Rembrandt Harmenszoon van Rijn war einer der bedeutendsten Maler des Niederländischen Barocks. Bis zu seinem Tod mit 63 Jahren fertigte er über achtzig Selbstbildnisse in Form von Gemälden, Radierungen oder Zeichnungen an. Sie stellen damit etwa ein Zehntel seines gesamten Schaffens dar. Diese Sammlung von Selbstporträts bietet für Kunsthistoriker die einmalige Möglichkeit einer Art Autobiografie. Besonders in den späten Werken wird ein schonungsloser Umgang in Darstellungen des Körpers und seiner Unzulänglichkeiten deutlich. Das Alter und die damit einhergehenden Makel und Gebrechen scheinen für den Künstler besonders interessant gewesen zu sein.
Das Ziel dieser Arbeit soll nicht sein, einen Überblick über die zahlreichen Selbstporträts in Rembrandts vollständigem Œuvre zu vermitteln. Nach einer knappen Vorstellung der außergewöhnlichen ersten Selbstbildnisse als Vergleichsmöglichkeit soll anschließend vielmehr der Fokus auf das Spätwerk gelegt werden, da diese Schaffensphase nachhaltig als tiefgreifend und bemerkenswert gilt. Die Selbstbildnisse sollen außerdem kurz in das Lebenswerk eingeordnet und ihre besondere Be-deutung erläutert werden.
Vorweg soll das Leben des Künstlers paraphrasiert werden, wobei der Schwerpunkt auf den Verlusten des Privatlebens gelegt wird. Hier ist herauszustellen, ob er seine intimen, vielleicht verzweifelten und einsamen Gedanken möglicherweise unterbewusst im Werk auslebt, oder sich mit voller Absicht skizzenhaft und mit deutlichen Alterserscheinungen darstellt.
Die Literaturlage zum Thema ist ausgeprägt und vielseitig. Das umfassende Leben und Schaffen Rembrandts wird in unzähligen Abhandlungen herausgestellt. Im Be-sonderen beschäftigen sich die Publikationen ausdrücklich mit den Selbstbildnissen des Niederländers da dieser Bestandteil seines Wirkens als meisterhaft angesehen wird und viele Interpretationsansätze offen hält.
Gliederung
1. Einleitung
2. Das Leben Rembrandts
3. Einordnung der Selbstbildnisse ins Lebens- und Spätwerk
4. Frühes Selbstbildnis
5. Späte Selbstbildnisse
5.1. Rembrandt Selbstbildnis mit zwei Kreisen, 1665 – 1669
5.2. Rembrandt Selbstbildnis, 1669
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Rembrandt Harmenszoon van Rijn war einer der bedeutendsten Maler des Niederländischen Barocks. Vom 22. Lebensjahr bis zu seinem Tod mit 63 Jahren fertigte er über achtzig Selbstbildnisse in Form von Gemälden, Radierungen oder Zeichnungen an. Sie stellen damit ca. ein Zehntel seines gesamten Schaffens dar.[1] Diese Sammlung von Selbstporträts bietet für Kunsthistoriker die einmalige Möglichkeit einer Art Autobiografie. Besonders in den späten Werken wird ein schonungsloser Umgang in Darstellungen des Körpers und seiner Unzulänglichkeiten deutlich. Das Alter und die damit einhergehenden Makel und Gebrechen scheinen für den Künstler besonders interessant gewesen zu sein.
Das Ziel dieser Arbeit soll nicht sein, einen Überblick über die zahlreichen Selbstporträts in Rembrandts vollständigem Œuvre zu vermitteln. Nach einer knappen Vorstellung der außergewöhnlichen ersten Selbstbildnisse als Vergleichsmöglichkeit soll anschließend vielmehr der Fokus auf das Spätwerk gelegt werden, da diese Schaffensphase nachhaltig als tiefgreifend und bemerkenswert gilt. Die Selbstbildnisse sollen außerdem kurz in das Lebenswerk eingeordnet und ihre besondere Bedeutung erläutert werden. Vorweg soll das Leben des Künstlers paraphrasiert werden, wobei der Schwerpunkt auf den Verlusten des Privatlebens gelegt wird. Hier ist herauszustellen, ob er seine intimen, vielleicht verzweifelten und einsamen Gedanken möglicherweise unterbewusst im Werk auslebt, oder sich mit voller Absicht skizzenhaft und mit deutlichen Alterserscheinungen darstellt.
Die Literaturlage zum Thema ist ausgeprägt und vielseitig. Das umfassende Leben und Schaffen Rembrandts wird in unzähligen Abhandlungen herausgestellt. Im Besonderen beschäftigen sich die Publikationen ausdrücklich mit den Selbstbildnissen des Niederländers da dieser Bestandteil seines Wirkens als meisterhaft angesehen wird und viele Interpretationsansätze offen hält.
2. Das Leben Rembrandts
Das Leben des niederländischen Malers Rembrandt war von einigen traurigen Ereignissen überschattet. Der im Sommer 1606 in Leiden geborene neunte Sohn eines Müllers begann mit fünfzehn Jahren die Lehre eines Malers. Sein Talent zeigte sich sehr früh und nur einige Jahre später wurde er als emanzipierter und freier Maler anerkannt. Vor allem als Graphiker machte er sich einen Namen, was außer ihm in Europa bis heute nur Dürer für sich beanspruchen kann[2], und nahm nun sogar eigene Schüler auf. In dieser Phase entstanden auch die ersten Selbstbildnisse.
Doch so unbelastet sein gesellschaftliches Leben als Künstler bis hierhin zu sein schien, so sehr war sein privates von Verlusten geprägt. Der Heirat mit Saskia van Uylenburgh folgten die traurigen Tode der ersten drei Kinder nach jeweils nur wenigen Wochen. Das vierte Kind, der Sohn Titus, wurde zwar älter, doch Saskia starb ein Jahr nach dessen Geburt. Sein künstlerisches Schaffen lag einige Zeit lahm. Bald verschuldete Rembrandt sowohl sich, als auch seine zweite große Liebe Hendrickje Stoffels und die gemeinsame uneheliche Tochter Cornelia so erheblich, dass ein Teil seiner Gemälde und seines Besitzes zwangsversteigert werden musste. In den folgenden Jahren starben Hendrickje und auch sein Sohn Titus, gerade volljährig geworden. Im Jahre 1669 mit 63 Jahren starb auch Rembrandt.[3]
Es ist zu vermuten, dass sein Privatleben Auswirkungen auf sein künstlerisches Schaffen hatte, wie man dies bei vielen Künstlern sieht. So verewigte er einige wichtige Personen seines Lebens auf Leinwand, wie unter anderem seine erste Frau Saskia[4] oder seinen Vater vermutlich aber erst nach dessen Tod[5]. Ob die einschneidenden Erfahrungen seines Lebens in seinen Selbstporträts angedeutet sind, soll anhand der Analyse der Selbstbildnisse im Spätwerk kurz untersucht werden.
3. Einordnung der Selbstbildnisse ins Lebens- und Spätwerk
Betrachtet man die hohe und bemerkenswerte Anzahl von Selbstporträts in Rembrandts Wirken wird deutlich, welche große Bedeutung ihnen zugeschrieben werden kann. Die genaue Anzahl ist nicht nachvollziehbar und variiert in der Sekundärliteratur. So liest man von Mengen zwischen siebzig[6] bis zu achtzig Bildnissen.[7] Sie wurden als Gemälde, Radierungen oder Zeichnungen angefertigt.[8]
Das Spätwerk Rembrandt gilt als besonders bemerkenswerte und spannende Phase, obwohl oder vielleicht weil sie nicht schematisch an frühere Werke anlehnt und nicht konsequent zusammenhängend scheint.[9]
Betrachtet man die im 17. Jahrhundert entstandene Theorie des Malers und Kunstkritikers Roger de Piles, die er anhand Tizians Lebenswerks entwickelte, könnte man die Entwicklung eines Spätwerkes bei Künstlern nachvollziehen. Er unterteilt das Lebens eines Malers in drei Phasen: In der ersten, frühen Phase des Stils folgen Künstler der Manier ihres Lehrers. Erst danach, in der mittleren Phase entwickeln sie eigene Ausdrucksformen, die sie in der späten Schaffensphase vervollkommnen und nun Erfahrung in Technik und Fasson besitzen.[10] Wie allerdings schon Vasari in Tizians Biografie beschrieb, kann diese dritte Phase auch darin bestehen, keine detailreiche, akkurate Malweise auszuüben, sondern die Freiheit zu besitzen, Gemälde „grob und fleckig [zu malen], [...] [die] in der Ferne aber eine vollkommene Wirkung“[11] haben.
Diese sehr formvollendete und reizvolle Manier der dritten, späten Phase, die auch Rembrandt zu besitzen schien, war den Zeitgenossen durchaus bekannt. Aus diesem Grund besaß Rembrandt wohl die Freiheit, in seinen letzten Werken nicht beweisen zu müssen, dass er als Künstler fähig war, Gemälde mit größter Feinheit zu entwerfen. Er war unabhängig von diesem Anspruch und durfte groben Stil ausüben, ohne den Eindruck malerischer Weisheit zu verlieren.[12]
Überträgt man dieses Phasenmodell auf Rembrandts Selbstbildnisse teilt Marjorie Wiesemann sein Leben in drei Schaffensphasen ein, die sich genauso sehr wie mit dem Malstil auch mit der Selbstdarstellung befassen.[13] Die Konterfeis in den ersten zehn Jahren seines Schaffens wirken skizzenhaft, scheinen kindlich unentwickelt und unkonventionell. Rembrandt war dabei seinen eigenen Stil zu entwickeln, experimentierte mit Techniken und Malweisen. Sein Umgang mit Licht und Schatten war bemerkenswert originell und so kam es z. T. vor, dass entgegen der gängigen Normen der Kunst, ursprünglich wichtige und aussagekräftige Bereiche wie z. B. die Augen vollständig im Schatten liegen konnten und dass andere Teile des Gemäldes, entweder das Kostüm oder die Haare, mehr betont wurden.
Von 1630 bis 1650 fertigte Rembrandt vermeintlich hauptsächlich repräsentative Selbstbildnisse an. Der zu der Zeit sehr bekannte Künstler war in der Lage, Selbstporträts in großer Anzahl zu verkaufen und fertigte aus diesem Grund weniger experimentelle sondern offizielle, wirkungsvollere Gemälde an. Der neue Charakter der Bildnisse war eher narrativ, in dem Sinne, dass der Künstler großen Wert auf die Darstellung seiner Kostüme legte und sich in imposanten Posen zeigte, die seinen künstlerischen Stellenwert unterstreichen sollten. Seinem Malstil, der nicht mehr so kompromisslos sein aber doch Wiedererkennungswert haben sollte, blieb Rembrandt allerdings weitestgehend treu.
Dies änderte sich erst in seinem Spätwerk, in den letzten neunzehn Jahren seines Lebens. Der Detailreichtum nahm wieder ab, der Pinselduktus wurde wieder lockerer und Konturen verschwommener. Teilweise schien der Künstler mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Besonders auffällig ist auch die Kleidung Rembrandts. Hier wurde nicht mehr auf stattliche Kostüme und Ausschmückungen wertgelegt.[14]
In diesen drei Phasen unterschied sich also deutlich, wie sich Rembrandt selbst sah und so darstellte, wie er vom Betrachter gesehen werden wollte.
4. Frühes Selbstbildnis
Das 1629 mit Öl auf Holz gemalte Selbstbildnis (Abb. 1) ist vermutlich eines seiner ersten aufwändigeren Konterfeis. Es ist 15,5 x 12,7 cm groß und hängt in München. Rechts unten ist das Gemälde von Rembrandt signiert und datiert.[15]
Es fällt somit in die erste der drei angesprochenen Phasen. Rembrandt war hier 23 Jahre alt, führte eine eigene Werkstatt und machte sich als aufstrebender Historienmaler einen Namen. Der Künstler malte ein relativ kleines Brustbild in dem er einen engen Bildausschnitt und hohen Betrachter Standpunkt wählte. Der Hintergrund liegt unbetont in diffusem Licht und ist in zurückhaltenden Braun-Tönen gemalt. Der gesamte Kopf ist zu sehen, die rechte Schulter wird vom linken unteren Bildrand abgeschnitten. Der Oberkörper ist leicht nach vorne gebeugt dem Betrachter nach rechts zugewandt.
Der Künstler trägt ein weißes Hemd mit stehendem, an den Rändern ausgefranztem Kragen, auf dem sich das Licht bündelt, sodass er das hellste Element des Bildes darstellt. Über dem Hemd ist unter einem schwarzen Mantel vage ein braunes Kleidungsstück zu erkennen. Die braun gelockten, vollen und schulterlangen Haare des jungen Mannes fallen ihm tief in die Stirn und werden durch schwungvolle Kratzer in der nassen Farbe auf der Leinwand mit der darunterliegenden orangenen Untermalung akzentuiert. Das rechte Ohr ist deutlich zu erkennen, da die krausen Haare an dieser Stelle dahinter gesteckt wurden. Der stark prononcierte Lichteinfall von links nach rechts betont neben dem Kragen die rechte Wange in einem warmen gelblichen Hautton, streift Nasenspitze und Lippen. Das restliche Gesicht, vor allem die Stirn und Augen liegen diffus und nicht aussagekräftig im Schatten. Rembrandt malt sich mit weit geöffneten, dunklen Augen und hochgezogenen Brauen. Der Mund ist ebenfalls leicht geöffnet, was den überraschten Gesichtsausdruck vervollständigt.
Es entsteht der Eindruck, Rembrandt wäre nach einem flüchtigen, unwillkürlichen Blick über die rechte Schulter selbst davon überrascht, sich im Spiegel zu sehen. Die gesamte Körperhaltung erweckt bereits den Anschein eines spontanen Augenblicks, die Mimik, der kurze, erschrockene Blick verstärkt außerdem noch die Flüchtigkeit der Momentaufnahme. Diese Impression wird durch die scharfe Ausleuchtung von Hell und Dunkel im Bild betont. Auffallend ist die Spontaneität in der Malweise durch den breiten, lockeren Pinselduktus und dem dicken Farbauftrag.
Offensichtlich übt der Künstler hier das Malen eines menschlichen Gesichts und dessen Körperhaltung. Im Vordergrund steht die Darbietung von Gesichtsausdruck, Emotion und Körperhaltung. Auch die Wirkung von Lichteinfall und Schatten und die Techniken, bestimmte Partien gekonnt in Szene zu setzen oder fast verschwinden zu lassen, wie beispielsweise die Augen, werden hier ergründet.
Rembrandt versucht offenbar in diesem ersten und auch den in den kommenden Jahren folgenden Konterfeis, seine persönliche, künstlerische Malweise zu erweitern und zu festigen.
5. Späte Selbstbildnisse
5.1. Rembrandt Selbstbildnis mit zwei Kreisen, 1665 – 1669
Bei diesem Selbstbildnis (Abb. 2) handelt es sich um ein recht großes Öl-Gemälde auf Leinwand von 114,3 x 94 cm. Es ist in London zu finden. Das Bild hat keine Datierung, daher ist nicht bekannt ob der Künstler es als vollendet betrachtete.[16]
Rembrandt zeigt sich hier im Halbprofil, den Betrachter anblickend und ihm die rechte Schulter leicht zugewandt, stehend bis zur Taille. Ab der Hüfte verschwimmt der Körper mit dem diffusen Hintergrund. Der Künstler trägt einen schwarzen Mantel mit braunem Kragen und Ärmelsäumen, darunter ein rotes und ein weißes Unterkleid. Auf dem weißen Stoff unterhalb des Halses ist grob angedeutet eine goldene Kette zu sehen. In seiner linken, allerdings nicht auszumachenden, da so verschwommenen Hand hält der Mann eine Palette, Pinsel und Malstock, nur skizzenhaft und mit groben Pinselstrichen arrangiert.
[...]
[1] Vgl.: Bikker, Jonathan et al.: Der späte Rembrandt. (Ausstellung Rembrandt: the Late Works, The National Gallery, London, 15. Oktober 2014 – 18. Januar 2015, Late Rembrandt, Rijksmuseum, Amsterdam, 12. Februar – 17. Mai 2015) München 2014. S. 37.
[2] Vgl.: Bikker et al.: Der späte Rembrandt. S. 7.
[3] Vgl.: White, Christopher et al .: Rembrandts Selbstbildnisse. Aus Anlass der Ausstellung "Rembrandts Selbstbildnisse"; The National Gallery, London, 9. Juni – 5. September 1999 ; Königliches Gemäldekabinett Mauritshuis, Den Haag, 25. September 1999 – 9. Januar 2000. Stuttgart 1999. S. 75 – 82.
[4] Doppelbildnis mit Saskia 1636 oder Rembrandt mit Saskia 1636. Vgl.: Pinder, Wilhelm: Rembrandts Selbstbildnisse. Leipzig 1943. S. 60.
[5] Vgl.: White et al.: Rembrandts Selbstbildnisse. S. 76.
[6] Vgl.: Tümpel, Christian: Rembrandt: Mythos und Methode. Königstein im Taunus 1986. S. 63.
[7] Vgl.: Bikker et al.: Der späte Rembrandt. S. 37.
[8] Vgl.: Tümpel: Rembrandt. Mythos und Methode. S. 63.
[9] Vgl.: Bikker et al.: Der späte Rembrandt. S. 13.
[10] Vgl.: Bikker et al.: Der späte Rembrandt. S. 14.
[11] Vasari: Tizian-Biografie. Zitiert nach ebd. S. 15.
[12] Vgl.: Ebd . S. 15.
[13] Vgl.: Ebd . S. 37.
[14] Vgl.: Bikker et al.: Der späte Rembrandt. S. 37f.
[15] Vgl.: White et al.: Rembrandts Selbstbildnisse. S. 98f.
[16] Vgl.: White et al.: Rembrandts Selbstbildnisse. S. 220ff.