Übertragbarkeit von Unternehmenskulturen am Beispiel W. L. Gore & Associates
Zusammenfassung
Es ist also, insbesondere bei schlechter Produktivität und stagnierenden Erträgen, die sich nicht mit niedriger Qualität oder hohen Preisen der Produkte erklären lassen, wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, ob eine schlechte Kultur innerhalb des Unternehmens der Grund dafür sein könnte. Um diese weiterzuentwickeln und zu verbessern, müssen der Veränderungsbedarf erkannt und Maßnahmen umgesetzt werden.
Um weniger Risiken einzugehen, den Erfolg langfristig zu steigern und Kosten für Forschung und Entwicklung einer verbesserten Kultur einzusparen, stellt sich die Frage, ob es sinnvoll und möglich ist, die Unternehmenskultur eines erfolgreichen Konkurrenten zu imitieren. Mit dieser Frage beschäftigt sich diese Studienarbeit.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I) Abbildungsverzeichnis
II) Textteil
1. Einleitung
2. Organisationskultur
2.1. Definition
2.2. Funktionen
2.3. Drei-Ebenen-Modell der Unternehmenskultur nach Schein
3. Unternehmenskultur bei W.L. Gore & Associates
3.1. Grundüberzeugungen und Leitsätze
3.2 Sonstiges
4. Übertragbarkeit auf andere Unternehmen
4.1. Allgemein
4.2. Voraussetzungen und Limitationen
4.3. Möglichkeiten der Übertragung am Beispiel
5. Schlussteil
III) Literaturverzeichnis
I) Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: In Anlehnung an: Drei Ebenen der Unternehmenskultur nach Schein, Schein, Edgar H. (2010): Organizational Culture and Leadership, 4.Auflage, San Francisco 2010.
Abbildung 2: Akzeptanzmatrix Kamiske, Gerd F. (2015): Handbuch QM-Methoden: Die richtige Methode auswählen und erfolgreich umsetzen, 3.Auflage, München 2015.
II) Textteil
1. Einleitung
Wenn der langfristige Erfolg in einem Unternehmen ausbleibt, muss dies nicht unbedingt mit den angebotenen Waren oder Dienstleistungen zusammen hängen. Auch die Organisationskultur ist ein bedeutender Faktor für den Erfolg in Unternehmen, wie der Ökonom John Paul Kotter bereits in den 1990er Jahren bewies. Er ist der Meinung, dass dieser Zusammenhang heutzutage noch deutlicher ausfallen würde.1
Es ist also, insbesondere bei schlechter Produktivität und stagnierenden Erträgen, die sich nicht mit niedriger Qualität oder hohen Preisen der Produkte erklären lassen, wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, ob eine schlechte Kultur innerhalb des Unternehmens der Grund dafür sein könnte. Um diese weiterzuentwickeln und zu verbessern, müssen der Veränderungsbedarf erkannt und Maßnahmen umgesetzt werden.
Um weniger Risiken einzugehen, den Erfolg langfristig zu steigern und Kosten für Forschung und Entwicklung einer verbesserten Kultur einzusparen, stellt sich die Frage, ob es sinnvoll und möglich ist, die Unternehmenskultur eines erfolgreichen Konkurrenten zu imitieren. Mit dieser Frage beschäftigt sich diese Studienarbeit.
Zuerst wird auf die Unternehmenskultur allgemein eingegangen und versucht den Begriff der Organisationskultur zu definieren und von der Unternehmenskultur abzugrenzen. Es werden die verschiedenen Funktionen der Unternehmenskultur aufgezeigt und das Modell der Unternehmenskultur nach Edgar Schein erläutert. Im Anschluss wird auf die Kultur des Unternehmens W.L. Gore & Associates genau eingegangen, insbesondere auf die Grundüberzeugungen und Leitsätze. Um die These der Möglichkeit der Imitation von Unternehmenskultur an einem Beispiel zu überprüfen, wird darauffolgend versucht, die Übertragung von einzelnen Aspekten der Kultur von W.L.Gore & Associates auf den Wettbewerber SympaTex Technologies zu simulieren. In dieser threotischen Überlegung werden die Mitarbeiterbeteiligung (Associate Stock Ownership Plan), die Lattice- Organisation und der Sponsorshipansatz übernommen. Im abschließenden Diskussionsteil wird ein Überblick über die gesamte Arbeit gegeben und versucht die Fragestellung zu beantworten.
Bezüglich der Unternehmenskultur ist schon relativ viel Literatur vorhanden. Insbesondere Edgar H. Schein erforschte viel auf dem Gebiet der Organisationskultur (u.a. Organizational
Culture and Leadership2 ). Informationen über die Kultur bei Gore ist auf der Website des Unternehmens ersichtlich. Über die Möglichkeit der Imitation einer Unternehmenskultur exisitiert bisher noch keine Literatur.
2. Organisationskultur
2.1. Definition
Im folgenden wird versucht den Begriff Organisationskultur zu veranschaulichen.
Organisationskultur ist nicht gleich Unternehmenskutur, obwohl es von vielen Wissenschaftlern sinngleich verwendet wird. Eine Organisation kann nicht nur ein wirtschaftliches Unternehmen, sondern auch eine soziale Organisation sein. Im Bereich der öffentlichen oder Non-Profit-Organisationen sollte also der Begriff Organisationskultur verwendet werden, für sonstige wirtschaftliche Organisationen können im Deutschen auch die Formulierungen Firmenkultur, Corporate Identity oder Unternehmenskultur analog gebraucht werden.3
Der Ausdruck der Organisationskultur wird verständlicher, wenn die einzelnen Bestandteile des Begriffes genauer betrachtet werden.
Die deutsche Organisationspsychologin4 Sonja Sackmann definiert Kultur als:
„Denk- und Verhaltensmuster, Werte, Normen, die im Laufe der Zeit entstanden sind und die beim Lösen von Problemen benutzt werden.“ 5
Organisation wird definiert als Institution in der mehrere Mitglieder auf Dauer gemeinsame Ziele verfolgen.6
Marvin Bower definiert Organisationskultur kurz gesagt als: „The way we do things around here.“7
Die wichtigste und bekannteste Definition von Organisationskultur stammt von Edgar Schein, dessen Modell der Kulturebenen später noch genauer beleutet wird.
The culture of a group can now be defined as a pattern of basic assumptions - learned by a group as it solved its problems of external adaption and internal integration - which has worked well enough to be considered valid and, therefore, to be taught to new members as the correct way to perceive, think, and feel in relation to those problems.8
Es gibt keine einheitliche Definition, es existieren viele verschiedene Auffassungen der Organisationskultur. Jedoch haben alle Definitionen die Gemeinsamkeit, dass sie auf Werten, Normen und Einstellungen beruhen.
Es kann also daraus geschlussfolgert werden, dass eine Organisationskultur alle Denk- und Verhaltensmuster, Werte, Einstellungen und Normen von Mitgliedern eines dauerhaften zielgerichteten Zusammenschlusses umfasst.
Die Unternehmenskultur wird eingeführt durch die Gründung einer Organisation und ist ständigem Wandel unterlegen.9
2.2. Funktionen
Laut Dill und Hügler hat die Unternehmenskultur drei grundlegende Funktionen (originäre Funktionen).10
Wenn Ziele, Strategien oder Wertvorstellungen den Mitarbeitern einer Organisation bekannt sind, können diese selbständiger und zielorientiert handeln und benötigen weniger Anweisungen. Es muss sich weniger mit den unteren Ebenen abgestimmt werden, die Unternehmenskultur hat also eine Koordinationsfunktion.11
Die Integrationsfunktion bezieht sich auf die verbesserte Zusammenarbeit innerhalb eines Unternehmens. Der Zusammenhalt der einzelnen Abteilungen wird gestärkt, damit die Mitarbeiter die Organisation als Großes ganzes sehen.12 Je stärker die Unternehmenskultur, desto besser die interne Verbundenheit und damit die Zusammenarbeit.
Mitarbeiter sollten sich mit Werten und Regeln eines Unternehmens identifizieren können und deren Sinn verstehen. Wenn sie sich der Organisation zugehörig fühlen, fördert dies die Arbeitszufriedenheit und damit die Motivation.13 Engagierte Angestellte steigern den Umsatz einer Organisation enorm.14
Derivate Funktionen sind nicht direkt auf die Unternehmenskultur zurückzuführen, sondern sind Folgen der originären Funktionen. Dazu zählen effizientere Kommunikation, schnellere Bearbeitungszeiten oder ein geringerer Kontrollaufwand.15
Viele Vorteile einer starken Unternehmenskultur sind aus den Funktionen ableitbar. Beispiele dafür sind eine Verbesserung der Produktivität und damit eine Senkung der Kosten durch eine gesteigerte Motivation. Eine verbesserte Kommunikation führt dazu, dass Konflikte schneller erkannt und gelöst werden können. Durch den besseren Informationsaustausch gehen weniger Informationen verloren und das Know-How wird verbessert. Außerdem werden Kreativität und Innovationen gefördert und führen zu einem verbesserten Arbeitsklima.
Nach Außen sorgt eine positive Unternehmenskultur für eine nachhaltige Kundenbindung, eine einfachere Personalrekrutierung und ein positives Bild in der Öffentlichkeit.16
Ein Risiko einer starken Unternehmenskultur ist zum Beispiel eine geringere Anpassungsfähigkeit und Flexibilität durch feststehende Regelungen und Wertvorstellungen. Diese Gefahr kann dadurch vermieden werden, dass in den Leitbildern und Vorgaben Kreativität und Veränderungsbereitschaft verankert werden.17 Trotzdem sollten Leitbilder und Grundvorstellungen nicht unbedacht und ständig verändert werden, da dies zu Verwirrung unter der Belegschaft führen kann.
2.3. Drei-Ebenen-Modell der Unternehmenskultur nach Schein
Schon Anfang der 1980er Jahren entwickelte der Organisationspsychologe und Professor für Management am MIT (Massachusetts Institute of Technology) Edgar H. Schein das Kulturebenenmodell zur Beschreibung der Unternehmenskultur.18
Laut Schein besteht Kultur aus drei verschiedenen Ebenen, die sich darin unterscheiden, inwieweit diese Erscheinung für einen Beobachter sichtbar ist.
Diese Stufen umfassen die relativ konkreten, direkt erkennbaren Artefakte und im Gegenteil dazu die verborgenen und unbewussten Grundannahmen. Die Schicht dazwischen beschäftigt sich mit Werten, Normen und Verhaltensregeln einer Kultur.19
Das Level der Artefakte, das ganz oben im Modell liegt, zeigt Phänomene, die von Außenstehenden beobachtet, aber oft nur schwer interpretiert werden können. Dazu zählen im Bereich der Unternehmenskultur unter anderem die Kleidung von Mitarbeitern, die hergestellten Produkte oder die Architektur der Firmenzentrale. Ein Unbeteiligter kann zwar wahrnehmen, dass eine Mitarbeiterin ihren Vorgesetzten duzt, kann aber nicht einschätzen, was dieses Verhalten innerhalb des Unternehmens bedeutet. Es kann sein, dass die Kultur dieser Organisation vorsieht, dass sich geduzt wird zur Verbesserung der Kommunikation. Es ist aber genauso gut möglich, dass die Angestellte und der Chef befreundet sind und im restlichen Betrieb das „Sie“ vorherrscht.
Die zweite Ebene stellt die Werte einer Organisation dar. Dazu zählen unter anderem Ideale, Werte, Ziele und Normen eines Unternehmens, die in Unternehmensphilosophien, Leitlinien und Unternehmensstrategien dargestellt werden. Werte sind teils sichtbar und teilweise verdeckt. Viele Unternehmen veröffentlichen einen Teil ihrer Werte in Form von Leitbildern etc. auf ihrer Firmenwebsite.
Die Dritte Ebene steht für die Grundannahmen, die Schein als Wesen der Kultur definiert. Die Grundannahmen sind Überzeugungen und Werte, die unbewusst für selbstverständlich genommen werden. Für Außenstehende sind diese sehr schwer zu erkennen, da für die Mitarbeiter ein bestimmtes Verhalten oder Denken üblich und alltäglich ist und sie darauf kein besonderes Augenmerk legen. 20
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: In Anlehnung an: Drei Ebenen der Unternehmenskultur nach Schein21
Man kann die Kulturebenen in einer Pyramide, integriert in ein Eisbergmodell, darstellen. Dabei wird klar, dass der Großteil der Kultur, also die Werte und Grundannahmen unter Wasser sind, demnach unsichtbar für den externen Betrachter.
Die Artefakte machen den geringsten Teil der Unternehmenskultur aus, ein Außenstehender beurteilt eine Organisation also nur aufrund des für ihn sichtbaren Teils der Kultur, obwohl Werte und Grundannahmen einen wesentlich größeren Anteil ausmachen.
3. Unternehmenskultur bei W.L. Gore & Associates
Am 1. Januar 1958 gründeten Wilbert L. (Bill) und seine Frau Genevieve (Vieve) Gore im Keller ihres Hauses22 in Newark (Delaware) das heute international tätige Unternehmen Gore. Fast 10.000 Mitarbeiter in 30 Ländern erarbeiteten im Jahr 2014 über 3 Milliarden US$ mit Entwicklung, Fertigung und Vertrieb von PTFE-basierten Produkten.23
Bill Gores Motto war: „Ziel des Unternehmens ist es, Geld zu verdienen und dabei Spaß zu haben.“24, welches auch heute noch von den Mitarbeitern gelebt wird. Schon mit der Gründung integrierte Bill Gore die sehr spezielle Kultur im Betrieb, die bis heute wenigen grundlegenden Änderungen unterlegen war.
3.1. Grundüberzeugungen und Leitsätze
Gore hat auf seiner Firmenhomepage seine Unternehmenskultur veröffentlicht, sie stehen offen zu ihrem Konzept:
Vertrauen in den Einzelnen:
Innerhalb des Unternehmens wird an jeden Mitarbeiter geglaubt und ihm Vertrauen geschenkt. Dies führt zu einer Verbundenheit mit dem Unternehmen und fördert die Motivation, gute Entscheidungen dafür zu treffen. Mitarbeiter werden Associates (Verbundene) genannt, womit ausgedrückt wird, dass alle bei Gore akzeptiert werden und miteinander verbunden sind.
Die Power kleiner Teams:
Gore ist nach der besonderen Lattice-Organisation strukturiert. Das bedeutet, dass kaum Hierarchien existieren und das ganze Unternehmen dicht vernetzt ist. Es gibt keine Chefs und Manager im klassischen Sinn. In verschiedenen Projekten werden Mitarbeitern, je nach ihren Kompetenzen und der Unterstützung durch Kollegen, die Führungsrollen zugewiesen.Gore fördert die direkte Kommunikation und bevorzugt den „face-to-face“ und telefonischen Kontakt, um Beziehungen zu bilden, diese langfristig zu pflegen und Kommunikationsprobleme zu vermeiden. Um das zu unterstützen, werden Werke (d.h. Dienstgebäude, Aufteilung nach Organisationsstruktur), wenn sie mehr als 150 Mitarbeiter haben geteilt. Damit wird ein persönlicherer Kontakt gesichert, die meisten Kollegen kennen sich mit Namen in den einzelnen Werken. Das dient schnelleren Entscheidungsprozessen und einer engere Zusammenarbeit in Teams.25
[...]
1 Vgl. Förster, Jan-Henrik (2013)
2 Vgl. Schein, Edgar H. (2010)
3 Vgl. Hold, Melanie (2008), S. 20
4 Vgl. Universität der Bundeswehr München (o.J.)
5 Sackmann, Sonja A. (1983) S.395
6 Bea, Franz Xaver, Göbel, Elisabeth (1999), S.6
7 Deal, Terry, Kennedy, Allan (2000) S.4
8 Schein, Edgar H. (2010) S.18
9 Vgl. Fichtner, Hanno/Freiling, Jörg (2009) S.85
10 Vgl. Dill, Peter/Hügler, Gert (1997) S.147 ff.
11 Vgl. Haufe (o.J.)
12 Vgl. Kerpen, Philip (2007) S.40 ff.
13 Vgl. Zell, Helmut (o.J.)
14 Vgl. Keller, Martina (2014)
15 Vgl. Kerpen, Philip (2007) S.40 ff.
16 Vgl. Zell, Helmut (o.J.)
17 Vgl. Seefelder, Günther (o.J.)
18 Vgl. MIT Management Sloan School (o.J.)
19 Vgl. Schein, Edgar H. (2010) S.23 ff.
20 Vgl. Schein, Edgar H. (2010) S.23 ff.
21 Vgl. Schein, Edgar H. (2010) S.23 ff.
22 Vgl. Gore (o.J.) a
23 Vgl. Gore (o.J.) b
24 Vgl. Gore (o.J.) c
25 Vgl. Gore (o.J.) e