Deliberative Demokratie und Massenmedien
Welche Funktion(en) besitzen die Massenmedien in der deliberativen Demokratie?
Zusammenfassung
Habermas sieht in der „Prozedur für Beratung und Beschlussfassung“ (Habermas 1999: 285) das Optimum für „[…]vernünftige bzw. faire Ergebnisse[…]“(ebd: 285) in Bezug auf den politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess der Bürger. Er spricht von „[…] Arenen, in denen eine mehr oder weniger rationale Meinungs- und Willensbildung über gesamtgesellschaftlich relevante Themen und regelungsbedürftige Materien stattfinden kann.“ (Habermas 1999: 288) Diese „Arenen“ lassen sich mit der (politischen) Öffentlichkeit vergleichen. Während sich die politische Öffentlichkeit in der Antike noch auf dem Marktplatz konstatiert hat, so hat sich dieses Phänomen mit der Zeit gewandelt. Es ist heute schwer vorstellbar, Habermas normative Theorie der deliberativen Demokratie nach seinen Erwartungen umzusetzen, denn „Öffentliche Deliberation braucht öffentliche Orte und Zeiten – beide Voraussetzungen sind heute bedroht“ (Mückenberger 2014: 4). Es muss daher eine Alternative geboten werden, die die Eigenschaften der politischen Öffentlichkeit übernimmt und aus der eine gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildung hervorgeht.
Ein hierzu oft genanntes Mittel sind die Medien, genauer gesagt die Massenmedien, denn einen Großteil unseres politischen Wissens erfahren wir einzig über dieses Medium. Warum sollen sie dann nicht auch in der deliberativen Demokratie eine wichtige Rolle spielen?
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Deliberative Demokratie nach Habermas
1. Politische Öffentlichkeit als Voraussetzung der deliberativen Demokratie
III. Aufgaben, Funktionen und Wirkungen der Massenmedien
1. Funktionen der Massenmedien
2. Wirkungsformen der Massenmedien
IV. Massenmedien in der deliberativen Demokratie
V. Fazit
VI. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Theorien, die sich mit Demokratien beschäftigen, sogenannte Demokratietheorien, gibt es einige. Seien sie von Max Weber, Ernst Fraenkel oder auch David Held aufgestellt. Jeder die-ser Theoretiker verfolgt mit seiner Ideologie unterschiedliche Ziele in Bezug auf die Demo-kratie als politische Ordnung. So auch der Soziologe und Philosoph Jürgen Habermas, als Begründer der sogenannten „Diskurstheorie“ die er aus der Kritik, sowohl an der liberalen Demokratie, als auch der republikanischen Demokratietheorie hervorbrachte, indem es ihm gelang, die beiden Demokratietheorien miteinander zu vereinen, ohne die jeweiligen Nachtei-le des liberalen- beziehungsweise republikanischen Models mit einzubeziehen.
Habermas sieht in der „Prozedur für Beratung und Beschlussfassung“ (Habermas 1999: 285) das Optimum für „[…]vernünftige bzw. faire Ergebnisse[…]“(ebd: 285) in Bezug auf den politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess der Bürger. Er spricht von „[…] Arenen, in denen eine mehr oder weniger rationale Meinungs- und Willensbildung über gesamtgesell-schaftlich relevante Themen und regelungsbedürftige Materien stattfinden kann.“ (Habermas 1999: 288) Diese „Arenen“ lassen sich mit der (politischen) Öffentlichkeit vergleichen. Wäh-rend sich die politische Öffentlichkeit in der Antike noch auf dem Marktplatz konstatiert hat, so hat sich dieses Phänomen mit der Zeit gewandelt. Es ist heute schwer vorstellbar, Haber-mas normative Theorie der deliberativen Demokratie nach seinen Erwartungen umzusetzen, denn „Öffentliche Deliberation braucht öffentliche Orte und Zeiten - beide Voraussetzungen sind heute bedroht“ (Mückenberger 2014: 4). Es muss daher eine Alternative geboten werden, die die Eigenschaften der politischen Öffentlichkeit übernimmt und aus der eine gesellschaft-liche Meinungs- und Willensbildung hervorgeht.
Ein hierzu oft genanntes Mittel sind die Medien, genauer gesagt die Massenmedien, denn ei-nen Großteil unseres politischen Wissens erfahren wir einzig über dieses Medium. Warum sollen sie dann nicht auch in der deliberativen Demokratie eine wichtige Rolle spielen?
Die Hypothese infolge der Ausgangfrage nach den Funktionen der Massenmedien in der deliberativen Demokratie kann dahingehend wie folgt lauten: „Die Massenmedien überneh-men die Funktion(en) der politischen Öffentlichkeit.“ Um diese Hypothese zu überprüfen, wird nach der Erläuterung der deliberativen Demokratietheorie Habermas, genauer auf den Begriff der (politischen) Öffentlichkeit eingegangen. Anschließend ein detaillierter Blick auf die Massenmedien an sich, sowie auf deren Aufgaben und Funktionen im Allgemeinen, ge- worfen. Gegen Ende wird versucht die Aufgaben und Funktionen der Massenmedien mit der politischen Öffentlichkeit nach Habermas Vorstellungen zu verknüpfen, um daraus die Hypothese gegeben falls zu bekräftigen oder zu wiederlegen, bevor im Fazit die grundlegenden Ergebnisse noch einmal aufgegriffen und zusammen gefasst werden.
II. Deliberative Demokratie nach Habermas
Kennzeichnend für Jürgen Habermas deliberative Demokratietheorie, ist der Diskurs in der politischen Öffentlichkeit. Hieraus ableitend wird auch oftmals von der Diskurstheorie gesprochen. Diese entwickelte Habermas aus Elementen des liberalen Demokratiemodells und aus Teilen des republikanischen Modells. So bildeten die Interessenskompromisse der liberalen Demokratie und die ethische Selbstverständigung der republikanischen Ansicht, in Bezug auf die Durchsetzung politischer Meinungs- und Willensbildung, den „[…]Begriff einer idealen Prozedur für Beratung und Beschlussfassung.“ (Habermas 1999: 285)
Den Begriff „Deliberation“ beschreibt Manfred G. Schmidt als „argumentativ abwägende, verständigungsorientierte Beratschlagung“ (Schmidt 2010: 237). Diese Beratung und Be-schlussfassung findet in der politischen Öffentlichkeit statt und wird von Bürgerinnen und Bürgern getragen. Für Habermas gründet sich hieraus „[…] eine Arena für die Wahrnehmung, Identifizierung und Behandlung gesamtgesellschaftlicher Probleme […].“ (Habermas 1999: 291). Innerhalb dieser Arenen der Öffentlichkeit hat die Deliberation für Habermas drei Funk-tionen zu erfüllen:
“ To mobilize and pool relevant issues and required information, and to specify interpreta tions; to process such contributions discursively by means of proper arguments for and against; and to generate rationally motivated yes and no attitudes that are expected to deter mine the outcome procedurally correct decisions. ” (Habermas 2006: 416)
Es ergeben sich hiermit die Funktionen der Themen- und Informationsfindung, der Garantie für einen allen zugänglichen Diskurs über diese Themen und der Entstehung von konkreten, unbeeinflussten Haltungen. Damit diese Funktionen der Deliberation überhaupt umgesetzt werden können, benötigt es einige Voraussetzungen: Zum ersten, einen „[…]ungehinderten Zugang für alle […]“ (Schmidt 2010: 241). Allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern muss die Möglichkeit gegeben sein, sich an dem Prozess der Deliberation und des Diskurses zu beteiligen. Es darf niemand, egal von welchen Gründen ausgehend, ausgeschlossen wer-den. Des Weiteren muss ein „[…] Verzicht auf Machtstreben[…]“ (Schmidt 2010: 241) gege-ben sein, denn „das Fehlen externer und interner Zwänge bei der Beratung […]“(Schmidt 2010: 243) ist unabdinglich für einen unbeeinflussten Diskurs aller Beteiligten. Schmidt be-zeichnet dies als „ideale Sprechsituation“ (Schmidt 2010: 243), die vorausgesetzt werden muss. Gleichzeitig zählt zu diesen Voraussetzungen „auch der Grundsatz, dass die Erörterun- gen sich auf alle Materien erstrecken können, die im Interesse aller zu regeln sind […]“ (Schmidt 2010: 243). Eine der Hauptgrundlagen für die oben genannten Funktionen ist aber, die aus dem Diskurs entstehende Präferenztransformation (Schmidt 2010: 241). Diese ist eine der wichtigsten Bestandteile, die die deliberative Demokratie benötigt, da sie auf der Transformation von Ideen oder Meinungen aufbaut.
Aus dem Diskurs entsteht eine optimale öffentliche Meinung oder Ansicht, die alle beteiligten uneingeschränkt unterstützen. Die Optimalität begründet sich dadurch, dass die deliberative Demokratie „[…]auch die Qualität einer Entscheidung anheben[kann], die nicht allein den Experten und Eliten überlassen bleibt, sonder in verschiedener Intensität und Filterung auf die öffentliche Meinung rekurriert.“ (Leggewie 2003: 143) Die Deliberation führt daher, im Sinne Habermas, zu einer bestmöglichen Lösung oder Entscheidung, entstanden durch „[…] Verhandlungen, Selbstverst ä ndigungs- und Gerechtigkeitsdiskurse[n] […][wodurch] unter solchen Bedingungen vernünftige bzw. faire Ergebnisse erzielt werden.“ (Habermas 1999: 285). Auch Daniel Jacob und Manuel Thomas sind der Auffassung, dass es innerhalb der politischen Öffentlichkeit zu einem möglichst regen und argumentativen Austausch kom-men muss, damit Entscheidungen und Ergebnisse wichtige Anhaltspunkte und Sichtweisen mit einbeziehen (Jacob/Thomas 2014: 35).
Die Ergebnisse bezeichnet Habermas als eine, von den Bürgerinnen und Bürgern ausgehende, „kommunikative Macht“ (Habermas 1999: 288). Diese, durch Verständigung entstandene Macht wird nun, so Habermas in „administrative Macht“ umgewandelt, was durch „[…] in-stitutionalisierte Wahlentscheidungen und legislative Beschlüsse […]“ (Habermas 1999: 288) geschieht.
Die „administrative Macht“ hingegen befindet sich im Mittelunkt des politischen Systems, das von der politischen Öffentlichkeit umgeben ist und Zugriff auf Informationen aus vielen unterschiedlichen Quellen hat (Rhomberg 2009: 64). Das Zentrum des politischen Systems besteht laut Habermas aus “[…] the familiar institutions: parliaments, courts, administrative agencies, and government.” (Habermas 2006: 415). Diese Institutionen müssen sich jedoch an Rechte und Gesetze binden (Habermas 1999: 289).
Die, mittels Deliberation und Diskurs, in der politischen Öffentlichkeit entstandene „kommu-nikative Macht“ wird, wie bereits beschrieben, durch Wahlen und Beschlüsse in „administra-tive Macht“ des politischen Systems umgewandelt. Jedoch ist die politische Öffentlichkeit
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