen zu bilden meist nicht im selben Maße wie einer Religionsgemeinschaft möglich ist.39 Eine Gleichstellung von Weltanschauungsvereinigungen und Religionsgesellschaften, wie sie im § 166 besteht, dürfte im Falle der §§185-187 StGB, bei der Beschimpfung von religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnissen, religiöser oder weltanschaulicher Gemeinschaften, ihrer Einrichtungen oder Gebräuche, nicht zu beachten sein, da der Schutz der Ehre im Tatbestand des §166 auch nicht angeführt wird.40 Lediglich der öffentliche Frieden wird vor schweren Verletzungen des Toleranzgebotes geschützt.41 Somit darf ungeachtet der möglichen Erweiterung des Schutzes, die sich aus der Anwendung der §§185ff. StGB ergibt, keine Schutzsphäre errichtet werden, welche den Kirchen eine Respektzone schafft, die über den Schutz der §§166,167 StGB hinausreicht.42 Demnach sind die Tatbestände der Beleidigung lediglich auf den Schutz der Ehre von Individuen oder nicht religiösen Gemeinschaften anzuwenden, nicht aber zum Schutz von Religionsgesellschaften oder Weltanschauungsvereinigungen.
III. Verhältnis von Religion und Kunst
Über Jahrhunderte ist die religiöse Funktion der Kunst in vielen Kulturen, ob im Abendland oder im Morgenland, vorherrschend (Kunstbegriff nach Art 5 und Religionsfreiheit nach Art.4.).
1. Kunst als Mittel zur Verbreitung von Religion
Kunst diente über Jahrhunderte hinweg der Verbreitung von Religionen. Die monotheistischen Religionen des Abend- und Morgenlandes basieren auf schriftlichen Quellen, welche als Gesamtwerke, wie z.B. die Bibel oder der Koran, Elemente der Epik, Lyrik und des Dramas enthalten. Andere Religionen wie der Buddhismus oder der Hinduismus besitzen sowohl schriftliche Quellen, wie z.B. die Bhagavad Gita als auch Bildnisse wie Statuen von: Shiva oder Buddha. Damit wird deutlich, dass die Kunst einen existenziellen Teil der Religion ausmacht. Die Begriffe der „Kunst“ als Inbegriff von Kunstwerken und Kunst als Praxisdimension, welche Regeln durch Umorganisation der Gestalt verändert, sind bei aller Differenz darin identisch, dass sie Erfahrungen an der Grenze des Geregelten in Zeichen belegen.43 In beiden Fällen wird Kunst als Schlüssel einer kirchlichen Kultur und ihres Ethos verstanden; als göttliches Wortgeschehen, dessen sich die Veranlasser und Verwender mehr oder weniger bewusst sind oder werden.44 Im Mittelalter wurden vor allem Kunstwerke mit sakralen Inhalten gemalt. Beispiele dafür sind die Werke von:Albrecht Altdorfer, Lucas Cranach dem Älteren oder von Matthias Grünewald, welcher mit seinem Altarbild des Jesus am Kreuz auf dem Isenheimer Altar ein überaus blutiges Beispiel der Darstellung der Kreuzigung Jesu zeigt.Aus jeder seiner Wunden läuft Blut, zudem ist sein Gesicht schmerzverzerrt und zeigt deutlich den Wunsch nach Erlösung, auch ist die Szenerie düster und trostlos aufgezogen.45 Ferner wird die Musik zur Verbreitung von Religionen genutzt, sowohl die Barocken Werke von Bach „Aus der Tiefe rufe ich Herr, zu dir“ oder „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“46,als auch neuzeitliche Stile, wie die afroamerikanische Gospelmusik oder christlicher Rock von Bands wie „Guardian“ oder „Haste the Day“.
2. Kunst als Mittel der Religionskritik
Bei einer als Beschimpfung i.S.d. §166 StGB gewerteten Kritik von Religion durch die Kunst treten die Garantie der Kunstfreiheit in Konflikt mit dem verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsbereich. Zu diesen gehören die in Art. 1 I GG geschützte Würde des Menschen sowie die in Art. 4 I,II GG eingebettete Religionsfreiheit sowie das in dieser enthaltene Toleranzgebot, welche durch §166 StGB geschützt werden.47 Dabei ist die Religionsfreiheit genauso schrankenlos gewährt wie die Kunstfreiheit. Somit treten beide Grundrechte in Konkurrenz zueinander. In Anbetracht der Wechselwirkung von Art. 5 III S1 GG und §166 StGB müssen höhere Anforderung an das Beschimpfen gestellt werden als an sonstige Aussagen.48 Hiernach sollen nur besonders rohe Äußerungen der Missachtung als Beschimpfung angesehen werden.49 Dabei wird auf den objektiven Sinngehalt abgestellt und wie sich dieser auf einen künstlerisch aufgeschlossenen, zumindest um Verständnis bemühten, aber nicht notwendigerweise künstlerisch vorgebildeten Menschen ergibt.50 Die Eigenbetrachtung des Künstlers über den Ausdrucksgehalt des Kunstwerkes kann hierbei nicht als Maßstab gelten, da dieser eine subjektive Betrachtungsweise hat, es aber erforderlich ist, eine objektive Betrachtung durchzuführen.51 Die für die Kunst klassischen Formen Kritik zu üben sind zum einen satirische Darstellungen und zum anderen Karikaturen. Deren Wesen in der Verfremdung besteht, die sich regelmäßig daraus ergibt, dass der Gedanke, der zum Ausdruck gebracht wird, inhaltlich bewusst verzerrend über den wirklich gemeinten Gedankengang hinaus erstreckt wird.52 Diese Kunstformen bestehen meist aus zwei Wertungsebenen. Die erste umfasst den verdeckten aber erkennbaren Aussagekern, also die eigentliche Aussage und den Sinngehalt dessen, was vom Künstler tatsächlich gemeint ist, dabei kann diese Ebene mit den gleichen Maßstäben wie jedes andere Kunstwerk bemessen werden.53 Die zweite Ebene soll aufgrund der ihr wesenseigenen Verfremdung eine weniger strenge Bewertung erfahren, da in ihr die satirische bzw. karikierende Einkleidung zu finden ist, die das Werk erst zur Satire macht.54 Jedoch darf auch hier die von Art. 1 I GG geschützte Menschenwürde durch eine solche Darstellung nicht angetastet werden.55 Dies wird dadurch deutlich, wenn es möglich ist, die angegriffene Person gegen eine beliebige andere auszutauschen oder Täter und Opfer auszuwechseln.56 Jedoch sind für Darstellungen, die in ihrer Aufmachung derart plump sind, dass eine Trennung zwischen satirischer Darstellung und einfachem Kunstwerk nicht mehr auszumachen ist, die allgemeinen Maßstäbe der Bewertung anwendbar.57 Beispiele dafür sind die von der Satire-Zeitschrift „Titanic“ veröffentlichten Ratschläge zum Einüben der Bekreuzigung mit Marmelade58 oder die Beschreibung einer Erstkommunion und Eucharistie als eine blutige und kannibalische Vermählung mit einem Gott.59 Ebenso bestehen Beschimpfungen von Religion durch die Musik. Hierbei dienen meist musikalische Texte aus der rechten Szene sowie des Black- und Death Metals aber auch Songtexte aus der Gothic Szene als Medium der Beschimpfung und Kritik. Während innerhalb des Rechtsrocks eher das Judentum und der Islam angegriffen werden, fokussieren sich Texte von Black- und Death-Metal-Bands bzw. auch von Gothic-Bands eher auf den christlichen Glauben. Die Texte richten sich gegen die Kirche oder Einrichtungen bzw. Gebräuche und Gegenstände des Glaubens sowie den Glauben und die Religion selbst.Zudem weisen sie meist einen appellativen Charakter auf und sind dadurch geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Eine dieser Bands, welche sich noch nicht im rechtsextremen Bereich bewegt, sind die BoehsenOnkelz mit ihrem Lied „Kirche“ von 1996. „Du bezahlst für ihren Segen, für die Angst vor dem Tod/… Ich scheiße auf die Kirche, ihren Papst und seinen Segen/… Zensur und Moralismus ist alles was sie bringt, Eine halbe Erlösung, der Himmel stinkt/… Ich pisse auf den Papst und seine römische Zentrale/ Ichglaube nicht an eure Worte, ich bin doch nicht bekloppt/Denn wer keine Angst vorm Teufel hat, braucht auch keinen Gott!“60 Im Vorwurf von Zensur und Moralismus ist hier lediglich eine ablehnende Haltung gegenüber der Kirche und ihren Werten zu sehen. Auch die Angriffe gegen den Vatikan und den Papst sind lediglich beschimpfender Art aber nicht geeignet, den öffentlichen Frieden nach §166 StGB zu stören.61 Somit würde dieser Songtext nicht unter die Strafbarkeit des §166 StGB fallen, sondern lediglich als Kritik angesehen werden. Anders ist die Lage bei dem Lied „Walvater Wotan“ der Rechtsrock Band Landser von 1992, welches die germanische Glaubenswelt glorifiziert, um damit das Christen- und Judentum anzugreifen. „Wir wollen euren Jesus nicht, das alte Judenschwein/ Denn zu Kreuze kriechen kann nichts für Arier sein/… Wir wollen eure Pfaffen nicht und euren Schweinepapst aus Polen/ Walvater Wotan soll unser Hergott sein!/ Walvater Wotan soll Germanien befreien!/ Einst gab es die Inquisition, noch allen wohlbekannt/ Deutsche Frauen als Hexen zu tausenden verbrannt/ Und heute macht ihr auf menschlich und wollt den Frieden schaffen/… Odins Raben wachen und sehen eure Taten/… Nun fleh zu deinem Judengott; er hört dich nicht, du Christenschwein!...“62 Dieser Text enthält Beschimpfungen des christlichen Gottesbildes, des Papsttums und der Leiden Christi, welche weit über die Grenze tolerierbarer Kritik und geschützter Meinungsfreiheit hinausgehen.63 Texte dieser Art haben darüber hinaus das Ziel und den Zweck, innerhalb der einschlägigen Hörerschaft aggressive Stimmung herbeizuführen und einschlägige Feindbilder auszubauen und sie nicht nur gegen die Religion oder Inhalte dergleichen zu schaffen, sondern auch gegen die Gläubigen, zumal die Verbindung von Jesus Christus zum Judentum verklärt wird, um die Abneigung der Hörer weiter anzufachen. Im Bereich der Gothic-Musik, vor allem im sogenannten Mittelalterrock, finden sich oft Beispiele für eine entschiedene Ablehnung des Christentums, welche aber mit teils humoristischen Aspekten vorgenommen wird. Ein Beispiel hierfür ist die Band Rabenschrey mit ihrem Lied „Hey wir sind Heiden“ von 2004. „…Es gibt nur einen Gott wittewittewitt und der hat Hörner/ hat er keine dran dann zünden wir ihn an/…Odin heisst unser Gott wittewittewitt der hat 2 Raben/ Jesus der war anders umgeben von 12 Knaben/…Kommt ein Christ daher wittewittewitt dann kriegt er haue/ kommt er nochmal an, ja dann ist er wirklich dran/…“64 Dieser Text zeigt in einer gewollt überspitzten Form die Vorzüge der heidnischen nordischen Glaubenswelt und stellt dabei vor allem auf den Versuch der Missionierung der Wikinger im 8. und 9. Jahrhundert sowie auf deren Überfälle auf englische Klöster im 10. Und 11. Jahrhundert ab. Auch der Vergleich zwischen dem Göttervater Odin und Jesus, vor allem mit Anspielung auf Jesus vermeintliche sexuelle Orientierung, ist eher als Satire und als Wortspiel zu sehen. Auch in der Gewaltandrohung gegenüber den Christen ist eher eine überspitze Darstellung zu sehen, die auf der Vorstellung des von der nordischen Götterwelt geprägten groß gewachsenen und maskulinen Hünen basiert, der sich dem Christen, welchen in diesem Zusammenhang eher die körperliche Darstellung von Jesus Christus als ausgemergelte und hagere Figur zukommt, gegenüber sieht. Die Darstellungen innerhalb dieses Textes sind geprägt von satirischen Darstellungen. Demnach bietet dieser Text keine Grundlage für die Anwendung des §166 StGB. Aus diesen Beispielen geht hervor, dass die unterschiedlichsten Gründe für die Beschimpfung von Religionsgemeinschaften oder Weltanschauungsvereinigungen existieren. Einerseits basieren sie auf der Ablehnung von Religion und deren Bräuchen oder Vorgehensweisen und Regeln, zum anderen können sie auch die Zugehörigkeit zu einer anderen Religion ausdrücken oder dies vorspielen, um durch Selbstironie ein Werk zur reinen Unterhaltung zu schaffen. Letztlich aber kann diese Form der Kunst auch zu Propagandazwecken und zu menschenunwürdigen Aussagen missbraucht werden und damit den Sinn der Satire als Kunstform der subtilen Meinungsäußerung verzerren und verstümmeln.
3. Prozesse und aktuelle Entwicklung
Innerhalb und vor allem am Anfang des letzten Jahrhunderts erregten einige Prozesse, in welchen es um die Beschimpfung und Kritik von Religion durch die Kunst ging, besondere Aufmerksamkeit. Einer dieser Prozesse war der Gotteslästerungsprozess gegen George Grosz. Der Prozess gegen den Dadaisten George Grosz und Wieland Herzfelde aus dem Jahr 1928 stellt einen der großen Prozesse der Neuzeit in Bezug auf den durch den §166 StGB begründeten Straftatbestand der Gotteslästerung bzw. des Angriffs auf Religionsgemeinschaften oder Weltanschauungsvereinigungen dar.65 In diesem wurde George Grosz für seineZeichnung aus dem Jahre 1928, welche Jesus Christus am Kreuz mit Gasmaske und Soldatenstiefeln und der Bildunterschrift „Maul halten und weiter Dienen!“ zeigt, wegen Verwirklichung des Straftatbestandes des §166 StGB angeklagt.66 Seinen Anfang nahm der Prozess 1928 beim Landgericht III Berlin wegen Vergehens gegen §166 StGB.67 In dessen Ergebnis George Grosz und Wieland Herzfelde derin ihrer Darstellung geschaffenen Figur,also dem Christus am Kreuz,in Form der Bildunterschrift, eine geäußerte schimpfliche Tätigkeitzugerechnet wurde, beide mit einer Geldstrafe von insgesamt 2000 Mark bestraft wurden.68 Die Entscheidung wurde jedoch vom Vorsitzenden der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin aufgehoben, da die Äußerung der Bildunterschrift nicht dem abgebildeten Christus zugeordnet wurde.69 Das Landgericht führte dazu aus, dass der satirische Hintergrund dadurch deutlich wird, dass der Künstler im Aussagekern der Zeichnung versucht, „die Leiden, die Rohheit und die Sinnlosigkeit des Krieges“ anzuprangern.70 Darüber hinaus wurde versucht, die Gegensätze zu veranschaulichen, denn „So wenig Gasmaske und Soldatenstiefel zum Christusbild passen, genau so wenig passt die Lehre der kriegshetzenden Vertreter der Kirche zur eigentlichen christlichen Lehre“; der Künstler habe zeigen wollen: „Das habt Ihr, die Ihr den Krieg predigt, aus Christus gemacht, so sieht der Christus aus, in dessen Namen ihr den Krieg unterstützt.“.71 Georg Grosz habe damit die Herabwürdigung der christlichen Lehre durch die kriegshetzerische Kirche zeigen, nicht aber selbst eine Herabwürdigung der Kirche oder der christlichen Lehre vornehmen wollen.72 Das Reichsgericht seinerseits hebt zwar das Urteil des Landgerichts auf, folgt aber in seinem Urteil dennoch im Wesentlichen dem des Landgerichtes mit Ausnahme des Zusatzes der Unbrauchbarmachung der Zeichnungen und Druckplatten.73 Hierzu führt das Reichsgericht aus, dassdie Form der Darstellung, die den Gegenstand der Verehrung bildende göttliche Gestalt „in einer schimpflichen Lage oder in einer schimpflichen Tätigkeit“ abbilde, bereits „die religiösen Gefühle solcher Mitglieder der christlichen Kirche verletzt werden könnten, die sich ebenso von übergroßer Reizbarkeit wie von Gleichgültigkeit fernhalten“.74 Zudem will das Gesetz auch das schlichte Gefühl des einfachen, religiös gesinnten Menschen schützen.75 Das Urteil des Reichsgerichts basiert aber fundamental auf dem durch das Reichsgericht bestätigte Ergebnis des Landgerichts, das Christus die Bildunterschrift nicht zugeordnet werden kann: „Das Schöffengericht irrt, wenn es ihre Worte als von Christus gesprochen auffasst und daher zu der Meinung kommt, hier solle Christus selbst einen Kriegshetzer darstellen…,Dann verlöre die Kreuzigung jeden Sinn. Wer mit den Mächtigen geht, wer an der Seite der Gewalthaber streitet, wird nicht ans Kreuz geschlagen.“.76 Hier zeigt sich, dass selbst in einer Zeit kurz nach der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts und der gerade in Deutschland herrschenden Sensibilität der Kriegsthematik die Kunstfreiheit durch die objektive und sensible Herangehensweise des Reichsgerichts gewahrt werden konnte. Ein weiterer Prozess ist der bereits oben angesprochene Fall des Satiremagazins „Titanic“ von 1981, welches in seiner Funktioneinen Artikel mit einer Karikatur des Papstes unter der Überschrift „Papst 80 – er kommt!“ veröffentlicht hat.77 In diesem sind unter dem Titel „Wie man sich auf seinen Auftritt vorbereitet“ dem hier sogenannten „Seltengänger“ diverse satirisch geschmückte Ratschläge gegeben, wie er sich in der Kirche und bei der Praktizierung der kirchlichen Riten zu verhalten habe.78 So heißt es unter dem Stichwort „Bekreuzigen“: „Die einzige etwas komplizierte Übung. Sie sollten sie daher zu Hause mit Hilfe eines Glases Marmelade üben. Falsch: der Anfänger saut sich kreuzweise das Hemd voll. Richtig: Der Diplombekreuziger verteilt den Schmadder so geschickt, daß die gedachte Verbindung der vier Schmadderpunkte ein vollkommenes Kreuz ergibt.“79 Die Staatsanwaltschaft forderte aufgrund der in der Form der Darstellung herabgesetzten und abfälligen Mißachtung des Bekreuzigens eine Strafe gem. §166 II StGB. Die Ansicht der Staatsanwaltschaft erschien undifferenziert, da der Leserkreis des Satiremagazins in der Regel politisch gebildetes Publikum mit Verständnis und Interesse umfasst und auch viele Besucher einer Kirche nicht unbedingt religiös sind.80 Dies zeigte sich in der Begründung, welche anführte das es sich bei der Passage über das Bekreuzigen als in der katholischen Kirche praktizierten Gebrauchs nicht um eine Beschimpfung i.S.d. §166 StGB handele.81 Da der Begriff des Beschimpfens nicht schon jede herabsetzende Äußerung erfasst, sondern nur durch Form oder Inhalt besonders verletzende Äußerungen der Mißachtung, wobei das besonders Verletzende entweder äußerlich in der Rohheit des Ausdrucks oder inhaltlich in dem Vorwurf eines schimpflichen Verhaltens oder Zustandes zu sehen ist.82 Damit folgte das Landgericht der Auffassung des BGH. Ein Fall aus der jüngeren Geschichte befasst sich mit dem Verbot einer Theateraufführung aus dem Jahr 1994, genauer des Rock-Comicals „Das Maria-Syndrom“, welches eine Hommage an Frank Zappa sein soll.83 Das Verbot der Aufführung wurde vom OVG Koblenz in seiner Entscheidung vom 02.12.1996 bestätigt.84 Das BVerwG hat in seinem Beschluss vom 11.12.1997 eine Revision des Verfahrens abgelehnt.85 Hierzu wird angeführt, dass das „Maria-Syndrom“ den Inhalt des christlichen, insbesondere des katholischen Bekenntnisses, nämlich Grundlehren und Glaubensregeln angreift, indem Jungfrauengeburt, Maria, Jesus und Gott angesprochen sind.86 Das Grundthema der Aufführung sei nach dem Künstler die Unmündigkeit, in die „Religion gleich welcher Art“ den Menschen stürze.87 Die Darstellung umfasst eine an die Jungfrauengeburt angelehnte Geschichte, in deren Mittelpunkt die Novizin Ann-Marie und der für den Auserwählten Gottes gehaltene Me-ti stehen.88 Zudem wird innerhalb des Stückes von dem Charakter des Psychoanalytikers Boys festgestellt, dass es vor knapp zweitausend Jahren einen ähnlich strukturierten Fall gab, nämlich den der Heiligen Jungfrau Maria, welche vor einer ähnlich prekären Situation stand wie Ann-Marie.89 Er stellt zusätzlich noch darauf ab, dass Maria es schaffte ihren reichlich naiven Freund Josef davon zu überzeugen, dass ihre Schwangerschaft göttlichen Ursprungs sei mit diesem Vergleich bildet die Figur des Psychoanalytikers den Bezug zum Titel des Stücks, er spricht von einem „Maria-Syndrom“.90 Es wird im Stück direkt auf die „Mechanismen, die Jesus zur Gottheit erniedrigten und damit das Fundament legten für eine der größten Verbrecherorganisationen der Menschheitsgeschichte“, hingewiesen.91 Damit wird der direkte Bezug zum christlichen Glauben offenkundig. Das Gericht stellte ferner fest, dass mit dem „Maria-Syndrom“ das Bekenntnis anderer i.S.d. §166 I StGB beschimpft wird.92 Obwohl auch hier der Schutz der Kunstfreiheit eine restriktive Auslegung des Begriffs „Beschimpfen“ fordert, stellt das „Maria-Syndrom“ eine bloße Verächtlichmachung christlicher Glaubensvorstellungen dar, mit denen das, was von vielen Gläubigen als heilig verehrt wird, im wahrsten Sinne des Wortes in den Schmutz gezogen wird.93 Hierbei wird nicht nur auf einzelne Textpassagen abgestellt, sondern auf den Inhalt des Stückes, seine Sprache und nicht zuletzt auf die Art und Weise der Aufführung.94 Vor allem die Verbalisierung und Darstellung des Sexual- und Fäkalbereichs stehen völlig überlagernd in ihrer Form den möglicherweise kritischen Ansätzen des Autors entgegen.95 Das Stück wird vom auktorialen Erzähler als „obszön und geschmacklos“ vorgestellt, ohne dass eine Abgrenzung zu den nachfolgenden Obszönitäten geschaffen wird.96 Hier wird vor allem im ersten Akt mit der Entstellung der christlichen Jungfrauengeburt durch einen auf einer Toilette onanierenden Mann, welcher durch diese Handlung bzw. durch die Überreste der Handlung auf der Oberfläche der Toilette die keusche und unbefleckte Ann-Marie halb-wissentlich schwängert.97 Im zweiten Akt stellt der Psychoanalytiker fest „daß Frömmigkeit eine überaus gefährliche Form der Geisteskrankheit sei“.98
[...]
1 Exodus 20,7.
2 Offenbarung 9,20.
3 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 23.
4 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 23.
5 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 24.
6 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 25.
7 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 25.
8 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 25.
9 Hüttemann, Gotteslästerung und Beschimpfung religiöser Gemeinsch., S.4.
10 Wils, Gotteslästerung, S.87.
11 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 26.
12 Schwerhoff, Zungen wie Schwerter, S. 28.
13 Hörnle in MüKo zum StGB, §166 Rn.3.
14 Buschmann Textbuch zur Strafgeschichte der Neuzeit, S. 297.
15 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 33.
16 Feuerbach, LB des gem. in Dtl. Gült. Peinl. Rechts §303 S.408/409.
17 Feuerbach, LB des gem. in Dtl. Gült. Peinl. Rechts §304 S.492.
18 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 35.
19 Buschmann Textbuch zur Strafgeschichte der Neuzeit, S. 567.
20 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 36.
21 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 36.
22 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 36.
23 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 37.
24 Hörnle in MüKo zum StGB, §166 Rn.3.
25 Schmitz, Straftaten gegen Religion und Weltansschauung, S. 41/42.
26 Hörnle in MüKo zum StGB, §166 Rn.4.
27 Schmitz, Straftaten gegen Religion und Weltansschauung, S. 47.
28 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 41.
29 BGBl. I 1973, S.1725.
30 BGBl. I 1974, S.469, 485.
31 OLG Köln in NJW 1982, 657.
32 Enders in KuR, Zwischen Kritik und Beschimpfung, 40,51.
33 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 41.
34 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 41.
35 RGSt 70 140.
36 BGHSt 6 186,191.
37 Eser in HB. d. Staatskirchenrechts II 1019,1021.
38 LG Köln in MDR 1982, 771.
39 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 46.
40 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 46.
41 Siehe II,1, S.7.
42 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 46.
43 Krause,Müller, TRE. S.325.
44 Krause,Müller, TRE. S.326.
45 www.musee-unterlinden.com/isenheimer-altar.
46 Zedler Die erhaltenen Kirchenkantaten J.S. Bachs, S.21,28.
47 BGH in GA 1961, 240; BVerwG in NJW 1999, 304.
48 BayObLG in NJW 1964, 1149,1150.
49 OLG Köln in NJW 1982, 657,658; Hörnle in MüKo zum StGB, §166 Rn.19.
50 BGH in GA 1961 240,241;BayObLG in NJW 1964 1149,1150.
51 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 128.
52 RGSt 62 183;BVerfGE 86 1,11; BGHSt 37 55,60.
53 RGSt. In JW 1924 1526.
54 BVerfG 81 278,294; BayObLG in NJW 1999 1982,1984.
55 BVerfGE 75 369,379.
56 Isensee in AfP 1993 619,627.
57 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 130.
58 LG Frankfurt in NJW 1982 658,659.
59 OLG Karlsruhe in NStZ 1986 363.
60 BoehseOnkelz in songtextmania.com.
61 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 131.
62 Landser in musictory.de
63 Koch, Die strafbare Beschimpfung von Bekenntn., Religionsgesell. und Weltanschauungsv., S. 132.
64 Rabenschrey in songtextmania.com
65 von Becker in NJW 2005, 559.
66 von Becker in NJW 2005, 559,561.
67 von Becker in NJW 2005, 559,561.
68 von Becker in NJW 2005, 559,561.
69 von Becker in NJW 2005, 559,561.
70 von Becker in NJW 2005, 559,561.
71 von Becker in NJW 2005, 559,561.
72 von Becker in NJW 2005, 559,562.
73 von Becker in NJW 2005, 559,561.
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76 von Becker in NJW 2005, 559,562.
77 LG Frankfurt, in NJW 1982 658.
78 LG Frankfurt, in NJW 1982 658.
79 LG Frankfurt, in NJW 1982 658.
80 LG Frankfurt, in NJW 1982 658,659.
81 LG Frankfurt, in NJW 1982 658,659.
82 BGHSt 7,110.
83 OVG Koblenz in NJW 1997 1174.
84 OVG Koblenz in NJW 1997 1174.
85 BVerwG in NJW 1999 304.
86 OVG Koblenz in NJW 1997 1174,1175.
87 OVG Koblenz in NJW 1997 1174,1175.
88 OVG Koblenz in NJW 1997 1174,1175.
89 OVG Koblenz in NJW 1997 1174,1175.
90 OVG Koblenz in NJW 1997 1174,1175.
91 OVG Koblenz in NJW 1997 1174,1175.
92 OVG Koblenz in NJW 1997 1174,1175.
93 OVG Koblenz in NJW 1997 1174,1175.
94 OVG Koblenz in NJW 1997 1174,1175.
95 OVG Koblenz in NJW 1997 1174,1175.
96 OVG Koblenz in NJW 1997 1174,1175.
97 OVG Koblenz in NJW 1997 1174,1175.
98 OVG Koblenz in NJW 1997 1174,1175.