Diese Hausarbeit befasst sich mit der Organisation UNESCO, der Stadt Venedig und den wirtschaftlichen Vor- und Nachteilen des Weltkulturerbetitels. Es wird diskutiert, ob Venedig und seiner Lagune der Titel des Weltkulturerbes erhalten bleiben oder aberkannt werden soll.
Darüber hinaus wird der Aufbau und die Oganisation der UNESCO erläutert, welche Kriterien für diesen Titel ausschlaggebend und welche für Venedig relevant sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Glorreiche Geschichte der Lagunenstadt
3. Die Organisation der UNESCO
3.1 Die Kriterien des Weltkulturerbes
4. Was macht Venedig und seine Lagune zu einem Weltkulturerbe?
4.1 Weltkulturerbe – Vor- oder Nachteil?
5. Fazit und Ausblick
6. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Seit fast 30 Jahren steht Venedig und seine Lagune auf der Liste der UNESCO Weltkulturerben. Aufgenommen im Jahre 1987 ist die Stadt ein Sinnbild für ihre einzigartige Architektur und menschliche Kreativität. Besonders hervorzuheben sind die besonderen Gegebenheiten der Lagune, welche die Stadt Venedig im Laufe der Jahrhunderte zu einer der wichtigsten Handelspunkte Europas machte. „Venedig mit seinen Inseln und Kanälen ist ein weltweit einzigartiges städtebauliches Gesamtkunstwerk. Hier trifft man in einer Konzentration wie sonst kaum anderswo auf Kirchen, Klöster, Paläste, Museen, Theater und unzähligen Kunstschätze von Künstlern der Renaissance und des Barocks.“[1]
Gegründet im 5. Jahrhundert stieg Venedig durch die wirtschaftlich gute Lage schnell zu einer großen Handelsmacht im Mittelmeerraum auf und galt fortan als „Tor zum Osten“. Sowohl zur See als auch über Land war die Stadt ein wichtiger Umschlagplatz für Waren aus dem fernen Osten als auch West- und Mitteleuropa. Hierzu machten die Venezianer, die während dieser Zeit nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch einen großen Wandel durchlebten, sich die natürlichen Gegebenheiten der Lagune zu Nutze. Ebenso verstanden es die Einwohner Venedigs, sowohl mit den Vor- als auch den Nachteilen zu leben und umzugehen. Natürlich ist die Stadt anfällig für Überschwemmungen durch starke Stürme und Fluten, doch stehen die Venezianer symbolisch für die erfolgreiche Bezwingung der Elemente.[2]
Eben jene Venezianer waren es, die eine der schönsten Städte der Welt errichteten, die durch künstlerische und architektonische Meisterleistungen bis heute weltbekannt ist. Das sind einige der Gründe, weshalb Venedig und die Lagune zu den Weltkulturerben Italiens gehören. Doch trotz der Schönheit und Einzigartigkeit Venedigs und seiner Lagune, wird die Stadt sowohl durch die Lage in der Lagune, als auch durch den massenhaften Tourismus vor immer weitere und größere Probleme gestellt. In dieser Hausarbeit soll die problematische Entwicklungen der Stadt als auch der Lagune aufgezeigt und der Eingriff des Menschen und die daraus resultierenden Folgen analysiert werden. Dabei wird ebenfalls die Geschichte Venedigs beleuchtet, folgend bezieht diese Arbeit die Aufnahmekriterien der UNESCO mit ein und erläutert genauer, weshalb und durch welche Faktoren Venedig und die Lagune zu einem Weltkulturerbe ernannt wurde. In diesem Zusammenhang werden ebenfalls die aufgekommen Probleme analysiert, da in der heutigen Zeit der Status Venedigs als Weltkulturerbe nicht mehr unumstritten ist. Als Abschluss der Hausarbeit dient ein Fazit, in dem die Problematik und die Folgen noch einmal auf- und zusammengefasst werden.
2. Glorreiche Geschichte der Lagunenstadt
Die Datierungen der ersten Siedlungen im sumpfigen Gebiet des heutigen Venedigs gehen zurück bis in das 5. Jahrhundert nach Christus.[3] Nicht nur, dass man sich dieses schwierige und ungewöhnliche Terrain für eine Siedlungsgründung auswählte macht das heutige Venedig einzigartig, auch die fehlende römische Vergangenheit ist eine Seltenheit italienischer Städte.[4] Man geht davon aus, das mit dem Untergang des Weströmischen Reichs im Jahre 476 n. Chr. durch den Einfall der Hunnen und dem daraus resultierenden Flüchtlingsstrom, die Menschen in der Lagune und ihrer ländlichen Beschaffenheit Schutz vor den Angreifern fanden und Siedlungen gründeten, die als Ursprung des heutigen Venedig gelten.
Im Laufe des Mittelalters stieg sowohl die wirtschaftliche Bedeutsamkeit als auch der Reichtum der Lagunenstadt. Wie bereits in der Einleitung angeführt entwickelte sich Venedig zu einem Knotenpunkt und Hauptumschlagplatz für Waren aus dem Mittelmeerraum, dem Osten und dem westlichen Europa. Der überwiegende Handel mit Fisch und Salz verhalf der Stadt in der Lagune zum Aufstieg zu einer der reichsten Städte Italiens. Im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs entwickelten die Venezianer beispielsweise die Vereinfachung der Buchführung, führten Bilanzen und das „Soll“ und „Haben“ Prinzip ein.[5]
Darüber hinaus entstand im Laufe des späten Mittelalters beziehungsweise der frühen Neuzeit ein weit verzweigtes Handelsnetz, das sowohl über Land und Flüsse funktionierte, vor allem jedoch der Überseehandel machte einen Großteil des lukrativen Handelsgeschäfts der Venezianer aus.[6]
So wurden die verschiedensten Waren, Güter und Metalle aus der bekannten Welt, wie Silber, Gold, Stoffe und Tuche, Lebensmittel, Gewürze und veredelte Rohstoffe wie raffinierter Zucker und Glas in Venedig gehandelt und verhalfen der Stadt zu großem Reichtum. Dieser wuchs, durch ein durch die Venezianer geschaffenes Handelsmonopol auf Waren aus dem Orient und machte es anderen Städten schwer, Zugriff auf andere östliche Mittelmeerhäfen zu bekommen.[7]
Diesen wirtschaftlichen Vorteil hielt die Stadt Venedig bis zur Entdeckung der neuen Welt und den daraus resultierenden neuen Seewegen über den Atlantischen und Pazifischen Ozean. Die Handelswege über das Mittelmeer begannen an Bedeutung zu verlieren, demnach ebenfalls die wirtschaftliche Bedeutung und Monopolstellung Venedigs. Die Stadt in der Lagune blieb trotz des wirtschaftlichen Bedeutungsverlusts ein kulturelles Zentrum. Die Venezianer verstanden es, auch durch die Gestaltung der Stadt, ihre hohe Stellung auf dem europäischen Parkett zu behalten und darzustellen. So wurden bereits der Markusdom sowie der Dogenpalast, zwei der wohl kunstvollsten Gebäude Venedigs im 11. beziehungsweise 12. Jahrhundert errichtet.[8] Einer der berühmtesten Plätze Venedigs ist die Piazza San Marco (Markusplatz), welchen Napoleon einst als „schönsten Salon Europas“ bezeichnete.[9] Im Zuge und nach den Napoleonischen Kriegen brach die Republik Venedig, die über ein Jahrtausend bestand, zusammen und gehörte zeitweilig zum Herrschaftsgebiet der Franzosen und Österreicher. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Venedig an das ausgerufene Königreich Italien angeschlossen.
Mit der Industrialisierung stieg die wirtschaftliche Bedeutung Venedigs erneut und man errichtete Fabriken auf dem Festland. Im Zuge des letzten Jahrhunderts stieg ebenfalls die Zahl der Touristen bedeutend an, was Venedig zu einem der Reiseziele des Nachkriegseuropas machte. Die Schönheit, Einzigartigkeit, die architektonische und kulturelle Vielfalt führten schließlich dazu, dass Venedig und seine Lagune im Jahre 1987 zu der Liste der UNESCO-Weltkulturerben hinzugefügt wurde.
3. Die Organisation der UNESCO
Gegründet im Jahre 1945 als „United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, war die Leitidee der UNESCO, dass Frieden, sofern er nicht scheitern oder aufgegeben werden soll, in der geistigen und moralischen Solidarität des Menschen angelegt werden muss.[10] „Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.“[11] Man zog eine Lehre aus den beiden vorangegangenen Weltkriegen, dass man sich nicht alleine auf politische und wirtschaftliche Abmachungen stützen könne, um den Frieden zu sichern.
Daher verschrieb sich die UNESCO der Aufgabe, die Zusammenarbeit zwischen den Völkern im Bildungs-, Wissenschafts- und Kultursektor zu fördern, um zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit beizutragen.[12]
Neben verschiedensten Bildungs- und wissenschaftlichen Projekten wie dem „Education for the 21st Century“, verabschiedete die UNESCO im Jahr 1972 ein „Übereinkommen zum Schutz des Kultur und Naturerbes der Welt.“[13] „Angesichts der Gefährdung vieler Ökosysteme und dem drohenden Verlust wichtiger Zeugnisse vergangener Kulturen ist die Erhaltung dieser, seitdem in einer jährlich erweiterten Liste geführten, Objekte von außergewöhnlichem universellen Wert heute notwendiger denn je.[14]
Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurde diese Liste der UNESCO Weltkulturerben jährlich erweitert und zählt aktuell fast 1000 Kulturstätten, die über den gesamten Globus verteilt sind. Die UNESCO hat hierzu zehn verschiedene Kriterien entwickelt und aufgestellt, die zur Ernennung eines Weltkulturerben von größter Bedeutung sind.
3.1 Die Kriterien des Weltkulturerbes
Um in die Liste der UNESCO – Weltkulturerben aufgenommen zu werden, müssen verschiedene Kriterien erfüllt werden. Hierzu muss angeführt werden, dass bis zum Ende des Jahres 2004 die Liste in sechs Kriterien eines Kulturerbes und vier Kriterien eines Naturerbes unterteilt wurde. Heutzutage wird diese Selektion nicht mehr vorgenommen, sodass sowohl für ein Kultur- als auch Naturerbe folgende zehn Kriterien gelten:[15]
1. „Es repräsentiert ein von Menschen geschaffenes, kreatives Meisterwerk.“
Dies können sowohl künstlerische Darstellungen wie Gemälde, Bilder oder Statuen, als auch Gebäude, Schlösser, Kirchen oder Plätze sein. In vielerlei Hinsicht spielt bei Gebäuden, Schlössern, Kirchen und Plätzen auch die Bedeutung für den Menschen eine wichtige Rolle. So finden sich auf der Liste der Weltkulturerben viele Glaubens- und Gotteshäuser wieder, da sie über Jahrhunderte als spirituelles Zentrum fungierten und in ihrer Art meist einzigartig sind. Besonders in Deutschland zählen viele Kirchen und Dome als Weltkulturerben, als Beispiel kann hier der Speyerer Dom angeführt werden, der als größte erhaltene romanische Kirche der Welt gilt.
2. Es stellt einen bedeutenden Schnittpunkt menschlicher Werte in Bezug auf die Entwicklung von Architektur und Technologie, des Städtebaus und der Landschaftsgestaltung dar.
Aufgrund dieses Kriteriums haben viele Gebäude (Speyerer Dom), alte Stadtkerne (Wismar und Stralsund) oder sogar ganze Städte (Hansestadt Lübeck, Venedig) und Landschaften ihren Status als Weltkulturerbe erhalten. Hierbei spielt eben jene architektonische oder technologische Entwicklung, aber auch die natürliche und landschaftliche Einzigartigkeit eine zentrale Rolle. So wird exemplarisch das Norddeutsche Wattenmeer als Weltkulturerbe geführt, da es in seiner natürlichen Beschaffenheit einmalig auf der Welt ist.
3. Es stellt ein einzigartiges beziehungsweise außergewöhnliches Zeugnis einer bestehenden oder untergegangen Kultur dar.
Unter diesen Punkt, auch als „immaterielles Kulturerbe bezeichnet“ fallen die außergewöhnlichsten Traditionen und Zeugnisse vieler globaler Kulturen. So zählen hierzu die Menschentürme der Region Katalonien in Spanien, der Tango Argentiniens, die traditionelle chinesische Medizin oder die Falknerei, welche besonders im Orient einen hohen Stellenwert hat. Dabei geht es vor allem um die kulturelle Bedeutung jener Tradition, wie lange wird jener Brauch bereits erhalten und kann als ein Merkmal eines Volkes angesehen werden.
4. Es repräsentiert exemplarisch einen technologischen, architektonischen oder landschaftlichen Gebäudetypus, der bedeutsame zeitliche Abschnitte der Menschheitsgeschichte versinnbildlicht.
Antike Städte wie Rom oder Athen stehen sinnbildlich für dieses Kriterium, da sie auf eine lange Historie verschiedenster zeitlicher Abschnitte zurückblicken können und diese sich in den errichteten Gebäuden der Städte widerspiegeln. Rom, die „ewige Stadt“, mit ihren Bauten aus Antike, Mittelalter, Renaissance, Barock und Klassizismus ist ein weltweit einzigartiges Freilichtmuseum.[16] Analog hierzu stehen mit dem Parthenon, den Propyläen und dem Erechtheion einige der bedeutendsten Werke der antiken griechischen Baukunst im heutigen Athen.[17]
[...]
[1] Vgl. Albus, N.: „Das Erbe der Welt – Die Kultur- und Naturmonumente nach der Konvention der UNESCO“, München 2014, S. 186
[2] Vgl. http://whc.unesco.org/en/list/394 (Zugriff: 22.09.2016)
[3] Vgl. http://whc.unesco.org/en/list/394 (Zugriff: 28.09.2016)
[4] Vgl. Karsten, A.: „Kleine Geschichte Venedigs“, München 2008, S. 11
[5] Vgl. Karsten, A.: „Kleine Geschichte Venedigs“, München 2008, S. 65
[6] Vgl. http://www.geschichte-venedigs.de/wirtschaft.html#Venedig_als_Welthandelsmacht_im_13._bis_15._Jahrhundert (Zugriff: 23.11.2016)
[7] Vgl. Straumann, T.: „Der Abstieg Venedigs und die Zukunft Europas“, 03.02.2014
http://blog.tagesanzeiger.ch/nevermindthemarkets/index.php/34131/der-abstieg-venedigs-und-die-zukunft-europas/
[8] Vgl. Vgl. Albus, N.: „Das Erbe der Welt – Die Kultur- und Naturmonumente nach der Konvention der UNESCO“, München 2014, S. 186
[9] Vgl. Ebd.
[10] Vgl. https://www.unesco.de/ueber-die-unesco/ueber-die-unesco.html (Zugriff: 03.11.2016)
[11] Vgl. Ebd.
[12] Vgl. Ebd.
[13] Vgl. Albus, N.: „Das Erbe der Welt – Die Kultur- und Naturmonumente nach der Konvention der UNESCO“, München 2014, S. 6
[14] Vgl. Ebd.
[15] Vgl. http://whc.unesco.org/en/criteria/ (Zugriff: 03.11.2016)
[16] Vgl. Albus, N.: „Das Erbe der Welt – Die Kultur- und Naturmonumente nach der Konvention der UNESCO“, München 2014, S. 200
[17] Vgl. Albus, N.: „Das Erbe der Welt – Die Kultur- und Naturmonumente nach der Konvention der UNESCO“, München 2014, S. 234