Es ist schon ein großer Zufall, wenn im selben Jahr (2006) zwei große Filmproduktionen erscheinen, die von Magiern zur Zeit um 1900 handeln. Noch größer ist der Zufall, wenn beide Filme das Thema Magie nicht nur inhaltlich verwenden und darstellen, sondern dieses außerdem auf einer Metaebene einweben, sodass der Zuschauer selbst Teil eines magischen Tricks wird.
“The Prestige” (Nolan 2006) und “The Illusionist (Burger 2006) haben noch etwas gemeinsam: Sie basieren auf literarischen Vorlagen. Im ersten Fall “Das Kabinett des Magiers” von Christopher Priest (1995), im zweiten Fall die Kurzgeschichte “Eisenheim the Illusionist” von Steven Millhauser (1990).
In der vorliegenden Arbeit werden dieser Fakt, sowie die einzelnen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Text und Film ausgeklammert. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Arbeit der beiden Regisseure Christopher Nolan und Neil Burger. Denn, das gilt es zu zeigen, beide betätigen sich in den betreffenden Filmen gewissermaßen auch als Illusionisten.
Eine Analyse der Raumkonstellation zeigt dann, dass sich die Schauplätze beider Filme mit dem Bühnen-Raum als Fixpunkt lesen lassen: Auf der Bühne, hinter der Bühne, unter der Bühne, abseits der Bühne. Ein Teil der illusorischen Kraft der Filme basiert in der Folge darauf, dass die Regisseure die dargestellten Räume auf der Metaebene anders besetzen. So wähnt der Zuschauer Illusion und Wahrheit an Orten, wo sie manchmal gar nicht sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. “The Prestige” & “The Illusionist”: Inhalt und Motive
2.1 Christopher Nolan: The Prestige (2006)
2.2 Neil Burger: The Illusionist (2006)
2.3 Themen & Motive
2.4 Regie als Magie
3. Der Raum in verteilten Rollen
3.1 GeographischHistorisch
3.2 Semantische Räume
3.2.1 Auf der Bühne
3.2.2 Hinter der Bühne und in der Werkstatt
3.2.3 Unter der Bühne
3.2.4 Nebenschauplätze und Öffentlichkeit?
4. Fazit
Quellen
1. Einleitung
Es ist schon ein großer Zufall, wenn im selben Jahr (2006) zwei große Filmproduktionen erscheinen, die von Magiern zur Zeit um 1900 handeln. Noch größer ist der Zufall, wenn beide Filme das Thema Magie nicht nur inhaltlich verwenden und darstellen, sondern dieses außerdem auf einer Metaebene einweben, sodass der Zuschauer selbst Teil eines magischen Tricks wird.1
“The Prestige” (Nolan 2006) und “The Illusionist (Burger 2006) haben noch etwas gemeinsam: Sie basieren auf literarischen Vorlagen. Im ersten Fall “Das Kabinett des Magiers” von Christopher Priest (1995), im zweiten Fall die Kurzgeschichte “Eisenheim the Illusionist” von Steven Millhauser (1990). In der vorliegenden Arbeit werden dieser Fakt, sowie die einzelnen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Text und Film ausgeklammert. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Arbeit der beiden Regisseure Christopher Nolan und Neil Burger. Denn, das gilt es zu zeigen, beide betätigen sich in den betreffenden Filmen gewissermaßen auch als Illusionisten.
Eine Analyse der Raumkonstellation zeigt dann, dass sich die Schauplätze beider Filme mit dem BühnenRaum als Fixpunkt lesen lassen: Auf der Bühne, hinter der Bühne, unter der Bühne, abseits der Bühne. Ein Teil der illusorischen Kraft der Filme basiert in der Folge darauf, dass die Regisseure die dargestellten Räume auf der Metaebene anders besetzen. So wähnt der Zuschauer Illusion und Wahrheit an Orten, wo sie manchmal gar nicht sind.
2. “The Prestige” & “The Illusionist”: Inhalt und Motive
Die nun folgenden kurzen Abrisse geben die Handlungen der beiden Filme wieder, wobei nur die wichtigsten Figuren und Ereignisse erwähnt werden. Sie dienen als Bezugspunkt für die spätere Interpretation und Gegenüberstellung.
2.1. Christopher Nolan: The Prestige (2006)
Im Mittelpunkt der Handlung steht der Wettstreit zweier Illusionisten im London der Jahrhundertwende. Robert Angier (Hugh Jackman) und Alfred Borden (Christian Bale) arbeiten zunächst gemeinsam unter der Anleitung von John Cutter als Assistenten eines anderen Magiers. Dabei unterläuft Borden eines Tages ein fataler Fehler, durch den Angiers Ehefrau bei einem Entfesselungstrick auf der Bühne ums Leben kommt. Angiers Trauer erwächst zu Wut und Hass auf Borden, was dazu führt dass er einen von dessen Tricks manipuliert und Borden dabei fast erschießt. Durch das Eingreifen von Bordens Assistenten Mr. Fallon wird Schlimmeres verhindert.
Fortan sind die beiden erbitterte Kontrahenten, die dem jeweils anderen jeden Erfolg missgönnen. So manipuliert Borden beispielsweise den Beginn von Angiers großer Karriere, indem er die Premiere der neuen Show zu einem Desaster werden lässt. Borden selbst gelangt mit einem revolutionären Trick zu Ruhm: Der transportierte Mann, eine Art TeleportationsIllusion. Angier setzt alles daran, hinter Bordens Trick zu kommen und schreckt vor keinem Mittel zurück. Die naheliegendste Erklärung, nämlich dass Borden einen Doppelgänger benutzt, will er nicht akzeptieren. Schließlich aber vollführt er selbst eine Kopie des Tricks, der tatsächlich mit einem Doppelgänger funktioniert. Das geht solange gut, bis Borden sich einschaltet und in einem fulminanten Auftritt Angier vor seinem eigenen Publikum die Show stiehlt.
Daraufhin entführt Angier Mr. Fallon und erpresst so von Borden dessen Tagebuch, in dem auch der transportierte Mann aufgeklärt wird. Der Schlüssel scheint “Tesla” zu sein, womit Nikola Tesla gemeint ist, der zu dieser Zeit in Colorado Springs sein Lager aufgeschlagen hat und als Wunderknabe auf dem Gebiet der Elektrizität gilt. Angier fährt zu ihm und gibt eine Maschine in Auftrag, die es ermöglicht den transportierten Mann mit einer tatsächlichen Teleportation durchzuführen. Tesla hält das für durchaus machbar und beginnt mit der Arbeit wobei er Angier vor den Folgen warnt. Dieser ist jedoch mittlerweile zu allem bereit und lässt sich davon nicht abhalten. Tatsächlich handelt es sich bei dem fertigen Apparat dann aber um eine Art “Kopiergerät”, das an einem anderen Ort eine Kopie des Originals herstellt.
Bordens Ehefrau Sarah zerbricht unterdessen daran, dass sie ihren eigenen Mann an vielen Tagen aus unerfindlichen Gründen nicht wiedererkennt obwohl er äußerlich derselbe zu sein scheint und begeht Selbstmord.
Mit der fertigen Maschine begibt Angier sich nach London und setzt nun genau 100 Aufführungen für “den wahren transportierten Mann” an. Als Borden sich bei einer der Aufführungen hinter die Bühne schleicht, um den Trick aufzudecken, findet er dort einen sterbenden Angier in einem Wassertank vor. Borden versucht erfolglos, den Ertrinkenden zu retten. Da der Wassertank statt mit einem Trickschloss mit einem echten Schloss abgeriegelt ist und Borden quasi in flagranti ertappt wird, wird er des Mordes angeklagt, zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Wie sich aber herausstellt, ist Angier nicht tot, sondern lebt unter seiner ursprünglichen Identität Lord Caldlow weiter. Cutter, der bis zu Angiers vermeintlichem Tod mit ihm gearbeitet hatte und bei dem Borden nach dem Unfall ebenfalls in Ungnade gefallen war, kommt eher zufällig dahinter, dass Angier noch lebt. Er erkennt, dass Angier Borden absichtlich hereingelegt hat, um seinen Tod herbeizuführen und ist bitter enttäuscht.
Im Finale taucht der vermeintlich tote Borden beim vermeintlich toten Angier auf und erschießt diesen. Wie sich herausstellt sind Borden und Mr. Fallon Zwillingsbrüder, die abwechselnd zwei Identitäten angenommen hatten. Angier stirbt gewissermaßen in guter Gesellschaft: Um ihn herum befinden sich all die Wassertanks mit den toten Kopien seiner selbst. Schließlich funktionierte sein Trick nur, weil er bei jeder “Teleportation” eine seiner Kopien tötete.
Der Film endet wieder mit Cutter, der noch einmal die drei Elemente einer magischen Illusion rezitiert. Dabei schwenkt die Kamera über den Raum voller toter Körper von Angier.
2.2. Neil Burger: The Illusionist (2006)
Der Film beginnt, ähnlich wie “The Prestige” mit einigen Szenen aus dem weiteren Verlauf des Films.2 Danach beginnt Chefinspektor Uhl eher märchenartig von der Jugend Eisenheims, des berühmten Illusionisten, zu erzählen. Schauplatz der Handlung ist Wien um 1900. Der Sohn eines Schreiners begegnet einem Magier, dessen Tricks ihn so sehr faszinieren, dass er selbst beschließt, Magier zu werden. Dabei verliebt er sich in Sophie, eine Adlige. Er fertigt ein Holzmedallion für sie, das nur mit einem Trick zu öffnen ist und ein Foto von ihm enthält. Diese Jugendliebe ist aufgrund des Standesunterschieds zum Scheitern verurteilt und so werden die beiden eines Tages gewaltsam voneinander getrennt. Nach der Trennung zieht Eduard Abramovich in die weite Welt.
Fünfzehn Jahre später kehrt er als “Eisenheim” nach Wien zurück, um dort seine Zaubershow vorzuführen. Deren großer Erfolg ruft auch die lokale Obrigkeit auf den Plan. Nicht nur Chefinspektor Uhl befindet sich im Publikum, sondern auch Kronprinz Leopold und dessen Vertraute, die nun erwachsene Sophie, Herzogin von Teschen. Letztere landet als mehr oder weniger Freiwillige auf der Bühne, wo Eisenheim sie sogleich erkennt. Sie erkennt ihn erst bei dem folgenden provokanten Auftritt am Hof Leopolds, woraufhin sie ihn aufsucht und die beiden eine Liebesnacht verbringen. Eisenheim erfährt, dass der Kronprinz seine Verlobung mit Sophie plant, um dadurch die Gunst der Ungarn zu gewinnen und nach dem Thron seines Vaters zu greifen.
Leopold hat, von dessen Provokation erbost, zwischenzeitlich die Vorführungen von Eisenheim durch Uhl beenden lassen. Uhl, der Sophie überwachen lässt, berichtet Leopold außerdem von Sophies Verbindung zu Eisenheim und deren Fluchtplänen. Der Kronprinz sieht seine Pläne in Gefahr und stellt die Herzogin zur Rede, woraufhin diese die geplante Verlobung zurückweist. Nach dem kurzen, aber heftigen Streit verlässt sie Leopold Richtung Stall. Dieser folgt ihr und dann sind nur noch Schreie zu hören, bis Sophie blutend und schwankend auf einem Pferd davon reitet.
Bei der Suche ist es schließlich Eisenheim, der Sophies Leiche in einem Fluss auffindet. Er bezichtigt den Kronprinzen des Mordes verhaftet und verurteilt wird jedoch ein Unbeteiligter. Eisenheim entwickelt nun eine neue Show, bei der er scheinbar Tote auf der Bühne als körperlose Illusionen zum Leben erweckt. Als er schließlich auch Sophie so erscheinen lässt, nährt er die Gerüchte, dass Leopold ihr wahrer Mörder sei. Diese Provokation führt beim zweiten Mal zur Unterbrechung der Vorstellung durch Uhl und dem Versuch der Verhaftung des Illusionisten, die jedoch fehlschlägt, weil auch dieser sich als körperlose Illusion entpuppt.
Doch auch bei Uhl werden die Zweifel größer, nachdem er mehr und mehr Hinweise auf die Täterschaft des Kronprinzen findet. Außerdem weiß auch er von dessen Thronambitionen. Schließlich stellt er Leopold zur Rede und legt ihm die erdrückende Beweislage dar, woraufhin dieser den Freitod wählt.
Uhl wird von einem Taschendieb, in dem er Eisenheim zu erkennen glaubt, das Medallion der Herzogin entwendet. Nach einer erfolglosen Verfolgung macht sich plötzlich ein Lächeln auf dem Gesicht des Chefinspektors breit. Er glaubt, vom Tod Sophies bis zur Verdächtigung des Kronprinzen alles als eingefädelte Illusion erkannt zu haben und stellt sich vor, wie Eisenheim und Sophie gemeinsam ihr Leben ohne die Bedrohung durch den Kronprinzen leben.
2.3. Themen & Motive
Hier sollen nun einige Aspekte herausgegriffen und analysiert werden, um sie für die topologische Analyse nutzbar zu machen. Das Thema Elektrizität etwa spielt bei Nolan eine große Rolle. Elektrizität ist zur Jahrhundertwende zwar kein völlig neues Phänomen mehr, hat aber nach wie vor einen mysteriösen Anstrich. Es ist die Zeit von Edison und Tesla, von Gleichstrom und Wechselstrom, von technischer Beherrschbarkeit ohne völliges Verständnis. Michael Gamper (2012) beschreibt wie Elektrizität im 18. und frühen 19. Jhdt. die Wissenschaft vor völlig neue Aufgaben stellt. Sie scheint als unsichtbare Kraft, ist schwer erfahrbar und zunächst kaum zu beherrschen. Neue Erkenntnisse erweitern nach und nach den Horizont der Möglichkeiten. Mit Strom scheint alles möglich zu werden wie sie funktioniert ist zunächst einmal Nebensache. Nun spielt die Handlung des Films zwar etwas später, doch ein Nachhall dieser mystischen Aura umgibt die Elektrizität noch immer. Nur so lässt sich erklären, wie Angier seine Hoffnungen auf einen elektrischen Apparat setzt, um die Teleportation tatsächlich möglich zu machen.
In engem Zusammenhang damit steht die Figur Nikola Tesla:
“ Tesla represents the road untaken by modern society, for his scientific insights and inventions could still be described as a form of wizardry. ” (Faithful, S. 3)
[...]
1 Natürlich ist das Sehen bewegter Bilder und die räumliche Wahrnehmung im Film immer schon an sich eine Illusion, die man mit einigem Recht ebenfalls als “magisch” bezeichnen könnte. Das ist hier allerdings nicht gemeint und auch im weiteren Verlauf der Arbeit nicht von Belang.
2 Interessant ist hier, dass Neil die Szenen anders montiert, als sie eigentlich stattfinden. So entsteht ein Eindruck, der sich später schlichtweg als falsch erweisen wird. Im Vergleich zu der sonst eher eleganten Vorgehensweise des Films wirkt dieser Trick geradezu plump.